(Leander van Eß)
Jesus zieht in Jerusalem ein, vertreibt die Käufer, widerlegt die Pharisäer.
1 Als sie sich Jerusalem naheten und nach Bethphage am Oelberge kamen, schickte Jesus zwei Jünger ab,
2 und sprach zu ihnen: Gehet in den Flecken, der vor euch liegt; da werdet ihr sogleich eine angebundene Eselin, und bei ihr ein Füllen finden; bindet sie los und führet sie zu mir her.
3 Sollte aber Jemand etwas einwenden, so saget: Der Herr hat ihrer nöthig; sogleich wird er sie entlassen.
4 Dieß Alles geschah, daß der Ausspruch des Propheten erfüllt würde, welcher spricht:
5 Saget der Tochter Sion: Sieh! dein König kommt zu dir sanftmüthig, er sitzt auf einer Eselin, und einem jungen Eselsfüllen.
6 Die Jünger gingen und thaten, wie ihnen Jesus befohlen hatte;
7 sie brachten die Eselin und das Füllen; legten ihre Kleider auf sie, und setzten ihn darauf.
8 Das meiste Volk breitete seine Kleider über den Weg aus; andere hieben Zweige von den Bäumen, und streueten sie auf den Weg.
9 Das Volk aber, das voranging und das nachfolgte, rief laut und schrie: Hosanna! dem Sohne Davids! Gepriesen sey, der da kommt im Namen des Herrn! Hosanna in der Höhe!
10 Und da er in Jerusalem einzog, kam die ganze Stadt in Bewegung; man sprach: Wer ist dieser?
11 Das Volk sagte: Dieser ist Jesus, der Prophet von Nazareth in Galiläa.
12 Jesus ging nun in Gottes Tempel, und trieb alle Käufer und Verkäufer zum Tempel hinaus; die Tische der Wechsler und die Stühle der Taubenhändler stieß er um;
13 und sprach zu ihnen: Es steht geschrieben: Mein Haus soll ein Bethaus heißen; ihr aber habt es zu einer Räuberhöhle gemachet.
14 Da kamen Blinde und Lahme im Tempel zu ihm, und er heilte sie.
15 Als aber die Oberpriester und Schriftlehrer die Wunder sahen, die er that, und die Kinder, welche im Tempel schreiend riefen: Hosanna, dem Sohne Davids! wurden sie unwillig.
16 und sprachen zu Ihm: Hörest du, was diese reden? Jawohl, antwortete ihnen Jesus, habet ihr nie gelesen: Aus dem Munde der Kinder und der Säuglinge hast du Lob bereitet!
17 Da ließ er sie stehen, und ging aus der Stadt nach Bethanien, wo er übernachtete.
18 Am Morgen aber, als er nach der Stadt zurückging, hungerte ihn.
19 Als er nun einen Feigenbaum neben dem Wege sah, ging er darauf zu, fand aber nichts daran, als Blätter; da sprach er zu ihm: Ewig nie wieder soll eine Frucht an dir wachsen! Und sogleich verdorrete der Feigenbaum.
20 Als dieses die Jünger sahen, erstaunten und sprachen sie: Wie schnell ist der Feigenbaum verdorret!
21 Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Wahrlich! ich sage euch: Wenn ihr Glauben habt, und nicht zweifelt; so werdet ihr nicht allein so etwas thun, wie dem Feigenbaume geschehen ist; sondern, wenn ihr sogar diesem Berge sagen würdet: Hebe dich, und stürze dich in's Meer; so wird es geschehen.
22 Ja, Alles, um was ihr im Gebete glaubend bitten werdet, das werdet ihr erhalten.
23 Als er nun in den Tempel kam und lehrte, gingen einige Oberpriester und Aelteste des Volkes zu ihm und sprachen: Aus welcher Macht thust du dieses? Und wer hat dir diese Macht gegeben?
24 Jesus gab ihnen zur Antwort und sprach: Ich will euch eine Gegenfrage vorlegen; wenn ihr diese mir beantwortet, so will ich auch euch sagen, aus welcher Vollmachet ich dieses thue.
25 Woher war die Taufe Johannes? Vom Himmel, oder von Menschen? Da überlegten sie mit einander und sprachen:
26 Sagen wir, vom Himmel; so wird zu uns sagen: Warum habt ihr ihm denn nicht geglaubt? werden wir aber sagen: von Menschen; so haben wir das Volk zu fürchten; denn Alle halten Johannes für einen Propheten.
27 Sie antworteten also Jesu und sprachen: Wir wissen es nicht. Da sprach auch er zu ihnen:
28 So sage ich euch auch nicht, aus welcher Macht ich dieses thue? Was dünket euch aber? Es hatte Jemand zwei Söhne. Er ging zum ersten und sagte: Gehe hin, mein Sohn! und arbeite heute in meinem Weinberge.
29 Dieser aber antwortete und sprach: Ich will nicht! nachher aber reuete es ihn, und er ging hin.
30 Nun wandte er sich zum andern, und sagte ihm dasselbige; dieser antwortete und sprach: Ja, Herr! ging aber nicht hin.
31 Wer von beiden hat nun den Willen des Vaters gethan? Sie sagten ihm: Der erste. Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich! ich sage euch, Zöllner und Huren werden eher in das göttliche Reich kommen, als ihr.
32 Denn Johannes ist unter euch auf dem Wege der Gerechtigkeit aufgetreten, aber ihr habt ihm nicht geglaubt; die Zöllner hingegen und Huren haben ihm geglaubt; und obschon ihr dieses sahet, habt ihr eure Gesinnungen doch nachher nicht geändert, daß ihr ihm geglaubt hättet.
33 Höret noch ein anderes Gleichnis: Ein Hausvater pflanzte einen Weinberg; umgab ihn mit einem Zaun; ließ darin eine Kelter graben, und einen Wachthurm bauen; und vermiethete ihn an Weingärtner, und reisete außer Landes.
34 Da nun die Zeit der Früchte gekommen war, schickte er seine Knechte zu den Weingärtnern, um seine Früchte in Empfang zu nehmen.
35 Die Weingärtner aber fielen über seine Knechte her, schlugen den einen, tödteten den andern, und steinigten den dritten.
36 Noch einmal schickte er andere Knechte, und zwar mehrere, als zuvor; und sie behandelten diese auf gleiche Art.
37 Zuletzt aber schickte er seinen Sohn zu ihnen und sprach: Vor meinem Sohne werden sie doch wohl Ehrfurcht haben!
38 Als aber die Weingärtner den Sohn sahen, sagten sie unter sich: Dieser ist der Erbe. Auf! lasset uns ihn tödten, und uns sein Eigenthum zueignen!
39 Sie packten ihn also an, schleppten ihn zum Weinberge hinaus, und tödteten ihn.
40 Wenn nun der Herr des Weinberges kommen wird, wie wird er mit jenen Weingärtnern verfahren?
41 Sie sprachen zu ihm: Er wird arg mit diesen Argen verfahren und seinen Weinberg andern Weingärtnern verdingen, welche ihm zur gehörigen Zeit die Früchte liefern.
42 Hierauf sprach Jesus zu ihnen: Habt ihr nie in der Schrift gelesen: Der Stein, den die Bauleute verworfen, gerade dieser ist zum Grundstein geworden. Durch den Herrn ist dieses geschehen, und wunderbar ist's in unseren Augen.
43 Deßwegen sage ich euch: Das göttliche Reich wird euch entzogen, und einem Volke gegeben werden, bei dem es seine Früchte bringen wird.
44 Und wer auf diesen Stein fällt, wird sich zerstoßen; auf wen er aber fällt, den wird er zermalmen.
45 Nachdem die Oberpriester und Pharisäer seine Gleichnisse gehört, merkten sie wohl, daß er sie damit meine.
46 Sie trachteten daher, ihn gefangen zu nehmen, sie hatten aber das Volk zu fürchten, weil dieses ihn für einen Propheten hielt.