Kirchengeschichte des Eusebius - Buch 4

1. Im zwölften Jahre der Regierung Trajans starb der etwas weiter oben erwähnte Bischof der Kirche in Alexandrien. Als vierter Nachfolger der Apostel erhält die dortige bischöfliche Würde Primus. In Rom besteigt zu gleicher Zeit, nachdem Evaristus acht Jahre die Würde inne gehabt hatte, Alexander als Fünfter Nachfolger von Petrus und Paulus den Bischofsstuhl.

2. Die Lehre unseres Erlösers und seine Kirche blühten täglich mehr auf und machten immer größere Fortschritte. Die Juden aber gerieten durch stets neue Unglücksfälle in immer größere Not. Als der Kaiser das 18. Jahr seiner Regierung angetreten hatte, erhob sich ein neuer Aufstand der Juden, der sie viele Leute kostete. In Alexandrien wie in dem übrigen Ägypten und auch in Cyrene ließen sie sich, von einem bösen, revolutionären Geiste ergriffen, dazu herbei, sich gegen ihre griechischen Mitbürger zu erheben. Da sie den Aufstand weithin ausdehnten, entfachten sie im folgenden Jahre, während Lupus Statthalter von ganz Ägypten war, einen nicht unbedeutenden Krieg. Im ersten Treffen siegten die Juden über die Griechen, welche nach Alexandrien flohen, wo sie die daselbst wohnenden Juden gefangennahmen und niedermachten. Die Juden in Cyrene fuhren, obwohl sie von den alexandrinischen Juden keine militärische Unterstützung mehr zu erwarten hatten, fort, unter Führung des Lukuas Ägypten zu plündern und seine Fluren zu verwüsten. Der Kaiser entsandte daher gegen sie Marcius Turbo mit Fußsoldaten, Kriegsschiffen und auch Reiterei. Dieser Führte in zahlreichen Gefechten einen langwierigen, mühsamen Krieg und vernichtete zu Zehntausenden die cyreneischen Juden, aber auch ägyptische Juden, die sich ihrem König Lukuas angeschlossen hatten. Da der Kaiser befürchtete, es möchten sich auch die Juden Mesopotamiens gegen die Mitwohnenden erheben, befahl er dem Lusius Quietus, die Provinz von diesen Leuten zu reinigen. Dieser rüstete und vernichtete eine sehr große Anzahl der dortigen Juden. Zur Belohnung für diese Tat erhob ihn der Kaiser zum Statthalter von Judäa. Griechische Schriftsteller, welche die gleiche Zeit behandeln, berichten diese Ereignisse in gleicher Weise.

3. Nachdem Trajan 19 1/2 Jahre regiert hatte, folgte ihm in der Herrschaft Älius Hadrian. Diesem widmete und überreichte Quadratus eine unseren Glauben verteidigende Schrift, da einige schlimme Menschen die Unsrigen zu belästigen versucht hatten. Bei den meisten Brüdern, auch bei uns, ist diese Schrift noch immer in Umlauf. Dieselbe bietet glänzende Beweise von dem Geiste und der apostolischen Rechtgläubigkeit dieses Mannes. Daß er in die Frühzeit gehört, gibt er selbst in folgenden Worten zu erkennen: „Ständig waren in ihrer Tatsächlichkeit gegenwärtig die Werke unseres Erlösers: nämlich die Geheilten und die von den Toten Auferstandenen. Nicht nur hatte man sie im Augenblicke ihrer Heilung und ihrer Auferstehung geschaut, sondern immer waren sie zu sehen, nicht nur solange der Erlöser hienieden weilte, sondern noch geraume Zeit, nachdem er von der Erde gegangen. Sogar in unserer Zeit leben noch einige von ihnen.“ So war Quadratus. Aristides, ein Mann, der treu zu unserer Religion hielt, hat uns gleich Quadratus eine Glaubensapologie hinterlassen und sie dem Hadrian gewidmet. Auch seine Schrift ist noch jetzt bei den meisten erhalten.

4. Im dritten Jahre der gleichen Regierung stirbt Alexander, Bischof von Rom, nach zehnjähriger Amtstätigkeit. Sein Nachfolger war Xystus. Um dieselbe Zeit stirbt in der alexandrinischen Kirche Primus, als er ihr das zwölfte Jahr vorstand. Ihm folgt Justus.

5. Über die Jahre der Bischöfe in Jerusalem konnte ich überhaupt keine schriftliche Nachricht ausfindig machen; dieselben haben allerdings nach der Überlieferung nur kurze Zeit gelebt. So viel habe ich jedoch aus Aufzeichnungen erfahren, daß bis zur Niederwerfung der Juden unter Hadrian sich in Jerusalem 15 Bischöfe gefolgt sind. Sie sollen alle von Geburt Hebräer gewesen sein, aber die Lehre Christi aufrichtig angenommen haben, weshalb sie des bischöflichen Amtes von den maßgebenden Personen für würdig erklärt worden waren. Es habe nämlich damals noch die ganze kirchliche Gemeinde (in Jerusalem) aus Hebräern bestanden, angefangen von den Aposteln bis zur erwähnten Niederwerfung, in der die Juden nach ihrem abermaligen Abfall von den Römern in bedeutenden Schlachten unterworfen wurden. Da damals die Bischöfe aus der Beschneidung aufhörten, so dürfte es am Platze sein, diese von Anfang an hier aufzuzählen:

1. Jakobus, der sog. Bruder des Herrn 2. Symeon 3. Justus 4. Zachäus 5. Tobias 6. Benjamin 7. Johannes 8. Matthias 9. Philippus 10. Senekas 11. Justus 12. Levi 13. Ephres 14. Joseph 15. Judas

Dies sind die Bischöfe Jerusalems von den Aposteln an bis zur angegebenen Zeit; sämtliche waren aus der Beschneidung.

Im zwölften Jahre der kaiserlichen Regierung folgt auf dem bischöflichen Stuhle in Rom Telesphorus als siebter Nachfolger der Apostel dem Xystus, nachdem dieser zehn Jahre im Amte tätig gewesen war. Ein Jahr und einige Monate später tritt in der Kirche zu Alexandrien Eumenes als sechster die bischöfliche Würde an, nachdem sein Vorgänger elf Jahre regiert hatte.

6. Als sich die Abfallsbewegung der Juden von neuem gewaltig ausdehnte, trat Rufus, der Statthalter von Judäa, nachdem ihm der Kaiser militärische Verstärkung geschickt hatte, in rücksichtsloser Ausnützung ihres törichten Gebarens dagegen auf, indem er auf einmal Zehntausende von Männern, Kindern und Frauen vernichtete und ihren Grundbesitz nach dem Kriegsrecht einzog. Führer der Juden war ein Mann namens Barkochba, was „Stern“ bedeutet. Er war zwar eine rechte Mörder- und Räubernatur, aber durch die Kraft seines Namens wurde er sklavisch als das Licht verehrt, das den Bedrängten vom Himmel herabgestiegen und ihnen aufgeleuchtet sei. Als im 18. Jahre der kaiserlichen Regierung der Kampf gegen Beth-Ther, eine kleine, stark befestigte, nicht weit von Jerusalem entfernte Stadt, seinen Höhepunkt erreicht, sich die Belagerung immer mehr in die Länge gezogen, Hunger und Durst die Aufständischen ins äußerste Verderben gebracht hatte und der Urheber des Wahnsinnes in verdienter Weise bestraft worden war, wurde durch Gesetzesbestimmung und durch Verordnungen Hadrians dem gesamten Volke verboten, das Gebiet um Jerusalem von nun ab überhaupt noch zu betreten. Nach der Weisung Hadrians sollten die Juden den heimatlichen Boden nicht einmal mehr aus der Ferne sehen. So berichtet Ariston von Pella. Nachdem auf solche Weise die Stadt vom jüdischen Volke entblößt und der alten Einwohner vollständig beraubt worden war und Fremde sie bevölkert hatten, änderte die nun erstandene römische Stadt ihren Namen und nannte sich zu Ehren des Kaisers Alius Hadrianus Alia.

Da nun die Kirche in Jerusalem aus Heiden sich zusammensetzte, wurde dort als erster nach den Bischöfen aus der Beschneidung Markus mit dem Dienst an den dort Zugewanderten betraut.

7. Während so die über den Erdkreis sich ausbreitenden Kirchen gleich herrlich glänzenden Gestirnen leuchteten und der Glaube an unseren Erlöser und Herrn Jesus Christus siegreich zu allen Völkern drang, nahm der dem Guten abholde Teufel als Feind der Wahrheit und ständiger bitterster Gegner der menschlichen Erlösung, im Kampfe gegen die Kirche alle möglichen Mittel ausnützend, nachdem er es früher mit äußeren Verfolgungen gegen sie versucht hatte, jetzt aber dieser Kampfmittel beraubt war, schlimme, trügerische Menschen als seelenvernichtende Werkzeuge und als Knechte des Verderbens in seine Dienste. Der Teufel ging neue Wege; nichts ließ er unversucht. Falsche, verführerische Männer sollten sich unseren christlichen Namen aneignen, um einerseits die von ihnen eingefangenen Gläubigen in den Abgrund des Verderbens zu stürzen und anderseits solche, die unseren Glauben nicht kannten, durch ihre Handlungen vom Wege zur Heilslehre abzuhalten.

Von jenem Menander, den wir bereits weiter oben als Nachfolger Simons bezeichnet haben, ging eine doppelzüngige, zweiköpfige, schlangenartige Kraft aus, welche Satorninus aus Antiochien und Basilides aus Alexandrien als Häupter zweier verschiedenartiger Häresien aufstellte. Der eine von ihnen gründete in Syrien, der andere in Ägypten gottfeindliche Ketzerschulen. Wie Irenäus mitteilt, trug Satorninus in den meisten Punkten die gleiche falsche Lehre wie Menander vor und dehnte Basilides, tiefe Geheimnisse versprechend, mit Hilfe von selbsterdichteten Wundergeschichten seine gottlosen ketzerischen Erfindungen ins Unendliche aus.

Von den zahlreichen Kirchenmännern, die zu jener Zeit für die Wahrheit kämpften und mehr mit Vernunftgründen für die apostolische und kirchliche Lehre eintraten, gaben nunmehr einige in ihren Schriften den späteren Generationen auch Heilmittel gegen diese erwähnten Irrlehren in die Hand. Von diesen ist die vortreffliche „Widerlegung des Basilides“, von Agrippa Kastor, einem damals hochgeschätzten Schriftsteller, verfaßt, auf uns gekommen; dieselbe läßt erkennen, wie schlimm der Betrug jenes Mannes gewesen war. Kastor deckt die Geheimnisse des Basilides auf und teilt hierbei mit, derselbe habe 24 Bücher über das Evangelium geschrieben“ und sich selbst Propheten wie Barkabbas und Barkoph und noch einige andere, die gar nicht existiert hätten, erdichtet und benannt und ihnen, um auf Leute, die solches bestaunen, Eindruck zu machen, barbarische Namen beigelegt. Auch habe er gelehrt, es sei kein (moralischer) Unterschied zwischen denen, die den Götzen geopfertes Fleisch genießen, und denen, die in Zeiten der Verfolgung leichtsinnig ihren Glauben verleugnen, und habe nach Art der Pythagoräer seinen Anhängern ein Fünfjähriges Schweigen auferlegt. Der erwähnte Schriftsteller zählte noch andere ähnliche Lehren des Basilides auf und stellte den Irrtum der genannten Häresie meisterhaft ans Licht.

Wie Irenäus berichtet, lebte zu gleicher Zeit Karpokrates, der Vater einer anderen Sekte, nämlich der sog. Gnostiker. Diese wollten die magischen Künste des Simon nicht mehr wie jener im geheimen, sondern bereits öffentlich von sich geben, als wären es großartige Dinge, und waren geradezu stolz auf ihre mit viel Umständlichkeit hergestellten Tränke, ihre Geister, die Träume sandten und ihnen nahe waren, und andere ähnliche Beschwörungen. Im Anschluß an diese müßten - so lehrten sie - diejenigen, welche in die Tiefe ihrer verborgenen Weihen oder vielmehr ihres verdorbenen Treibens eindringen wollten, die häßlichsten Schandtaten vollbringen; denn nur dadurch könnten sie den sog. weltlichen Mächten entrinnen, daß sie jeder derselben in geheimen Handlungen den notwendigen Tribut zahlten. Solcher Leute bediente sich der schadenfrohe Teufel, um einerseits die von ihnen verführten jämmerlich dem Verderben auszuliefern und andererseits den ungläubigen Heiden Überfluß an übler Nachrede gegen das göttliche Wort zu geben, da der Ruf solcher Leute sich zur Verleumdung des ganzen Christenvolkes verbreitete. Dadurch vor allem kam es, daß damals bei den Ungläubigen der gottlose und äußerst unsinnige Verdacht umging, wir hätten mit Müttern und Schwestern unerlaubten Umgang und würden wüste Speisen genießen.

Doch nicht lange hatte der Teufel solche Erfolge zu verzeichnen. Denn die Wahrheit raffte sich auf und erstrahlte in dem folgenden Zeitalter zu herrlichem Lichte. Durch ihre Kraft widerlegt, brachen rasch die Angriffe der Feinde zusammen. Da stets neue Häresien ersonnen wurden, siechten die früheren immer wieder dahin und lösten sich bald auf diese, bald auf jene Weise zu mannigfaltigen und vielgestaltigen Erscheinungen auf. Der Glanz der katholischen und allein wahren Kirche aber wuchs und vergrößerte sich in unbedingter Beständigkeit und ließ vor allen griechischen und barbarischen Völkern Würde, Tadellosigkeit, Vornehmheit, Weisheit und Reinheit des göttlichen Lebens und der göttlichen Lehren leuchten. Mit der Zeit hörte man auch nichts mehr von den gegen die ganze Lehre ausgestreuten Verleumdungen. Es blieb aber unsere Lehre allein überall mächtig und genoß wegen ihrer Erhabenheit und Weisheit und wegen ihrer göttlichen und auch philosophischen Grundsätze größtes Ansehen. Daher wagte es bis auf unsere Zeit niemand mehr, gegen unseren Glauben solche Schmähreden und Verleumdungen auszusprechen, wie sie seinerzeit in den Kreisen unserer Gegner üblich waren.

Jedoch ließ die Wahrheit zu jener Zeit wieder mehrere ihrer Anwälte auftreten, welche nicht nur in mündlichen Widerlegungen, sondern auch in schriftlichen Begründungen gegen die gottlosen Häresien zu Felde zogen.

8. Zu den Anwälten der Wahrheit zählte Hegesippus, den wir schon oben ausführlich zu Worte kommen ließen, als wir einige seiner Berichte über das apostolische Zeitalter wiedergaben. In den Fünf Büchern, in welchen er die unverfälschte Überlieferung der apostolischen Lehre in einfachster Form wiedergab, bezeichnet er die Zeit seines Wirkens indem er über die welche von Anfang an Götzenbilder errichtet hatten, also schreibt: „Sie bauten ihnen Ehrengräber und Tempel bis auf den heutigen Tag. Zu diesen gehört Antinous, ein Sklave des Kaisers Hadrian. Ihm zu Ehren werden zu unserer Zeit die antinoischen Kampfspiele gefeiert. Auch gründete Hadrian eine Stadt, die nach Antinous benannt ist…“

Zur selben Zeit beschäftigte sich Justin, ein aufrichtiger Freund der wahren Philosophie, noch eifrig mit griechischen Ideen. Auf diese Zeit verweist er selbst in seiner Apologie an Antoninus mit den Worten: „Wir halten es nicht für unangebracht, an dieser Stelle auch an Antinous, unseren Zeitgenossen, zu erinnern, den alle aus Angst eifrig wie einen Gott verehren wollen, obwohl sie doch seine Person und seine Herkunft kennen.“

Justin erwähnt auch den damaligen jüdischen Krieg. Er schreibt darüber: „Während des zu unserer Zeit entbrannten jüdischen Krieges ließ nämlich Barkochba, der Führer der jüdischen Abfallsbewegung, nur gegen die Christen vorgehen, welchen er schwere Strafen auferlegte, wenn sie nicht Jesus Christus verleugneten und schmähten.“

In der gleichen Schrift berichtet Justin, daß sein Übertritt von der heidnischen Philosophie zur wahren Gottesverehrung nicht ohne Überlegung, sondern nach reiflichem Erwägen erfolgt sei. Er schreibt: „Als ich selbst noch Gefallen an der platonischen Lehre fand, hörte ich, wie die Christen gelästert wurden. Doch da ich sah, wie diese gegenüber dem Tode und allem, was für schrecklich gilt, furchtlos waren, dachte ich mir, es kann nicht sein, daß sie in Sünde und Genußsucht leben. Denn welcher genußsüchtige und wollüstige Mensch, der den Genuß von Menschenfleisch für etwas Gutes hält, vermöchte es, den Tod zu begrüßen, der ihn doch seiner sinnlichen Freuden beraubt? Sollte er nicht vielmehr, statt sich selbst der Todesstrafe auszuliefern, mit allen Mitteln darnach streben, ständig hier leben zu können und der Obrigkeit verborgen zu bleiben?“

Justin erzählt auch, Hadrian habe von Serenius Granianus, einem ganz vorzüglichen Beamten, ein Schreiben zugunsten der Christen erhalten des Inhaltes, es sei nicht gerecht, die Christen ohne Anklage und ohne gerichtliche Untersuchung auf das Geschrei des Pöbels hin zu töten. Daraufhin habe Hadrian dem Minucius Fundanus, dem Prokonsul Asiens, in einem Antwortschreiben den Befehl gegeben, niemanden zu verurteilen, wenn nicht eine Anklage vorliege und der Prozeß nicht gewissenhaft geführt sei. Justin gibt eine Abschrift des Briefes unter Beibehaltung der lateinischen Sprache, in der er geschrieben war. Er schickt ihm folgende Einleitung voraus:

„Schon unter Berufung auf einen Brief des größten, erlauchtesten Kaisers Hadrian, eures Vaters, hätten wir das Recht, von euch die Weisung zu verlangen, daß die richterlichen Urteile in der von uns erbetenen Form gefällt werden. Doch haben wir darum nicht so sehr deshalb gebeten, weil Hadrian dies befohlen hatte, als vielmehr aus dem Bewußtsein, mit unserem Apell Gerechtes zu fordern. Damit ihr erkennet, daß wir hierin die Wahrheit reden, fügen wir auch noch die Abschrift des Briefes Hadrians bei. Er lautet wie folgt.“ Der erwähnte Schriftsteller läßt nun das Reskript in lateinischer Sprache folgen. Wir aber haben es so gut wie möglich ins Griechische übersetzt. Es lautet:

9. „An Minucius Fundanus. Von dem trefflichen Serenius Granianus, deinem Vorgänger, habe ich ein an mich gerichtetes Schreiben erhalten. Es scheint mir nun nicht gut zu sein, die Sache ohne Untersuchung hingehen zu lassen; denn die Leute sollen nicht beunruhigt werden, und die Angeber sollen keine Gelegenheit haben, ihrer Bosheit freien Lauf zu lassen. Wenn sich nun die Provinzialen für ihre Forderung gegen die Christen auf klare Gründe stützen, so daß sie sich auch vor dem Richterstuhle verantworten können, dann sollen sie nur diesen Weg gehen. Nicht aber sollen sie sich aufs Fordern und nur aufs Schreien verlegen. Denn es ist viel besser, daß du, im Falle jemand eine Anklage erheben will, die Sache untersuchen läßt. Wenn also jemand als Kläger auftritt und nachweist, daß sie in irgendwelcher Weise gegen die Gesetze handeln, dann fälle dein Urteil entsprechend dem Vergehen! Wer aber in verleumderischer Absicht Klage stellt, den fürwahr ziehe wegen seiner Frechheit zur Verantwortung und für dessen Bestrafung trage Sorge!“ Dies ist der Wortlaut von Hadrians Reskript.

10. Nachdem Hadrian 21 Jahre regiert hatte, zahlte er dem Tode seinen Tribut, und an seine Stelle trat in der römischen Regierung Antoninus mit dem Beinamen „der Fromme“. In dem ersten Jahre seiner Regierung schied Telesphorus, nachdem er zehn Jahre die Kirche verwaltet hatte, aus dem Leben, und Hyginus erhielt die bischöfliche Würde in Rom. Irenäus erzählt, daß Telesphorus sein Lebensende durch das Martyrium verherrlicht habe. In dem gleichen Buche berichtet er auch, daß unter dem erwähnten römischen Bischofe Hyginus sowohl Valentin, der Gründer einer eigenen Häresie, als auch Cerdo, der Urheber des marcionitischen Irrtums, in Rom aufgetreten seien. Er schreibt:

11. „Valentin kam unter Hyginus nach Rom, gewann unter Pius Ansehen und blieb noch bis Anicet. Auch Cerdo, der Vorläufer Marcions, kam unter Hyginus, dem neunten Bischof, in die Kirche, wo er das Glaubensbekenntnis ablegte. Seine weitere Geschichte war: er trug im geheimen Lehren vor, legte wiederum das Glaubensbekenntnis ab, wurde schlechter Lehren überführt und fiel von der Gemeinschaft der Brüder ab.“

So erzählt Irenäus im dritten Buche seiner Schrift „Gegen die Häresien“. Im ersten Buche Führt er über Cerdo aus: „Als ein gewisser Cerdo, der von den Anhängern Simons beeinflußt worden war, sich unter Hyginus, dem neunten Bischofe seit den Aposteln, in Rom aufhielt, lehrte er, der vom Gesetze und den Propheten verkündete Gott wäre nicht identisch mit dem Vater unseres Herrn Jesus Christus; der eine wäre erkennbar, der andere unerkennbar, der eine gerecht, der andere gut. Sein Nachfolger Marcion aus Pontus machte durch seine schamlosen Lästerungen noch mehr Schule.“

Irenäus bahnt sich energisch einen Weg durch den unermeßlichen Abgrund der vielen Irrtümer Valentins über die Materie und legt dann dessen Schlechtigkeit bloß, die sich gleich einer in der Höhle lauernden Schlange versteckt und verborgen hielt. Er erzählt auch, daß zu gleicher Zeit noch ein anderer Irrlehrer, namens Markus, ein in den magischen Taschenspielereien sehr erfahrener Mann, lebte. Über die unheiligen Heiligungen und die schmutzigen Einweihungen äußert er sich wörtlich also: „Die einen bereiten ein Brautgemach und vollziehen die Weihe unter gewissen Worten an die Weihekandidaten. Sie nennen diese Zeremonie geistige Vermählung und spielen auf die himmlischen Vermählungen an. Andere Führen die Kandidaten an das Wasser und taufen sie mit den Worten: Im Namen des unerkennbaren Vaters von allem, in der Wahrheit, der Mutter von allem, und in dem, der auf Jesus herabgekommen ist. Andere sprechen hierbei hebräische Worte, um auf die Weihezöglinge um so tieferen Eindruck zu machen.“

Nach vier Jahren bischöflichen Wirkens starb Hyginus, worauf Pius mit dem Priesterdienst in Rom betraut wurde. In Alexandrien wurde Markus zum Hirten erwählt, nachdem Eumenes im ganzen 13 Jahre regiert hatte. Markus ging nach zehnjähriger Amtstätigkeit zur Ruhe, worauf Celadion die Leitung der Kirche in Alexandrien übernahm. Nachdem in Rom Pius im 15. Jahre seines bischöflichen Wirkens verschieden war, trat Anicet dort an die Spitze. Zu seiner Zeit kam Hegesippus, wie er selbst berichtet, nach Rom und blieb hier bis zu Bischof Eleutherus. Zur Zeit dieser Bischöfe trat vor allem Justin hervor, der im Gewande eines Philosophen das göttliche Wort verkündete und in seinen Schriften für den Glauben kämpfte. In einer Schrift, welche er gegen Marcion verfaßt hat, erwähnt er, daß zur Zeit, da er schrieb, Marcion noch am Leben war. Er sagt: „Ein gewisser Marcion aus Pontus lehrt noch jetzt seine Anhänger, sie sollen glauben, daß es einen Gott gebe, der noch größer ist als der Weltschöpfer. Mit Hilfe der Dämonen hat er bei allen Volksstämmen die Maßen dazu verführt, den Schöpfer dieses Alls zu schmähen und zu leugnen, daß er der Vater Christi ist, dagegen einen anderen, der größer wäre, als den Weltschöpfer zu bekennen. Alle, die sich von diesen Ideen beeinflussen lassen, werden, wie wir sagten, Christen genannt, wie ja auch den Philosophen, obgleich sie in ihren Lehren auseinander gehen, dennoch der Name Philosophie gemeinsam ist.“ Dann fährt Justin fort: „Wir haben auch eine Schrift gegen alle Häresien verfaßt. Wenn ihr sie zu lesen wünscht, werden wir sie euch geben.“

Nachdem Justin eine treffliche Schrift gegen die Hellenen und weitere Bücher, welche eine Verteidigung unseres Glaubens enthalten, fertiggestellt hatte, wandte er sich damit an Antoninus Pius und den römischen Senat; hatte er doch auch in Rom seinen Aufenthalt genommen. In der Apologie äußert er sich selbst über seine Person und seine Herkunft also:

12. „An Kaiser Titus Alius Hadrianus Antoninus Pius Cäsar Augustus, an seinen Sohn Verissimus, den Philosophen, an Lucius, den leiblichen Sohn des Philosophen und Thronanwärters und Adoptivsohn des Pius, den Freund der Wissenschaften, an den heiligen Senat und an das ganze römische Volk richte ich, Justinus, Sohn des Priskus und Enkel des Bacchius, aus Flavia Neapolis im palästinensischen Syrien stammend, für die jedem Volksstamm angehörenden, mit Unrecht gehaßten und verleumdeten Leute, zu denen auch ich zähle, folgende Ansprache und Bittschrift.“

Da der gleiche Kaiser auch von anderen Brüdern Asiens, welche von den dortigen Bewohnern alle möglichen Drangsale zu erleiden hatten, angegangen worden war, hielt er es für recht, an „die Vertretung Asiens“ folgenden Befehl ergehen zu lassen:

13. „Selbstherrscher Cäsar Markus Aurelius Antoninus Pius Armenius, oberster Priester, zum 15. Male Volkstribun, zum dritten Male Konsul, entbietet der Vertretung Asiens seinen Gruß. Ich weiß, daß auch den Göttern daran gelegen ist, daß solche Leute nicht verborgen bleiben. Denn den Göttern kommt es weit mehr als euch zu, diejenigen zu bestrafen, welche sie nicht anbeten wollen. Diejenigen, welche ihr belästigt, befestigt ihr in der Auffassung, die sie haben, wenn ihr sie der Gottlosigkeit anklagt. Es dürfte ihnen, wenn sie angeklagt werden, erwünscht sein, zu zeigen, daß sie um ihres eigenen Gottes willen lieber sterben als leben. Daher gehen sie auch als Sieger hervor, da sie eher ihr Leben hingeben, als daß sie auf eure Forderungen eingehen. Bezüglich der Erdbeben, die sich ereignet haben und noch ereignen, ist es am Platze, euch zu erinnern, daß ihr bei solchen Ereignissen mutlos seid und damit unsere Sache ihnen gegenüber preisgebt. Die Christen setzen ihr Vertrauen erst recht auf Gott, während ihr offenbar die ganze Zeit hindurch den Kopf verlieret und euch weder um die übrigen Götter noch um den Dienst des Unsterblichen kümmert, wegen dessen Verehrung ihr die Christen tödlich bedrängt und verfolgt. Bezüglich der Christen hatten sich bereits viele Statthalter brieflich an unseren göttlichen Vater gewandt, der ihnen in einem Reskript befahl, sie sollten die Christen nicht belästigen, es sei denn, daß sie offenkundig etwas gegen die römische Regierung unternähmen. Auch ich habe über die Christen von vielen Seiten Berichte erhalten, auf welche ich ganz im Sinne meines Vaters geantwortet habe. Sollte aber jemand darauf beharren, einen Christen als solchen vor Gericht zu Führen, dann soll der Angeklagte, auch wenn er wirklich Christ ist, freigesprochen, der Kläger aber verhaftet werden. Vorgelegt zu Ephesus vor der Vertretung Asiens „

Hierfür ist Zeuge Melito, Bischof von Sardes, der damals lebte. Sein Zeugnis ergibt sich aus einer an den Kaiser Verus zugunsten unserer Lehre gerichteten Apologie.

14. Unter der erwähnten Regierung und unter dem römischen Bischofe Anicet lebte, wie Irenäus berichtet, noch Polykarp. Er weilte in Rom, und besprach sich mit Anicet wegen der Streitfrage um den Ostertermin. Irenäus überliefert über Polykarp noch eine andere Erzählung, welche dem über ihn gegebenen Bericht noch beigefügt werden muß. Dieselbe ist dem dritten Buche des Irenäus „Gegen die Häresien“ entnommen und lautet:

„Polykarp wurde nicht nur von den Aposteln unterrichtet und verkehrte nicht nur mit vielen, die noch den Herrn gesehen hatten, sondern wurde sogar von den Aposteln in Asien als Bischof der Kirche in Smyrna aufgestellt. Wir selbst haben ihn in unserer ersten Jugend gesehen. Er hatte nämlich ein sehr langes Leben und schied erst in hohem Alter nach einem ruhmvollen, sehr glänzenden Martyrium aus dem Leben. Er lehrte stets die Lehre der Apostel und die Oberlieferung der Kirche, die allein wahr sind. Das bezeugen auch alle Kirchen Asiens sowie die Nachfolger Polykarps bis auf den heutigen Tag; denn er war ein viel glaubwürdigerer und verlässigerer Zeuge der Wahrheit als Valentin, Marcion und die übrigen Irrlehrer. Unter Anicet weilte er in Rom, wo er viele von den erwähnten Häretikern für die Kirche Gottes durch die Erklärung gewann, daß es einzig und allein die von der Kirche überlieferte Wahrheit sei, welche er von den Aposteln empfangen habe.

Es gibt Leute, die ihn erzählen hörten, Johannes, der Jünger des Herrn, habe, als er in Ephesus ein Bad nehmen wollte, aber sah, daß Cerinth in demselben war, die Badeanstalt, ohne sich gebadet zu haben, verlassen und ausgerufen: Lasset uns fliehen! Denn es ist zu fürchten, daß die Badeanstalt einstürze, da Cerinth, der Feind der Wahrheit, darin ist. Als Marcion einmal dem Polykarp begegnete und ihm sagte: Erkenne uns an! antwortete dieser: Ich erkenne, ich erkenne (= durchschaue) den Erstgeborenen des Satans. Die Apostel und ihre Schüler hielten sich gegenüber denen, welche die Wahrheit fälschten, so sehr zurück, daß sie sich nicht einmal in ein Gespräch mit ihnen einließen. Es hat ja auch Paulus erklärt: Hast du einen Häretiker ein- oder zweimal zurechtgewiesen, dann halte dich von ihm ferne in dem Bewußtsein, daß ein solcher verkehrt ist und sündigt und über sich selbst das Urteil fällt! Es existiert auch ein sehr lehrreicher Brief Polykarps. Er hat ihn an die Philipper geschrieben. Wer Lust dazu hat und für sein Seelenheil besorgt ist, kann aus demselben die Art seines Glaubens und die Predigt der Wahrheit lernen“. Soweit Irenäus. In seinem erwähnten, noch erhaltenen Brief an die Philipper beruft sich Polykarp einige Male auf den ersten Brief Petri.

Nachdem Antoninus Pius volle 22 Jahre regiert hatte, folgte ihm Markus Aurelius Verus, auch Antoninus genannt, sein Sohn, mit seinem Bruder Lucius.

15. Unter Mark Aurel gelangte Polykarp während der in Asien wütenden heftigen Verfolgungen im Martyrium zur Vollendung. Ich erachte es für sehr notwendig, sein Lebensende, dessen schriftliche Aufzeichnung noch vorhanden ist, in unserer Geschichte der Nachwelt zu überliefern. Es ist dies das Schreiben, welches im Namen der Kirche, die von Polykarp geleitet worden war, an die Gemeinden in der Gegend sein Schicksal also mitteilt:

„Die Kirche Gottes zu Smyrna an die Kirche Gottes in Philomelium und an alle Gemeinden der heiligen katholischen Kirche auf der ganzen Welt: möge sich die Barmherzigkeit, der Friede und die Liebe Gottes des Vaters und unseres Herrn Jesus Christus mehren! Wir berichten euch, Brüder, das Schicksal der Märtyrer und des seligen Polykarp, welcher durch sein Martyrium wie mit einem Siegel die Verfolgung beendet hat“.

Sodann erzählen sie, noch ehe sie über Polykarp berichten, die Schicksale der anderen Märtyrer und beschreiben ihre Standhaftigkeit im Ertragen von Leiden. Nach ihrem Berichte erschraken die Umstehenden, als sie sahen, wie sie bald mit Geißeln bis auf die verborgensten Adern und Blutgefäße derart zerfleischt wurden, daß man selbst den innersten Bau des Körpers, Eingeweide und Gliederformen sehen konnte, wie sie bald auf Muscheln und spitzige Pfähle gelegt wurden und nach allen möglichen Qualen und Martern schließlich wilden Tieren zur Nahrung vorgeworfen wurden. Ganz besonders - so erzählen sie - zeichnete sich der edle Germanikus aus, indem er mit der göttlichen Gnade die angeborene körperliche Furcht vor dem Tode überwand. Als ihn der Prokonsul zu überreden suchte, auf sein Alter hinwies und ihm eindringlich vorhielt, daß er mit Rücksicht auf seine Jugend und auf die Blüte seiner Jahre mit sich selber Mitleid haben solle, zögerte er nicht, sondern riß das wilde Tier gierig an sich und zwang und reizte es geradezu, um von ihrem ungerechten, frevelhaften Leben um so schneller loszukommen. Anläßlich des glorreichen Todes dieses Mannes entsetzte sich die ganze Maße über den gottgeliebten Zeugen der Standhaftigkeit und über den Heldenmut des ganzen Christengeschlechtes, und einstimmig begann sie zu schreien: „Fort mit den Gottlosen! Auf zur Suche nach Polykarp!“

Als mit diesem Geschrei der Tumult sehr groß geworden war, wurde ein Phrygier, namens Quintus, der erst vor kurzem aus Phrygien angekommen war, beim Anblick der wilden Tiere und der übrigen Gefahren kleinmütig und ängstlich und gab schließlich sein Heil preis. Wie das erwähnte Schreiben mitteilt, war er sehr voreilig und ohne gründliche Überlegung mit den anderen vor den Richterstuhl getreten und wurde nach seiner Gefangennahme allen ein sprechendes Beispiel dafür, daß man sich nicht tollkühn und ohne Überlegung in solche Gefahren begeben dürfe. So war das Ende der einen. Der bewundernswerte Polykarp aber ließ sich bei der ersten Schreckensnachricht nicht aus der Fassung bringen, bewahrte seine unerschütterliche Ruhe und wollte in der Stadt bleiben. Doch gab er dem Drängen seiner Umgebung, die ihn aufforderte, fortzugehen, nach und ging auf ein in der Nähe der Stadt gelegenes Landgut, wo er sich mit einigen aufhielt, um Tag und Nacht einzig und allein zum Herrn zu flehen und so, wie er es immer zu tun pflegte, für die Kirchen des ganzen Erdkreises dringend den Frieden zu erbitten. Drei Tage vor seiner Gefangennahme hatte er während des Betens bei Nacht ein Gesicht und sah, wie sein Kopfkissen plötzlich vorn Feuer ergriffen wurde und verbrannte. Als er wieder zu sich kam, legte er sofort den Anwesenden die Erscheinung aus, sagte ihnen geradezu die Zukunft voraus und erklärte seiner Umgebung offen, daß er um Christi willen des Feuertodes sterben müsse.

Da seine Häscher sehr eifrig bei der Arbeit waren, soll er, durch die liebevolle Sorge der Brüder genötigt, noch einmal den Aufenthaltsort gewechselt haben und auf ein anderes Landgut gegangen sein. Doch gar bald kamen seine Verfolger dahin. Sie ergriffen zwei der dortigen Diener und kamen, nachdem sie einen gefoltert hatten, durch seine Angabe zum Versteck des Polykarp. Da es schon spät war, als sie ankamen, fanden sie ihn im oberen Stockwerk ruhend. Er hätte von da in ein anderes Haus fliehen können, doch wollte er es nicht tun, sondern sprach: „Der Wille Gottes geschehe!“ Das Schreiben berichtet, er sei, als er von ihrer Anwesenheit erfuhr, hinuntergegangen und habe so heiter und so liebenswürdig mit ihnen gesprochen, daß die, welche ihn nicht schon vorher gekannt hatten, glaubten, eine wunderbare Erscheinung zu sehen; erstaunt waren sie über sein hohes Alter und über die Würde und Gelassenheit seines Benehmens und darüber, daß man solche Mühe aufwenden konnte, einen so alten Mann gefangenzunehmen. Ohne Zögern ließ Polykarp sofort für sie den Tisch decken, forderte sie dann auf, von der reichlich vorgesetzten Speise zu nehmen, und erbat von ihnen eine Stunde Frist, damit er in Ruhe beten könne. Da ihm die Bitte gewährt wurde, stand er auf und betete voll der Gnade des Herrn in einer Weise, daß die Anwesenden erschüttert wurden, als sie ihn beten hörten, und daß viele von ihnen Reueschmerz empfanden bei dem Gedanken, daß sie einen Greis, der so voller göttlicher Würde war, zum Tode Führen wollten. Das ihn betreffende Schreiben erzählt sodann den weiteren Verlauf seiner Geschichte wörtlich also:

„Endlich schloß er sein Gebet, in welchem er aller gedachte, die ihm jemals begegnet waren, kleiner und großer, berühmter und unberühmter Leute und der ganzen katholischen Kirche auf dem Erdkreise. Als nun die Stunde gekommen war, aufzubrechen, setzte man ihn auf einen Esel und brachte ihn in die Stadt; es war an einem großen Sabbate. Da kamen ihm der Irenarch Herodes und dessen Vater Niketes entgegen. Sie nahmen ihn zu sich auf den Wagen und suchten ihn, während sie neben ihm saßen, zu überreden mit den Worten: Was ist es denn Schlimmes, Herr Kaiser zu sagen, zu opfern und sich das Leben zu retten? Polykarp gab ihnen zunächst keine Antwort; als sie ihm aber keine Ruhe ließen, erklärte er: Ich bin nicht gewillt, das zu tun, was ihr mir ratet. Da es ihnen nicht gelang, ihn zu überreden, beschimpften sie ihn und stießen ihn mit solcher Gewalt, daß er sich beim Absteigen vom Wagen das Schienbein verletzte. Doch er achtete nicht darauf, ging, wie wenn ihm nichts zugestoßen wäre, wohlgemut und eilends weiter und wurde in die Rennbahn geführt.

Als Polykarp in die Rennbahn eintrat, erscholl vom Himmel eine Stimme: Mut, Polykarp, sei ein Mann! Infolge des großen Lärmes in der Rennbahn wurde aber die Stimme von der Menge gar nicht gehört. Niemand sah den, der die Worte sprach, aber viele von den Unsrigen vernahmen die Stimme. Als man erfuhr, Polykarp sei verhaftet, entstand großer Lärm bei seiner Vorführung. Der Prokonsul, vor den er trat, fragte ihn nun, ob er Polykarp sei. Er bejahte es, worauf jener ihm nahelegte, er solle (seinen Glauben) verleugnen, ihn aufforderte: Nimm Rücksicht auf dein hohes Alter! und an ihn noch die anderen üblichen Worte richtete: Schwöre beim Glücke des Kaisers, ändere deine Gesinnung, sprich: Fort mit den Gottlosen! Mit ernstem Blicke sah Polykarp auf die ganze Versammlung in der Rennbahn, streckte seine Hand aus, seufzte, schaute zum Himmel und rief: Fort mit den Gottlosen! Als der Prokonsul weiter in ihn drang mit den Worten: Schwöre, und ich werde dich freilassen! Lästere deinen Christus! antwortete Polykarp: Schon 86 Jahre diene ich ihm, und er hat mir kein Leid getan. Wie kann ich meinen König, der mich erlöst hat, lästern? Als ihm aber der Prokonsul wieder keine Ruhe ließ und ihn aufforderte: Schwöre beim Glücke des Kaisers! entgegnete Polykarp: Wenn du dir mit dem Gedanken schmeichelst, ich würde, um deine Worte zu gebrauchen, beim Glücke des Kaisers schwören, und dich deshalb stellst, als wüßtest du nicht, wer ich bin, dann vernimm das offene Bekenntnis: Ich bin Christ. Willst du die christliche Lehre kennenlernen, dann bestimme einen Termin zur Aussprache! Der Prokonsul gab ihm zur Antwort: Das Volk magst du überzeugen. Polykarp wandte ein: Dich habe ich einer Antwort gewürdigt; denn man hat uns gelehrt, den von Gott aufgestellten Fürsten und Beamten die gebührende Ehre zu erweisen, sofern solche Ehrung uns keinen Schaden bringt. Jene aber halte ich nicht für würdig, mich ihnen gegenüber zu verteidigen. Da erklärte der Prokonsul: Wilde Tiere stehen mir zur Verfügung. Ihnen werde ich dich vorwerfen lassen, wenn du nicht nachgibst. Polykarp bemerkte: Lasse sie kommen! Denn unmöglich ist es uns, uns vom Besseren zum Schlimmeren zu bekehren. Gut aber ist es, sich vom Schlimmen weg zur Gerechtigkeit hinzuwenden. Der Prokonsul: Wenn du dir aus den wilden Tieren nichts machst und hartnäckig bleibst, lasse ich dich vom Feuer bezähmen! Polykarp: Du drohst mir mit einem Feuer, das nur einige Zeit brennt und bald wieder erlischt. Nicht kennst du das Feuer des kommenden Gerichtes und der ewigen Strafe, das den Gottlosen bestimmt ist. Doch warum zögerst du? Hole herbei, was du willst! Während Polykarp diese und noch andere Worte sprach, war er von Mut und Freude erfüllt, und sein Angesicht strahlte von Anmut, so daß er nicht nur nicht bei den Worten, die man an ihn richtete, bestürzt zusammenbrach, sondern daß vielmehr der Prokonsul voll Schrecken seinen Herold ausschickte, dreimal mitten in der Rennbahn zu verkünden: Polykarp hat sich als Christ bekannt. Bei diesen Worten des Herolds schrie die ganze Menge der in Smyrna wohnenden Heiden und Juden mit unverhohlener Wut und mit lauter Stimme: Dieser ist der Lehrer Asiens, der Vater der Christen, der Vernichter unserer Götter, der viele vom Opfer und Gebet abhält! So schrie die Maße und verlangte lärmend vom Asiarchen Philippus, er solle auf Polykarp einen Löwen loslassen. Dieser aber erklärte, es sei ihm nicht gestattet, da die Tierhetzen bereits beendet seien. Da beschlossen sie, einstimmig zu rufen, Polykarp solle lebendig verbrannt werden. Es mußte sich das Gesicht bezüglich des Kopfkissens bewahrheiten; er hatte nämlich, als er während des Gebetes dasselbe brennen sah, zu den Gläubigen, welche bei ihm waren, die prophetischen Worte gesprochen: Ich muß lebendig verbrannt werden.

Gesagt, getan: eilends holt die Menge aus den Werkstätten und Bädern Holz und Reisig zusammen, wobei die Juden ihrer Gewohnheit gemäß bereitwillig die grüßten Dienste leisteten Als der Holzstoß errichtet war, legte Polykarp alle seine Oberkleider ab und löste seinen Gürtel, sodann suchte er auch seine Schuhe auszuziehen. Sonst brauchte er dies nicht zu tun, da stets alle Gläubigen gewetteifert hatten, zuerst seinen Leib berühren zu dürfen; denn schon bevor er graues Haar hatte, wurde er wegen seines tugendhaften Wandels auf jegliche Weise ausgezeichnet. Das für den Scheiterhaufen hergerichtete Material wurde sofort um ihn herum gelegt. Als man ihn auch annageln wollte, erklärte er: Lasset mich so! Denn der, welcher gibt, das Feuer zu ertragen, wird mir auch die Gnade geben, ohne Sicherung durch Annagelung unbeweglich auf dem Scheiterhaufen stehen zu bleiben. Sie nagelten ihn daher nicht an, doch banden sie ihn fest. Er aber, die Hände am Rücken und festgemacht gleich einem herrlichen Widder, der aus einer großen Herde zu einem für den allmächtigen Gott angenehmen Opfer auserlesen wurde, sprach das Gebet: O Vater deines geliebten und gepriesenen Sohnes Jesus Christus, der uns deine Erkenntnis vermittelt hat, o Gott der Engel und Mächte und aller Schöpfung und des ganzen Geschlechtes der Gerechten, die vor dir leben, ich preise dich, daß du mich dieses Tages und dieser Stunde gewürdigt hast, so daß ich unter der Schar der Märtyrer teilnehme an dem Kelche deines Christus, um seelisch und körperlich in der Unvergänglichkeit des Geistes zu ewigem Leben aufzuerstehen. Möchte ich unter die Zahl der Märtyrer heute vor dir aufgenommen werden als fettes, wohlgefälliges Opfer! Denn du, untrüglicher, wahrhaftiger Gott, hast dieses Opfer vorherverkündet und erfüllt, du hast es zubereitet. Deshalb für alles bringe ich dir Lob, Dank und Verherrlichung durch den ewigen Hohenpriester Jesus Christus, deinen geliebten Sohn, durch welchen dir mit ihm selbst im Heiligen Geiste die Ehre sei jetzt und in alle Ewigkeit. Amen!

Nachdem Polykarp das Amen ausgesprochen und sein Gebet beendet hatte, zündeten die Leute, die den Brand besorgten, das Feuer an. Als die Flamme mächtig emporloderte, schauten wir ein Wunder; denn uns wurde die Gnade gegeben, das Wunder zu sehen, und wir wurden bestimmt, anderen das Geschehene zu verkünden. Das Feuer, das sich gleich einem vom Winde geschwellten Segel wölbte, umgab rings den Leib des Märtyrers wie eine (schützende) Mauer. Sein Fleisch verbrannte nicht darin, sondern es war wie Gold und Silber in einem Schmelzofen. Auch empfanden wir einen Wohlgeruch wie von duftendem Weihrauch oder anderen kostbaren Gewürzen. Als schließlich die Gottlosen merkten, daß sein Leib vom Feuer nicht verzehrt werden könne, befahlen sie dem Konfektor er solle zu Polykarp hingehen und ihm das Schwert in die Brust stoßen. Er tat dies, worauf eine solche Menge Blutes floß, daß es das Feuer auslöschte und die ganze Menschenmenge sich wunderte über den großen Unterschied, der zwischen den Ungläubigen und den Auserwählten besteht. Zu den Auserwählten zählte auch unser Polykarp, ein Lehrer von apostolischem und prophetischem Geist und von größtem Ansehen in unserer (christlichen) Zeit, Bischof der katholischen Kirche in Smyrna. Jedes Wort aus seinem Munde hat sich erfüllt und wird sich noch erfüllen.

Als aber der eifersüchtige und verleumderische Böse, der gegen das Geschlecht der Gerechten ankämpft, die Größe seines Martyriums, seinen von Anfang an unbefleckten Lebenswandel, seine Krönung mit dem Kranze der Unvergänglichkeit und seine Auszeichnung mit einem unbestreitbaren Kampfpreise sah, da suchte er sogar zu verhindern, daß wir seine leiblichen Überreste wegtrugen, wonach doch viele verlangt hatten, um mit seinem heiligen Fleische in Berührung zu kommen. Einige veranlaßten daher den Niketes, den Vater des Herodes und Bruder der Alke, den Prokonsul zu ersuchen, daß er den Leichnam nicht herausgäbe, damit nicht die Christen - so lauteten seine Worte - den Gekreuzigten verlassen und anfangen, den Polykarp zu verehren. So sagten sie auf Veranlassung und Drängen der Juden, welche schon auf uns achtgegeben hatten, als wir Polykarp aus dem Feuer holen wollten. Sie sahen nicht ein, daß wir weder Christus, der für das Heil aller, die auf Erden erlöst werden, gelitten hat, verlassen, noch einen anderen anbeten können. Christus beten wir an, weil er der Sohn Gottes ist, den Märtyrern aber erweisen wir als Jüngern und Nachahmern des Herrn würdige Verehrung wegen ihrer unübertrefflichen Liebe zu ihrem König und Lehrer. Möchten doch auch wir ihre Genossen und Mitjünger werden!

Als der Hauptmann die Bosheit der Juden merkte, ließ er Polykarp aufbahren und dem Brauch gemäß verbrennen. Auf solche Weise kamen wir hernach in den Besitz seiner Gebeine, die wertvoller sind als Edelsteine und kostbarer als Gold. Wir bestatteten dieselben an geeigneter Stelle. Dort werden wir uns wo möglich in Jubel und Freude versammeln, um mit der Gnade des Herrn den Tag seines Martyriums und seiner Geburt zu feiern zur Erinnerung an die, welche uns im Kampfe vorangegangen sind, und zur Übung und Vorbereitung für die, welche im Kampfe folgen. Soviel über den heiligen Polykarp, welcher, wenn die aus Philadelphia stammenden Märtyrer mit eingerechnet werden, der zwölfte Blutzeuge in Smyrna war, den aber alle häufiger erwähnen, so daß selbst die Heiden überall von ihm sprechen.“

Das Geschehen um den wunderbaren, apostolischen Polykarp war eines solchen Abschlusses gewürdigt worden nach dem Berichte, den die Brüder der Kirche von Smyrna in dem erwähnten Briefe niedergelegt haben. Dem gleichen Schreiben über Polykarp waren noch andere Martyrien beigefügt worden, die ebenfalls in Smyrna eben zur Zeit, da Polykarp Blutzeuge wurde, erfolgt waren. Zu diesen gehört die Hinrichtung des Metrodorus, der für einen Priester der marcionitischen Irrlehre gehalten wurde und des Feuertodes starb. Zu den berühmten Blutzeugen der damaligen Zeit zählte auch ein gewisser Pionius. Eine Schrift über ihn erzählt ausführlich von seinen einzelnen Bekenntnissen, seinem Freimut im Reden, seinem Eintreten für den Glauben vor dem Volke und den Beamten, seinem öffentlichen Unterricht, ferner seinem Entgegenkommen gegenüber denen, die sich in der Zeit der Verfolgung verführen ließen, seinen Trostworten an die Brüder, welche ihn im Gefängnis besuchten, seinen sonstigen Martern und Schmerzen, seiner Annagelung, seiner Standhaftigkeit auf dem Scheiterhaufen und seinem unter allen möglichen Wunder erfolgten Ende. Wer sich dafür interessiert, den möchten wir auf diese Schrift verweisen; wir haben sie den von uns gesammelten Martyrien aus alter Zeit beigefügt. Weiterhin sind noch Erinnerungen überliefert über solche, welche in Pergamon in Asien das Martyrium erlitten haben, nämlich über Karpus, Papylus und das Weib Agathonike, welche nach vielen herrlichen Bekenntnissen ein ruhmreiches Ende gefunden haben.

16. Als damals der weiter oben erwähnte Justin an die genannten Herrscher zugunsten unseres Glaubens eine zweite Schrift gerichtet hatte, wurde er mit herrlichem Martyrium geschmückt. Der Philosoph Krescens, der sich eines Lebenswandels befleißigte, welcher ihn des Namens eines Kynikers würdig machte, hatte nämlich gegen ihn gehetzt. Da er diesen in Unterredungen wiederholt in Gegenwart von Zuhörern zurechtgewiesen hatte, wurde er schließlich zum Lohne für die Verkündigung der Wahrheit mit dem Martyrium gekrönt. Justin selbst, ganz im Dienste der Wahrheit stehend, sagte sein Ende genau so, wie er es bald erfahren sollte, in der erwähnten Apologie voraus, und zwar mit folgenden Worten:

„Auch ich erwarte, von einem der Genannten verfolgt und in den Stock gestoßen zu werden, vielleicht von Krescens, dem unphilosophischen Ehrgeizling. Man darf doch nicht einen Mann als Philosophen bezeichnen, der auf uns Christen, die er gar nicht kennt, die Prädikate gottlos und pietätlos öffentlich anwendet. Er tut dies ja nur, um der irregeführten Maße einen Gefallen zu erweisen und Freude zu machen. Wenn er, ohne in die Lehren Christi Einblick genommen zu haben, gegen uns loszieht, so ist er ein nichtswürdiger Mensch und steht viel tiefer als die Ungebildeten, die sich meist davor hüten, über Dinge, die sie nicht verstehen, zu sprechen und falsches Zeugnis abzugeben. Hat er aber Kenntnis von den Lehren genommen, ohne ihre Erhabenheit zu verstehen, oder versteht er sie zwar, handelt aber in seiner Weise, um nicht in den Verdacht eines Christen zu kommen, dann ist er noch viel unehrlicher und nichtswürdiger, da er so als Sklave einer gemeinen und dummen Ehrsucht und Furcht dasteht. Denn ihr sollt wissen, daß ich ihm einige diesbezügliche Fragen forschend vorgelegt, dabei aber erfahren und bewiesen habe, daß er tatsächlich nichts versteht. Zum Beweise dafür, daß ich die Wahrheit sage, bin ich, falls euch die Unterredungen nicht mitgeteilt worden sind, bereit, in eurer Gegenwart die Frage noch einmal vorzulegen. Dies wäre etwas, was einen Kaiser erfreuen könnte. Wenn ihr aber von meinen Fragen und seinen Antworten erfahren habt, dann ist euch klar, daß er von unserem Glauben nichts versteht. Sollte er jedoch etwas davon verstehen, aber aus Scheu vor den Zuhörern nicht zu sprechen wagen, dann erweist er sich, wie ich schon oben erklärte, nicht als Freund der Weisheit, sondern des Ruhmes, und achtet nicht einmal das feine Wort des Sokrates.“ Soweit Justin.

Daß er, wie er es voraussagte, infolge der Intrigen des Krescens den Tod fand, berichtet Tatian, der zunächst in den griechischen Wissenschaften Unterricht erteilte, hierin nicht wenig Ruhm erntete, auch zahlreiche wissenschaftliche Denkmäler hinterließ. In seiner Schrift „Gegen die Hellenen“ erzählt er also: „Der bewundernswerte Justin hat mit Recht erklärt, daß die zuvor erwähnten Männer Räubern gleich seien“.

In seinen folgenden Bemerkungen über die Philosophen fährt er fort: „Krescens, der sich in der Hauptstadt eingenistet hatte, war mehr als alle der Päderastie ergeben und von Habgier ganz gefesselt. Obwohl er riet, den Tod zu verachten, fürchtete er ihn gleichwohl selber so sehr, daß er über Justin, weil dieser in Verkündigung der Wahrheit die Philosophen als Schlemmer und Betrüger hingestellt hatte, den Tod als furchtbares Übel zu bringen trachtete“. Dies also ist der Anlaß zum Martyrium des Justin gewesen.

17. Justin gedenkt in seiner ersten Apologie noch vor seinem Kampfe einiger Personen, welche vor ihm das Martyrium erlitten hatten. Zum Thema passend berichtet er: „Eine Frau lebte in Gemeinschaft mit einem ausschweifenden Manne. Auch sie selbst hatte früher ausschweifend gelebt. Nachdem sie aber die Lehre Christi kennengelernt hatte, beherrschte sie sich und suchte auch ihren Mann zu einem enthaltsamen Leben zu bewegen, indem sie ihm Christi Lehren mitteilte und ihm erzählte, daß die, welche nicht enthaltsam und vernunftgemäß leben, in ewigem Feuer bestraft würden. Er aber setzte sein ausschweifendes Leben fort und entfremdete sich dadurch seine Gattin. Da die Frau es für sündhaft hielt, noch weiter mit einem Manne ehelich zu verkehren, der wider das Naturgesetz und wider das Recht seine Sinnlichkeit auf jede Weise zu befriedigen suchte, wollte sie sich von ihm trennen. Weil aber ihre Angehörigen dies nicht gerne sahen und ihr noch weiter auszuhalten rieten mit dem Bemerken, der Mann würde sich einmal in gehoffter Weise bessern, bezwang sie sich und blieb. Als aber ihr Mann nach Alexandrien gereist war und die Nachricht einlief, er treibe es noch schlimmer, gab sie, um nicht durch das Verbleiben in der Ehe und durch die Gemeinschaftlichkeit von Tisch und Bett an seinen Lastern und Sünden teilzuhaben, den bei euch üblichen sogenannten Scheidebrief und trennte sich. Ihr sauberer Gatte jedoch, der sich hätte freuen sollen, daß sie sich von all den Sünden, in die sie sich ehedem leichtsinnig mit Dienern und Söldlingen bei fröhlichen Gelagen und anderem Unfug eingelassen hatte, lossagte und auch ihn selbst zu bewegen suchte, davon abzulassen, erhob gegen sie, weil sie sich wider seinen Willen von ihm getrennt hatte, die Anklage, sie sei Christin. Diese nun reichte bei dir, dem Kaiser, eine Bittschrift ein, worin sie bat, ihr zu gestatten, daß sie zunächst ihre häuslichen Angelegenheiten in Ordnung bringe und daß sie sich erst nach deren Regelung der Anklage gegenüber verteidige. Du bist auf ihre Bitte eingegangen. Ihr ehemaliger Gatte wandte sich nunmehr, da er ihr jetzt nichts mehr anhaben konnte, gegen einen gewissen Ptolemäus, welcher, da er jene in der christlichen Lehre unterrichtet hatte, von Urbicius vorgeladen wurde, und zwar auf folgende Weise: Einen ihm befreundeten Hauptmann, der Ptolemäus hatte ins Gefängnis werfen lassen, überredete er, ihn sich vorzunehmen und ihn nur das eine zu fragen, ob er Christ sei. Als Ptolemäus, der die Wahrheit liebte und von Betrug nichts wissen wollte, sich als Christ bekannte, befahl der Hauptmann, ihn in den Kerker zu werfen, und ließ ihn dort lange Zeit mißhandeln. Als der Mann schließlich dem Urbicius vorgeführt wurde, erging an ihn wiederum nur die eine Frage, ob er Christ sei. Und wiederum bekannte er sich im Bewußtsein, daß er das Gute der Lehre Christi verdanke, zur Schule der göttlichen Religion. Entweder leugnet nämlich jemand etwas, weil er eine Sache verwirft, oder er geht einem Bekenntnisse aus dem Wege, weil er das Bewußtsein hat, einer Sache nicht würdig zu sein und sie nicht zu verstehen. Bei einem wahren Christen trifft weder das eine noch das andere zu. Als Urbicius befahl, ihn (zur Hinrichtung) abzuführen, da wandte sich ein gewisser Lucius, ebenfalls ein Christ, in der Erkenntnis, daß das Urteil ganz unvernünftig sei, an ihn mit den Worten: Warum hast du diesen Mann, der doch kein Ehebrecher, kein ausschweifender Mensch, kein Mörder, kein Dieb, kein Räuber ist, überhaupt keiner bösen Tat überführt werden konnte, sich aber als Christ bekannt hat, bestrafen lassen? Dein Urteil, Urbicius, macht dem Kaiser Pius und dem philosophisch geschulten Sohne des Kaisers und dem heiligen Senate keine Ehre. Des Urbicius eine Antwort war, daß er auch zu Lucius sagte: Auch du scheinst mir so einer zu sein. Als Lucius es bejahte, ließ Urbicius auch ihn (zur Hinrichtung) abführen. Lucius dankte ihm dafür offen und bemerkte, er sei von diesen schlimmen Herrschern befreit und gehe zu Gott, dem guten Vater und König. Auch noch ein dritter, der hinzukam, wurde verurteilt“.

An diesen Bericht fügt Justin ganz entsprechend die oben erwähnten Worte: „Auch ich erwarte von einem der Genannten verfolgt zu werden…“

18. Justin hat uns sehr viele und äußerst nützliche Denkmäler seines gebildeten, auf das Religiöse gerichteten Geistes hinterlassen. Wir geben seine uns bekannt gewordenen Schriften zum Gebrauche an, damit sie von den Lernbegierigen verwertet werden. Eine Schrift Justins ist an Antoninus mit dem Beinamen Pius, seine Söhne und den römischen Senat gerichtet und tritt für unsere Lehren ein, eine andere Schrift enthält eine weitere Verteidigung unseres Glaubens und ist an den Nachfolger des erwähnten Kaisers, seinen Namensvetter Antoninus Verus gerichtet, dessen Zeit wir jetzt gerade behandeln Eine andere Schrift, an die Hellenen gerichtet, in welcher er sich ausführlich über sehr viele von uns und den griechischen Philosophen behandelte Fragen verbreitet, erörtert die Natur der Dämonen; es dürfte überflüssig sein, hier darauf einzugehen. Ferner ist noch auf uns gekommen eine andere Schrift gegen die Hellenen, die er auch „Widerlegung“ betitelte, außerdem eine Arbeit über die alleinige Herrschaft Gottes, in welcher er nicht nur aus unseren Schriften schöpfte, sondern auch aus griechischen Werken, schließlich eine Abhandlung mit der Überschrift „Psalter“ und eine Lehrschrift über die Seele, worin er verschiedene Forschungen über das in der Überschrift genannte Thema vorträgt und die Ansichten der griechischen Philosophen anführt mit dem Versprechen, in einer anderen Schrift diese Ansichten zu widerlegen und seine eigene Anschauung darzulegen. Auch verfaßte Justin einen Dialog gegen die Juden, den er zu Ephesus mit Tryphon, dem damals bedeutendsten Hebräer, gehalten hatte. In demselben teilt er mit, wie ihn Gottes Gnade zum Bekenntnis des Glaubens geführt, welchen Eifer er auf die Philosophie verwandt und mit welch feuriger Begeisterung er sich der Erforschung der Wahrheit gewidmet hat. Er erzählt daselbst von der jüdischen Hetze gegen die Lehre Christi, indem er sich mit folgenden Worten an Tryphon wendet:

„Nicht nur habt ihr eure böse Taten nicht bereut, ihr habt sogar bevorzugte Männer auserwählt und sie damals von Jerusalem aus über die ganze Erde ausgesandt, indem ihr erklärtet, im Christentum sei eine gottlose Häresie erschienen, und uns nach Art all derer, welche uns gar nicht kennen, beschimpftet. Ihr tragt daher nicht nur die Verantwortung für eure eigenen Sünden, sondern auch für die Sünden aller übrigen Menschen überhaupt.“

Justin schreibt auch, daß die prophetischen Gaben zu seiner Zeit noch in der Kirche leuchteten. Auch erwähnt er die Offenbarung des Johannes und bemerkt ausdrücklich, daß sie ein Werk des Apostels sei. Er verweist auf einige prophetische Aussprüche, um Tryphon zu zeigen, daß sie von den Juden aus der Schrift entfernt worden sind. Noch zahlreiche andere Schriften von seiner Hand befinden sich bei vielen Brüdern. Schon bei den Alten genossen die Arbeiten Justins solches Ansehen, daß Irenäus Worte Justins zitiert. Im vierten Buche „Gegen die Häresien“ erklärt er: „Mit Recht behauptet Justin in seiner Schrift gegen Marcion: Ich würde dem Herrn selbst keinen Glauben geschenkt haben, wenn er neben dem Weltschöpfer noch einen anderen Gott gelehrt hätte.“

Und im Fünften Buche der gleichen Schrift sagt er: „Mit Recht behauptete Justin: Vor der Erscheinung des Herrn hat der Satan niemals gewagt, Gott zu lästern, da er seine Verdammung noch nicht wußte.“

Soviel ist notwendig zu sagen, um die Lernbegierigen zu veranlassen, sich eifrig mit den Schriften Justins zu befassen. Dies ist die Geschichte Justins.

19. Im achten Jahre der erwähnten Regierung folgte auf Anicet, welcher volle elf Jahre die römische Kirche geleitet hatte, Soter. Nachdem Celadion die Kirche von Alexandrien vierzehn Jahre regiert hatte, wurde sein Nachfolger Agrippinus.

20. In der Kirche zu Antiochien wurde Theophilus sechster Nachfolger der Apostel; vierter Bischof war daselbst Kornelius, der Nachfolger Herons. An Fünfter Stelle folgte in der bischöflichen Würde Eros.

21. Damals taten sich in der Kirche hervor: Hegesippus, den wir oben kennengelernt haben, Dionysius, Bischof von Korinth, Pinytus, Bischof auf Kreta, ferner Philippus, Apollinarius, Melito, Musanus, Modestus und schließlich Irenäus. Diese haben uns die wahre Lehre des gesunden, von den Aposteln gepredigten Glaubens in Schriften überliefert.

22. Hegesippus hat uns in den Fünf Büchern „Erinnerungen“, die auf uns gekommen sind, ein ganz vollständiges Bild seines eigenen Geistes hinterlassen. Darin erzählt er, daß er auf einer Reise nach Rom mit sehr vielen Bischöfen zusammengekommen sei und daß er von allen die gleiche Lehre erhalten habe. Hören wir, was er nach einigen Bemerkungen über den Brief des Klemens an die Korinther sagt! Er erklärt:

„Die Kirche in Korinth blieb bei der rechten Lehre bis auf Primus, Bischof von Korinth. Auf meiner Fahrt nach Rom kam ich mit den Korinthern zusammen, mit welchen ich viele Tage verkehrte, während welcher wir uns gemeinsam des wahren Glaubens freuten. In Rom angekommen, stellte ich eine Bischofsfolge auf bis hin zu Anicet, dessen Diakon Eleutherus war. Auf Anicet folgte Soter und auf diesen Eleutherus. In jeder Stadt, wo ein Bischof auf den anderen folgte, entsprach das kirchliche Leben der Lehre des Gesetzes, der Propheten und des Herrn.“

Über den Ursprung der Häresien seiner Zeit äußert sich Hegesippus also: „Nachdem Jakobus der Gerechte aus gleichen Gründen wie der Herr den Martertod erlitten hatte, wurde Symeon, der Sohn des Klopas, eines Onkels des Herrn, zum Bischof ernannt. Alle hatten ihn als zweiten Bischof vorgeschlagen, weil er ein Vetter des Herrn war. Da die Kirche noch nicht durch eitle Lehren befleckt war, wurde sie als Jungfrau bezeichnet. Thebutis machte, da er nicht Bischof geworden war, den Anfang damit, sie zu beschmutzen. Er gehörte den sieben Sekten im Volke an. Zu diesen zählte Simon, der Stifter der Simonianer, Kleobius, der Stifter der Kleobiener, Dositheus, der Stifter der Dosithianer, Gorthäus, der Stifter der Gorathener und Masbotheer. Aus diesen gingen hervor die Menandrianisten, Marcianisten, Karpokratianer, Valentinianer, Basilidianer und Satornilianer, von welchen jede Richtung eine von den anderen abweichende Lehre eingeführt hat. Ihnen entstammen die falschen Christusse, die falschen Propheten und die falschen Apostel, welche die Einheit der Kirche durch verderbliche Lehren über Gott und seinen Gesalbten zerstört haben.“

Hegesippus berichtet auch über die seinerzeitigen jüdischen Sekten. Er sagt: „Es gab in der Beschneidung, unter den Söhnen der Israeliten, verschiedene Anschauungen gegenüber dem Stamme Juda und gegenüber Christus, nämlich die Essäer, Galiläer, Hemerobaptisten, Masbotheer, Samariter, Sadduzäer, Pharisäer“.

Hegesippus schrieb auch sonst noch sehr viel, worauf wir bereits früher zum Teil hingewiesen haben; an geeigneter Stelle haben wir seinerzeit Berichte von ihm zitiert. Er erwähnt einige Stellen aus dem Hebräerevangelium, aus dem Syrischen und aus dem Hebräischen, wodurch er zu erkennen gibt, daß er vom Judentum zum Glauben übergetreten ist. Auch gibt er Berichte aus der ungeschriebenen jüdischen Tradition. Nicht nur Hegesippus, auch Irenäus und der ganze Kreis der Alten bezeichnete die Sprüche Salomons als alle Tugenden umfassende Weisheit. Bezüglich der sogenannten Apokryphen erzählt er, daß einige derselben zu seiner Zeit von Häretikern verfaßt worden seien. Doch gehen wir nun zu etwas anderem über!

23. Was Dionysius betrifft, ist zunächst zu bemerken, daß er den bischöflichen Thron der Kirche in Korinth erhalten hatte und daß er an seinem gottbegeisterten Eifer nicht allein seine Untergebenen, sondern neidlos auch bereits fremde Diözesanen teilnehmen ließ. Besonders nützlich machte er sich allen durch seine katholischen Briefe an die Kirchen. Von diesen Briefen ist einer an die Lacedämonier gerichtet; in demselben lehrt er den rechten Glauben und mahnt zu Friede und Einigkeit. Ein anderer Brief wendet sich an die Athener. In diesem sucht er Glauben und evangelisches Leben zu wecken und macht er den Athenern den Vorwurf, daß sie dies vernachlässigt haben und fast von der Lehre abgefallen seien, seitdem ihr Bischof Publius - es war zu seiner Zeit - den Martertod erlitten hat. Er gedenkt (daselbst) des Quadratus, der nach dem Martyrium des Publius ihr Bischof geworden war, und stellt ihm das Zeugnis aus, daß die Athener dank seinem Eifer sich wieder gesammelt haben und zu neuem Glaubenseifer erwacht seien. Ferner teilt er (daselbst) mit, daß Dionysius der Areopagite, der nach dem Berichte der Apostelgeschichte von dem Apostel Paulus für den Glauben gewonnen worden war, zum ersten Bischof der Kirche in Athen erwählt wurde. Ein weiterer, noch vorhandener Brief des Dionysius ist an die Bewohner von Nikomedien gerichtet. In demselben bekämpft er die Häresie des Marcion und stellt sich auf den Boden des wahren Glaubens. In einem Briefe, der an die Kirche zu Gortyna und zugleich an die übrigen Kirchen auf Kreta gerichtet ist, belobt er deren Bischof Philippus, daß sein Sprengel durch blühendes Tugendleben bekannt sei, und warnt vor Verführung durch die Häretiker. In dem Briefe, den er an die Gemeinde in Amastris und zugleich an die Gemeinden des Pontus geschrieben, gedenkt er des Bacchylides und Elpistus, weil sie Anlaß des Schreibens waren, und gibt darin Auslegungen zu Bibelstellen und erwähnt ihren Bischof namens Palmas. Auch richtet er an sie zahlreiche Mahnungen bezüglich der Ehe und Jungfräulichkeit und fordert sie auf, alle jene, welche sich von irgendeinem Falle, einem Irrtum oder selbst von einer Häresie bekehren, wieder aufzunehmen. Unter den Briefen des Dionysius befindet sich auch noch einer an die Bewohner von Knossus. In diesem ermahnt er Pinytus, den Bischof des Sprengels, er solle den Brüdern bezüglich der Enthaltsamkeit keine schweren Lasten als unerläßliche Pflichten auferlegen, sondern der Schwäche der Mehrzahl gebührend Rechnung tragen. In einem Antwortschreiben auf diesen Brief stimmt Pinytus dem Dionysius bewundernd zu, macht aber den Gegenvorschlag, jetzt kräftigere Nahrung zu verabreichen und seine Leute nunmehr mit höheren Lehren zu bedenken, damit sie nicht schließlich, immer nur mit geistiger Milch wie Kinder erzogen, unvermerkt Greise würden. Aus diesem Antwortschreiben tritt uns wie in einem fein ausgeführten Bilde Pinytus in seiner Rechtgläubigkeit, seiner Sorge für das Wohl seiner Untertanen, seiner wissenschaftlichen Begabung und seinem Verständnis für das Göttliche entgegen. Auch wird ein Brief des Dionysius an die Römer überliefert. Er ist an den damaligen Bischof Soter gerichtet. In demselben sind vor allem erwähnenswert die Worte, in denen Dionysius eine bis auf die Verfolgung unserer Tage von den Römern festgehaltene Sitte lobt. Er schreibt nämlich:

„Von Anfang hattet ihr den Brauch, allen Brüdern auf mannigfache Weise zu helfen und vielen Gemeinden in allen Städten Unterstützungen zu schicken. Durch die Gaben, die ihr von jeher geschickt habt, da ihr als Römer einen überlieferten römischen Brauch festhaltet, erleichtert ihr die Armut der Dürftigen und unterstützt ihr die in den Bergwerken lebenden Brüder. Euer heiliger Bischof Soter hat diesen Brauch nicht nur festgehalten, er hat ihn auch noch erweitert, sofern er sowohl reichliche Gaben an die Heiligen verteilt als auch die (nach Rom) kommenden Brüder wie ein liebender Vater seine Kinder mit frommen Worten tröstet“.

In dem gleichen Briefe erwähnt Dionysius auch den Brief des Klemens an die Korinther und bemerkt, daß er schon von jeher nach altem Brauche verlesen wurde. Er sagt: „Wir feiern heute den heiligen Tag des Herrn und haben an demselben euren Brief verlesen, welchen wir gleich dem früheren durch Klemens uns zugesandten Schreiben stets zur Belehrung verlesen werden“.

Bezüglich der Fälschung seiner Briefe bemerkt Dionysius: „Auf die Bitte von Brüdern hin, zu schreiben, habe ich Briefe verfaßt. Die Apostel des Teufels haben dieselben mit Unkraut angefüllt, indem sie einiges strichen, anderes hinzufügten. Ihnen gilt das Wehe. Man kann sich daher nicht darüber wundern, daß einige sich erkühnt haben, selbst die Schriften des Herrn zu fälschen, da sie es sogar bei nicht so wertvollen Schriften versuchten.“

Außer den erwähnten Briefen des Dionysius existiert noch einer, den er an die gläubige Schwester Chrysophora geschrieben und worin er in entsprechender Weise auch ihr passende geistige Nahrung verabreichte. So viel über Dionysius.

24. Von Theophilus, der, wie erwähnt, Bischof in Antiochien war, sind überliefert drei Bücher an Autolykus, welche Elementarlehren enthalten, und eine Schrift mit dem Titel „Gegen die Häresie des Hermogenes“, worin er die Apokalypse des Johannes zitiert. Auch sind von ihm „Katechetische Schriften“ erhalten. Da die Häretiker auch schon damals gleich dem Unkraut die reine Saat der apostolischen Lehre zu verderben suchten, so haben die überall in den Gemeinden aufgestellten Hirten sie, die wilden Tieren glichen, von den Herden Christi verscheucht und abgehalten, indem sie bald durch Mahnungen und Ermunterungen an die Brüder, bald auch im offenen Angriff in persönlicher, mündlicher Aussprache und Widerlegung sowie durch Schriften deren Meinungen gründlich zerpflückten. Daß u. a. auch Theophilus gegen die Häretiker zu Felde zog, ergibt sich aus seiner trefflichen Schrift gegen Marcion, welche ebenso wie die erwähnten Arbeiten noch bis heute erhalten ist. Sein Nachfolger in Antiochien wurde Maximinus, der siebte Bischof nach den Aposteln.

25. Philippus, den wir aus den Äußerungen des Dionysius als Bischof der Kirche in Gortyna kennen, hat ebenfalls eine sehr fleißige Schrift gegen Marcion verfaßt wie auch Irenäus und Modestus, welch letzterer mehr als alle anderen den Irrtum jenes Mannes vor allen aufgedeckt hat, und noch mehrere andere, deren Schriften bei den meisten Brüdern bis auf den heutigen Tag aufbewahrt werden.

26. Zu jener Zeit taten sich auch Melito, Bischof von Sardes, und Apollinarius, Bischof von Hierapolis, hervor. Jeder von ihnen richtete für sich an den erwähnten damaligen Kaiser eine Verteidigungsschrift zugunsten ihres Glaubens. Ihre uns bekannten Schriften sind folgende. Die des Melito sind:

Zwei Bücher: Das Osterfest. Die rechte Lebensweise und die Propheten Die Kirche. Der Sonntag. Der Glaube des Menschen. Die Schöpfung. Der Gehorsam der Sinne gegen den Glauben. Seele und Leib. Die Taufe. Die Wahrheit. Glaube und Geburt Christi. Die Prophetie. Die Gastfreundschaft. Der Schlüssel. Der Teufel und die Offenbarung des Johannes. Die Körperlichkeit Gottes. Das Büchlein an Antoninus.

Bezüglich der Schrift „Das Osterfest“ ist die Abfassungszeit angegeben, da Melito einleitend bemerkt: „Als Servilius Paulus Prokonsul in Asien war und Sagaris den Martertod erlitt, wurde in Laodicea viel über das Osterfest, das gerade in jene Tage (d. i. jenes Martyriums) fiel, disputiert und diese Schrift verfaßt“.

Dieses Schreiben wurde von Klemens von Alexandrien in seiner Schrift über das Osterfest erwähnt, von welcher er gesteht, daß sie durch das Schreiben des Melito veranlaßt worden ist. In seiner Schrift an den Kaiser berichtet Melito von manchen Angriffen, die unter seiner Regierung gegen uns gemacht worden waren. Er schreibt:

„Jetzt wird auf unerhörte Weise das Geschlecht der Gottesfürchtigen, durch neue für Asien erlassene Gesetze aufgescheucht, verfolgt. Freche Denunzianten und nach fremden Gütern gierige Menschen benützen die Erlasse, um offen auf Raub auszugehen und solche, die nichts Böses getan haben, Tag und Nacht auszuplündern“.

Später fährt er also fort: „Geschieht dies auf deinen Befehl hin, so soll es recht sein! Denn ein gerechter Fürst wird niemals ungerechte Verordnungen erlassen. Und gerne nehmen wir die Ehre eines solchen Todes hin. Doch tragen wir dir die eine Bitte vor, daß du erst, nachdem du die Urheber dieser Streitsucht kennengelernt hast, urteilest, ob sie die Todesstrafe oder ein gesichertes Leben verdienen. Wenn aber der Erlaß und diese neue Verordnung, die man nicht einmal gegen barbarische Völker anwenden sollte, nicht von dir ausgegangen sind, dann bitten wir dich um so inständiger, du mögest uns, da man uns offen beraubt, nicht im Stiche lassen“.

Dieser Erklärung fügt Melito folgende Worte bei: „Unsere Lehre erwachte dereinst kräftig im Schosse von Barbaren, reifte unter der ruhmreichen Regierung deines Vorgängers Augustus unter deinen Völkern zur Blüte und brachte vor allem deiner Regierung Glück und Segen. Von da ab nämlich erhob sich die römische Macht zu Größe und Glanz. Ihr ersehnter Herrscher bist du und wirst du sein mit deinem Sohne, sofern du diese Lehre, welche zugleich mit dem Reiche groß geworden ist, mit Augustus ihren Anfang genommen hatte und von deinen Vorfahren wie die übrigen Religionen geachtet wurde, beschützest. Daß unsere Lehre zugleich mit dem Reiche, das glücklich begonnen hatte, zu dessen Wohle erblühte, ergibt sich am deutlichsten daraus, daß ihm von den Zeiten des Augustus an nichts Schlimmes widerfahren ist, daß es im Gegenteil - wie es aller Wunsch ist - lauter Glanz und Ruhm geerntet hat. Die einzigen Kaiser, welche, von böswilligen Menschen verführt, unsere Religion in üblen Ruf zu bringen suchten, waren Nero und Domitian; sie sind die Ursache jener unwahren Denunziationen, die bezüglich der Christen in unbegreiflicher Weise zur Gewohnheit geworden sind. Deine frommen Väter haben allerdings die Torheit jener wieder gutgemacht, indem sie wiederholt die vielen, welche bezüglich der Christen unerhörte Methoden anzuwenden sich erkühnten, in Reskripten zurechtwiesen. So hat bekanntlich dein Großvater Hadrian sich außer an viele andere auch an den Prokonsul Fundanus, den obersten Beamten Asiens, schriftlich gewandt. Und dein Vater hat, als du mit ihm die Staatsgeschäfte Führtest, in einem Schreiben die Städte angewiesen, uns gegenüber keine neue Methode einzuschlagen. Unter diesen Anweisungen finden sich Schreiben an die Bewohner von Larissa, von Thessaloniki, von Athen und an alle Hellenen. Da du von den Christen die gleiche Meinung wie diese Kaiser, ja eine noch gütigere und verständigere Vorstellung hast, sind wir von dir erst recht überzeugt, daß du alle unsere Bitten gewährest“.

So steht in der erwähnten Schrift. In seiner Schrift „Auszüge“ gibt Melito sogleich in der Einleitung ein Verzeichnis der anerkannten Schriften des Alten Testamentes. Ich halte es für notwendig, es hier anzuführen. Es lautet also:

„Melito entbietet Grüße seinem Bruder Onesimus. Da du in deinem Eifer für unsere Lehre mich wiederholt gebeten hast, Auszüge aus dem Gesetze und den Propheten, soweit sie unseren Erlöser und unseren ganzen Glauben betreffen, zu erhalten und gewünscht hast, genau die Zahl und Reihenfolge der alttestamentlichen Bücher kennenzulernen, komme ich gerne dem Wunsche nach; denn ich kenne deinen Glaubenseifer und deine Wißbegierde und weiß, daß du in deinem Kampfe um das ewige Heil und in deiner Sehnsucht nach Gott diese Kenntnis allem weit vorziehst. Da ich in den Orient gereist und an den Schauplatz der Predigten und Taten gekommen bin und über die Bücher des Alten Testamentes genaue Erkundigungen eingezogen habe, so teile ich dir die Bücher im folgenden mit. Die Namen derselben sind: die Fünf Bücher Moses, nämlich Genesis, Exodus, Numeri, Leviticus und Deuteronomium, (ferner) Jesus, Sohn des Nave, die Richter, Ruth, vier Bücher der Könige, zwei Paralipomena, die Psalmen Davids, Salomons Sprüche oder Weisheit, Ekklesiastes, das Hohe Lied, Job, die Propheten Isaias und Jeremias, das Zwölfpropheten-Buch, Daniel, Ezechiel, Esdras. Aus diesen Schriften gebe ich in sechs Büchern Auszüge“. Soviel über Melito.

27. Von den zahlreichen Schriften des Apollinarius, die sich noch in vieler Hände befinden, sind folgende zu unserer Kenntnis gelangt: die Schrift an den oben erwähnten Kaiser, Fünf Bücher an die Hellenen, zwei Bücher über die Wahrheit, zwei Bücher an die Juden, sodann ein Werk gegen die Häresie der Phrygier, welche bald darauf ihre Reformlehren ausbreitete und damals sich zum ersten Male regte, da Montanus mit seinen falschen Prophetinnen noch das Fundament des Irrtums legte“.

28. Von Musanus, den wir im Vorhergehenden erwähnt haben, ist ein sehr eindringliches Buch erhalten, das von ihm an einige zur Sekte der sogenannten Enkratiten abgefallene Brüder geschrieben wurde Diese Sekte erhob sich gerade damals und verbreitete eine neue, verderbliche Irrlehre. Der Urheber dieser Verwirrung war nach Mitteilung der Schrift Tatian.

29. Etwas weiter oben haben wir von Tatian einige Worte über den bewundernswerten Justin angeführt und ihn als Schüler des Märtyrers bezeichnet. Dasselbe behauptet Irenäus in dem ersten Buche seiner Schrift „Gegen die Häresien“ Daselbst schreibt er über Tatian und dessen Irrlehre also:

„Von Satorninus und Marcion ausgehend, lehrten die sogenannten Enkratiten die Ehelosigkeit und verwarfen damit das alte Werk Gottes, den sie im Stillen für die Erschaffung von Mann und Weib zur Erzeugung des Menschengeschlechtes anklagten. Sie forderten die Enthaltung von den sogenannten animalischen Speisen, wodurch sie sich gegen den Schöpfer des Alls undankbar erwiesen. Auch leugneten sie die Seligkeit des ersten Menschen. Diese Lehren sind in unserer Zeit bei diesen Leuten aufgetaucht, und ein gewisser Tatian ist der erste Urheber solcher Gottlosigkeit. Tatian war Hörer Justins. Solange er mit diesem verkehrte, äußerte er nichts Derartiges; doch nach dessen Martyrium fiel er von der Kirche ab und gründete, aufgeblasen von Lehrerdünkel, in der verblendeten Meinung, mehr als die anderen zu sein, eine besondere Schule. Gleich den Valentinianern erdichtete er unsichtbare Äonen, und ähnlich dem Marcion und Satorninus erklärte er die Ehe als Verderben und Hurerei. Was er gegen die Seligkeit Adams vortrug, war jedoch seine eigene Erfindung.“

So schrieb seinerzeit Irenäus. Etwas später brachte ein Mann namens Severus in die erwähnte Sekte noch mehr Leben und wurde Anlaß, daß ihre Anhänger Severianer genannt wurden. Diese benützen das Gesetz, die Propheten und die Evangelien, wobei sie allerdings den Inhalt der heiligen Schriften eigenartig auslegen. Den Apostel Paulus beschimpfen sie, und seine Briefe lehnen sie ab; auch die Apostelgeschichte nehmen sie nicht an. Ihr erster Stifter Tatian verfaßte eine Art Evangelienharmonie und nannte das Werk Diatessaron. Es ist bei manchen noch heute in Umlauf. Auch soll er es gewagt haben, einige Sätze des Apostels zu umschreiben, um die Ausdrucksweise zu verbessern. Tatian hinterließ eine große Zahl von Schriften. Den größten Ruhm genießt bei vielen seine Schrift „An die Hellenen“. Er greift darin auf die alten Zeiten zurück, um zu zeigen, daß Moses und die Propheten der Hebräer älter sind als alle berühmten Männer der Hellenen. Tatsächlich scheint diese Schrift das schönste und nützlichste von allen Werken Tatians zu sein. Soviel hierüber.

30. Als unter der gleichen Regierung die Irrlehren in Mesopotamien überhandnahmen, verfaßte Bardesanes, ein äußerst fähiger Mann, der in der syrischen Sprache sehr bewandert war, gegen die Anhänger des Marcion und die Anhänger anderer Vertreter abweichender Lehren Dialoge, welche er ebenso wie zahlreiche andere Werke in seiner Muttersprache herausgab. Seine Schüler - er hatte sehr viele, weil er mit Kraft seine Lehre zu vertreten wußte - haben diese Schriften aus dem Syrischen ins Griechische übersetzt. Unter seinen Schriften sind ein ganz trefflicher an Antoninus gerichteter Dialog über das Fatum und viele andere angeblich infolge der damaligen Verfolgung verfaßte Arbeiten. Bardesanes hatte sich früher der Schule Valentins angeschlossen. Als er sie aber durchschaut hatte, wies er die meisten ihrer Fabeln zurück und glaubte sich zu einer reineren Lehre bekehrt zu haben. Doch hat er den Schmutz des alten Irrtums nicht vollständig abgeschüttelt.

Damals starb Soter, Bischof der römischen Kirche.