Wenn man die Geschichte der Reformationszeit liest und betrachtet die Vorgänge in Bayern zu jener Zeit, will es Einem fast bedünken, als sei dort Tod und Erstorbenheit für alle die gewaltigen Lebensbewegungen gewesen, welche ganz Deutschland damals durchzuckten. So schweigsam, so still ist es in diesem Lande gewesen, während selbst die nächst angrenzenden Gebiete Zeugen der durchgreifendsten religiösen Bewegungen waren. Das ist der nächste Eindruck, welchen eine Betrachtung des bayerischen Volkes jener Zeit hervorruft, und eben dieser hat bedeutendere Geschichtsschreiber, wie Meiners und Spittler, verleitet, zu dem harten Urteil sich hinreißen zu lassen, im südlichen Deutschland wohnten stupidere, für Aufklärung minder empfängliche Menschen, welche eine schlechtere Organisation und ein stumpferes sittliches Gefühl hätten. Allein nur ein oberflächliches Urteil wird zu diesem Ergebnisse gelangen. Wer tiefer in die Bewegung hineinblickt, welche auch hier allenthalben gärte, obgleich sie bald mit Macht unterdrückt wurde; wer es liest, wie viele Märtyrer Bayern in der kurzen Zeit, in welcher das Evangelium sich hier verbreiten konnte, hervorgebracht hat, der muss anerkennen, dass das Wort Gottes in diesen Zeugen der Wahrheit einen tiefen, gewaltigen Eindruck gemacht hatte und dass es edle, reich begabte Seelen waren, welche mit solch heiligem Ernste ihren Heiland bekannten bis in den Tod.
In München vor Allem zeigte sich ein lebhaftes Interesse für die neue Bewegung. Schon im Jahre 1519 wurde dort eine Predigt Luthers über das Leiden Christi nachgedruckt, zahlreich wurden die anderweitig gedruckten Schriften verbreitet. Bald mehrten sich die glaubenseifrigen Bekenner. Doch allerdings entschiedener, als sonst irgendwo in deutschen Landen, stellte sich hier die weltliche Gewalt diesen Bestrebungen entgegen. Nur unbedingter Verzicht auf den Glauben, den sie freudig bekannt hatten, konnte das Leben retten; Freiheit oder Gut war in jedem Falle verloren. Mit eiserner Hand leitete der kräftige, unerbittliche Kanzler, Leonhard von Eck, die Zügel des Staates; mit spähendem Auge forschte den Andersgläubigen Johann Eck (eigentlich Mayr, gebürtig aus dem Dörflein Eck im Allgäu, geb. den 13. Januar 1486), Professor in Ingolstadt, nach. Nur wahre, tiefgehende Begeisterung vermochte so strenger Gewalt gegenüber entschiedenes Bekenntnis des Glaubens hervorzurufen.
In München starb den 8. Februar 1527 der Wagner Georg, unter freudigem Bekenntnis, den Märtyrertod. Mühsam entrann demselben Lose der Meister Michael Keller. Er flüchtete sich auf das Schloss des edlen Reformationsfreundes Ulrich Rehlinger, des gefeierten Bürgermeisters von Augsburg. Mit 50 Mann zu Pferd, 135 Mann zu Fuß und 2 Falkaunen erschien Herzog Wilhelm selbst in der Frühe des Tages vor diesem fremden Besitze, um den Verfolgten zu fassen. Doch zu rechter Zeit gewarnt, hatte sich Keller in einer Bauernhütte verborgen, bis er in die freie Reichsstadt Augsburg zu entkommen vermochte. Tief im Herzen Altbayerns, zu Altötting, bei dem wundertätigen Gnadenbilde Mariens, trat Wolfgang Russ auf. Seine Seele war tief betrübt über den Werkdienst und die abergläubische Marienverehrung, die er täglich schauen musste. Mit großem Ernste erhob er sein Zeugnis wider der Wallfahrten Eitelkeit. Ihm war mitten unter den Extremen des Werkdienstes, wie er sich dort bei der Kapelle der wundertätigen Maria zu Ötting, wo er Gesellpfaff war, am meisten zeigte, das Verständnis des tiefen Gegensatzes zwischen äußerer Werkheiligkeit und lebendigem Glaubensleben aufgegangen. Im Jahre 1522 hatte er diese Gedanken, die durch Luthers Anregung in ihm entzündet, durch fleißiges Lesen der Schrift zur vollen Entfaltung gekommen waren, in einer Predigt über den Glauben des kananäischen Weibes ausgesprochen. Sie fand viel Anklang in den Herzen der Zuhörer, sie wurde gedruckt und fleißig in den Hütten des bayerischen Volkes gelesen. Dort kündet er mit innigster Herzensfreude dem armen Volke die neue Zeit an, in welcher der fleißigen Hirten viele geworden sind, welche die Schafe Gottes nicht mehr auf dürren, unfruchtbaren Äckern weiden wollen, sondern die Herde Gottes auf eine gute, feiste, fruchtbare Wiese treiben, nämlich auf das Wort Gottes, seine Verheißung und auf den Glauben, an dem endlich alle unsere Seligkeit steht, und gar nicht an äußerlichen Werken. Er hebt nun an, vom Glauben zu zeugen, wie er allein der Grund unseres Heils sei, wie er als wohlbewahrte Brustwehr für den Christen sich erweise und so feste Hoffnung in ihrem Gemüte wirke, dass sie glauben, als sehen sie es mit ihren Augen. Darauf führt er die wichtigsten Exempel des Glaubens aus dem alten und neuen Testamente an und beweist ihnen, wie die ganze Schrift dem Glauben Zeugnis gebe. Diesem fügt er dann die aus gründlicher Anschauung jenes gräulichen Werkdienstes zu Altötting hervorgegangenen Worte bei: „Darum schließe ich, dass alle äußern menschlichen Werke, die der Mensch außerhalb des Glaubens tut, nur Sünde sind und nicht verdienstlich. Lass dich schinden und braten, faste dich unsinnig, bete dich toll, laufe zu diesem und jenem Heiligen, bis du frumm wirst: ich gebe dir nicht einen Birnstiel darum, denn Alles das kann ein Türke und Heide eben so wohl, als du.“ Dieser Predigt gab er eine Antwort für die bei, welche es für ihr Privilegium hielten, die Schrift allein recht zu verstehen. „Mönche und Pfaffen, sagt er da, auf den hohen Pantoffeln und mit großen Kappen, verstehen sie diese? Wo hat man mehr Ketzer gefunden, denn unter ihnen? Ich glaube, wem es der heilige Geist eingibt, der versteht sie recht, - Wo hat euch Christus geheißen, blaues, schwarzes oder weißes Gewand tragen? Haben wir nicht alle Einen Orden? Sind wir nicht alle auf Christum getauft? Hätte nicht Christus auch solche Orden stiften können, wie Franciscus rc., wenn es ihm gefallen hätte? Hält man dir Franciscum vor, wenn du sterben willst, sagt man dir von blauen Kutten? Nein, man hält dir den blutigen Jesum vor, und das billig.“
Er schilt sie hierauf, dass sie Luthers Schriften nicht lesen und ihn doch verurteilen. „Luther, sagt er, richtet all seinen Fleiß und Ernst dahin, dass er zu Christo ziehe, damit man bei dessen Worte bleibe. Darum, redet er nun die erleuchteten Christen an, lasst euch nicht ableiten mit Schreckboten, Gott wird sein Evangelium nicht verlassen und helfen, dass wir beständig verharren bis ans Ende.“ Diese Schrift machte bei den Geistlichen und Mönchen Altöttings böses Blut; sie fühlten, dass der Grund ihres Baues angegriffen sei. Zudem hatte Russ den damals in Mühldorf gefangenen Kastenbauer vorzüglich im Glauben und in der Beharrlichkeit unter den Drohungen seiner Feinde befestigt. Er wurde von dem Offizial Drautensdorfer nach Salzburg zur Verantwortung zitiert, ohne Angabe des Grundes. Er wusste, was ihm zu erwarten stand. So floh er nach Ulm. Von dort schrieb er unterm 12. Septbr. 1523 eine Entschuldigung seiner Flucht. In dieser Schrift bezeichnet er seine Angeber als jenes seelenmörderische Gesinde, das Gottes Wort nicht leiden mag. „Wäre ich alle Tage mit ihnen in der Lüderlichkeit gelegen von einer Mitternacht zur andern, so wäre ich ein guter Geselle gewesen. Im Weine steht ihr Studium, das ist ihre Bibel, ihr Bauch ist ihr Gott.“ Als Grund seiner Flucht gibt er an „weil ich täglich vor mir sehe, dass man Niemanden bei diesem geistlichen Gericht lässt zur Rede kommen, dass Menschengedicht mehr gilt, als Gottes Wort, dass es kurzweg heißt: er hat Gott gelästert; was bedürfen wir mehr Zeugnis? Man soll ihn brennen! Ich wäre bereit, ein Märtyrer zu werden, so ich bei den Ungläubigen wäre; weil ich aber bei denen wohne, welche die Heiligsten und Gerechtesten sein wollen, dünkt es mich, es sei ohne Not; denn sie besserten sich nicht um ein Haar, ob sie schon meiner Tausende marterten. Vor jenen Hühnerfressern gilt die Predigt vom Glauben nichts; denn beim Glauben steht nicht der Dativus (das Geben); er ist ein Requiem (Ruhe) ohne ein Offertorium (Opfer).“ Als Hauptgrund seiner Zitation gibt er endlich den Besuch des gefangenen Kastenbauer an. „Ich habe einen Gefangenen getröstet, einen evangelischen Menschen, das ist der vornehmste Artikel, den ich büßen müsste. Ich bin nicht zu ihm gestiegen, sondern öffentlich am hellen Tage zu ihm gegangen, nicht allein, sondern andere mehr, habe nicht in der Stille geredet, sondern laut, habe nicht geholfen, dass er heimlich ausgelassen würde, er hat's auch nie begehrt. Er liegt wegen des Wortes Gottes. Will's Christus, so wird keine Türe helfen oder Bande.“ So zeugte der Vertriebene.
In Freising, dem Sitze des Erzbischofs, der Stätte, wo Korbinians Gebeine in höchsten Ehren gehalten wurden, wagte es Martin Reckenhofen kräftig gegen Opfer und Ablass zu zeugen. An Bayerns Grenze, da wo es an das Bistum Passau stieß, wo Ernst, der Bruder des bayerischen Herzogs, damals herrschte, in der Stadt Schärding am Inn endete der edle, unvergessliche Glaubenszeuge Lienhard Kaiser. Zehn Wochen war er unverhört im Unflate seines Kerkers in der Veste Oberhaus ob Passau gelegen; dann ward er vor den unerbittlichen Ketzerrichter Johann Eck geführt. Auch der Mächtigsten Fürsprache war hier vergeblich. In feierlicher Sitzung, umgeben von seinen Weihbischöfen, Äbten und einer großen Menge Volkes sprach ihm der Bischof das Urteil. Der Landrichter von Schärding wurde der Scherge. Noch kennt das Volk dort die Stätte, wo er am 16. August 1527 den edlen Geist in des Feuers Flammen aushauchte. Wunderbar erhalten blieb Stephan Kastenbauer (Agricola), welcher 3 Jahre lang in dem Kerker von Mühldorf schmachtete. Dort war es, wo der Kaplan Russ ihn besuchte, der hiervon schreibt: „Ich habe ihn in vielen Sachen gefragt, welche mir gedient haben zu einem christlichen Leben und zur Erkenntnis Gottes und seines Wortes“. In sein Gefängnis zogen oft die Priester der Umgegend, wenn sie voll und trunken waren, lästerten ihn, sagten ihm mit Wohlgefallen vom Brennen und Martern, und hofften ihn zu gewinnen. Allein Kastenbauer, obgleich weichen Gemütes, ließ sich doch keinen Augenblick erschrocken oder verzagt sehen, und Russ tröstete ihn reichlich und wies ihn hin auf den, um welches willen er in Banden lag. Er sollte von Mühldorf aus in einen Turm zu Salzburg in der Stadtmauer gebracht werden. Derselbe war mit Pulver unterminiert worden, um den frommen Mann in die Luft zu sprengen. Wäre das Vorhaben geglückt, so hätte man vorgegeben, der Turm sei durch einen Blitz entzündet worden: eine sichtbare Strafe des Himmels über den gottlosen Ketzer. Der Turm sprang jedoch schon vor Ankunft des Gefangenen in die Luft. Man musste sich vor dem Volke schämen und gab den Gebundenen lieber frei.
Es war ein Geist der Verstockung und der Herzenshärtigkeit über jene Priester gekommen, die wie Tyrannen die evangelischen Männer richteten. Deshalb ruft auch Russ aus: „Weil ihr nicht haben wollt, dass man euch eure Sünden auf der Kanzel sage, so merkt man wohl, dass ihr kein Christenvolk seid, noch sein wollt. Das Fleisch und Blut Christi ist an euch verloren. Die von Sodoma und Gomorrha werden euch richten, denn hätten sie gesehen und gehört, was ihr hört, sie hätten Buße getan in Asche und härenen Kleidern, an euch aber hilft gar nichts. Die Wütriche zur Zeit der Apostel haben nicht also Tyrannei getrieben, als ihr treibt. Wenn Kastenbauer nicht Gottes Wort verleugnen will, muss er im Turm verfaulen. Das Alles habe ich vor mir gesehen und habe mich aufgemacht und ziehe dahin vom römischen Jerusalem gen Ephrem. Da will ich bleiben, bis euch Gott auch erleuchtet.“
Einer der Edelsten, welcher die Unbilden jener Zeit zu fühlen hatte, war Johannes Turmayr, genannt Aventinus, der größte Geschichtsschreiber Bayerns. Geboren zu Abensberg am S. Ulrichstage 1477, eines Bürgers Sohn von dort, hatte er frühzeitig hohes Streben und edlen Wissensdrang kundgegeben. Von dem berühmten Conrad Celtes in die Tiefen der Wissenschaft eingeführt, hatte er bald selbst einen bedeutenden Namen sich erworben. Zu Krakau in Polen lehrte er die griechische Sprache, dann ward er im Jahre 1509 auf die vaterländische Hochschule als Professor berufen. Die Herzoge Ludwig und Ernst bildete er und begleitete sie in den Jahren 1515 und 1516 zum Besuche der klassischen Stätten Italiens. Nun lebte er in stiller Muße seinem hohen Werke, der Geschichtsschreibung seines Vaterlandes, zu dem ihn ein zwanzigjähriges Studium seiner Denkmale vorbereitet hatte. Dort im stillen Gartenhause seiner Wohnung zu Abensberg sann er den Wahrheiten nach, die sein Griffel verewigen wollte. Seine Annales Bojorum wurden 1551 zu Ingolstadt zuerst gedruckt, nachdem Hier. Ziegler, Lehrer der Dichtkunst daselbst, sie zuvor von dem gesäubert hatte, was der Geistlichkeit nicht genehm war. Sein Freimut, sein offenes Urteil über die Gebrechen seiner Zeit, sein ernster Tadel des geistlosen und habsüchtigen Wesens der Diener der Kirche, wohl auch seine über die Satzungen eines falschen Gesetzeswesens erhobene Lebensweise erregten Anstoß und bereiteten ihm bittere Feinde. Als er eines Tages bei seiner Schwester saß, überfielen sie ihn und übergaben ihn als Ketzer den Henkersknechten. Es war im Herbste des Jahres 1529. Dieses Verfahren erschütterte ihn tief und hatte sein Erkranken zu Folge. Es gehörte das Machtwort seiner fürstlichen Zöglinge dazu, um seine Befreiung zu erwirken. Nachdem er ein Leben der Dürftigkeit geführt hatte, der Mann, dem das bayerische Volk und seine Fürsten unsterblichen Ruhm verdanken, hatte geringeren Sold, als der Hoftrompeter, schied er den 9. Januar 1534 im 68. Jahre zu Regensburg aus diesem beschwerdereichen Leben.
Dieses sind einzelne, hervorleuchtende Männer, aber auf sie beschränkte sich der Eifer für die neuen Bestrebungen nicht. Der Pfarrer waren viele hin und her im Lande, welche fleißig Luthers und anderer Glaubensmänner Schriften lasen. Der Herzog hielt es für nötig, eine eigene Kommission niederzusetzen, um strenge Aufsicht über ihre Lektüre zu führen. Diese bestand aus dem Grafen Christoph von Schwarzenburg, Augustin Lösch, Franz Burkard, und das Ganze leitete die Seele der damaligen ganzen Regierung, der Kanzler Leonhard von Eck. Als diese nun Umfrage hielten, fanden sie gar manches derartige Buch vor; allein die Pfarrer entschuldigten sich, dass sie sonst nichts Erbauliches wüssten. Die Kommission wusste ihnen auch nichts zu nennen und beauftragte daher den Dr. Johann Eck, geeignete Schriften hierfür zu schreiben. Auch in den Klöstern hatte die Lehre Luthers teilweise freudige Aufnahme gefunden. Die Zellen zu Biburg und Ensdorf wurden leer, es war zu fürchten, dass andere diesen Anfängen folgen würden.
Auch die höhere Geistlichkeit schien noch nicht entschieden. Sie entfaltete keineswegs die Strenge und Energie gegen die Verbreiter der Lehre Luthers, wie sie der entschiedene Kanzler wünschte. Zudem war mancherlei Eifersucht zwischen geistlichen und weltlichen Ständen. Der Kanzler war rasch entschlossen. Er sandte den eifrigen Dr. Eck selbst nach Rom, um unmittelbar von dem Papste Hadrian zu erzielen, was ihm die bayerischen Bischöfe nicht zu gewähren schienen. Der Papst war über diese Entschiedenheit des bayerischen Herzogs sehr erfreut. Am 12. Juni 1523 erließ er die gewünschte Bulle, in der er den Bischöfen und Äbten strenge Aufsicht über das Wuchern der Ketzerei, gründliche Besserung der Klosterzucht, Unterordnung unter die von ihm ernannte Glaubens-Kommission forderte, an deren Spitze wieder der allmächtige Kanzler Leonhard von Eck stand; der eigentliche Ketzerrichter aber sollte Dr. Johann Eck sein. Die höhere Geistlichkeit empfand diesen Schlag, den ihr der kluge Kanzler versetzte, schwer; selbst des Herzogs Bruder, Bischof Ernst von Passau, wandte sich klagend an Herzog Wilhelm. Doch dieser ließ ihm Samstags nach Neujahr 1524 antworten, „das Geschehene sei nicht ohne, da Luther den Eingang seiner Ketzerei erstlich von den Missbräuchen und dem ärgerlichen Leben der Geistlichen genommen und damit bewirkt habe, dass man auch seinen nachfolgenden Schriften mehr Glauben schenkte; ferner da seine Lehre durch die Prediger auf den Kanzeln und sonst unverwehrt ausgegossen und gefördert worden wäre, was Alles die geistliche Obrigkeit, so dieselbe die Ehre des Allmächtigen, unsern christlichen Glauben und unser Heil mehr denn das Zeitliche und ihre Pracht hätten betrachten wollen, leicht hätte abwenden können. Wie endlich die Lutherischen Pfaffen, die wir ihren Ordinarien überantworteten, gestraft wurden, haben wir nicht ohne Beschwerde unsers Gemütes scheinbar gefunden; darum sahen wir uns zur Erhaltung der göttlichen Ehre und zur Unterdrückung der lutherischen Ketzereien höchlich gedrungen, die päpstliche Heiligkeit um Hilfe anzugehen; achten daher, E. L. sollten des mehr Gefallen, denn Beschwerde tragen. Dass aber E. L. insonderheit bei Sr. päpstl. Heiligkeit beschuldigt worden wäre, haben wir nicht Wissen.“ Was wollten die Bischöfe nun tun? An dem Wohlwollen des Papstes lag ihnen doch zu viel. So mussten sie sich in die gemachten Anordnungen fügen und von nun an die Ketzer strenger verfolgen.
Indessen hatte dieses Verfahren traurige Folgen. Statt der lauteren Lehre des Wortes Gottes, welche bisher die Gemüter begeistert hatte, bemächtigte sich nunmehr jene mit so vielen unlautern und fleischlichen Elementen vermischte Lehre der Wiedertäufer des Volkes, welche allerdings die Gemüter zu flammender Begeisterung und freudiger Hinopferung in den Tod fortriss. Einstimmig erzählen die Berichterstatter, dass diese Leute zum Teil in Dürftigkeit und Mangel im Lande umherzogen, mit dem Geringsten zufrieden, zu jedem Dienste bereit, aber in all ihrem irdischen Tun des höchsten Zieles nie vergessend, den Glauben und das Wort zu lehren; dass sie, wo sie in Gefangenschaft und in den Tod geschleppt wurden, mit Freudigkeit das Leben für den Glauben opferten. So wurden zu München 29 dieser Leute hingerichtet; in einem Garten hatten sie dort ihre Versammlungen gehalten; feiger Verrat lieferte sie den Häschern aus; sie wurden teils ersäuft, teils verbrannt. In Landsberg erlitten 9 den Märtyrertod, viele hin und her in Märkten und Dörfern. Nur die milder gesinnten Reichsstädte übten Erbarmen und straften mit Landesverweisung; in Bayern kannte man keine Gnade. Fröhlich gingen Weiber wie Männer in den Tod. Balthasar Huebmaier, gebürtig aus Friedberg, durch seine Gelehrsamkeit eine Zierde seiner Vaterstadt und in den Kreis der Lehrer der Hochschule aufgenommen, zog unstet um seines Glaubens willen durch Bayern und die Schweiz hinab nach Österreich, wo er, nebst seiner Frau gefänglich eingezogen, am 10. März 1528 zu Wien verbrannt wurde. Solche Leiden ergingen über Viele im Volke. Doch allerdings das sah der kluge Kanzler Bayerns wohl, dass nur durch diese furchtbare Strenge das Volk beim alten Glauben zu halten war.
So stand es im Volke. Allein der Adel scheint im Ganzen diesen Bestrebungen entfernt geblieben zu sein. Und allerdings gewahren wir hier nicht dieselbe Beweglichkeit und Geistesfrische, wie anderwärts; nicht dasselbe tiefe Gefühl der Notwendigkeit einer religiösen Erneuerung. Der Adel war zu eng mit den Interessen des Hofes verflochten und auch zu abhängig von den Entschließungen desselben; vielfach gewiss auch von einem zu geringen religiös sittlichen Ernste durchdrungen. Wir werden hiervon im Verlaufe dieser Erzählung Proben erhalten. Zwar hat uns die Überlieferung die Nachricht aufbewahrt, dass ein Herr v. Freiberg Luther, als er vor Cajetan aus Augsburg entwich, auf seinem Schlosse Hohenaschau am Chiemsee eine Zeit lang verborgen habe; doch ist diese Erzählung zu wenig verbürgt. Indessen eine Andeutung seiner Gesinnung mag dies immerhin sein. Aber eine edle Frau aus vornehmem bayerischen Adel ist es, welche, je einsamer sie im Kampfe geblieben ist, um so glänzender zeigt, welche Kräfte auch in diesem Stande lebten, und die daher stets in der Geschichte als eine Zierde des bayerischen Adels leben wird. Es ist dies Argula von Grumbach, von deren Leben nun diese folgenden Zeilen berichten sollen.
Argula von Grumbach war aus dem Geschlechte der Herren von Stauf entsprossen. Ihr Großvater hieß Johann von Stauf, war bayer. Pfleger zu Oberhaus, seit 1437 zu Laber, seit 1449 Vitztum in Niederbayern. Er wurde nebst den Adeligen Johann von Degenberg und Johann v. Aichberg im Jahre 1465 in den Freiherrnstand vom Kaiser Friedrich erhoben. Kurz war die Dauer dieses bald so hochgestellten Geschlechtes; kräftige Sprossen trieb dasselbe; männlich standen sie gleich deutschen Eichen in schweren Stürmen auf hohem Bergesgipfel; sie unterlagen der Macht des Sturmes, aber ungebeugt mit voller riesiger Kraft stürzten sie den jähen Abhang hinab. Als obige drei Hans, der bayerischen Männer stolzeste, an des Kaisers Tafel saßen, da trat der kaiserliche Hofnarr auf sie zu; aus seinem Munde flossen verwegene Worte; aber im sauren Salze war herber Ernst und wunderbare Ahnung. Er wendete sich von ihnen an den Kaiser und sprach folgende Reime:
Allergnädigster Kaiser!
Dies sind drei große Hansen aus Bayern zwar;
Aber über hundert Jahr
Wird ihrer sein weder Haut, noch Haar.
Es war mitten unter dem Mahle ein seltsames Wort, aber es erfüllte sich wunderbar nicht bloß an ihnen, sondern fast auch an ihrem Geschlechte. Sechs und vierzig Jahre darauf starb das Geschlecht der Herren von Aichberg aus, die Stauf endeten mit Hans Bernhard im Jahre 1599, und der Stamm derer von Degenberg überdauerte letzteren nur um 3 Jahre. Das war das rasche Ende dreier hochberühmter adeliger Geschlechter.
Johann von Stauf war mit Margaretha, einer geb. Schenk von Geyern, vermählt, welche das Schloss Treuchtlingen besaß und dasselbe 1453 an die Grafen zu Pappenheim verkaufte. Sie gebar ihm eine Tochter und zwei Söhne, Bernhardin und Hieronymus. Ersterer war Argulas Vater. Beide waren die Blüte ihres Geschlechtes; durch Klugheit, Männlichkeit, Ritterlichkeit und persönliche Würde gleich ausgezeichnet. In den meisten Turnieren jener Zeit glänzten sie, so in dem zu Mainz 1480, zu Regensburg 1487. Man pflegte in Beiden die geistigen Häupter des bayerischen Adels zu sehen. Die Herzoge vertrauten ihnen die wichtigsten Ämter. Sie vergaßen jedoch nie die Selbständigkeit und Würde des Adels. Wo diese vom Fürsten gekränkt schien, hielten sie es für die erste Pflicht, des Adels Gerechtsame zu verteidigen und voran im Rate der Standesgenossen zu sitzen. Ihre Namen sind in der bayerischen Geschichte bedeutungsvolle Namen geworden.
Damals herrschte in Bayern-München Herzog Albrecht, der Weise benannt, denn er verstand unter den schwierigsten Verhältnissen stets das Beste zu finden und mitten in einer verwirrten Zeit die fürstliche Macht zu entschiedener Geltung zu bringen. Beständig befehdet von neidischen Brüdern, von denen der starke Christoph der bekannteste ist, wusste er doch sie alle darniederzuhalten, sei es durch Klugheit oder Gewalt. Seine Gemahlin war die schöne Kunigunde, die einzige Tochter des Kaisers Friedrich. Königen hatte dieser sie verweigert, der gewandte Herzog wusste sich dieselbe zu erobern, selbst gegen des Kaisers Willen. Im Jahre 1487 segnete Bischof Wilhelm von Eichstädt die Ehe ein, ob auch der Vater grollte. Selbst Tirol sollte das Erbe der edlen Kaisertochter werden. Überall war das Glück dem Weisen hold. Er war seines Weges immer sicher und wandelte ihn mit fester Ruhe. Wie er mit seinen Brüdern fertig wurde, so bangte ihm auch nicht, den Stolz des Adels zu brechen.
Nun hatte im Sommer des Jahres 1488 die Landschaft dem Herzog eine Steuer-Erhebung verwilligt, um damit ein ständiges Heer gegen die allerwärts wohnenden Feinde zu werben. Niemand war ausgenommen, als Fremde, Geistliche und wer in Hofmarken auf des Gerichtsherrn Gut saß; also auch der Adel sollte beigezogen werden. Darob ergrimmten die mächtigen Herren der Straubinger Gegend. Es däuchte ihnen ein gewaltiger Bruch aller Freibriefe. Solchem Beginnen eines mächtigen und unbeugsamen Herrn musste man von Anfang an aufs Entschiedenste widerstehen. Bald sammelten sich mehrere Unzufriedene. Unter ihnen gewann den größten Einfluss Herr Bernhardin von Stauf, des Herzogs Vitztum1) in Straubing. Man prüfte die alten Urkunden und Handfesten; Unrecht wollte man nicht, aber auch nicht Beugung des eignen Rechts. Am 25. Oktober sandten 24 Ritter ihr Ansuchen an den Herzog ab; sie wiesen hin auf ihre alten Freibriefe; sie beriefen sich auf ihre persönliche Kriegsleistung, zu welcher sie dem Herzog immer bereit wären: darum müssten sie und ihre Lehensleute der Steuern ledig sein. Der Herzog verwarf ihre Auslegung und meinte, es möchten wohl wenige unter ihnen sein, deren Ahnherren zur Zeit der Ottonischen Handfeste schon mächtig im Lande gewesen wären. Des Verhandelns war viel, doch die Ritterschaft stand fest.
Je öfter sie ihre Freibriefe verglich, desto sicherer wurde ihnen ihre Auslegung. Der Herzog fühlte das Peinliche seiner Lage, zudem ihm seine Brüder wenig hold waren. Er befahl, die Steuererhebung bei den Betreffenden einstweilen zu verschieben; er hoffte friedlichen Austrag. Allein in der Nachsicht erblickten die Ritter Zugeständnis des Unrechts ohne den Willen, es aufzuheben. Da galt es die Zeit wohl zu nützen und in Eintracht zusammen zu stehen. Wohlauf, sprachen sie, lasst uns nicht feiern, lasst uns kramen, dieweil uns der Markt vor der Türe steht. Immer mehr reifte der Entschluss zur Tat. Bernhardin legte, um keinerlei persönliche Verpflichtung zu verletzen, am 3. Februar des Jahres 1489 seine Würde als Vitztum des Herzogs nieder. Langsam und bedächtig kam das Werk zu Stande.
Endlich am 14. Juni dieses Jahres sammelten sich 46 Ritter zu Cham in der Oberpfalz und schlossen daselbst den in der bayerischen Geschichte wohl bekannten Löwenbund. Es war das nichts Auffallendes im Reiche, denn solcher Bündnisse bestanden mehrere; ja sie konnten sich sogar sicher der Bestätigung des Kaisers getrösten, denn er grollte noch seinem Schwiegersohne ob der unliebsamen Heirat. Aber um so erzürnter war darüber der Herzog. Er wusste wohl, dass die ganze Absicht des Bundes gegen ihn stand; er sah in diesen Rittern nicht des heiligen Reiches freie Glieder, sondern seine Dienstmannen, die ihm zu Treue und Gehorsam verpflichtet waren. Besonderen Groll trug er gegen Bernhardin, der bei ihm in so hohen Ehren gestanden war. Allein der edle, kräftige Mann hielt seines Standes Ehre und der Ritterschaft Freiheit höher, als Gunst bei Fürsten. Sein Beispiel wirkte anziehend auch auf andere Diener des Herzogs. Die Pfleger von Donaustauf, Abensberg und Lengfeld legten ihre Ämter dem Herzoge zu Füßen.
Der Löwe war das Zeichen dieses Bundes. Kräftig und kühn sollte er wie dieser zum Angriff schreiten, fest und unerschüttert wie das königliche Tier jedem Anstürmenden widerstehen. Deshalb trug jeder der Bundesritter den Löwen in Silber ganz, ihre Edelknechte nur an Klauen und Schweifende auf Hut oder Kappe. Um den Hals schlang sich die schmuckreiche Kette von gliedweise in einander gehängten Löwen; an ihr hing eine in Silber gedruckte Lilie. Gegen jeden fremden Übermut sollte der Beistand geleistet werden, nur des Papstes Heiligkeit und des römischen Kaisers Würde war ausgenommen. Jeglichen Streit unter sich wollten sie selbst vermitteln, um stark zu sein nach außen; den Verstorbenen sollten Seelmessen und Jahrtage zu Teil werden. An der Spitze sollte ein Bundeshauptmann stehen. Gewählt wurde Sebastian Pflug, Herr zum Rabenstein. Am Stiftungstage selbst trat Pfalzgraf Otto von Neumarkt dem Bunde bei, im Dezember auch die Brüder des Herzogs, Christoph und Wolfgang.
So vergingen die Jahre 1490 und fast auch 1491. Der König Ladislaus. von Böhmen übernahm das Schirmrecht; Kaiser Friederich bestätigte den Bund und freute sich seiner; er gab demselben zunächst den Auftrag, Regensburg, das am 6. August 1468 Herzog Albrecht dem Reiche abgenommen hatte, wieder zu gewinnen. Freier Sinn war dort zu Grabe gegangen. Die Bürger hofften durch die Verbindung mit Bayern Aufblühen des alten Wohlstandes. Viele riefen: Besser einen Herzog, als einen Kaiser. Jener macht reich, das Reich macht arm. Umsonst hatte sie ihr 73jähriger Bischof, Heinrich von Absberg, gemahnt, das von den Vätern ererbte Kleinod der Freiheit nicht dem Wohlleben zum Opfer zu bringen. Freiheit sei eine gute Mutter, Fürstengunst eine wetterwendische Freundin. Allein der freie Sinn war erstorben; sie verstanden die Worte des Greises nicht mehr. Er wandte sich von ihnen mit Tränen. Frohlockend nahm das Volk den bayerischen Herzog auf; aber mit tiefem Grimme vernahm das Geschehene der Kaiser. Er sprach die Acht über die Stadt aus, der Löwenbund sollte sie vollziehen.
Doch dieser zögerte jetzt bedächtig. Der Kaiser mahnte Bernhardin, loszubrechen. Der Bundeshauptmann mahnte ab, aber Herzog Wolfgang rief mit Ungestüm zum Angriff. Gar mancher, sprach er, ist gelustig von der Acht zu genießen. Die Feurigsten folgten. So begannen die Feindseligkeiten in der Nacht des 12. Dezember 1491. Bernhardin drang von seinem Schlosse Ehrenfels, sein Bruder Hieronymus von seiner Burg Köfering herab, die andern Herren folgten. Man fing der Regensburger Leute auf. Es war ein Beutezug, wie alle jene Ritterkämpfe. Viel Schlimmes geschah. Sogar die armen Kindlein hielten sie wie einen Schild gegen die Geschosse der verzweifelnden Väter.
Zornig vernahm der Herzog die Kunde. Am 21. Dez. rückte er mit seinen Reisigen von München aus; er war längst vorbereitet. Rasch kam er nach Regensburg; von dort zog er zunächst mit Sturmeseile südlich, gerade in der heiligen Nacht gegen die Burg des Hieronymus, Köfering. Dieser kämpfte verzweifelt; doch das Geschütz des Herzogs stürzte die Mauern zusammen. Es war ein heißer Christtag. Schon am zweiten Weihnachtstage musste er sich mit 80 Bundsknechten ergeben. Seine Burg wurde bis auf den Grund zerstört; wenige Tage. darauf seine zweite Feste, Triftfing. Alle ihre Dörfer mussten der Herren Gelüste teuer büßen; das war damals des Krieges Art. Nun ging es gegen die stolze Feste der Parsberger. Von ihren Zinnen flatterte noch in der kalten Winterluft mächtig des Löwen Fahne. Am 6. Januar ward auch sie erobert und die beiden Parsberger zogen in die Gefangenschaft. Nun kamen die Besitzungen Bernhardins an die Reihe. Schon am 7. Jan. ward der ihm gehörige Marktflecken Beratshausen, nahe der Stadt Hemau, dem Kriegsvolke zur Plünderung preisgegeben. Die Einwohner wurden ausgeraubt, Greise misshandelt, Frauen geschändet; Erbarmen kannte man nicht. Unweit davon lag auf stolzer Höhe die Stammburg der Staufen. Unten im freundlichen Tale fließt die Laber der Vereinigung mit der Donau zu; von oben blickte weithin ins Land die starke Feste, Ehrenfels war ihr Name; und als eine Burg der Ehren wahrte sie das tapfere Kriegsvolk des trefflichen Besitzers. Acht Tage lang leistete die Besatzung des Ritters dem gesamten Heere des Herzogs Widerstand. Bernhardin selbst war abwesend; er hatte eine Sendung an den schwäbischen Bund übernommen; aber seine Gattin war in der Burg und hielt sich ihres Gatten würdig. Am 22. Januar musste sie sich zu des Herzogs Füßen werfen, um seine Gnade zu erflehen. Er erwies sich als edler Ritter; er ließ sie mit ihren Kleidern und Kleinodien frei hinwegziehen. Die Besatzung führte er kriegsgefangen.
In diesem Jahre wurde aller Wahrscheinlichkeit nach Argula geboren. Es war eine Unglückszeit für ihre Familie, und an diesem Unglücke sollte sie namentlich zu leiden haben. Denn die meisten Güter ihres Vaters waren zerstört; sein Reichtum vernichtet, der Glanz des Ansehens schwand dahin. Ihr Lebenslos wäre wohl, wenn dieses traurige Jahr nicht gekommen wäre, ein äußerlich glänzenderes geworden. Aber die adelige Würde, die Kühnheit und der Mut ihres Vaters, der feurige Unternehmungsgeist, die Kraft des unverdrossenen Beharrens im Leiden und der ungebrochene Mut in allen Widerwärtigkeiten ist als ein schönes Erbe auf die Tochter übergegangen. Ihr ganzes Auftreten in der Zeit ihrer frischen Kraft wird erst recht erklärlich, wenn man ihre Abstammung, ihre Erziehung und den Zusammenhang ihres Lebens mit diesen Verhältnissen erwägt.
Ihre Mutter, welche damals vor dem siegreichen Herzoge bleich und gebeugt als eine Verzeihung Erflehende niederfallen musste, war ebenfalls aus einem der ältesten adeligen Geschlechter Bayerns, aus dem Hause Törring-Seefeld, das jetzt noch in Bayern blüht, wenn auch dieser Zweig schon 1555 erlosch. Sie hieß Catharina und war die Tochter des Georg von Törring, Herrn zu Seefeld. Sie hatte einen Bruder Veit, mit dessen Sohn Hans diese Linie erlosch, und eine Schwester Margaretha, welche an Caspar von Törring-Jettenbach vermählt war; zudem viele weitere Verwandte dieses Hauses. Von ihren näheren Umständen ist nichts Bemerkenswertes bekannt. Sie hatte nun zunächst die Not, welche über ihren Mann kam, mitzutragen.
Der Herzog Albrecht hatte in 30 Tagen den Feldzug vollendet; er hatte die alte Wahrheit aufs neue bestätigt, dass eine einheitlich wirkende Kraft einen unendlichen Vorteil vor zerteilten Mächten habe, und dass, wo ein starker und rascher Wille eine mächtige Streitmacht beherrscht, alle Gegner, auch die stolzesten und stärksten, darniederliegen müssen. Dieser Gedanke war in des Herzogs Seele mächtig; er durchdrang all sein Tun; er bestimmte ihn zuletzt zu jenem für Bayerns Geschichte unendlich wichtigen Gesetze, dass von nun an nur Einer im Lande Herrscher sei und darum das Recht der Erstgeburt gelte, Nachgeborne nur den Grafentitel führen dürften, Bayern ein einiges und ungetrenntes Land bleiben sollte.
Doch ungerächt wollten die Ritter diesen Sieg des Herzogs nicht hingehen lassen; sie schickten zornentbrannt Eilboten an den Kaiser nach Linz, ihm zu melden, wie der Herzog ihren Gehorsam gegen des Kaisers Auftrag vergolten hätte. Der Kaiser sprach schon am 23. Januar die Acht über seinen Schwiegersohn; des Herzogs Bruder Wolfgang wollte sie vollziehen, allein er war seinem Bruder nicht gewachsen und vom Löwler-Bunde verlassen. Auch der König von Böhmen und der schwäbische Bund wagten es nicht, gegen den klugen und mächtigen Fürsten von Bayern etwas zu unternehmen. Zwar noch einmal schien des Krieges hell loderndes Feuer sich zu entzünden, als Markgraf Friedrich von Brandenburg, des tapferen Achilles Sohn, das Reichsheer dem Herzoge auf dem Lechfelde entgegenführte; doch zur entscheidenden Stunde vermochte der beredte Mund des römischen Königes Maximilian das Herz seines Schwagers Albrecht zu erweichen. Er mahnte ihn an seiner Schwester Kunigunde Trauer, so lange nun schon mit dem Vater unversöhnt zu sein; an seines Landes Not, denn schon seit 1489 herrschte Teuerung allerwärts, im Jahre 1491 aber war in Folge einer ungeheuren Dürre alles Getreide im Keimen schon vertrocknet, und auf den dürren Sommer war ein streng kalter, trockner Winter gefolgt, so dass viele Wanderer auf den Straßen erfroren und die Wölfe zu der Menschen Wohnungen kamen. Albrecht reichte gerührt die Hand zum Frieden, verzichtete auf Regensburg und das Erbe Österreichs und hatte dafür die Freude der Versöhnung mit dem Kaiser. Zu ihm zog er nun mit seiner Gattin und seinen 3 jugendlichen Töchtern nach Linz. Der Anblick seiner lange nicht mehr gesehenen Tochter, seiner ihm noch unbekannten Enkelinnen rührte den greisen Kaiser; mit tiefer Bewegung schloss er sie an sein Herz. Es war eine schöne Stunde.
Mit dem Kaiser war nun Friede; er überlebte denselben nicht lange. Am 15. August 1493 schied er nach einem viel bewegten Leben in hohem Alter aus dieser Zeit; am 27. Juni Albrechts unruhiger Bruder Christoph, als er von einer Pilgerfahrt ins gelobte Land zum teuren Heimatlande zurückkehren wollte. Der starke, mutige bayerische Ritter liegt dort auf Rhodos in der Kirche der tapferen Johanniter begraben. Sterbend zog er sein köstliches Armband ab und sandte es noch seiner Schwägerin Kunigunde. Die Ritter des Löwenbundes wollten noch lange sich nicht zufrieden stellen lassen. Zu Nördlingen und Ulm wurde noch verhandelt; die Einheit derselben wich jedoch immer mehr, einzeln unterhandelten sie mit dem Herzog und unterwarfen sich 1493. Er gelobte, ihre Freiheiten unverletzt zu bewahren und erledigte eines Jeden Beschwerde. So fiel der so drohende Löwenbund für immer dahin.
Es begann nun für Bayern eine erquickende Friedenszeit: in diese fielen die ersten Jugendjahre unserer Argula. Das zarte Kind sah wohl noch die Ruinen der alten Herrlichkeit; nur langsam mochten die Burgen ihres Vaters und Oheims aus ihren Ruinen wieder erstehen. Ihre Habe war ja bedeutend gemindert worden. Noch in später Zeit schreibt sie mit tiefer Wehmut an ihren Vetter: Ihr wisst, dass mein Vater unter den Herren von Bayern verdorben und seine Kinder zu Bettlern worden sind. Doch auch für ein Kindesherz sind Leiden nicht ohne Segen. Frühe wendete sich ihr Sinn ernsteren Erwägungen zu, und der tief gehende sittliche Ernst ihrer späteren Zeit beweist, was schon ihr jugendliches Herz bewegte.
Überhaupt war ihr elterliches Haus eine liebliche Pflegestätte edlen Sinnes, gründlicher Bildung, ernster Frömmigkeit. Ein schöner Beweis hierfür ist, dass die zarte 10jährige (falsch manche Biographen 20jährige) Tochter von ihrem Vater eine ganze Bibel als Geschenk erhielt und dass ihr dieses die größte Freude bereitete. Was dies für jene Zeit heißen will, mögen wir daraus ersehen, dass es Hunderte von Geistlichen geben mochte, die nie eine Bibel, geschweige denn eine deutsche Bibel gesehen hatten, dass Luther bekanntlich erst als Student eine Bibel und zwar nur eine lateinische fand, und zwar wieder nur auf der Universitäts-Bibliothek zu Erfurt. Und Dr. Carlstadt bekannte später, dass er schon Doktor der Theologie gewesen sei und die Bibel noch nicht gelesen hätte. Vollends eine deutsche Bibel gehörte zu den größten Seltenheiten und Kostbarkeiten, denn es waren deren damals noch wenige erschienen. Die erste deutsche Bibel druckte bekanntlich Johann Faust zu Mainz im Jahre 1462, dann folgte die Straßburger Bibel. Die 5te-9te wurde zu Augsburg gedruckt bis zu dem Jahre 1480; die 9te verlegte Anton Koburger zu Nürnberg 1483. Ein Exemplar dieser letzteren Ausgabe scheint es gewesen zu sein, das sie in ihre Hände erhielt, obwohl sie im Jahre 1523 schreibt, ihre Bibel sei vor 41 Jahren gedruckt worden; allein aus diesem Jahre ist keine Ausgabe bekannt. Es war ein großer Schatz für das heilsbegierige Mädchen, kostbar dem äußern Werte nach, denn damals war die Bibel noch ein teures Buch, kostbar vor Allem nach dem inneren Werte für ein dem Höchsten und Edelsten zugewandtes Gemüt. Wohl schreibt sie, dass die Geistlichen ihr davon abrieten, als verführe die Bibel, und dies blieb nicht ohne Einfluss auf das jugendliche Mädchen. Indes wie wert sie dieses Andenken noch in späterer Zeit hielt, geht daraus hervor, dass sie es auch dann noch fleißig benützte, als Luthers unendlich bessere Übersetzung erschienen war, und treulich die beiden Übersetzungen verglich.
Kurz nur pflegte in jenen Zeiten der Friede zu dauern. Bald ertönte wieder der Waffen Getöse, und das jugendliche Herz des kräftigen Mädchens musste um so weniger von diesen trüben Verhältnissen unberührt bleiben, da ja der eigne teure Vater mit in den Kampf ziehen musste und in ihrer Gegend wieder der Krieg entbrannte. Nämlich Herzog Georg der Reiche von Landshut hatte den einzigen Erben seiner bedeutenden Macht schon in der Wiege sterben sehen müssen. Wohl hatte er 2 Töchter, von denen die jüngere, Margaretha, den Schleier genommen hatte, die ältere, Elisabeth, der Liebling seines Herzens war; allein dem Wittelsbacher Hausvertrage zufolge durfte keine Frau Erbin des Landes sein. Sein ganzer Besitz fiel somit an die Linie München. Georg war nicht wie Albrecht von dem staatsmännischen Grundsatz beherrscht, dass Bayern in Eines Mannes Hand ein mächtiger, gebietender Staat sein würde. Die Liebe zur Tochter übermochte solchen Gedanken. Elisabeth hatte ein männliches Herz. Oft beklagte es ihr Vater, dass sie nicht auch zum Manne geboren sei. Doch er glaubte das Mittel gefunden zu haben, ihr sein Erbe zu erhalten. Er vermählte sie mit dem herrlichen, ritterlichen Jünglinge. Ruprecht, dem Sohne des Kurfürsten Philipp von der Pfalz, im Jahre 1500. Er war zwar seit 1495 als Geistlicher im Bistum Freising, allein der Papst dispensierte ihn 1499 von seinem Gelübde und das Volk urteilte darüber, das Elslein von Landshut habe er lieber gehabt, als S. Korbinian. Wohl warnte den Fürsten sein mutiger Kanzler, Wolfgang von Kolberg, eines Schulmeisters Sohn; allein er musste sein treues Wort mit schwerem Kerker büßen. Georg setzte seinen Willen durch und rüstete rings im Lande; doch zum Kampfe kam es nicht mehr in seinem Leben. Bald siechte er dahin, auf einer Reise ins Wildbad erkrankte er und starb in Ingolstadt am 1. Dezember des Jahres 1503. Vier Tage verschwieg Ruprecht seinen Tod, bis er sich der wichtigsten Schlösser bemächtigt hatte.
Indessen Albrecht versäumte nicht, die nötigsten Schritte für sein Recht zu tun. Er eilte zum Kaiser Maximilian, der eben zu Ulm die Häupter des schwäbischen Bundes um sich versammelt hatte; am 5. Dezember belehnte ihn dieser mit dem ganzen Erbe und verbot Ruprecht jede Verletzung des Rechtes. Doch Eigennutz bewog den Kaiser, bei diesem Spruche nicht stehen zu bleiben, sondern mit beiden Fürsten zu verhandeln, um von beiden einen beträchtlichen Gewinn für sich zu erzielen. Den lange sich hinausziehenden Verhandlungen machte die mutige Elisabeth ein Ende. Sie ließ Kriegsvolk herbeiziehen, überrumpelte Landshut und jagte die Landesverweser am 17. April 1504 auseinander, da sie deren Neutralität nicht dulden konnte. Rasch besetzte nun Ruprecht mit seinem Heere alle wichtigen Orte. Der Kaiser strafte den Landesfriedensbruch mit der Acht des Fürsten am 23. April. Binnen wenigen Wochen war nun Krieg und Kriegsgeschrei vom Fuße der Alpen bis zum Böhmerwalde und von da gen Osten bis zum Rheine. Ganz Süddeutschland nahm am Kampfe Teil. Doch Ruprecht erschrak nicht, obgleich 10 Heere gegen ihn und seine Verbündeten anrückten. Spottend sang er:
Bund, heb stark und brich nicht.
Römischer König, du hast es nicht,
Albrecht hat's in der Tasche nicht usw.
Der ganze Bund steht wider mich,
Dawider streite ich ritterlich.
Auch die beiden Brüder von Stauf standen wider ihn. Sie hatten sich längst mit Herzog Albrecht ausgesöhnt und waren wieder zu hoher Gunst gekommen. Als treue Dienstmannen fochten sie im Heere ihres Fürsten, und das Glück war mit ihm. Zwar ritterlich kämpfte Ruprecht; einen männlichen Heldensinn bewies Elisabeth. Sie ritt im Waffenschmuck, den Streitkolben in zarter Hand, durch alle Feldlager und begeisterte die Kämpfer. Es entstand ein furchtbarer Raubkrieg. Dorf stand gegen Dorf, Bruder gegen Bruder; oft entschied fast des Zufalls Spiel, zu welcher Partei man sich schlagen sollte. Rings wurde alles zerstört. Auch die Verbündeten hausten fürchterlich. Die Nürnberger, Albrechts Genossen, durchzogen die bayerische Umgegend sengend und brennend und hatten zulegt reichen. Lohn ihrer Hilfe. Lange noch blieben die Spuren des Gräuels.
Harten Kampf gab's bei Moosburg an der Isar zwischen Bayern und Pfalz. Schon glaubte Albrechts Heer den Sieg erfochten zu haben, als der Hinterhalt der Pfälzer hervorbrach und die Schlacht für Ruprecht entschied. Der berühmte Götz von Berlichingen verlor hierbei seine rechte Hand durch einen Schuss. Es zeugt von der Ritterlichkeit jener Zeit, dass ihm sein Gegner, der Pfalzgraf, die Aufnahme in Landshut gestattete, um seinen Schaden heilen zu lassen.
Furchtbarer Jammer brach in Folge der schrecklichen Kriegesweise über das Land herein. Weiber und Kinder, zerlumpt und bleich, erbettelten das Brot von den Kriegsknechten. Gleichviel, riefen sie heulend, wer unser Herr sei. Wär' es nur Einer erst! Dazu die ungesunde Witterung. Es regnete diesen Sommer fast beständig in heftigen Güssen. Die Ruhr brach aus und raffte viele Menschen hinweg. Ihr erlag auch der tapfere Ruprecht, erst 24 Jahre alt, zu Landshut; es war eine erschütternde Kunde für das Volk, lange wollten es die Leute nicht glauben. Doch dem Kampfe tat sein Tod keinen Eintrag.
Nun wendete sich der Kriegsschauplatz den Gütern der Staufen zu. Das brandenburgische Heer unter seinem Markgrafen Friederich, den seine beiden, nachher so berühmten Prinzen Casimir und Georg begleiteten, zog über Hemau heran. Mit diesem waren die Nürnberger, der Kaiser und Albrecht vereinigt. Bei dem Schlosse Schönberg, 2 Stunden ob Regensburg, kam es zur Schlacht. Es standen 3000 Böhmen ihnen entgegen auf den Höhen, Sie fochten ihres alten Ruhmes würdig. Mutig schlugen sie den jungen Casimir zurück. Heiß war die Schlacht. Der Kaiser selbst, von einem eisernen Flegel auf den Rücken getroffen, stürzte vom Rosse. Herzog Erich von Braunschweig, obgleich selbst durch Arm und Schenkel geschossen, rettete das Oberhaupt des Reiches aus dem Getümmel, das über den Kaiser wegging. Endlich siegte der Bayern Kraft, 1622 Böhmen bedeckten die Wahlstatt und wurden in 9 Gruben bestattet, 700 wurden gefangen, die Andern entkamen. Am 2ten Tage nach dieser Schreckenskunde starb auch Elisabeth in der Blüte ihrer Jahre am 14. September 1504.
Für die verlassenen Waisen, Otto Heinrich und Philipp, führte ihr Großvater den Krieg fort; vorzüglich tapfer stritt sein Führer Georg Wisbeck. Er wagte sich bis München und beschoss mit einer Feldschlange von der Anhöhe längs der Isar die Stadt. Von dort wandte er sich nach Niederbayern und belagerte Vilshofen mit 6000 Mann. Diese Stadt verteidigte Hieronymus von Stauf, Oheim der Argula. Der alte Mut, den er so oft bewährt hatte, verließ ihn auch hier nicht. Als er die beiden Vorstädte aufgeben musste, ließ er Feuer in dieselben werfen, um sie nicht den Feinden zu überliefern. Schon waren die Stadtmauern 60 Schuhe weit zerschossen, schon ließ Wisbeck die Sturmleitern ansetzen. Aber kühn und entschlossen wehrte der tapfere Befehlshaber den Angriff ab, mit blutigem Verluste trieb er den Feind zurück. Es war um die Mitte Dezember 1504. Der Schnee lag hoch in den Feldern. Mit dem Frühlinge des Jahres 1505 kehrte zuerst ein Waffenstillstand, im Sommer der Friede ein. Kaiser Max hatte Anfangs vor, jenes Gebiet auf dem linken Donauufer, wo die Herren des Löwenbundes saßen, der Pfalz zu geben, doch die Ritter selbst baten nun Albrecht, sie für sein Gebiet zu erhalten. Die Stimmung war im Laufe der Jahre eine ganz andere geworden.
Herzog Albrecht, dem der Hauptgewinn des Krieges zufiel, bedachte nun auch dankbar seine Getreuen. Dem edlen Bernhardin teilte er im Jahre 1508 die Herrschaft Schönberg zu, welche in diesem Kriege der Schauplatz jener furchtbaren Schlacht gewesen war. Auch Hieronymus ward nicht vergessen. Bald sollte er zu der bedeutungsvollsten Stufe der Macht emporsteigen.
Wenige Jahre indes nach dem Friedensschlusse sollte Argula schon das traurigste Los treffen, das ein liebendes Kind treffen kann. Der Tod raffte ihre beiden guten Eltern in dem kurzen Zeitraum von 5 Tagen dahin. Was mag es der guten Tochter, die ihren Eltern so viel verdankte, die eine so gründliche Bildung, eine so gewissenhafte Erziehung von ihnen erhalten hatte, gewesen sein! Doch sie hatte frühzeitig ihre Kraft in herben Erfahrungen gestählt und in jenem Worte schon damals ihre Freude und ihren Trost, das erst später Luther mehr auf die Bahn brachte. Sie sagte davon in einem ihrer Gedichte:
Ja, dieses Wort mein Herz erfreut.
Christus, der sagt: ihr selig seid,
So ihr durch mich Verfolgung leid't.
Sie hatte ein tiefes Verständnis von den heiligen Gnadenmitteln; sie wusste, dass sie durch dieselben dem Herrn und Heiland eingeleibt sei, der sie durch sein heiliges Blut erlöset hatte und sie darum nicht verlassen noch versäumen würde. Besonders tröstete sie sich der heiligen Taufe. Sie schreibt: „Verflucht ist der Mensch, der da vertraut den Menschen; aber gebenedeit ist der Mensch, der sein Vertrauen setzt auf Gott. Ihr wisst, dass alle Menschen in der heiligen Taufe das Gelöbnis getan haben: ich glaube; ich widersage. Welcher Doktor hätte mehr, als ich, in der Taufe gelobt, welcher Papst, Kaiser oder Fürst? Darum bitte ich Gott alle Tage um seine Gnade, dass ich das erlange, damit das Gelöbnis, das mein Dod (Pate) an meiner Statt getan, an mir erfüllt werde; da ich es ja, da ich zur Vernunft kam und im christlichen Glauben gelehrt wurde, angenommen und darein gewilligt habe; so dass es also durch den Glauben besteht.“ Schon damals zeigte sich ihre starke Seele. Doch sie sollte noch mehr geprüft und geläutert werden, um zu dem männlichen Charakter zu erstarken, der sie später so bedeutend auszeichnete.
Das Todesjahr ihrer Eltern ist uns unbekannt. Wahrscheinlich war es das Jahr 1510; sie mochte also damals etwa 18 Jahre alt sein. Die Fürsorge für sie und ihre Geschwister, es waren 4 Brüder und 3 Schwestern, übernahm nun ihr Oheim Hieronymus von Stauf, den wir zuletzt als bayerischen Heerführer in Vilshofen kennen lernten. Dieser Mann erstieg nun erst seine höchste Würde, kam aber durch sie zum tiefen Falle. Beides hatte natürlich Argula, seine Pflegbefohlene, mit zu empfinden. Mit scharfem Verstande und klarem Blicke begabt, und zugleich warmen Gefühls und teilnehmenden Herzens, musste sie diese verschiedenen Stufen des Geschickes ihres Vormundes mit mehr als gewöhnlicher Teilnahme hinnehmen.
Das Erbe, was der hinscheidende Vater den Kindern hinterließ, war im Vergleiche zu dem Glanze, der denselben früher umgeben hatte, ein unbedeutendes zu nennen. Noch später sprach Argula es mit Wehmut aus, dass ihr Vater unter den Herren von Bayern verdorben sei, und sie scheute sich nicht, geradezu zu sagen, dass seine Kinder dadurch Bettler geworden seien. Als nun das besorgte Vaterauge vollends geschlossen war, wollte auch das Vorhandene, wenn auch noch so kärglich zugemessen, nicht mehr zureichen, und ihr Oheim entschloss sich zum Zwecke der Verpflegung der Kinder das Gut Schönberg, das ihr Vater erst so kurze Zeit besessen hatte, zu verkaufen, wenn auch vorläufig mit der Bedingung, dass dasselbe wieder eingelöst werden könnte. Heinrich Paumgartner der Ältere von Amberg kaufte es im Jahre 1513.
Doch nicht ohne Einfluss auch auf ihre Lage musste die Stellung sein, die nun ihr Oheim und Vormund sich errang.
Im Jahre 1508 war der alte Herzog Albrecht gestorben; sein ältester Sohn Wilhelm war erst 15 Jahre alt. Darum führte dessen Vaters Bruder Wolfgang, einst der heftige Feind Albrechts, nun die Regierung und herrschte mild und friedlich, bis dann im Jahre 1511 der nun 18jährige Fürst selbst die Zügel der Regierung ergriff. Bald erkannte er in Hieronymus von Stauf den erfahrenen und festen Mann, dessen treuen Rat er als unerfahrener Jüngling bedurfte. In inniger Eintracht wirkte derselbe mit seinem einstigen Verbündeten, dem Herzog Wolfgang, und war sein Schirm und Schild wider alle Anfechtungen, die bald über den jungen Herzog hereinbrachen.
Der jüngere Bruder des Herzogs nämlich, Ludwig, 2 Jahre nach ihm geboren, empfand die Anordnung seines Vaters schwer, dass nicht mehr wie weiland alle Prinzen gleichen Anteil an der Regierung haben sollten. Sein Geist war stolz und begehrlich; er war der Liebling der Mutter, von schmeichlerischen Höflingen umgeben. Solches hatte der alte Vater, als er jene Hausordnung gab, nicht ermessen; er hatte übersehen, dass die jüngeren Prinzen damals schon geboren waren, also gegründeten Anspruch hatten, auf ein Recht, das ihnen angeboren war, nicht zu verzichten. Zwar hatte allerdings der kluge Albrecht beide jüngere Söhne, Ludwig und Ernst, für den geistlichen Stand bestimmt, damit ihnen weltliches Gelüste um so weniger in den Sinn käme. Allein Ludwigs Streben stand nach Macht und Ehre. Er verlangte, nun 17 Jahre geworden, mit fester Entschiedenheit, nach den vielhundertjährigen Übungen des Wittelsbacher Hauses, Teilung des Gebietes, und er hatte dazu eine gewaltige Helferin, seine Mutter Kunigunde, des Kaisers Schwester, welche das weiche Gemüt ihres ältesten Sohnes wohl zu benützen verstand.
Wilhelm war allerdings nachgiebigen Sinnes gegen seine Mutter. Allein ihm stand nun Hieronymus zur Seite, der die Stellung seines obersten Hofmeisters einnahm. Dieser trat allen Versuchen Ludwigs mit gewohnter Entschiedenheit entgegen, mahnte Wilhelm, sein gutes Recht, vom Kaiser verbrieft, nicht fahren zu lassen, erinnerte ihn an die langwierigen und kostspieligen Kämpfe, die sein Vater bestanden hätte, um diesen Gedanken durchzusetzen, zeigte ihm, dass dieses gerade die Haupterrungenschaft der Weisheit seines Vaters für das Wohl Bayerns sei und dass er damit denselben noch im Tode betrüben würde, wenn er das ganze Ziel seines Lebens, nach dem er mit so großer Anstrengung gerungen, leichthin wieder umstoßen würde. Dem Rate des klugen und umsichtigen Mannes stimmte der alte Wolfgang bei, der nun selbst anderen Sinnes, als früher, geworden war und die Weisheit seines Bruders ehrte.
Der Rat fruchtete. Am Landtage von 1514 trat Wilhelm vor die Stände hin, welche seinem Bruder Ludwig gewogen waren und gerne die alte Teilung gesehen hätten, welche ihren Einfluss begünstigte. Er mahnte sie an die feierliche Versiegelung, welche sie selbst der Anordnung seines Vaters hinzugefügt hätten, an die Stärkung der Macht Bayerns, die daraus hervorginge. Der Kaiser selbst riet, ihm nach Wolfgangs Tode dessen Länderbesitz zu verleihen und bis dahin ihm 6000 Gulden Jahrgeldes zu geben.
Doch nun machte Kunigunde ihren Einfluss geltend; sie war eine kluge Frau, stolz und bedächtig, geliebt und hoch geachtet von ihren Söhnen. Bald hatte sie das Herz ihres ältesten Sohnes gewonnen. Er gab nach kurzem Sträuben nach. Sie wusste klüglich den Staufer von der Verhandlung fern zu halten. Dieser war inzwischen immer entschiedener gegen Ludwig aufgetreten und war mit demselben so zerfallen, dass er diesem in vollem Zorne Dienst und Pflicht aufkündete; ja während eines Tanzes im Schlosse zu München waren sie in offenen Wortwechsel geraten, so dass sich ihr Verhältnis nun zu entschiedener Feindschaft gestaltete. Wilhelm hingegen wusste die Treue seines Dieners wohl zu ehren und verlieh ihm noch in diesem Jahre das Schloss Falkenstein ohne der Stände Beirat, worüber diese sehr ergrimmten.
Was Wilhelm in schwacher Stunde seiner Mutter gelobt hatte, durfte er bald zurücknehmen, da der Kaiser sein höchstes Missfallen darüber aussprach, dass die Stände selbst zum Brechen einer heiligen Ordnung beitrugen. Er sandte seine Botschafter an die Landschaft nach München, an ihrer Spitze den Bischof Gabriel von Eichstädt. Allein die stolze Kunigunde erwiderte der Klage des Bischofs: „Mein Herr von Eichstädt, ich bin geborne Fürstin von Österreich und Herzogin von Bayern, und habe junge Fürsten, nicht Grafen und Bankerts geboren. So lebe ich der Zuversicht, unser Herr und Bruder kann mir solche Schmach nicht gönnen“. Indessen bemächtigte sich Wilhelm, von Herrn von Stauf aufgefordert, wieder der Alleinherrschaft und der alte Wolfgang stand ihm treulich gegen die Anmaßungen der Landschaft bei. Leider starb dieser indes schon am 25. Mai dieses Jahres, und mit ihm schied auch der Hort des Staufers. Nun hatte er allein die schwere Aufgabe, den wankelmütigen Sinn des Herzogs beständig zu erhalten.
Ludwig wollte zur Waffengewalt schreiten; doch wandten sich die Brüder noch zuerst an den Kaiser, um dessen Spruch zu hören. Er entschied, Ludwig sollte den vierten Teil des Gebietes erhalten. Das genügte keinem von Beiden. Hieronymus mahnte Wilhelm, von seinem Rechte nicht zu lassen; der Entschiedenheit könne der Erfolg nicht fehlen; das heilige Recht müsse zum Siege gelangen; Schwäche in der Stunde der Entscheidung sei das schlimmste Übel. Er fühlte übrigens selbst nun das Peinliche seiner Lage seit dem Tode des Wolfgang; er wusste, dass die Durchführung des Gedankens, dem er alle seine Kraft gewidmet, zugleich die Bedingung seiner eigenen Stellung war, dass sein Leben bei dieser Sache auf dem Spiele stand.
Welch eine Schreckenskunde musste es ihm daher sein, als er vernahm, dass Weiberlist ihn besiegt habe, dass Kunigunde ihren Sohn vermocht habe, ohne seinen Rat mit seinem Bruder nur in ihrer Gegenwart zu verhandeln; dass ihr gelungen sei, vollkommenes Einverständnis zwischen beiden Fürsten herzustellen. Das Verkommnis würde am 14. Oktober 1514 abgeschlossen und der eigentliche Inhalt vor dem Kaiser und Hieronymus, die man beide am meisten fürchtete, zunächst geheim gehalten, bis zu München der Vertrag vollständig abgeschlossen war. Beide Fürsten gelobten sich, gemeinsame Herrschaft und Hofhaltung zu führen; Einer sollte dem Andern an Hoheit, Macht, Gewinn und Schaden gleich sein. Mit solchem Verkommnis hatten sie des Kaisers und Staufers Pläne zerstört. Dieser fühlte nun wohl, dass seine Stunde geschlagen habe. Mit Ludwig war er offen zerfallen, die Herzogin Mutter betrachtete ihn als ihren entschiedenen Gegner, die Landstände waren ihm gram, da er den Herzog zu allen entschiedenen Handlungen bestimmt hatte, Wilhelm hatte zuletzt seinen Rat verschmäht. Zudem wurde es nun beiden Fürsten klar, dass derselbe nicht immer redlich gehandelt habe, dass er, sobald er die Schwierigkeit seiner Lage erkannte, Alles aufbot, um Misstrauen zwischen den Brüdern zu erzeugen, ja selbst den Gedanken wach zu rufen, als trachte einer dem andern nach dem Leben.
Zuerst traten die Stände gegen ihn auf. Am 10. Nov. 1515 wurde von ihnen ein Warnbrief an die Kirchtüre zu Landshut geschlagen, worin sie ihm jegliches Mittagen an ihren Sitzungen verwehrten, bis er das Schloss Falkenstein zurückgegeben hätte, das ihm ohne ihr Mitwissen zu Teil geworden sei. Das hätte früher Niemand gegen den mächtigen Mann gewagt. Im Jahre 1516 forderte dann Kunigunde in offenem Schreiben seine Entsetzung von seiner Würde als Obersthofmeister, da er böser Umtriebe überwiesen sei. Immer mehr häuften sich die Kläger. Je mehr sie fühlten, dass des Glückes Gunst von ihm weiche, um so mutiger wagten sie sich nun gegen den Mann, vor dem sie sonst gebebt hatten. Er aber erntete leidigen Undank von seinem Fürsten. Da wurde wahr das Wort des Psalmisten: Verlasset euch nicht auf Fürsten, sie sind Menschen, die können ja nicht helfen. Denn des Menschen Geist muss davon und er muss wieder zur Erde werden. Alsdann sind verloren alle seine Anschläge.
Wie tief musste Argula diese neue Wendung des Geschickes ihres Hauses betrüben. Sie war nun herangewachsen zur blühenden Jungfrau. Ihr ganzes Wesen war ritterlich und gemessen, voll Anstandes und Würde; sie strahlte in jugendlicher Schönheit. Ein helleres Licht des Glückes war ja nach manchen schlimmen Zeiten für ihre Familie aufgegangen; doch nur zu schnell trübte sich der heitere Tag, und finstere Wolken umzogen den Horizont. Doch sie war eine ritterliche Jungfrau; sie war zugleich eine höhere Weisheit gelehrt. Sie wusste: Der Herr ist es, der auch in finstern Wolken einherzieht. Fressendes Feuer geht jezuweilen vor ihm her und um ihn her ist ein großes Wetter. In ihrer Bibel hatte sie das freundliche Wort ihres Gottes gelesen: (Jes. 54,11) „Du Elende, über die alle Wetter gehen, und du Trostlose; du sollst durch Gerechtigkeit bereitet werden. Du wirst ferne sein von Gewalt und Unrecht, dass du dich derer nicht dürfest fürchten, und von Schrecken, denn es soll nicht zu dir nahen.“ Ihr Vertrauen stand zum Herrn. Dass Menschenhilfe eitel sei, hatte sie längst erfahren. Ihre Überzeugung war: Wohl dem, des Hilfe der Gott Jacobs ist, des Hoffnung auf dem Herrn seinen Gott stehet.
So vermochte sie auch die schwere Zeit mit Mut zu überstehen, die nun über ihre Familie hereinbrach. Der Herzog Wilhelm hatte den Feinden seines getreuen Dieners Gehör gegeben; er hatte nicht Festigkeit genug, um all' den feigen Anklägern, die nun auf einmal wider denselben auftauchten, zu widerstehen. So ließ er Hieronymus zu Ingolstadt verhaften. Seine Feinde eilten mit ihm zu Tode; sie kannten das wankelmütige Herz des Fürsten. Sogleich brachte man ihn zum peinlichen Verhör. Jedes unüberlegte Wort, jede stolze Äußerung des ritterlichen Mannes ward ihm zum Verbrechen gestempelt. Die. Richter sprachen das Todesurteil. Umsonst flehten die Verwandten um Gnade, erinnerten an seine Verdienste, gedachten der Würde des Mannes, des Adels der Familie. Man musste von dem gewaltigen Manne schwere Rache fürchten. Bereits am 7ten Tage nach der Verhaftung führten sie ihn auf das Blutgerüst, das auf dem Salzmarkt von Ingolstadt errichtet war. 500 Bürger umstanden im Harnisch die Richtstätte, damit der einst so mächtige Mann seinem Urteile nicht entrinne. Es war der 8. April 1516, da feige Tat ein edles Haupt vom Rumpfe trennte. Der Leichnam wurde auf der Burg Ehrenfels begraben. Zu spät fanden sich des Kaisers Gesandte ein, um ernstlich daran zu erinnern, dass er ein Glied des heiligen Reiches sei. Er gehörte nun bereits dem Reiche des Jenseits an.
Seine zahlreichen und bedeutenden Güter hinterließ er seinem Sohne Hans Ruprecht. Allein dieser, der seinen Vater zu rächen suchte, schloss sich an Böhmen an, aus dem auch seine Gattin, aus dem später so berühmten Geschlechte der von Waldstein, stammte, machte viele kostspielige Rüstungen und stürzte sich dadurch in Schulden, so dass er sich genötigt sah, seine Güter eines nach dem andern zu verkaufen. Sein Sohn, der letzte seines Geschlechtes, Hans Bernhard, `Pfleger in Kössting, war bereits so tief in Schulden, dass er zuletzt noch die ehrwürdige Burg seiner Väter, Ehrenfels, nebst der ganzen Herrschaft an Pfalz-Neuburg im Jahre 1567 verkaufte und sich in den freien Hof zu Regensburg, den seine Voreltern erworben hatten, zurückzog. Er war zweimal verheiratet, hatte aber keinen Leibeserben. So endete ein Geschlecht, das große Männer aus sich erzeugt hatte, kurze Zeit nach seiner höchsten Blüte. Aber die Enkel waren der Väter nicht wert. Kraft, Mut und Umsicht fielen dahin. Mit Wehmut sehen wir auf diesen Verfall aller menschlichen Größe. Argula stand nach dem Tode ihres Oheims verlassen und einsam da. Doch der Herzog, wohl im Gedächtnis dessen, was ihr Vater geleistet und welche Schuld er durch ihres Oheims Hinrichtung auf sich geladen hatte, übernahm dessen Stelle und zog sie an seinen Hof. Je tiefer die edle Jungfrau all die schweren Geschicke fühlte, die über ihr Haus gekommen waren, um so dankbarer erkannte sie die Güte des Herzogs. Unvergesslich blieben ihr die Worte des edlen Landesfürsten, als er zu der sittsamen, in Tränen sich ihm nahenden Jungfrau hinzutrat und freundlich sagte: „Weine nicht also; ich will nicht bloß dein Landesfürst, ich will auch dein Vater sein.“ Sie wurde die Kammerfrau seiner Mutter und erfuhr am Hofe viel Gutes. Mit inniger Anhänglichkeit redete sie auch später immer von ihrem Fürsten, mit herzlichem Danke gedachte sie der Gottesfurcht, die sie dort fand. Gott sei ihre Belohnung, schreibt sie einmal, hier in der Zeit und dort in der Ewigkeit. Nur das Beste erwartete sie stets von ihrem Fürsten. Als sie später um des Wortes Gottes willen an den Herzog schrieb, da lauteten ihre Worte also: „Ich habe es nicht unterlassen mögen, E. F. Gnaden als meinem Bruder im Geiste zu schreiben. Der Geist Gottes regiere es, denn ich meine es ja gut. Gott sei mein Zeuge, dass ich Freude habe in E. F. G. Glückseligkeit, hinwiederum Leid in E. F. G. Unglück.“ Diese Güte aber söhnte ihr Herz mit dem harten Los aus, das der Herzog ihrer Familie bereitet hatte, und sie erfuhr an sich die Wahrheit des Wortes: Mein Vater und meine Mutter verlassen mich, aber der Herr nimmt mich auf. (Psalm 27,10) Aber sie vergaß auch nie das Gebet: „Verbirg dein Antlitz nicht vor mir und verstoße nicht im Zorn deine Magd, denn du bist meine Hilfe. Lass mich nicht und tue nicht von mir die Hand ab, Gott mein Heil.“ Sie sollte die Gewährung dieser Bitte auch in ihrem ferneren Leben noch reichlich erfahren.
Als der Oheim unserer Argula so traurig endete, war die Lage ihrer ganzen Familie eine sehr missliche. Ihr älterer Bruder Bernhardin war nun zwar wohl schon mündig und konnte die Güter des Vaters übernehmen, allein er scheint dennoch in misslicher Lage gewesen zu sein, da Argula bei ihm keine Zuflucht finden konnte. Vielleicht auch hatte dieser für die übrigen Geschwister zu sorgen, denn er hatte noch 3 Brüder, von welchen der zweite Ferafis, schon im Jahre 1521 hinschied, die andern, Gramaflanz und Marcell, noch jünger waren; zudem bedurften auch die beiden andern Schwestern, Zormarina und Secundilla, noch der Fürsorge. Dass von diesen gerade Argula an den Hof der edlen und stolzen Kunigunde gezogen wurde, mag in ihrer hohen Bildung, in ihrem charaktervollen Wesen, in ihren hervorragenden Geistesanlagen seine Erklärung finden. Jedenfalls weist dies auf eine besondere Bevorzugung hin, da keiner von den vielen Töchtern ihres Oheims diese Ehre zu Teil wurde. Nur einen Sohn, Hans Ruprecht, hatte der gewaltige Hieronymus gehabt, auf den sein Geist nicht überging, hingegen sieben Töchter, deren späteres Geschick beweist, dass sie in Tüchtigkeit wohl ihren Bruder überragten, und dass, wenn sie auch zunächst durch die Hinrichtung ihres Vaters schwer betroffen und jedenfalls deshalb auch von dem Herzoge zunächst nicht berücksichtigt wurden, sie doch später in die angesehensten Familien heirateten. Die älteste Tochter, Barbara, vermählte sich mit jenem Hans von Törring-Seefeld, der kinderlos seine Linie schloss. Die zweite Tochter, Margaretha, war nach einander an drei adelige Herren, an den v. Gutenstein, v. Paulsdorf und zulegt an Sebastian v. Seiboldsdorf verheiratet. Die dritte, welche den Namen Herzolaw führte, vermählte sich mit ihrem Vetter Joachim v. Stauf, welcher zu dem andern, sogenannten Ulrich'schen Zweige der Staufen gehörte, und gebar diesem den letzten Sprossen dieser Linie: Degenhart, welcher am 14. Oktober 1568, ohne einen Sohn zu hinterlassen, verstarb. Der alte Vater, der zuletzt erblindet war, musste dem im kräftigsten Mannesalter hingeschiedenen Sohne in die Gruft und in den Untergang seines Geschlechtes nachsehen und starb noch in demselben Jahre aus Kummer. Auch die jüngste Tochter, Sibylla, vermählte sich mit einem Adeligen, Wilhelm v. Trennlach; die drei übrigen Schwestern hingegen begaben sich in Frauenklöster in Regensburg.
Argula hatte das Glück, an den herzoglichen Hof gezogen zu werden und verlebte hier einige Jahre. Offenbar war dieser Aufenthalt nicht ohne großen Einfluss auf ihre geistige Bildung. Denn die alte Herzogin Kunigunde, in deren Dienst sie zunächst weilte, war auf der einen Seite ein fromme, ernste Frau. Das bewies sie dadurch, dass sie nach dem Tode ihres Gemahles sich in das Kloster der Franziskanerinnen in München zurückzog, ohne jedoch damit gänzlich den Bequemlichkeiten einer Fürstin zu entsagen. Andererseits hatte dieselbe einen bedeutenden politischen Überblick, war in alle öffentlichen Verhältnisse jener Zeit tief eingeweiht und besaß eine bedeutende Energie, so dass sie zur rechten Stunde alle ihre Pläne durchzusetzen wusste. Ein solcher Charakter musste für die geistesverwandte Argula eine große Anziehungskraft ausüben, und eben dieser Umstand mag das spätere so entschiedene und auf den ersten Blick auffallende Auftreten der jungen Frau genügend erklären. Ferner erlangte sie durch diesen Aufenthalt einen tiefen Einblick in die ganze Denkweise der damaligen vornehmen Welt und die sittliche Haltung der höheren Klassen. Es war zwar damals in ihr noch nicht jene religiöse Weihe, jener rücksichtslose sittliche Ernst zum Durchbruch gekommen, der sie später zu fast prophetischem Auftreten ohne Furcht und Beben begeisterte. Der Einfluss höfischer Sitte und Gewandtheit wird nicht ohne Spuren in ihrem Leben gewesen sein. Wir dürfen das aus den Worten Luthers schließen, in denen er sich nach ihrer Zuschrift so freudig gegen ihren Freund Spalatin ausspricht, wenn er am Tage nach Antonii 1524 also an denselben schreibt: „Ich schicke Euch der Jüngerin Christi, Argulae, Schrift, dass Ihr sollt sehen und Euch freuen mit den Engeln über einer Sünderin, einer Tochter Adams, bekehrt und Gottes Tochter worden. Lieber, wo Ihr könnt an sie gelangen, grüßt sie doch von meinetwegen und tröstet sie in Christi Namen. Ich suche auch Gelegenheit, wie ich möchte zu ihr gelangen; ich hätte auch schon an sie geschrieben, wenn ich hätte gewusst, dass die Briefe durch Euch an sie kommen könnten.“ Sie war noch ein Kind der Welt, klug und fein, gewandt und schön. Aber die tiefen Eindrücke einer gottseligen Jugenderziehung, das Beispiel eines edlen Vaters waren an ihr nicht verloren. Sie besaß Verstand und Scharfblick genug, um die Eitelkeit des konventionellen Lebens zu durchschauen und die Nichtigkeit der Grundsätze jenes Adels und die Hohlheit der Bildung der Meisten zu erkennen. Dies war für sie der Weg zu späterer tieferer Einsenkung in den Glaubensgrund.2)
Wie klar sie diese Grundsätze ihrer Standesgenossen erfasste, das sehen wir aus ihrem Briefe an ihren Vetter Adam von Törring, worin sie mit gewaltigen Worten gegen die Gleichgültigkeit der Vornehmen für alles Höhere und Heilige eifert. Sie schreibt da: „Mich kann nicht genug erbarmen unsere Obrigkeit, dass sie es so gar nicht zu Herzen nehmen, weder Geistliche noch Weltliche. Dass ich doch Einen erführe, der sich annähme, die Bibel zu lesen, auch sich gewisslich erkundigte, was der Befehl Gottes wäre. Und doch verfluchen sie so, würgen und toben ohne alles Wissen und Grund aus der Schrift. Dennoch soll Niemand sagen, dass es unchristlich getan oder gehandelt sei. Welcher Christ möchte wohl schweigen? Es ist ihnen aber eben so viel, so man sagt: „Das hat Gott geredet“, als ob es ein Unsinniger oder Narr geredet hätte. Was ist aber Schuld, dass sie des Wortes Gottes so wohl berichtet sind, als eine Kuh des Brettspiels? Schlechtweg ihre Antwort: ich glaube, was meine Eltern geglaubt haben. Es gebührt mir nicht, das auszutragen. Damit aber ist es nicht ausgerichtet. Es gehört allen Christen zu, das Wort Gottes zu wissen; denn Paulus sagt: der Glaube kommt aus dem Hören.
Wie die Fürsten, so ist auch der meiste Adel. Ich hab's von Vielen gehört, die da sagen: So mein Vater oder Mutter in der Hölle wären, wollte ich ungern im Himmel sein. Mir nicht. Wenn gleich alle meine Freunde darin wären, wovor Gott sei, fürchte ich doch, sie könnten mir die Weile nicht kürzen. Ist der Eltern Schuld, dass sie die Kinder nicht haben lernen lassen; sind sie schon zur Schule gegangen, hat man sie den Ovidium und Terentium gelehrt.“
So strafte sie die geistige Trägheit und Gleichgültigkeit der höheren Stände, so zürnte sie jenem Hangen am Alten, das ohne Sinn und Überlegung das Herkömmliche nur bewahrt, weil es eben das Alte ist, und jene geistige Anstrengung scheut, die auch der Gefahr, das Liebste verlieren zu müssen, nicht aus dem Wege geht, wenn der Ruf der Wahrheit den Ernst der Prüfung gebietet.
Nicht minder bot sich ihr am fürstlichen Hofe Gelegenheit, das sittliche Leben und den Wandel des Volkes und namentlich der höheren Stände kennen zu lernen. Einen so tatkräftigen und entschiedenen Charakter, wie er ihr zu Teil geworden war, widerte die Haltungslosigkeit und Unsittlichkeit, wie sie in so vielen Kreisen herrschte, an, und sie straft daher diese Sünden mit unbeugsamem Ernst. „Alle Stände, schreibt sie, sind voll solcher Buben, und rühmen sich dessen mehr, als man sich schämt, sowohl in der Ehe, als außerhalb. Es ist leider dazu gekommen, dass Hörfrauen und ihre Gesellen mehr Treue an einander beweisen, denn oft in der Ehe geschieht, dass wohl der Spruch St. Pauli (1. Kor. 5,1) erfüllt ist. Da hebt sich denn an Grollen, Zanken, Raufen, Schlagen; Tag und Nacht ist kein Friede; Gut und Mut, Alles geht hinweg; hilft nichts, halte sich eine, wie sie wolle, darüber oft eine auch zu Schanden wird. Gott behüte Alle, die dawiderkämpfen, helfe auch wiederum den Gefallenen auf. Da sieht Niemand darein; klagt man es den Freunden, ist's ein Gelächter; sie dürfen auch das nicht strafen; desgleichen die Obrigkeiten haben gemeiniglich des Holzes selbst eine Geige.“
Es ist natürlich bei diesem Gange ihrer Bildung, bei diesem lebendigen Interesse an ihrer Zeit und ihrer religiössittlichen Entfaltung, bei dem Umgange mit einer Frau, welche in den politischen Kreisen eine so große Rolle spielte, erklärlich,` dass ihr Blick nicht bei den kleineren und engeren Verhältnissen des Hauses stehen blieb, dass er vielmehr immer mit besonderer Vorliebe in die Vorgänge auf dem Schauplatz der öffentlichen Welt hinausschweifte. Daher drängt sich so gerne, ja oft fast zusammenhangslos die Betrachtung der staatlichen Ereignisse in ihre Briefe ein. Auch in diesen das Leben der Völker so tief bewegenden Vorgängen und Verhandlungen hasste ihr entschiedener Geist alle Tändeleien und alle nutzlose Zeitverschwendung; sie drang auf ernste, männliche Erledigung der obschwebenden Schwierigkeiten, auf deutsche Gründlichkeit und kräftige Beseitigung alles unsittlichen Wesens. So schreibt sie an den Statthalter von Neuburg im Jahre 1524: „Ich bin jetzt wieder in inniger Freude und Hoffnung, weil ich höre, dass ein Reichstag ausgeschrieben ist. Gott sende ihnen seinen Geist, der sie die Wahrheit erkennen lehre, damit dieser Reichstag nicht vergeblich den Namen habe, sondern wir reich an Seele und Leib und alle in einem wahren christlichen Glauben regiert werden, und nicht das Gut Land und Leuten so bös verzehrt werde, dadurch wir noch ärmer werden. So man aber so viel Fleiß auf Gottes Wort legen würde, als auf Essen, Trinken, Bankettieren, Spielen, Mummereien und Anderes, würde es bald besser. Wie vielmal 100.000 Gulden ist auf den Reichstagen den Landschaften bei meinem Gedenken verzehrt! Was es genützt, wisst Ihr besser als ich. Was kann man ratschlagen, so sie Tag und Nacht die Köpfe kaum tragen vor Völle? Ich hab's selbst zu Nürnberg gesehen, ein solch kindisches Wesen der Fürsten, dass es mir, solange ich lebe, vor Augen ist.“
Auf diese Weise entfaltete sich das geistige Wesen der ritterlichen Jungfrau an dem fürstlichen Hofe, zugleich aber auch ihres Leibes Schönheit und Adel, die Würde und Anmut ihres Benehmens, so dass es sehr erklärlich ist, dass, als der Ritter Friedrich v. Grumbach, der hie und da am Hofe erschien, sie daselbst kennen lernte, rasch in ihm der Entschluss reifte, um ihre Hand zu bitten. Sie selbst aber willigte gerne ein, denn da die Verhältnisse ihres Hauses nicht eben mehr die glänzendsten waren, musste sie es als eine erfreuliche Schickung Gottes betrachten, dass ihr die Hand eines Mannes zu Teil wurde, der nicht bloß in Franken, sondern auch in Bayern selbst begütert war und zudem die einträgliche Stelle eines Pflegers in Dietfurt inne hatte.
Diese Pflegerstellen, vielfach Ämter ohne Geschäfte, mit reichen Einkünften ausgerüstet, waren damals gewissermaßen Privilegien des Adels, in denen sie sorgenfrei zugleich ihre Güter verwalteten, ja durch Ankauf noch vermehren konnten. So hatten die Grumbach, welche von Haus aus nicht dem bayerischen Adel angehörten, im Jahre 1503 bereits die Hofmark Lenting erworben, deren Besitz Friedrich im Jahre 1514 antrat; er selbst erkaufte dazu, damals noch Pfleger zu Altmannstein, am Schambache nahe der Teufelsmauer gelegen, von der Witwe Katharina Popp das Gut Hagenhübl, Gretzhausen und Rundlhof im Jahre 1515. Groß und mächtig stand gerade damals der Adel in Bayern da. Er hatte nach dem Tode des gewaltigen Herzogs Albrecht die wegen der Unmündigkeit der Fürsten nötig gewordene Vormundschaft gut zu nützen verstanden, hatte den berühmten Ottonianischen Kaufbrief auch auf. das Oberland anwenden lassen, hatte alle einzelnen, früher erworbenen Rechte in ein Ganzes gesammelt, um sie nun alle zusammen bestätigen zu lassen, ehe sie die Huldigung leisteten. Ging eine Steuer über das Land, sein Hofgut war frei, auch auf seine zerstreuten Güter wollte er diese Freiheit ausdehnen. Sie hatten jenes wichtige Zugeständnis nun errungen, das gleichsam den letzten Faden der alten Ministerialität zerriss, dass sie auch ihre Töchter ohne Genehmigung der Fürsten verheiraten durften. Dem höheren Adel, der noch immer ausschließend den Titel „Herr“ erhielt, stellten sie sich mehr und mehr gleich; und die Jugend begann bereits die Söhne des höheren Adels zu duzen, gleiche Auszeichnungen im Helmschmucke anzunehmen und mehr und mehr die bisherigen Unterschiede zu verwischen. Friedrich stammte aus der so bekannten ritterlichen Familie Grumbach, deren Besitzungen meist in dem jetzigen Landgerichte Würzburg rechts des Mains lagen. Die Stammveste Burggrumbach mit einem Dorfe gleichen Namens, das jetzt noch etwa 600 Einwohner zählt, liegt nordöstlich von Rimpar, das ihnen gleichfalls gehörte. Als nächste Nachbarn der Würzburger Bischöfe waren sie mancherlei Kämpfen mit diesen ausgesetzt, doch haben sie selbst auch dem Würzburger Stuhl zwei Bischöfe gegeben, Wolfram um das Jahr 1322, und Johann um das Jahr 1455. Es sind zwei verschiedene Linien sehr wohl zu unterscheiden. Die eine, ältere, welche dem höheren Adel angehörte und namentlich durch Übernahme von Klostervogteien sehr reich wurde, wird schon im Jahre 912 bei Gelegenheit eines Turniers in Rothenburg an der Tauber erwähnt; besonders aber tat sich Marquard im 12. Jahrhundert hervor, der Schloss Rothenfels als Würzburger Lehen erwarb. Indessen schon im Jahre 1243 starb diese altadelige Familie aus. Graf Albert hinterließ bloß eine Tochter, welche sämtliche Güter des Hauses ihrem Gemahle Ludwig v. Rieneck zubrachte, der von nun an den Titel Rieneck-Rothenfels führte, bis auch seine Familie 1342 ausstarb.
Schon im Jahre 1328 hatte aber das Schloss Grumbach einer der Ministerialen jenes gräflichen Hauses um 2200 Heller an sich gebracht. Er ist der Gründer jener Freiherrlichen Linie geworden. Während jene den durch das Grüne hinfließenden Bach (Grünbach) im Wappen führten, hatten diese den Mohren im gelben Felde, welcher in der einen Hand 3 Rosen trägt. Auch diese Linie teilte sich dann später in 2 Zweige, die ältere, welche in Burg-Grumbach lebte und deren letztes Glied Hans Christoph im Jahre 1612 in der äußersten Not starb, nachdem er alle seine Güter an den Bischof Julius im Jahre 1599 und den folgenden Jahren verkauft hatte; und die jüngere, deren letzte Sprossen Wilhelm und Wolfgang waren, welche ebenfalls in Dürftigkeit herabsanken, 1597 noch ihr legtes bedeutendes Besitztum, Dieppach, verkauften, von denen dann letzterer 1601, ersterer 1603 hinschied. Sie waren die Enkel jenes berüchtigten Wilhelm v. Grumbach, der als Landesfriedenstörer 1567 lebendig gevierteilt wurde, nachdem er in seinem Leben der Schrecken der Bischöfe Frankens gewesen war.
So reich war ursprünglich dieses Geschlecht, dass in Franken das Sprichwort lebte: Grumbacher - die Reichsten; so arm wurde es zuletzt, dass die Sprossen dieses alten Geschlechtes im eigentlichsten Sinne nicht mehr hatten, wo sie ihr Haupt hinlegten.
Friedrich war nun der ältere Zeitgenosse jenes Wilhelm, der 1503 geboren war, seine erste ritterliche Bildung unter dem tapferen Markgrafen Casimir von Ansbach erhielt und nach einem abenteuerlichen Leben jenen tragischen Tod durch den Henker erfuhr. Als dieser ihn in schauerlicher Weise lebendig vierteilte, riss er ihm zuerst das Herz aus dem Leibe und rief: Siehe, Grumbach, dein falsches Herz! schlug es ihm dann um den Mund und hieb ihm hierauf den Kopf ab. Solche Barbarei übte man noch in jener Zeit, und zwar im Auftrage eines evangelischen Churfürsten. Friedrich war ruhigeren Wesens, und hatte nichts mit jenem unruhigen, stets zu Kampf und mutigen Unternehmungen bereiten Ritter gemeinsam. Zudem lebte er mehr in Bayern, als in dem aufgeregten Franken, obgleich er auch dort seine Güter bewirtschaftete.
Das Jahr der Vermählung ist nicht mehr bekannt, wahrscheinlich war es das Jahr 1518; denn da im Jahre 1516 ihr Oheim starb und sie erst nach dessen Tod wohl an den Hof kam, an welchem sie sicher einige Jahre verlebte, so muss uns diese Zeit als die wahrscheinlichste dünken. Ihre Ehe wurde mit 4 Kindern, 2 Söhnen und 2 Töchtern, gesegnet. Der ältere Sohn, Gottfried, überlebte die Mutter nur um 13 Jahre, er starb am 3. August 1567, der jüngere hieß Hans Georg, der in bayerische Dienste trat und demnach wohl nicht dem entschiedenen Bekenntnisse seiner Mutter folgte. Ihre Vermögensverhältnisse waren dadurch, dass später die Würzburger Bischöfe ihnen Vieles widerrechtlich entrissen, nicht zum Besten, so dass Gottfried 1560 sein bayerisches Erbe, die Hofmark Lenting, an den Grafen Schlick (wohl sein Oheim) verpfänden musste. Doch sind uns hiervon zu wenig genaue Notizen aufbewahrt.
Damals, als Argula in die Ehe trat, begann auch in Bayern die Aufmerksamkeit sich jener Bewegung zuzuwenden, welche in sächsischen Landen entstanden war und bald wie ein elektrischer Funke durch das deutsche Vaterland hindurchzog, viele sehnsuchtsvoll einer Besserung entgegenschauende Seelen mit freudigem Aufjauchzen erfüllte, vielen in Geiz und andern bösen Lastern versunkenen Menschen Schrecken und Angst einjagte. Jenes Verhör in Augsburg, das Luther vor dem Cardinal Vio zu bestehen hatte, lenkte den Blick der nahe angrenzenden Bayern auf ihn; damals waren der Kämmerer Hans Portner und der Reichshauptmann Thomas Fuchs von Regensburg zu Augsburg zugegen und ihr Herz war für den treuen Zeugen und edlen Mann, Dr. Luther, gewonnen. Es war ein Samen in ihr Herz gestreut, der in ihrer Heimat bald reiche Früchte trug. In Regensburg zeigte sich bald großer Eifer für das Werk der Reformation, von dort aus drangen die neuen Ideen in die umliegenden Orte. Ein harter Streit zwischen Bürgerschaft und Bischof daselbst, indem letzterer sämtliche Erträgnisse der reichen Opfer auf dem Altare „der zarten und schönen Maria“ daselbst in Anspruch nahm, entfremdete noch mehr die Herzen der Laien von den Geistlichen. Man grollte der Habsucht, die Alles an sich zu reißen suchte, und es war die Abneigung gegen das Papsttum in jener Gegend bereits im Jahre 1521 so groß, dass, als der Bistumsverweser Johannes die päpstliche Bannbulle gegen Luther von allen Kanzeln verkünden ließ, man dieselbe verspottete und verlachte. Ja 2 Bürger wagten es einst geradezu den Domprediger Augustin Marius in seiner Predigt zu unterbrechen und in einen längeren Disput hineinzuziehen. Es war ein reges Leben und Treiben, eine ungewöhnliche Bewegung der Geister in jener Zeit.
Mit dem lebendigsten Interesse verfolgte Frau Argula diese Bewegungen; sie war durch so manche Umstände vorbereitet genug, um bald in den Grund des neuen Lebens hineinzusehen, das richtige Urteil zu gewinnen und nun auch entschieden aufzutreten. Als einen hauptsächlichen Antrieb zu ihrer liebenden und feurigen Entscheidung für die Sache der Reformation dürfen wir wohl jedenfalls ihre Bibelkenntnis ansehen. Gegenüber den mancherlei Menschensatzungen, welche überall im Vordergrunde des kirchlichen Lebens standen und die wie faulender Schlamm den ganzen so leblos gewordenen See der Kirche erfüllten, fand sie in der Schrift die lebendige Quelle, welche ein frisches, reges Leben zu erzeugen vermochte. Als nun Luther ebenfalls auf die hohe Bedeutung der heiligen Schrift hinwies, von der aus alle Reformation der Kirche geschehen müsse, da war es ihr wie das Wehen eines heimatlichen Zuges, der mit unendlicher Gewalt die Seelen ergreift. Denn dieselben Gedanken hatten ja auch ihren Vater bewegt und die frischesten Erinnerungen ihrer Kindheit fielen mit dem Lesen der Schrift zusammen. Sie erkannte nun, wie wichtig es sei, das Wort der Schrift unverkürzt und ohne Zutat zu lassen; wie es ein Frevel sei, Menschen Wort und Gottes Wort zu mengen. Gegen diesen Unfug wollte sie ein entschiedenes Zeugnis ablegen; es wurde ihr dies die innerste Herzensangelegenheit. Darum schrieb sie an ihren späteren Gegner, den Magister Johann von Landshut, folgende Verse:
David lobt Gott im höchsten Thron,
Sagt: O Herr, hast mich gelehrt
Von meiner Jugend an auf Erd'. (Ps. 70.)
O Herr, der Mensch wohl selig ist,
Den du selbst unterweisend bist,
Den du auch lehrest dein Gesetz. (Ps. 93.)
Ja Gott verbeut mit hohem Fleiß (5. Mose 4, 12),
Dass ihm Niemand sein Wort zerreiß,
Setz nichts dazu, noch tu davon.
Wie wird Euer Decretal3) bestehn,
Scotus mit seiner Subtilität,
Da wenig göttlichs Wort drinn steht.
Auch der Meister von hohen Sinnen.
Mit andern solches Geschwätz herbringen,
Welches doch Gott verboten hat.
Jesaja 30 steht:
Weh euch, dass ihr nicht habt gemacht,
Aus meinem Mund den Rat betracht,
Vergeblichen Dienst heißt Christus frei,
Wer Menschengesetz nachfolgend sei.
In diesem Kapitel weiter steht: (Matth. 15)
Was Gott nicht selbst gepflanzet hat,
Das soll ausgereutet werden,
Lasst Euch den Vater wieder ziehen,
Tut nicht also zu Menschen fliehen!
So doch Gott nicht gibt Euch die Wahl,
Zu dichten, noch zusammensetzen,
Sein Wort verdunkeln und verletzen.
Außerdem hatte Argula mit zu scharfen Augen in das Verderben der Geistlichkeit, in die Habsucht und den Geiz, der ihr ganzes Wesen bestimmte, hineingesehen, als dass sie nicht Luther und seinen Freunden hätte Recht geben müssen, welche gegen solche Gewissenlosigkeit eiferten und einen auf der Grundlage des Glaubens erwachsenden sittlichen Ernst verlangten. Sie hatte zu viel Rechtsgefühl, als dass sie sich nicht mit Abscheu von diesen Dienern der Kirche hätte wegwenden müssen. Darum spricht sie auch mit der heftigsten Entrüstung von diesen Zuständen. Also schreibt sie an den Herzog von Bayern: „Ihre Armut sieht man an ihren Gebäuden, vollen Kästen, Küchen und Kellern, auch an ihren bleichen Wangen. Es wird ihnen nicht begegnen, was Christo geschah, da er kaum 33 Jahre alt war und die Juden sagten: du bist noch nicht 50 Jahre alt und sagst, du habest Abraham gesehen. E. F. G hat keine solchen Kastner, die nicht nehmen und Alles einbringen, wie die Barfüßer. Ich urteile nicht, aber Christus tut's, Matth. 23: Wehe euch Pharisäern und Nattergeschlechte, die ihr verzehrt die Häuser der Witwen und tut das unter dem Scheine eines langen Gebetes. Euch ist bereit das ewige Feuer. Ich kann nichts Anderes sehen von Stiftung vieler Domherrn und Priester, als Erhaltung von Buben und Bübinnen, wie es am Tage liegt. Die geistlichen Fürsten haben das Geld, die weltlichen den Seckel. Gestattet also nicht die Schinderei der Absenz (da die reichen Pfarrer ihre Stellen durch Vikare versehen ließen); denn man sieht, dass sie die Pfarrer aufs genaueste verdingen, so dass sich die, welche die Herde Christi weiden sollen, des Hungers kaum erwehren können und die Stellen selten mit geschickten Männern besetzt sind. Sie nehmen lauter Narren, die nichts kennen, dingen auf das wohlfeilste und der Schweiß der Armen wird in der Dienstbarkeit des Teufels verzehrt. Der Freiberger Pfarrer zu Voburg hat mehr denn 800 fl. von Pfründen und hält das ganze Jahr keine Predigt. Hat eine Pfarre zu wenig, sollte man ihr geben, hat sie zu viel, sollte man ihr nehmen.“
Mit entschiedenem Ernste sagte sie dies auch den Theologen selbst ins Gesicht und wies sie auf eine heiligere Bestimmung ihres Berufes hin. So schreibt sie jenem Magister:
Niemand kann sein, der euch gleich
Im Kaufen, Finanzen, Stolzieren.
Dazu tut ihr ein Leben führen,
Das mit Genieß geistlich genannt,
Vielmehr geizig ist samt anderer Schand,
Und treibt auch viel Gleißnerei,
Mit Gottes Wort nur Krämerei.
Hört, was sich Paulus gerühmet hat, (1. Kor. 2)
Dass sie nicht sind, wie etlich viel,
Die setzen auf zeitlich Gewinn ihr Ziel.
In Gott Christo redet er das Wort,
Sucht nach Gewinn nicht hie und dort,
Sagt all sein Wort mit Lauterkeit,
Vor Gott redet er mit der Wahrheit.
So ihr auch tätet also gleich,
Wollten wir euch folgen freudenreich.
Und in der Tat nirgends musste diese Veräußerlichung der Geistlichkeit, dieses Hängen und Kleben am irdischen Besitz so stark dem Beobachter entgegen treten, als gerade in Bayern. Daher schreibt auch der oben bereits genannte Reckenhofen einmal: „Mich erbarmt das einfältige Volk in Bayern, die also von den Geistlichen beschwert sind; denn an das Fürstentum zu Bayern grenzen das Bistum Salzburg, Augsburg, Eichstätt, Freising, Regensburg, Passau, mächtige Klöster mit viel unnützen Mönchen und Nonnen, viele halbe Stiftungen, die nichts anderes tun, als Psalmen leiern und dazu die magistri nostri zu Ingolstadt. Diese alle muss das arme Volk ernähren; denn sobald du vor München hinauskommst, auf 3 Meilen gegen das Gebirg und fragst: Wes ist dieser Grund? ist die Antwort: Es ist meines gnädigen Herrn von Chiemsee, Tegernsee, Sumersee rc.; also dass mehr denn der halbe Teil des Bayerlandes der Geistlichen ist, die weder Gott noch den Menschen nützlich sind, allein die Almosen verzehren, damit man arme Leute, Witwen und Waisen erhalten sollte, die große Not und Armut leiden, deren Blut auch Tag und Nacht Rache schreit über die vollen Pfaffen, Mönche und Nonnen.“
Mit diesem Abscheu vor der grenzenlosen Habsucht der Geistlichkeit verband sich ein tiefer sittlicher Ernst bei Argula, welche für ihren einer edleren geistigen Kost bedürftigen Geist nach einer Lehre suchte, welche diesem Bedürfnisse zu entsprechen vermochte. Solche Nahrung fand sie in Luthers Schriften; sie las sie mit innigster Freude; sie hatte das sehnliche Verlangen, alle damals erschienenen Werke Luthers kennen zu lernen und sie wusste sich auch trotz aller Gefahr in den Besitz derselben zu setzen. Dazu war ihr nun sehr zweckdienlich, dass sie mit ihrem Landsmanne Spalatin, dem berühmten Hofprediger Friedrich des Weisen, bekannt war, mit dem sie fleißig korrespondierte, der ihr ein Verzeichnis der Schriften Luthers und wohl auch eins und das andere seiner Werke zusendete, der sie mit Luther selbst bekannt machte. Die ritterliche, geistesstarke Frau blickte mit Bewunderung zu dem heldenkühnen Manne hinauf; sie sah hier die geistige Kraft, die sie suchte, sie fand die durch Gottes Geist und Wort gekräftigte Geistestiefe, die sie bei den Geistlichen jener Zeit so schmerzlich vermisste. Es ist natürlich, dass sie mit höchster Achtung von diesem kühnen Zeugen der Wahrheit redet. So schreibt sie in ihrem Gedicht über Luther und Melanchthon:
Ob Luther schreib doch Ketzerei,
Dazu Philippus Melanchthon,
Von ihnen ich das nie gelesen hab',
Dass sie öffnen der Sünde Pforten,
Wie ihr sie schmäht in euren Worten.
Ich sag es noch gleich jetzt, wie vor:
Das Wort Gottes schreiben sie uns klar.
Warum schändet ihr solch christlich Mann,
Die euch kein Leid nie hab'n getan,
Durch Gottes Wort mich wieder geboren.
Sie haben gepflanzt, begossen sehr,
Wie Paulus, Apollo haben getan, (1.Kor. 3)
Gott gibt uns auch die Wachsung schon.
Ihr werdet's wahrlich nicht erwehren,
Ob ihr darob zerreißt das Hirn.
Das wusste sie an diesen Männern zu preisen, dass sie die Christenheit wieder zu dem lebendigen Brunnen des Heils führten, während ihre Feinde nur löchrige Brunnen zu graben verstanden. Darum sagt sie:
Die Adern haben's lassen fahren,
Darin die lebenden Wasser waren.
Verflucht ist, der auf Menschen traut,
Selig, der sich auf Gott erbaut.
Das auch Martinus hat getan;
Mit ihm auch manch gelehrter Mann.
Aber durchaus falsch würde man sie auffassen, so man glaubte, sie hätte nur in sklavischer Weise sich Luther hingegeben, und in weiblicher Schwäche ohne weitere Prüfung Alles hingenommen. Im Gegenteil war das gerade die Eigentümlichkeit ihres Geistes, mit großer Selbständigkeit zu prüfen und die Lehre der Reformatoren mit der Schrift zusammen zu halten, in der sie denn auch durch fleißiges Lesen eine solch genaue und gründliche Kenntnis hatte, wie sie heutzutage selbst bei gebildeten Christen nur sehr selten gefunden wird. Ihre Schriften strotzten gleichsam von einer Fülle der herrlichsten Bibelstellen, die ihr offenbar ungesucht einfließen und auf die sich ihr hoher Mut in Verteidigung der Wahrheit gründet. Sie hatte sich eine feste, unerschütterliche Überzeugung von der evangelischen Lehre gebildet und sie war sich auch dabei dessen bewusst, dass sie hierin nicht von Menschen-Ansehen abhängig sei. Dies spricht sie aus:
Wir probieren zuerst die Geist,
Wie uns Johannes unterweist.
Wie dürft ihr doch so frevel sein,
Dass ihr Arsacium zieht hinein,
Dazu Luther und Melanchthon?
Kein Wort ich mit ihnen geredet hab;
Ja zeug's mit Gott ganz offenbar:
Von mir der keiner je gesehen war.
In ihrem Schreiben an die Universität sagt sie: Ob es gleich dazu käme, wovor Gott sei, dass Luther widerrufe, soll es mir nichts zu schaffen geben. Ich baue nicht auf meinen, seinen oder eines Menschen Verstand, sondern auf den wahren Felsen Christum selbst, welchen die Baumeister verworfen haben.
In ihrem Briefe an ihren Vetter schreibt sie: Man heißt mich lutherisch; ich bin es aber nicht. Ich bin im Namen Christi getauft; den bekenne ich, nicht aber Luther. Aber ich bekenne, dass ihn auch Martinus als getreuer Christ bekennt. Gott helfe, dass wir solches nimmermehr verleugnen weder durch Schmach, Schande, Kerker, Peinigung, auch durch den Tod. Das helfe und verleihe Gott allen Christen. Amen. Wie tief sie von der Notwendigkeit solch selbständiger Überzeugung und eignen christlichen Wesens und Lebens überzeugt war, wie gründlich sie die Nichtigkeit jener papistischen Theorien des sich Stützens und Lehnens auf Andere erkannt hatte, das spricht sie in diesem Briefe so schön aus: „Es muss ein Jegliches für sich selbst Rechenschaft geben am letzten Urteil; es wird weder Papst, König, Fürsten, noch Doktores für mich Rechnung tun. Das bedenke ich. Hilft auch da kein Reichtum. Ez. 7,19. Hosea 8,7. Darum, mein herzlieber Herr, bitte ich Euch keine Beschwernis zu nehmen, so Ihr hört, dass man mich verfolgt, weil ich Christum bekenne. Aber dann erschreckt, so Ihr hört, dass ich Gott verleugne - da Gott ewig vor sei.“
Und in der Tat, sie hat nie Gott verleugnet; das ist das Große und Herrliche an dieser Frau, dass sie ihren Glauben trotz allem Spott und Hohn, trotz der Mahnung ihrer Verwandten zur Nachgiebigkeit, trotz dem Verluste ihrer Güter, trotz dem Missbehagen ihres Mannes nicht verleugnete. Das aber war nur möglich durch jene tiefe Erkenntnis des Glaubensgrundes und jene heilige Ehrfurcht vor der Erhabenheit des göttlichen Wortes, die sich in allen ihren Schreiben ausdrückt. „Alles Fleisch ist Gras“, spricht sie, „und sein Lob als eine Blume, die dürre geworden ist, aber das Wort Gottes bleibt ewig. Ich spreche, wie Paulus (Gal. 1): Wenn ich noch den Menschen gefiele, wäre ich nicht ein Diener des Herrn. Was nützt es dem Menschen, so er die ganze Welt erobert und verderbt seine Seele? Mit was will er seine Seele lösen? Das schmeckt dem Fleische nicht, Ehre, Freundschaft, Gut und Leben zu verlassen; wir vermögen es aus uns selbst so wenig, als St. Petrus, der dem Herrn zusagte, mit ihm zu sterben und verleugnete ihn zu dreien Malen. Da ließ ihn Gott sehen, was der Mensch war, aber zuletzt gab ihm Gott auch den Geist, dass er fröhlich um des Namens des Herrn willen starb. Gott muss den Geist geben, nicht Fleisch und Blut, wie der Herr Matth. 7 sagt: Welcher Gott bittet um einen guten Geist, dem wird er vom Vater gegeben.“
An einer andern Stelle sagt sie: „Alles Heil wirkt das Wort Gottes, wie Jes. 55, 10 und Jer. 23, 29 geschrieben steht: Meine Worte sind als ein Feuer und Hammer, der Felsen zerknirscht. Ich habe mich darein ergeben, Alles zu verlieren, ja Leib und Leben, Gott stehe mir bei. Ich vermag nichts Gutes zu tun aus mir selbst, denn sündigen; bittet darum Gott, dass er meinen Glauben mehre.“ An die Universität zu Ingolstadt schreibt sie: „Ich finde einen Spruch Matth. 10,32 also lautend: Wer mich bekennt vor den Menschen, den ich will ich bekennen vor meinem himmlischen Vater, und Luk. 9,26: Wer sich aber mein und meiner Worte schämt, des wird sich des Menschen Sohn auch schämen, wenn er kommen wird in seiner Herrlichkeit. Solche Worte, von Gott selbst geredet, sind mir alle Zeit vor meinen Augen, denn es werden weder Frauen noch Männer davon ausgeschlossen.“ „Das Wort Gottes,“ sagt sie später, „ist Ja in seiner Verheißung ohne alles Nein (2 Kor. 1,20). Durch dieses Wort ist Himmel und Erde und Alles, was darinnen ist, gemacht und ohne dasselbige ist nichts gemacht. Das ist eine Schatzkammer des Heils, aber nicht eine Pfenniggrube, wie das Dekretal. Durch das ist uns verheißen das Leben Matth. 4,4. Joh. 6,63. Ich rufe mit dem Propheten Jerem. 22,29: O Land, Land, Land höre des Herrn Wort!“
Aus diesem Leben in Gottes Wort und seiner heiligen Kraft, aus dieser Versenkung in seinen Lebensgrund, aus diesem unbedingten Vertrauen auf den treuen Gott, der die Seinen schützt, entsprang dann die bewunderungswürdige Tapferkeit und Furchtlosigkeit ihres Wesens, welche sie als eine Frau besonders auszeichnet, ja die sie zu Taten entflammte, welche für den ersten Augenblick als unweiblich erscheinen möchten, die aber eben in ihrem entschiedenen Mute, in ihrem kühnen Feuergeiste ihre Erklärung finden. Sie hatte allerdings einen ritterlichen, männlichen Sinn von Haus aus. Der Geist ihres edlen Vaters war auf sie übergegangen. Aber diese natürliche Ritterlichkeit war geheiligt durch Gottes Wort und Gebet, und gestählt auch für die schwersten Leiden und Verfolgungen, die ihr in reichlichem Maße zustießen. Lassen wir sie ihre Grundsätze darüber selbst aussprechen. Sie sagt in ihrem Briefe an Herzog Wilhelm: „Christus sagt Matth. 10,32: Wer mich bekennt vor den Menschen, den bekenne ich auch vor meinem Vater; wer mich aber nicht bekennt, denn bekenne ich auch nicht, und Luk. 9,26: Wer sich mein und meiner Worte schämt, des werde ich mich auch schämen, wenn ich komme in meiner Majestät. Solches soll mir allezeit vor meinen Augen sein, dieweil es mein Gott selbst geredet hat, und ich werde mich nicht fürchten noch schweigen durch die Gnade Gottes, ob es mir gleich 1000 Hälse gelten würde. Der Herr sagt Matth. 10,28: Fürchte den nicht, der dir den Leib nimmt und danach nicht mehr vermag; den fürchte, der die Macht hat, Seel und Leib zu töten und zu versenken in die Hölle; V. 37: Wer da hat Vater, Mutter, Schwester, Bruder, Kind lieber denn mich, ist mein nicht würdig, und wer da hat seine Seele (sein leibliches Leben) mehr lieb, denn mich, ist mein nicht würdig.“
An den Magister Johannes, der sie durch Verleumdungen einzuschüchtern versucht hatte, schreibt sie:
An Euerm Schänden mir gar nichts leit,
Ja dieses Wort (Matth. 5. Luk. 6) mein Herz erfreut;
Christus sagt: Ihr selig seid,
So ihr durch mich Verfolgung leid't
Und euch die Menschen werden hassen,
Ja verschmähen und verstoßen,
Werden euerm Namen Lästrung tun
Nur von wegen des Menschen Sohn:
An diesem Tag erfreuet euch,
Euer Nam' ist groß im Himmelreich.
Das waren die Überzeugungen, welche sie leiteten. Diesem gemäß hat sie gehandelt und hat sich in allen Dingen als eine treue Dienerin des Herrn erwiesen, welche an ihrem Teile redlich ihre Pflicht erfüllte und allenthalben für das Wort Gottes eifrig wirkte. Wir wollen diese ihre Tätigkeit zuerst in ihrer nächsten Umgebung und dann in weiteren Kreisen betrachten.
Als Argula einmal für die lautere Lehre entschieden war, hatte sie auch die Kraft der Wahrheit so lebendig erprobt, dass sie keine Ruhe darin hatte, die Wahrheit selbst zu wissen, sondern nun auch nach besten Kräften für die Verbreitung derselben sorgte. Ihre Bemühung ging nun zuerst auf ihre nächsten Kreise. Es ist uns eine Nachricht erhalten, dass ihr Bruder Bernhardin (Lipowsky in seiner „Argula von Grumbach“ sagt falsch: ihr Vater) sich besonders tätig für die Reformation erwies. Er öffnete sein Landgut Beratshausen, einen schönen Marktflecken an der schwarzen Laber, den Regensburgern, um sich dort zum Anhören des Wortes Gottes zu versammeln, später, als die Zahl der Evangelischen in der Stadt wuchs und die Gefahr der Verfolgung geringer war, öffnete er ihnen in Regensburg selbst seinen dortigen Besitz, das Staufsche Haus, das später der Gasthof zum grünen Strauß geworden ist, und ließ dort durch einen evangelischen Prediger das lautere Wort Gottes verkünden. So ist ihr Bruder für die Reformation der Stadt Regensburg von der höchsten Bedeutung geworden, und das ward er durch die Erziehung seines edlen Vaters und durch den gesegneten Einfluss seiner geistig so hoch stehenden Schwester. Das geschah bereits im Jahre 1520.
Dieser Bernhardin war mit Margaretha, aus dem gräflichen Hause Schlick vermählt, welche Familie überhaupt in die innigste Verbindung mit dem Staufschen Hause trat, denn auch sein Bruder Gramaflanz vermählte sich mit einer Gräfin Anna von Schlick, vermutlich einer Schwester der ersteren. Diese überlebte ihren Gatten, der, sowie sein Bruder, im Jahre 1541 starb, worauf denn die Witwe in die Stadt Regensburg zog und dort noch bis zum Jahre 1567 lebte. Auch ihre jüngste Schwester Secundilla vermählte sich mit einem Grafen von Schlick, der Victorin hieß, welchem sie 2 Söhne gebar, Niclas und Abundus. Das waren freudige Ereignisse, welche das Herz der guten Schwester zu inniger Teilnahme stimmten.
Aber freilich auch an traurigen Geschicken sollte es in der Familie nicht fehlen. Im Jahre 1521 schied ihr Bruder Ferafis und ihre noch nicht lange vermählte Schwester Zormarina aus dem Kreise der liebenden Geschwister. Wir wissen nicht, in wie fern sie auch auf diese so frühe Heimgegangenen einen heilsamen Einfluss ausübte. Doch lässt er sich von ihrem treuen Schwesterherzen erwarten.
Auch ihre Verwandten, die Töchter des Hieronymus von Stauf, mit denen sie aufgewachsen war, blieben der Sache der Reformation nicht fremd. Wir erwähnten oben, dass 3 derselben in Nonnenklöster zu Regensburg eintraten, allein als sie nun von dem Lichte des Evangeliums erleuchtet waren, schieden sie aus und erklärten Gelübde, die Gottes heilige Ordnung umstoßen, für eine Sünde. Von einer derselben, Sidonia, welche im Jahre 1525 das Kloster Obermünster verließ, wird ausdrücklich berichtet, dass sie den Jörg von Parsberg nachher geheiratet habe. Es geht daraus hervor, wie weit sich die Gedanken der Reformation auch schon bei dem Adel in Bayern Geltung verschafft hatten.
Weniger geistigen Einfluss scheint Argula auf ihren eigenen Gatten haben ausüben können. Zwar ließ er sie allerdings gewähren und setzte ihrem Eifer kein Hindernis entgegen. Er mag vielleicht geistig seiner Gattin nicht gewachsen gewesen sein. Allein sein Amt und seine Einkünfte als Pfleger von Dietfurt waren ihm zu lieb, als dass er ernstlich dem Willen des Herzogs zu widerstehen gewagt hätte. Als man ihm daher mit seiner Entlassung aus bayerischen Diensten drohte, falls er seine Frau nicht zum Schweigen bringe, mag es manche verdrießliche Szene im Hause gegeben haben. Wenigstens schreibt Argula an ihren Vetter: „Ich habe gehört, wie Ihr sollt gesagt haben: so mein Hauswirt nicht dazu tun wolle, wolltet Ihr mich vermauern. Er tut leider sehr viel dazu, dass er Christum in mir verfolgt.“ Allein Argula konnte um dieser häuslichen Unannehmlichkeiten willen unmöglich von dem abstehen, was ihre heiligste Überzeugung und innerste Lebensaufgabe war, was ihr als das Gebot ihres höchsten Herrn erschien. Sie tröstete sich mit dem Worte der Schrift. Der Apostel Paulus sagt 2. Kor. 4,7, rc., schreibt sie: Wir leiden alle Dinge ohne Beschwerde um den Namen des Herrn. Darum ist es ohne Arbeit, und bin ihm in diesem nicht schuldig gehorsam zu sein, denn Gott sagt Matth. 10,34 und Marc. 8,36: Wir müssen Alles verlassen rc.
Es mag das ein schwerer Kampf für ihr Leben gewesen sein. Aber eben darin zeigt sich die Hoheit ihres Geistes, die Selbständigkeit ihres Charakters, die Klarheit ihres Verstandes und die Tiefe ihres Glaubens, dass sie um eines weltlichen Friedens willen, den ihr Gewissen nicht duldete, die Sache der Wahrheit nicht verleugnete, andrerseits jedoch alle Pflichten einer Gattin mit größter Gewissenhaftigkeit erfüllte. Sie konnte getrost vor aller Welt sich auf ihren Wandel berufen. Als ihr der Magister Johannes zugerufen hatte:
Dass Paulus die Weiber schlecht heißt schweigen,
Verbeut ihnen gänzlich zu lehren,
Und heißt sie doch die Männer ehren
In Furcht, Gehorsam, Zucht und Scham,
Darum, dass Eva mit Adam
Am ersten übertreten hat,
Dergleichen so ihr umkehrt das Blatt,
Findet Ihr im 5ten Capitel,
Gar nahe, halt ich, in dem Mittel (wohl 1 Tim. 5, 11-15)
Dass Ihr nicht sollt disputieren,
Sondern das Haus daheim regieren
Und in der Kirche schweigen still;
antwortete sie mit gutem Gewissen, von der Zustimmung ihres Mannes versichert:
Ihr gebt uns auch noch einen Bescheid,
Zu dienen in Gehorsamkeit
Und unsern Mann zu halten in Ehren,
Es wär' mir leid, sollt ich's verkehren.
Mein Herz und G'müt dazu g'neigt ist,
Zu dienen ihm zu aller Frist
Gehorsamlich mit ganzer Freud,
Tat ich es nicht, es wär' mir leid,
Acht' auch dafür, es sei am Tag,
Dass er führ' über mich kein' Klag,
Hoff, Gott werd' mich auch lehren wohl,
Wie ich mich gegen ihn halten soll.
Als man sie damit höhnte, sie sollte beim Spinnrocken bleiben, und nicht über diesen gelehrten Sachen, die sie nichts angingen, ihre häuslichen Geschäfte vergessen, konnte sie mit gutem Grunde entgegnen, dass sie ihre Pflichten als Frau sehr wohl kenne und auch nach bestem Wissen übe.
Sie kommen mit der Kunkel her,
Das ist fast gar in aller Lehr'.
Dieser Meister von hohen Sinnen
Will mich lehren haushalten und spinnen,
Tu' doch täglich damit umgeh'n,
Dass ich's nicht wohl vergessen kann.
So also waltete sie im Hause gleich einer tätigen Martha, ohne dabei zu vergessen, dass Maria das Eine, was not tut, erwählt habe und dass es sich einer Christin gebühre, auch das Wort Gottes täglich zu treiben, und Andere mit freundlichem Sinn auf die Schätze aufmerksam zu machen, die im Worte Gottes enthalten sind.
So dehnte sie denn auch ihre Tätigkeit für Verbreitung des Wortes Gottes auf ihre nächste Umgebung aus. In Dietfurt, einem bayerischen Städtchen an der Altmühl, wo die Laber in dieselbe mündet, wo ihr Gatte damals Pfleger war, zeigte sich zwar unter dem Volke ein Streben nach der Lehre des Wortes Gottes, aber die Geistlichkeit kämpfte entschieden dagegen. Wir sind, schreibt Argula, allhier nicht sehr mit Luther angefochten. Unsere Geistlichen fragen wenig danach. Könnten etliche deren den Psalter lesen, das wäre wohl gut.
So erhielt sie einen harten Stand. Die Prediger eiferten von den Kanzeln gegen die neue Ketzerei, sie verlasen die Bannbulle gegen Luther, aber sie ließ sich dadurch nicht hindern, aus den Schriften Luthers das Volk zu lehren. Die Geistlichen verklagten sie deshalb und der Kanzler Leonhard von Eck berichtete darum an den Herzog, sie predige vor dem gemeinen Volk zu Dietfurt, was S. G. unmöglich hingehen lassen könne, da seine ernsten Befehle damit verspottet würden. Das aber tat sie, weil ihr die Not des armen Volkes zu Herzen ging, wie sie an den Rat der Stadt Ingolstadt schreibt: „Die Hirten sind zu Narren geworden und fragen nach dem Herrn nichts; darum können sie auch nichts rechts lehren, sondern alle Herden sind zerstreut. Und Jer. 23,9: Ihr habt verkehrt das Wort des lebendigen Gottes und nennt es eine Last, darum will ich euch ewige Schande und ewige Schmach zufügen, deren nimmer vergessen soll werden, und Apostelgeschichte 15,10 sagt Petrus: Was untersteht ihr euch, uns die Bürden aufzulegen, die weder unsere Väter, noch wir haben können tragen? Sondern wir glauben, dass wir durch die Gnade Gottes selig werden, als denn unsere Väter auch geglaubt haben.“
Ja bereits fühlte sie den Mut in sich, als nun zu Ingolstadt die papistischen Prediger immer lauter gegen Luther und Melanchthon als Ketzer wüteten und das Volk gegen die reine Lehre einzunehmen suchten, öffentlich sich gegen dieselben zu erheben; und diese aufzufordern, sie sollten ihr die ketzerischen Artikel Luthers nennen. Jedoch, schreibt sie, mein Geist wurde niedergedrückt, und sie kämpfte noch mit schwerem Herzen mit dem Worte Pauli 1 Kor. 14,34: Die Weiber sollen schweigen und nicht reden in der Kirche.
Sie sollte auch darüber Klarheit erhalten, und dieser bedurfte sie, um bald mit hohem Mute in einer Sache auftreten zu können, welche zum öffentlichen Ärgernis diente und eine öffentliche Schändung der reinen Lehre war.
Doch bevor wir zu diesem Vorfalle übergehen, wollen wir noch hören, wie sie sich die Pflicht einer Frau, öffentlich in kirchlichen Dingen ihre Stimme zu erheben, zurecht legte und aus der Schrift erwies. Sie redet davon in ihrem Schreiben an die Universität und sagt: „Da ich in dieser Sache keinen Mann sehe, der reden will und es wagt, dringt mich der Spruch: Wer mich bekennt rc., und nahm vor mich Jes. 3,4,12: Ich will ihnen Kinder zu Fürsten geben und Weiber sollen sie beherrschen, Jes. 29,34: Die Irrenden werden Verstand annehmen und die Murmler lernen das Gesetz; Ez. 20,23-25: Ich hob meine Hand auf wider sie, dass ich sie zerstreute, darum dass sie meine Gebote nicht gehalten und meine Rechte verachtet haben und sahen nach den Götzen ihrer Väter; Psalm 8,3: Aus dem Munde der Kinder und Säuglinge hast du eine Macht zugerichtet von wegen deiner Feinde; Lukä 10,21: Jesus freute sich im Geiste rc.; Jer. 31,33: Sie sollen Gott alle kennen, beide Klein und Groß; Jes. 54,13: Sie werden alle von Gott gelehrt sein; 1 Kor. 12,3: Niemand rc.; Matth. 16, 17: Fleisch und Blut rc.“
Sie kommt in dem Schreiben an den Rat zu Ingolstadt wieder auf dieselben Fragen, und beruft sich hier darauf, dass jeder getaufte Christ auch durch seine Taufe ein Glied Christi geworden sei, und so viel er könne, denen, die Gottes Wort verdammen, widersprechen solle. Welcher Doktor, sagt sie, hat je ein höheres Gelöbnis getan, als ich? Mir ist der Geist so wohl verheißen, als ihnen (Joel 2). Sie hatte sich namentlich gegen den Magister Johannes deshalb zu verteidigen, der gar spöttisch gegen sie als eine Frau gehandelt hatte. Schön und herrlich beruft sie sich hier auf Johannes 7:
Wer an mich glaubt, folgt meiner Lehr,
Lebendig Wasser fließen her
Von ihm: dies redet der Herr vom Geist,
Der auch uns alle unterweist,
Ist Bauer, Weib ausgeschlossen davon?
Zeigt mir, wo findet ihr das stohn?
Sie beruft sich darauf, dass die Jünger ungelehrte Fischer waren, sie zitiert Röm. 8, dass der Geist Gottes dem Schwachen helfe, sie weist auf 1 Kor. 3, dass alle Christen Tempel des heiligen Geistes seien, auf Joh. 6, dass Christus selbst uns lehre, Ps. 94,12, dass der Herr selbst die Seinen unterweise; sie weist hin auf Judith, deren Hand Gott gestärkt habe, auf Debora und Jael.
Wäret Ihr daselbst gewesen bei,
Vielleicht hättet Ihr's gewehret frei,
Dass Gott durch's Weib nicht hätt' getan.
So Ihr seid so ein weiser Mann,
Ihr hättet auch wahrlich nicht gelitten,
Dass Gott durch Weiber hätte gestritten.
Darum so zürnet nicht so hart,
Ob Gott noch jetzt würde Weiber schaffen,
Die Eure Hoffart müssten strafen,
Ihr seid dermaßen von Gott geschlagen,
Dass Euch nur müssen Weiber plagen.
So war sie sich ihres Rechtes innerlich bewusst, frei und offen für die Sache des Evangeliums aufzutreten; sie fußte auf der allgemeinen Verpflichtung aller Christen, welche ihnen aus jenem heiligen Vorzuge erwächst, den sie in der heiligen Taufe erlangt haben. Sie sind ein priesterliches und königliches Geschlecht geworden; sie sind alle versiegelt mit dem Siegel des heiligen Geistes. Hier gilt kein Unterschied zwischen Mann und Weib, nicht einmal zwischen Erwachsenen und Kindern. Sie werden zwar alle Ordnungen achten, welche sich im Laufe der Zeit gebildet haben; aber wo die Stimme derer schweigt, welche zu reden einen Beruf hätten, da geht dieser Beruf an jeden über, dem Gott den Drang des Zeugnisses ins Herz gibt. Ein solcher Fall trat nun ein, und Argula verdient unsern vollen Beifall und unsere Bewunderung für das, was sie tat. Denn ihr Auftreten gibt nirgends eine Spur von Prahlerei und Ruhmsucht zu erkennen, sondern ist von dem tiefen Schmerz begleitet, dass sich sonst Niemand fand in ihrem weiten Vaterlande, der für die Wahrheit zu zeugen gewagt hätte.
Das Ereignis, welches ihr öffentliches Auftreten bewirkte und den christlichen Heldenmut dieser Frau verewigt hat, ohne das sie wohl, wie so manche edle weibliche Seele, deren Leben in tiefer Stille und doch hohem Werte vor Gott verläuft, in Verborgenheit geblieben wäre, ist die Verurteilung des Arsacius Seehofer, eines jungen 18jährigen Theologen in Ingolstadt. Derselbe war der Sohn reicher Bürgersleute aus München und hatte, durch das Lesen der Schriften Luthers angeregt, den Mut bekommen, als Magister der freien Künste den reinen evangelischen Glauben unter den Studenten zu verbreiten. Allein die Universität, deren einflussreichstes Glied der entschiedene Feind Luthers, Dr. Eck, und deren Vorstand der Kanzler Leonhard v. Eck war, der nun als der gewaltigste Mann in Bayern dastand und mit höchster Klugheit systematisch alle Regungen für die Reformation in Bayern zu unterdrücken wusste, trat bald in so gewaltsamer Weise wider den jungen Magister auf, dass dieser verzagte und seinen innersten Herzensglauben abschwor. Bezeichnend für jene Männer ist das Verfahren, welches sie gegen den jungen Menschen einhielten. Man erklärte ihm, dass er, falls er nicht widerrufe, zum Feuertode verurteilt werden würde. Man berichtete sogleich an den Herzog. Dieser überließ die Strafbestimmung der Universität. Diese setzte eine Kommission zur Prüfung seiner Lehren nieder, welche aus den Theologen Nicolaus Apellas und Leonhard Marstaller, den Juristen Franciscus Burkhard und G. Hauer, den Medizinern Wolfgang Peysser, Peter Burkhard, Pant. Brunner und den Philosophen Ant. Braun und Joh. Schröttinger bestand, welche seine vermeintlichen Irrtümer in 17 Artikel zusammenfassten, wie sie sagen, „mit inbrünstigem, ernstlichem Fleiße“, und eine Widerlegung dazu schrieben. Dem Herzog aber berichtete die Universität am Pfingsttage nach Bartholomäus 1523, derselbe müsse in einer Versammlung gemeiner Universität widerrufen und einen Eid schwören, dass er Luthers Lehre nicht mehr anhängen wolle, hierauf solle er in ein versperrtes Kloster gebracht werden, das ihm der Herzog selbst bestimmen möge, woraus er ohne herzogliche Begnadigung nicht mehr gehen dürfe - Alles zum Vorbilde den übrigen Studenten. Sie melden ferner, sie hätten auch 2 Buchbinder-Knechte (Gesellen) als lutherisch gesinnt entdeckt. Diesen wollten sie auch Widerruf auflegen und sie dann über die 4 Wälder ausweisen „der Hoffnung, wir wollten damit der Lutherischen Schalkheit bei uns entgegen kommen“. Mondtag nach Augustin, also noch im Monate August, erklärte der Herzog seine Zustimmung und wies ihm als Strafort das bekannte Kloster Ettal, jene von Kaiser Ludwig dem Bayer 1330 gestiftete Benediktiner-Abtei im schönen Ober-Ammergau, zu. Dort dürfe er nichts dem Lutherischen Anhang Gleichförmiges lesen, sagen oder sich merken lassen. Ähnlich solle man gegen alle Gesinnungsgenossen verfahren und fleißig denselben nachspüren. Am selben Tage schon schrieb der Herzog auch eigenhändig an den Vorstand des Klosters „Ihr wollet bemeldten Seehofer bis auf unsern Befehl verwahren und enthalten und ihm ziemliche Lieferung Essens und Trinkens mitteilen lassen, auch ein fleißig Aufmerken haben, ob er sich weiter mit Lutherischer Lehre würde erzeigen.“ Es wurde nun also an den gefänglich eingesetzten Seehofer das Ansinnen gestellt, zu widerrufen, und der erschreckte junge Mann tat es, obgleich mit schwerem Herzen, obgleich mit dem Bewusstsein, dass er seiner innersten Überzeugung widerspreche. Ohne vorausgehende Disputation, ja ohne Seehofer nur nach dem Sinn seiner Lehre zu fragen, hatten sie dieselbe verdammt und ihn zum Widerruf gezwungen. Es war eine schlechte Heldentat. Mit Recht schrieb Argula: „Ihr mutzet ihn hoch auf in seinem Eide, heißt ihn einen Magister der 7 freien Künste, aber Eins habt ihr vergessen, dass er ist bei 18 Jahren und noch ein Kind.“ Sie bemerkte, das ganze Verfahren sei eine Schande für die Universität und ein Undank gegen den Herzog, dass sie seine löbliche Universität zur Nachrede der ganzen Welt mache. Und in der Tat erregte dasselbe den Unwillen aller denkenden Menschen. Wir besitzen noch eine Schrift des oben erwähnten Martin Reckenhofen, in deren Vorrede er sich über diese Angelegenheit also ausspricht: „Ich bin ohne Zweifel, dass Seehofers Herz nicht dabei war, da er diese Artikel widerrief, sondern die Furcht der gedrohten Pein hat das junge Gemüt erschreckt. Auf der Cathedra in der Schule, da seine Hauptfeinde um ihn gesessen, hat er müssen ihr Liedlein singen, genötigt und gezwungen. Aber wir sollen uns freuen, dass die Unwissenheit und Grobheit, des Teufels arge List und lange geübte Bosheit, die er so lange durch die hohen Schulen getrieben hat, an den Tag kommt. Denn Alles, was magistri nostri in den Schulen beschlossen, war heilig und göttlich gehalten. Dawider durfte Niemand husten bei des Antichristes Ungnade und Bann, welche Gewalt sie noch zu ihrer Lehre brauchen, haben anders keine Hilfe. Der barmherzige Gott hat das Licht seines heiligen Glaubens im Bayerland aufstecken wollen, aber das Nachtgefieder kann den hellen Schein nicht dulden, fliegt gewöhnlich bei Nacht. Wir wollen aber den Schweinen ihre Treber und Eicheln lassen.“ Auch Luther empörte sich über die so gemeine Weise der Widerlegung, als diese vielleicht durch Vermittlung der Argula zu seinen Ohren kam. Er schrieb deshalb im Jahre 1524 seine kräftige und scharfe Schrift (Walch XXI. 128-149) wider die blinde und tolle Verdammung der 17 Artikel, von der elenden, schändlichen Universität zu Ingolstadt ausgegangen. Er sagt darin: Ihr Grund und Beweis ist so über alle Maßen toll und ungeschickt, dass ich samt etlichen andern Verständigen nicht anders dachte, als dieser Zettel wäre etwa von ihren Feinden ihnen zu Spott und Schmach aus Scherz erdichtet. Er ließ nun ihre Widerlegung dieser Artikel nebst seiner Beleuchtung ausgehen. In gedrängter Kürze teilen wir Einiges daraus nebst den verurteilten Artikeln mit. Der erste verdammte Artikel Seehofers lautete:
I. Allein der bloße Glaube ist genug dazu, dass der Mensch gerecht oder gerechtfertigt werde.
Die Universität kannte an, dass dieser Artikel wahr und aus Röm. 3,25. 5,1 erwiesen sei, und dass ein menschliches Werk Gott nicht gefalle, es gefalle ihm denn zuerst der Mensch, verwarf ihn aber doch um des Missbrauches willen, den Leichtfertige damit treiben könnten.
Luther entgegnet mit Recht: Ist das nicht eine erbärmliche Blindheit, bekennen, es sei wahr und es doch als Ketzerei verdammen? Du zarte, teure Wahrheit, du musst nun eine Lüge heißen um böser Leute willen. Soll um der Gottlosen willen die Wahrheit Ketzerei heißen, so muss man auch sagen, dass es Ketzerei sei, dass Christus Gott und Mensch sei; denn die Juden und Heiden ärgern sich daran.
II. Die Gerechtigkeit Gottes ist eine solche, die Gott in uns achtet, schätzt oder nimmt, ohne alle Anschauung unserer Werke.
Die Universität wusste nicht, was er mit dieser Gerechtigkeit meine, und dachte sich also, dass Gott mit dem Menschen nach Belieben umgehe, er sei gut oder bös, was sie verdammte.
Luther sagt: Daraus sieht man, dass sie den M. Arsacius nie verhört, sondern hinterlistig verdammt haben. Er hätte ihnen sonst seine Meinung ohne Zweifel gesagt. Die Hochgelehrten sollte man billig erst in die Schule führen. Sie unterscheiden nicht die Gerechtigkeit, die uns Gott schenkt, von der Gerechtigkeit, mit der er die Sünder straft.
Reckenhofen sagt, er wundere sich, wie sie diesen Artikel verdammen konnten, da auch Augustinus sagt: Man erfüllt Gottes Gebote, so er das nicht zurechnet, was nicht geschieht; da sie ferner selbst lehrten, dass Gott die Auserwählten über ihr Verdienst belohne und die Verdammten weniger, als sie verschulden, strafe.
III. Durch keinerlei gute oder verdienstliche Werke kann der Mensch seine Rechtfertigung erlangen.
Die Universität sagte: dieser Artikel verstößt gegen Ap. 10,2.31. Auch eines Todsünders Werke nimmt die Güte Gottes für besser an, als sie an sich sind.
Luther bemerkt dagegen, dass Kornelius nicht als Heide, sondern Proselyt 10,22 und zwar aus dem Glauben (Hebr. 11,6) gute Werke tat; auch widersprächen sie ihrem eigenen Bekenntnis im 1ten Artikel.
IV. Gott allein macht uns gerecht, wenn er seinen hl. Geist eingießt, ohne alle unsere Werke.
Die Universität wandte dagegen missverständlich das Wort des Augustinus ein: Der dich geschaffen hat ohne dein Zutun, wird dich nicht gerecht oder selig machen ohne dein Zutun.
Darauf weist Luther hin und beruft sich auf Paulus, Röm. 3,28.
Reckenhofen hob hervor: Bei der inwendigen Wirkung des Geistes Gottes (Joh. 6) tut der Mensch nichts Wirkliches, sondern verhält sich leidend.
V. Wir sollen gar keine Hoffnung setzen in unsre guten Werke
Die Ingolstädter hatten diesen Artikel verdammt aus dem nichtigen Grunde: Wiewohl wir uns mit unsern Werken nicht trösten sollen, werden sie doch belohnt aus göttlicher Barmherzigkeit.
Das entrüstete Luther, dass sie Arsacium gar nicht reden ließen und doch selbst nichts verstanden. So schreibt er: Hört ihr's, ihr groben Eselsköpfe zu Ingolstadt, setzt die Brille auf die Nase oder verdauet doch zuvor den guten Dramynder: Werke tun und auf Werke vertrauen, ist zweierlei. Wann hat Arsacius geleugnet, dass gute Werke zu tun sind?
VI. Es ist unmöglich, dass der Glaube sei ohne gute Früchte.
Die Universität verwarf diesen Artikel, weil ihr glauben so viel hieß, als den Herrn erkennen, der Knecht aber, der seines Herrn Willen weiß, tue ihn ja doch nicht.
Dieser törichten Erläuterung entgegnet Luther: Ja wohl, der Glaube dieses Knechtes ist wie die Theologie der Ingolstädter. Der Artikel redet von dem rechten Glauben, sie von dem eingebildeten Glauben.
Reckenhofen bemerkt: Alles, was nicht rechter Glaube ist, ist Missglaube, ohne Glaube ist Alles Sünde, was der Mensch tut.
VII. So die Schrift meldet, wie die guten Werke belohnt werden, ist es also zu verstehen, dass wir durch den Glauben selig werden.
Die Universität bezeichnete diesen Artikel als wider das Evangelium, weil sie keinen Begriff vom rechten Glauben hatte.
Was sollte, sagt Luther, für Verstand sein bei solcher Blindheit?
Reckenhofen bemerkt, dass Alles aus Gnaden geschehe, auch unsere guten Werke sind aus Gnaden Joh. 15. Eph. 2; also gebührt der Gnade der Lohn. Die Werke sind nur Zeugen des Glaubens, und auch am Gericht werden die Werke nur den Glauben aufweisen; also gehört die Belohnung dem Glauben.
VIII. Die sich unterwinden, durch ihre guten Werke sich gerecht zu machen, bauen nicht auf den Fels, sondern auf den Sand.
Die Universität weist auf Art. 5 zurück.
Reckenhofen zitiert 1 Kor. 3: Einen andern Grund 2., Eph. 2: Ihr seid erbaut rc. Wer auf seine Werke baut, sucht einen andern Grund, Hebr. 6. Matth. 7,26
Luther aber sagt: Zur Schule und auf die ABC-Bank mit diesen groben Trunkenbolden!
IX. Es ist keinem in der Kirche zu glauben, außer das, was er gewiss und klar dartut aus dem Worte Gottes.
Die Ingolstädter meinten dies glänzend zu widerlegen, indem sie sagten, so brauchte man den Evangelisten selbst nicht zu glauben, denn an keinem Orte der Schrift finde man, dass wir ihnen glauben sollen.
Luther aber fing sie in ihrer eigenen Schlinge, er fragt sie: wem soll man denn glauben? Sprichst du der Kirche! so antworte ich: die Kirche sagt das selbst, darum bindet es nicht, denn keiner kann sich selbst ein Zeugnis geben, wie hier die klugen Leute sagen. Wem sollen wir denn nun glauben? Weder Gott, noch Menschen. Ich rate, man glaube allein den langen Handschuhen und Kugeln des Rektors zu Ingolstadt.
Reckenhofen sagt: Allein Gottes Wort ist wahr, alle Menschen sind Lügner. Was ohne jenes gepredigt wird, ist nicht beständig, sondern muss ausgegraben werden, denn es ist keine Pflanzung von Gott.
X. Es soll kein Mensch in der christlichen Kirche etwas tun oder lehren, außer was Gott der Herr gewisslich angegeben, gelehrt oder geboten hat.
Die Ingolstädter suchten auch dies lächerlich zu machen, indem sie behaupteten, nirgends sei geboten, z. B. zu fasten.
Luther erwidert: Da, da! so soll man Christo und Paulo ins Maul greifen! Wie oft gebietet Paulus zu fasten. So redet auch dieser Artikel nicht allein von Gottes Geboten, sondern von Allem, was Gott lehret, so dass ich nicht weiß, ob diese Sophisten toll oder töricht sind, dass sie diesen Artikel wider seine hellen Worte deuten.
XI. Es ziemt sich für einen Bischof, nichts Anderes, als das Wort Gottes zu lehren.
Törichter Weise fassten die Professoren ihn so, als verbiete der Artikel damit auch jede körperliche Arbeit (gegen Ap. 18, 3).
Luther spottet dieser Torheit. Reime dich, Bundschuh, sagt er. Der Artikel redet vom Lehren, so deuten sie ihn aufs Tun. Das beweist, dass Arsacius nicht dabei gewesen ist, als diese hochberühmte Universität ihn verdammt hat. O wie recht geschieht den Herzögen von Bayern, die auch Gottes Wort, ohne es untersucht zu haben, verdammen und verfolgen, dass sie solche Säue und Esel zu Meistern und Seelsorgern haben müssen. Solche Strafe hätte ich ihnen nicht zu wünschen gewagt.
Reckenhofen klagt, man findet nicht viel Verstands des Evangelii bei unsern Bischöfen, wie sollten sie predigen?
Wenn ich aber ihren Wandel ansehe, wie sie wider das Evangelium wüten, so spreche ich: sie sind reißende Wölfe Ez. 34. Matth. 23. Luk. 11.
XII. Ein Bischof sein, ist nichts Anderes, als geloben das Wort Gottes.
Die Universität begriff nicht, dass das auch das Strafamt 1 Kor. 5,4 einschließe.
Luther erklärt diesen Missverstand daraus, weil die jetzigen Bischöfe nur bannen und nicht predigen.
XIII. Wenn einen Mann sein Weib verlässt oder er rechtlich von ihr geschieden wird, so hat er Gewalt, eine andere zu nehmen; desgleichen die Frau; es wäre denn, dass man es dem verböte, der gesündigt und Ursache zur Ehescheidung gegeben hat.
Die Universität beruft sich auf 1 Kor. 7,10.11, aber sie hat den 15. Vers übersehen, auf den sie Luther hinweist; denn ungläubig ist nicht bloß der Ungetaufte, sondern jeder falsche Christ; Reckenhofen aber weist auf die Versuchungen der Geschiedenen hin.
XIV. Es ziemt sich für Keinen, einen Eid zu tun, außer wo es die Ehre Gottes oder des Nächsten Not betrifft; aber um zeitlicher Güter willen zu schwören, ziemt sich für Keinen.
Von diesem Artikel sagten die Ingolstädter, wie Luther es sehr gut ausdrückt: Es wäre wohl gut und nützlich, dass man ihn hielte, aber weil es die Leute nicht tun, so ist er ketzerisch. Gott verbietet den Ehebruch. Es wäre gut, wenn man's hielte. Aber weil es die Leute nicht halten, so ist Gott ein Ketzer! Das ist wahr, so wahr die wohlberühmte Universität Ingolstadt gelehrt ist.
XV. Es ist notwendig so, dass wer einen Eid von einem andern fordert, eines argwöhnischen Gemütes, untreu, boshaftig und leichtfertig sei und keine Ehrfurcht habe vor der göttlichen Wahrheit.
Die Universität hatte diesen Artikel dem vorigen gleich geachtet, aber Luther erklärt, er sei tausend Meilen davon entfernt; denn während jener ein Ausbund christlicher Lehre sei, sei dieser etwas zu hui.
XVI. Das Gesetz, durch Mosen gegeben, fordert von den Menschen, was sie nicht haben tun können.
Diesen Artikel bestätigte die Universität als wahr und verdammte ihn doch, weil die Menschen es durch die Gnade hätten tun können.
Allein Luther entgegnet mit Recht, dass derselbe ja von Gottes Gebot außerhalb der Gnade. redet. Dass es aber in der Gnade möglich sei, hätte Arsacius besser als sie zu sagen gewusst.
Reckenhofen sagt: Zweck des Gesetzes war Erkenntnis der Sünde. Man vollbringt das Gesetz durch den Glauben an Christo, wenn ihm das, was er nicht tut, zugedeckt wird, Ps. 31. Gott will Alles ganz haben Luk. 10. Lehne dich nur daran, du Gleißner, und mache dir es möglich, sprich, du habest es ganz gehalten. Schüttle die Kutte, ob nicht ein Hoffärtiger, Neidischer rc. herausfalle. So wirst du finden, dass Seehofer recht gelehrt hat, dass Niemand Gottes Gesetz erfüllt, als unser Heiland.
XVII. Dass das Evangelium Christi nicht Geist, sondern Buchstabe sei, ist falsch.
Die Universität sagte, dieser Artikel sei wider 2. Kor. 3,6; denn Buchstabe sei das Gesetz Mosis, Geist das evangelische Gesetz.
Luther sagt zu dieser sonderbaren Entgegnung: Diesen Artikel will ich ihnen zu gut halten. Denn wie sollten die Säue wissen, was Geist und Buchstabe ist, da Origenes, Hieronymus und fast alle alten Lehrer, außer Augustinus, dasselbe nicht gewusst haben.
Reckenhofen sagt: Alle Gebote Gottes im alten, wie im neuen Testamente, sind Buchstaben und töten den Menschen, wenn nicht der Geist Gottes zu Hilfe kommt. Das Evangelium ist die gute Botschaft, dadurch wir verzagte Menschen Glaube, Hoffnung und Liebe nehmen, denn Christus hat von uns das königliche Zepter des Teufels genommen. Alle Verheißungen, auch des alten Testamentes, sind Evangelium, aber nicht als Schrift im Buch, sondern als Wesen und Geist im Herzen; alle Gebote, auch des neuen Testaments, sind Buchstabe, denn der Mensch kann sie nicht erfüllen. Die Sprüche des lebendigen Evangeliums sind:
Ich erkenne mich als Sünder und untüchtig; ich krieche zum Kreuz, rufe um Hilfe zu Gott; ich vertraue Christo allein und hoffe auf sein Verdienst; ich höre nicht auf zu Gott zu schreien, bis ich einen schnelleren Willen zu Gottes Geboten empfinde; ich nehme auf mich das Joch und mein Kreuz, lerne und trage, bis es mir gering und süß wird. Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern dass alle selig werden. Wer glaubt und getauft wird, der wird selig. So macht der Geist den Sünder rufen mit unaussprechlichem Seufzen, so geistert er in den Kindern Gottes und macht ihnen dieses sterbliche Leben verdrießlich und begierig, bei Christo zu sein.
Luther schließt seine Schrift mit den Worten: Nun hoffe ich, wird es besser mit Bayern werden; denn wenn mich diese Zettel nicht trügen, kommt es mir gerade so vor, als ob alle Säue im Bayerland in die hohe Schule gen Ingolstadt gelaufen und Doktoren und Magister geworden wären. Erlöse und behüte Gott Bayerland von diesen elenden, blinden Sophisten. Amen.
Diese oben angeführten Artikel musste also Seehofer am 7. Sept. 1523 feierlich widerrufen. Wir besitzen auch die Eidesformel seines Widerrufes noch, sie lautet: Ich Arsacius Seehofer von München, der freien Künste Meister, schwöre auf das heilige Evangelium, das ich in meinen Händen habe, und bekenne hier mit dieser Schrift, so ich mit meiner eigenen Hand geschrieben habe (Reckenhofen sagt dazu: Hätten sie es ihm nicht selbst vorgeschrieben, so hätten sie ihn nachher nicht ins Kloster sperren zu müssen geglaubt), und mit meinem eigenen Munde vor Euch Herrn Rektor und Räten und gemeiner Höhen-Schule der löbl. Universität zu Ingolstadt, lese und ausspreche: Wiewohl ich hiervor mit freventlicher, falscher, irriger Ketzerei der Lutherischen in Verdacht und mannichfaltig befleckt gewesen bin, so dass ich sie auf manche Weise durch Lehren, Schreiben und Verfechten ausgebreitet und meines Vermögens verdeutscht habe, (Reckenhofen sagt: Was ist es freventliches, da er ja alle Universitäten aufforderte, ihn aus der Schrift zu widerlegen, sie hingegen haben ihm nach dem Leben gestellt. Er war überall gehorsam erschienen, wo man ihn vorforderte und ist noch bereit einem Verständigen zu weichen; hat Allen geantwortet, auf der Kanzel für seine Widersacher gebetet) - weshalb ich denn in der obgemeldeten, meines Herrn Rektors und Räte Universitäts-Gefängnis gekommen bin, und eine Strafe, wie denn eine solche nach gemeinem Rechte den Verfechtern der Ketzerei aufgelegt werden soll, wohl verschuldet hätte (Reckenhofen bemerkt hierzu: Da sieht man den Grund seines Widerrufes, das Stöcken und Blöcken in der Keuche. Nicht jedermann ist es gegeben, um Christi willen zu leiden, Phil. 1: Gott hat euch gegeben rc. Seine Gegner aber verfahren nach dem gemeinen, unreinen Rechte, nicht nach dem göttlichen Rechte Matth. 18,15 rc. Etliche unter ihnen halten von der Bibel gar wenig, sonderlich vom alten Testamente und wollen doch christlich Gelehrte urteilen und im Glauben handeln); so habe ich doch bei demselben aus besonderem Befehl und gnädiger Handlung der Durchl., Hochgeb. Fürsten und Herren, Hr. Wilhelm und Hr. Ludwig Gebrüdern, Pfalzgrafen bei Rhein rc. die Gnade erlangt, dass solche ernstliche Strafe gegen mich ab- und eingestellt worden ist; also dass ich jetzt sollte demütig bekennen und widerrufen. Hierauf so bekenne ich hiermit, dass Alles, so in meinen Lektionen durch mich aus den Schriften Phil. Melanchthonis gelesen, auch sonst durch mich geredet und geschrieben und jetzt hiervor durch den Notarius gemeiner Universität verlesen ist, eine rechte Erzketzerei und Büberei sei, (Reckenhofen ruft ihm hier zu: Du sonderlich Arsacius, der du bei Melanchthon gewesen, seiner treuen Lehre und christlichen Wandels, tiefer Kunst und gewissen Urteils genugsam Erfahrung hast, hättest dich nicht zu solcher Lästerung der Wahrheit drängen lassen sollen) dass ich auch denselben allen, wie von päpstlicher Heiligkeit, Kaiserl. Majestät und meinen gnäd. Herrn verboten ist, nimmer anhangen oder sie gebrauchen; sondern, wie einem frommen Christen wohl zusteht, alles dasjenige, so die heil. röm.- christl. Kirche und die heil. Concilia geordnet und gesagt haben, und durch einen ehrbaren, christlichen Brauch angenommen worden ist, halten wolle, (Reckenhofen sagt hierzu: Wie heilig die Päpste seien und die römische Kirche ist offen am Tag, denn es ist kein Ort in der ganzen Christenheit, wo man sich der Sünde weniger schämt, als zu Rom) endlich dass ich mich mit meinem Leibe in das Kloster Ettal stellen, daraus ohne besonderen Befehl unsers gnädigen Herrn nicht kommen und kein lutherisches Buch lesen noch ausgeben wolle. Das helfe mir Gott der Allmächtige.
So musste Seehofer vor versammelter Universität gegen seine innerste Überzeugung sprechen; er tat es unter Tränen, so dass ein Jurist auf ihn zutrat und ihn fragte: Bist du etwa noch ein Ketzer? Dann musste er ins Kloster wandern. Dort hatte er, wie uns Reckenhofen berichtet, nur Spott und Verachtung zu erwarten. Denn alle Klöster, gegen 40 in Bayern, waren der evangelischen Wahrheit zuwider. Nicht mehr durfte er seinen Trost in der heiligen Schrift finden, nicht mehr in den Büchern seiner Lehrer sich stärken. So ward er, sagt jener gleichzeitige Schriftsteller, seiner Ehren, seines Heils, seines Leibes und seines Trostes um der Wahrheit willen entsetzt. Gott gebe ihm Geduld und den Andern Erkenntnis. Solche ist nötig, denn es ist kaum eine Gegend, wo mehr Abgötterei mit Wallfahrten geschieht. Dahin läuft das unverständige Volk und opfert Gold und Silber.
Lange hielt diesen Zustand Seehofer nicht aus; sein Gewissen peinigte ihn wegen seines Widerrufes, sein Versprechen konnte er nicht halten, denn er hatte gelobt, was ungöttlich war. Da fand er bald Gelegenheit, zu entspringen und eilte nach Wittenberg; Luther schickte ihn später nach Preußen, wo er zu den ersten Verkündern des Evangeliums gehörte. Da er das dortige Klima nicht vertragen konnte, begab er sich nach 24 Jahren in das südliche Deutschland zurück. Nun wirkte er als Professor der 2ten Klasse am Gymnasium zu St. Anna in Augsburg. Im Jahre 1536 begab er sich nach Württemberg, das Herzog Ulrich kürzlich wieder erobert hatte und nun reformierte. Von Dr. Schnepf geprüft, wurde er als Pfarrer von Leonberg bestellt. Dort wirkte er 3 Jahre treulich und fleißig, wurde dann aber 1539 nach Winnenden versetzt, wo er noch 6 Jahre sein Amt versah, dann aber an einem Seitengeschwüre erkrankte und in christlichem Bekenntnis selig entschlief. Viel bewegt war sein Leben. In seinen Drangsalen wandte er sich hier und da an seine reichen Eltern um Unterstützung, welche ihm jedoch dieselbe verweigerten. Er nahm es in Geduld hin und entschuldigte selbst seine Eltern, da sie aus Furcht vor dem Fürsten nicht anders handeln könnten.
Zum Zeugnis dessen, dass er nicht bloß zum rechten Glauben zurückkehrte, sondern ihn auch bewahrte, dient seine lateinische Postille, die er im Jahre 1539 herausgab, und zwar als Zeugnis wider seine Lästerer, deren er auch in späteren Jahren nicht entraten sollte. Als Anhang derselben schrieb er christliche Fragestücke, die uns der verdienstvolle Straßburger Pfarrer, Dr. Rabus, ein geborner Memminger, in seinen Historien der heiligen auserwählten Gotteszeugen bewahrt hat (Straßburg 1556). Darin heißt z. B. die Antwort auf die Frage: Was für ein Unterschied ist zwischen den Sakramenten und andern Wunderzeichen? Die Sakramente sind Mittel, durch welche Gott der Herr seine Gnade und die Verdienste Christi seinen Gläubigen austeilt. Die Wunderzeichen sind allein äußerliche Siegel, durch welche die Wahrheit der Lehre bestätigt wird. Was ist des Herrn Nachtmahl? Es ist ein göttliches Zeichen, in welchem der Herr Christus wahrhaftig und wesentlich uns mit Wein und Brot seinen Leib und sein Blut darreicht und übergibt und durch solche bestätigt, dass wir haben. Verzeihung der Sünden und ein ewiges Leben. Von der Beichte sagte er: Man soll die Privatbeichte wegen der Absolution und Kirchenzucht behalten, damit das unverständige Volk verhört, erforscht und in allen Stücken der christlichen Religion unterwiesen werde. Das Dankopfer des neuen Testamentes ist die Predigt des Evangeliums, der Glaube, das Gebet, Danksagung und Bekenntnis, endlich die mancherlei Trübsale der Heiligen und ihre guten Werke. Von den Bildern sagt er, dass man sie als Anzeigung der Geschichten Christi und der lieben Heiligen wohl haben kann. Die Obrigkeit hat auch zu sorgen, dass gemeine Zucht in der Religion erhalten werde. Besonders ausführlich handelt er von der Messe, dem Fegfeuer und Ablass. Wo die Rechtfertigung, sagt er, durch Christus erworben nicht vollkommen wäre, so wäre Christus ein Diener der Sünde, also ist kein Fegfeuer. Die Päpste haben sich den Ablass vorbehalten. Wem aber die Kirche erlaubt, zu predigen, der hat auch Gewalt, die Sünde zu verzeihen. Die Verdienste der Heiligen können uns nicht geschenkt werden, Verzeihung der Sünden zu erlangen, denn jeder wird den Lohn seiner Werke empfangen. S. Hilarius sagt: Jeder muss Öl zu seiner Lampe kaufen.
So blieb er im Bekenntnis der reinen Lehre und in frommem Wandel und das Gebet der Argula hat sich an ihm erfüllt. Hören wir nun, was sie für ihn tat.
Es war am 7. September gewesen, als Seehofer seinen Glauben verleugnen musste. Argula, wiewohl in dem nahen Dietfurt wohnend, wusste nichts davon. „Nun hat mir solches, schreibt sie später an den Herzog, „ein Bürger von Nürnberg, wie es gehandelt, zugeschickt und wohl spöttlich dabei geschrieben, welches ich, so viel ich gekonnt, verantwortet, auf Meinung, es würde wahrlich in diesem Fall E. F. G. die Wahrheit nicht vorgetragen; ich wüsste sonst, E. F. G. würde wohl so christlich sein, Gott nicht in seine Gewalt zu greifen“. Sie wurde von tiefer Scham für ihre landesherrliche Universität erfüllt, welche ihre Macht an einem 18jährigen Menschen geübt hatte, und zwar in so schamloser Weise, dass sie ihn ohne Weiteres in das Gefängnis geworfen und ohne Widerlegung, ja sogar ohne nähere Erkundigung nach dem Sinn seiner Lehren zum Widerrufe gezwungen hatte. Es brannte wie Feuer in ihrer Seele, dass auf diese Weise die Wahrheit unterdrückt und nicht einmal angehört werden sollte. Sie hoffte einige Tage, dass Männer in ihrem Vaterlande sich finden würden, welche ein freies Wort für die Wahrheit zu sprechen wagten. Doch es verlautete nichts.4) Da vergaß sie, dass sie ein Weib war, dass ihr Mann in herzoglichem Dienste stand, dass sie es mit den bittersten Feinden des Wortes Gottes zu tun hatte, dass sie sich in dieselbe Gefahr hineinstürzte, welcher der erschrockene Seehofer nur durch seinen unverzüglichen Widerruf und die Gnade des Herzogs entging. Wo Männer schweigen, müssen Weiber reden. Wo der ganze Herzensgrund nur für Eine Sache lebt und für diese ganz erglüht, da müssen alle Bedenken als geringfügig zurücktreten. Sie fühlte die ganze Heiligkeit und den vollen Ernst des allgemeinen Priestertums aller Christen und in diesem Gefühle setzte sie sich am 13. September, dem Sonntage nach Erhöhung des hl. Kreuzes, hin und schrieb eine flammende Epistel an die Universität Ingolstadt.
„Der Herr sagt Joh. 12,46“, so hebt sie an: „Ich bin gekommen in die Welt ein Licht, dass ein Jeglicher, der an mich glaubt, nicht in Finsternis bleibe. Ich wünsche herzlich, dass dieses Licht uns allen beiwohne und erleuchte alle blinden und verstockten Herzen. Amen. Ich finde einen Spruch (Matth. 10,32) also lautend: Wer mich bekennt vor den Menschen, den bekenne ich auch vor meinem himmlischen Vater, und Luk. 9,26: Wer sich meiner schämt und meiner Worte, des werde ich mich auch schämen, so ich komme in meiner Majestät. Solche Worte, von Gott selbst geredet, sind mir alle Zeit vor meinen Augen, denn es wird weder Frau noch Mann darin ausgeschlossen. Aus diesem Grunde werde ich als ein Christ gedrungen, an Euch zu schreiben, denn Ezechiel sagt C. 33,6 rc.: Siehst du deinen Bruder sündigen, so strafe ihn oder ich will sein Blut erfordern von deinen Händen; Matth. 12,31 sagt der Herr: Alle Sünden werden vergeben, aber die Sünden wider den heiligen Geist werden nicht vergeben, weder hier noch dort. Und Joh. 6,63 sagt der Herr: Meine Worte sind Geist und Leben rc. Ach Gott, wie werdet Ihr bestehen mit Eurer hohen Schule, dass Ihr so töricht und gewaltig handelt wider das Wort Gottes und mit Gewalt zwingt, das heilige Evangelium in der Hand zu halten und dasselbe zu verleugnen?“
Sie geht nun näher auf das an Seehofer verübte Unrecht ein, wie sie ohne Widerlegung und so mörderlich handeln; berichtet, was sie zu diesem Schritte dränge und eifert gegen die Satzungen, weist auf Matth. 10,28. Ap. 4,19. 5,29. Jer. 1,11 rc. hin, und fährt dann fort: „Ich bitte Euch, meine lieben Herrn, Gott länger bleiben zu lassen. Setzt keinen Zweifel darein, Gott wird sein heiliges, gebenedeites Wort wohl erhalten, wie er bisher nach Anzeigung alten und neuen Testaments getan hat, noch tut und hinfort tun wird. Gott wird Euch begegnen, wie der Prophet Hos. 13,6-8 sagt, und c. 6,5. Jes. 30,1. Ez. 13,3 c. 33,32 rc. Jer. 48,27. Der Geiz hat Euch besessen, Ihr möchtet sonst Gottes Wort wohl leiden, ginge Euch nichts ab bei Unterdrückung des Dekrets. Das Evangelium trägt nicht so viel Pfennige in seinen Ratschlägen. Ich habe gesehen, dass mein Herr Vater selig 20 fl. um 4 Zeilen Ratschlags geben musste, und waren ihm nicht eines Pfennigs nütze.“
Hierauf erweist sie in bereits früher angeführten Stellen ihr Recht, als Frau zu reden, zitiert gegen die Gesetzmacher Matth. 15,6 rc., Luk. 11,46 rc., Matth. 24,48 rc., und tadelt ihr Verfahren gegen die Fürsten: „Mich erbarmen unsere Fürsten, dass Ihr sie so jämmerlich verführt und betrügt. Denn ich weiß wohl, dass sie der göttlichen Schrift nicht wohl berichtet sind (Herzog Wilhelm sagte auf dem Augsburger Reichstag zu Eck: Man hat mir viel anders von der Lutherischen Lehre gesagt, denn ich in ihrem Bekenntnis gehört habe). Hätten sie aber Zeit vor andern Geschäften, achte ich, sie würden auch die Wahrheit erfahren, dass Niemand über das Wort Gottes zu gebieten hat, ja kein Mensch, er sei wer er wolle, darin zu regieren. Aber das Wort Gottes, ohne welches nichts gemacht ist, muss allein regieren. Wie haben doch unsre Fürsten das um Euch verschuldet? Ist es darum geschehen, dass sie oft einen Armen unter Euch reich gemacht haben, und zeihet Ihr sie doch, dass Ihr sie und diese ihre löblich gestiftete Universität also zur Nachrede der ganzen Welt macht.“
Sie erwähnt hierauf, dass sie dem Herzoge selbst schreiben werde, wie ihn seine Universität so schändlich betrüge; denn er sei milder gesinnt, wie er auch Seehofer ihren Mörderhänden entrissen habe.
„Ich setze keinen Zweifel darin, Gott wird Arsacium mit den Augen seiner Barmherzigkeit ansehen, wie Petrum, der den Herrn dreimal verleugnete, denn der Gerechte fällt 7 Mal an einem Tage und steht wieder auf. Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er sich bekehre und lebe. Christus selbst fürchtete den Tod so sehr, dass er blutigen Schweiß schwitzte. Ich hoffe, so Gott will, auch viel Gutes von diesem Jünglinge, wie Petrus auch danach viel Gutes gewirkt hat, als er den Herrn verleugnet hatte, der doch frei war und nicht mit Drohung des Feuers dazu gezwungen, wie dieser.“ Nun redet sie von ihren Mordgedanken, welche schon die Schrift weissagte in 2. Kor. 11,14 rc., Matth. 10,34, Joh. 16,2, 1. Kor. 11,19, 2. Kor. 4,3; von ihrem Verstoße gegen das kaiserliche Mandat vom 6. März, von der Torheit, dass Arsacius Luthers Schriften verleugnen musste, unter denen ja auch die Bibelübersetzung war, und sagt, dass sie dem Rechte gemäß mit der Entscheidung bis zum nächsten Concilium hätten warten müssen. Dann fährt sie fort: „Ich bitte Euch um Gottes willen, und ermahne Euch bei der Gerechtigkeit Gottes, Ihr wollt mir die Artikel schriftlich anzeigen, so Ihr ketzerisch heißt, die Martinus oder Melanchthon geschrieben haben. Ich finde keinen im Deutschen, der mir ketzerisch ist in meinem Geist, ist doch wahrlich viel in deutscher Zunge ausgegangen. Ich hab's gelesen. Mir hat sie Spalatinus alle im Titel verzeichnet geschickt, habe mich stets der Wahrheit erfahren wollen, wiewohl ich jetzt lange nichts gelesen habe; gebrauche die Bibel. Gott sei Lob, dass ich das rechte und wahre Licht scheinen sehe. Ich will mein einiges Pfund nicht vergraben. Der Herr verleihe mir Gnade! Das Evangelium wird den Armen gepredigt. Luk. 7,23. 1. Kor. 9,18. Ich sage Euch: Wahrlich das Licht leuchtet jetzt wieder in der Welt, Ps. 118 und 119., 36,10. Joh. 2,25., 16,14., 14,6., 9,39-41., 8,31,47., 10,27. Matth. 24,35. Jes. 40,8. 2. Kor. 1,20. Durch das Wort ist uns verheißen das Leben, Jer. 22,29. Ich bitte Euch und begehre Antwort, ob Ihr meint, dass ich irre, was ich doch nicht wüsste. Hieronymus hat sich nicht geschämt, und hat an Weiber viel geschrieben, als an Plesilla, Paula, Eustachia rc. Ja Christus selbst hat sich nicht geschämt, sondern gepredigt Mariae Magdalenae und der Frau am Brunnen. Ich scheue mich nicht, vor Euch zu kommen, Euch zu hören, auch mit Euch zu reden. Denn ich kann auch deutsch fragen, Antwort hören und lesen aus der Gnade Gottes. So hat man wohl Bibeln, die deutsch sind, die Martinus nicht verdeutscht hat. (Eck hat ja selbst eine solche geliefert.) Wollte Gott, ich sollte in Gegenwart unserer 3 Fürsten und ganzer Gemeinde reden, ich begehre von Jedermann gelehrt zu werden. Die Philosophie soll nichts, Kol. 2,8. 1. Kor. 1,20., 3,19. Juristerei schadet mir nicht, denn sie gar nicht hierher dient, göttliche Theologie spüre ich nicht. Darum fürchte ich mich nicht, so Ihr anders schriftlich, `und nicht mit Gefängnis oder Feuer unterweisen wollt.“
So schrieb die ritterliche Frau mit hohem Mute und wallendem Herzen, und es floss ihr aus innerster Seele, was sie am Schlusse sagt: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht, welches die Kraft Gottes ist, die, selig macht, welche daran glauben. Der Herr sagt Matth. 10,19: So ihr werdet vorgefordert, so sorgt nicht, was ihr reden werdet. Ihr seid nicht, die da reden. In derselben Stunde wird euch gegeben, was ihr sollt reden. Der Geist eures Vaters redet durch euch. Ich kann kein Latein, aber Ihr könnt Deutsch, in dieser Zunge geboren und erzogen. Ich habe Euch nicht Weibstäding (Geschwätz von Theiding) geschrieben, sondern das Wort Gottes als ein Glied der christlichen Kirche, vor welcher die Pforten der Hölle nicht bestehen mögen, aber vor der römischen bestehen sie wohl. Beseht nur dieselbe Kirche, wie sie vor den Pforten der Hölle bestehen werde. Gott gebe uns seine Gnade, dass wir alle selig werden und regiere es nach seinem Gefallen.“
Es war in ihr eine innige Lust, mit den Gegnern der Wahrheit sich zu messen, denn in der Tat - sie besaß eine Bibelkenntnis, wie keiner der Professoren, und wusste dieselbe durch fleißiges Bibellesen und reifliches Überdenken der damaligen Streitpunkte so tüchtig zu handhaben, dass auch der berühmte Klopffechter Eck wohl Anstand nehmen musste, sich auf diesem Gebiete mit einer so gebildeten und in Allem durchaus klaren, zudem in Liebe für die Wahrheit erglühenden Frau einzulassen. So versuchte man also einen andern Weg, sie unschädlich zu machen.
Es herrschte damals in Bayern das System des Kanzlers v. Eck, das allerdings seinen Zweck erreichte. Er hatte seinem Herrn vorgeschlagen, alle reformatorischen Bewegungen mit Gewalt niederzudrücken und jedes freie Wort zu bannen; mit ihm ging die ganze Universität Hand in Hand. Es ist erklärlich, welchen Eindruck dieser Brief daselbst machen musste, es war der grimmigste Zorn gegen dieses unerhörte Wagnis einer Frau; es war das eifrigste Sinnen, sie so bald als möglich aus dem Lande zu schaffen. Man beschloss, ihr gar keine Antwort zu geben, sondern die ganze Sache an den Herzog zu berichten. Der Kanzler tat dies am Freitag den 11. November (muss jedenfalls Oktober heißen), an welchem Tage ihm erst ihr Schreiben mitgeteilt ward. Er beantragt ohne Weiteres, auch auf sie, obgleich sie ein Weib sei, das herzogliche Mandat anzuwenden, da es für ihn schimpflich wäre, dieses hingehen zu lassen. Man solle daher ihren Mann zitieren, und ohne Weiteres denselben, weil er dieses Auftreten seiner Gattin nicht gewehrt habe, von Stund an entsetzen und ihm, falls sie in ihrer Weise fortfahre, noch Ärgeres androhen. Da das Siegel des Briefes von Sebald Horsdorfer war, (was darauf hinzudeuten schien, dass ihr Mann von der Absendung des Briefes gar nichts wusste), so vermutete er sogar, sie könne den Brief gar nicht selbst verfasst haben. So sicher war der Kanzler seines Einflusses beim Herzog, dass er schon Hans v. Parsberg als Nachfolger im Amte des Grumbach vorschlug und bestimmte, dass dieser mit seiner Frau weit von Dietfurt fortziehen müsste, damit das gemeine Volk nicht mehr verführt würde. Das waren die Pläne der Ingolstädter.
Indessen Argula kannte die Verhältnisse zu gut, um nicht diesen Gang der Sache vorherzusehen; sie glaubte daher diesem Schritte der Universität zuvorkommen zu müssen und wendete sich noch am gleichen Tage selbst an den Herzog. Dieses Schreiben ist ebenfalls so umfangreich und so bedeutend mit biblischen Belegen versehen, dass schon der Umstand, dass sie beide an einem Tage verfassen konnte, ihre bedeutende Bibelkenntnis und ihre Gewandtheit im Ausdruck beweist. Sie hatte den Herzog als einen frommen und milden Mann kennen gelernt, sie war mit demselben genauer bekannt; sie konnte hoffen, dass ihr Wort nicht ohne Frucht sein würde. In dieser Erwartung schrieb sie herzlich und freimütig ebenfalls am 15. September an den Herzog. Wir teilen auch von diesem Briefe das Wesentlichste mit. Er erschien auch unter dem Titel: „Ermahnung an alle christlichen Stände und Obrigkeiten, bei der Wahrheit und dem Worte Gottes zu bleiben und solches auch aus christlicher Pflicht zum ernstlichsten zu handhaben.“
Sie erwähnt zunächst den Vorgang mit Seehofer, verteidigt Luther und Melanchthon, die Gottes Wort nur trieben; dieses aber würde der Herzog gewiss nicht unterdrücken wollen, und fährt dann fort: „Ich bitte E. F. G. um Gottes willen, nicht alle Zeit den Ingolstädtern zu glauben, sondern die Geister nach göttlicher Schrift zu prüfen (1 Joh. 4,1) und es ist wohl not, in solche Tyrannei Einsehen zu haben, ja kein Christ soll sein, ohne sich des anzunehmen. Es ist nicht genug, so wir wollten sagen: ich glaube, was meine Eltern geglaubt haben. Wir müssen an Gott, nicht an unsere Eltern glauben. Wenn das Alter den rechten Glauben macht, wäre der jüdische der beste.“
Sie seht hierauf auseinander, wie gerade das Wort Gottes den rechten Gehorsam gegen die Obrigkeit lehre Röm. 13,6, aber diese mag darauf sehen, dass sie ihre Gewalt nicht missbrauche, denn sie hat sowohl, als wir, die evangelische Regel. Aber das Wort Gottes zu verbieten, lehrt es nicht, oder dass man darin gehorsam sein soll, sondern eher Leib und Leben verlieren, will man anders ein Christ sein Ap. 4.5. Durch Gott halte E. F. G. ob diesem Worte Gottes, so wird Glück und Heil Land und Leuten; wo nicht, so wird es Gott nicht ungerächt lassen 2 Chron. 7. Jes. 30. 34. Baruch 2. Ez. 5. 7. Hosea 14. Gott hat's geredet, nicht Luther, und das Wort Gottes ist Ja ohne alles Nein. Durch Gott nehme es E. F. G. zu Herzen und gestatte nicht denselben, das teuer erkaufte Volk des Herrn Jesu Christi zu verderben Ez. 13, 19. Es ist keine Person mehr wert zu halten, denn ein guter Prediger, der in Gottes Geist und nicht im Buchstaben gelehrt ist. Ein solcher wäre wohl am Ende der Welt zu holen, denn all unser Heil liegt darin, dass wir Gottes Wort hören Matth. 7, 15.
Nun schildert sie den Geiz und die Habsucht der Geistlichkeit, ihre sodomitische Reinigkeit und ihre Schätze und fährt fort: „O ihr Fürsten, seht darein, dass sie nicht also verderben. Euch gehört das Schwert der Strafe und nicht den Geistlichen. Das gehört ihnen zu, dass sie das Wort Gottes verkünden. Wollte Gott, dass eure Augen aufgetan würden und ihr selbst das Schwert, das euch Gott gegeben hat, in die Hände nähmt Matth. 20,25. Unsere Sünden haben's verschuldet, dass es sich umgekehrt hat“. Sie weist nun auf die Gefahr des Türkenkrieges hin und auf die reichen Goldgruben der Stifter, welche später der Herzog wohl zu nützen verstand, auf den Segen der Predigt des Evangeliums in Glück und Sieg. Es soll Niemandem verboten sein. Wer es annehmen wird, findet Gnade, wer nicht, findet von Gott auch seine Strafe.
So klar und schön entwickelte diese Frau schon damals Grundsätze, welche erst in viel späterer Zeit zur Anerkennung kommen sollten. Das Alles aber schriebe sie, fährt sie fort, aus Dankbarkeit für die am Hofe erfahrenen Wohltaten. Mir ist's, wie St. Peter, Silber und Gold habe ich nicht, sondern die Liebe gegen Gott und E. F. G. als meinem Nächsten Lukä 9,25. Darauf setzt sie Einiges über das in Abschrift beigelegte Schreiben an die Universität hinzu, das sie sich wohl zu verantworten getraue, und klagt über die entsetzliche Habsucht der Juristen, welche sich reich und das Land arm machten und das Evangelium hassten. „Ich kenne solche, die nicht ein Maß Weins zu bezahlen hatten, und so sie nur 4 Jahre das rote Käpplein tragen, kaufen sie, was nur feil ist. Ich glaube, dass diese Häublein (die Baretts) die Kraft des Seckels des Fortunatus haben, von dem die Poeten schreiben, dass ihm das Geld nicht zerrann.“ Sie schließt „Ich habe E. F. G. die großen Artikel meines kleinen Verstandes, damit das Volk Christi beschwert ist, angezeigt. E. F. G. bedenke es besser, denn ich schreibe; denn es betrifft nicht ein Zeitliches, sondern ein Ewiges. Hiermit ist meine demütige Bitte, solches im Besten, wie ich's wahrlich meine, anzunehmen. Gott ist dieser meiner Schrift Regierer, dem befehle ich's samt E. F. G. und allen Euern Geliebten hier in Zeit und dort in Ewigkeit beizuwohnen.“
Leider wurde diese Bitte nicht erhört. Der Fürst gab ihr keine Antwort und erwartete den Bericht seines Kanzlers, dessen Urteil ihm maßgebend war. Bald darauf, Sonntag vor Gallus den 13. Oktober, erließ er von Murnau aus folgendes Schreiben an seinen Bruder Ludwig, in dessen Gebiet Grumbach Pfleger war: „Freundlicher, herzlieber Bruder! Ich habe bei meinem Abschied von Dir vergessen, wegen der Grumbacherin und ihres Mannes ihres ungeschickten Schreibens halben, wie Du es gelesen hast; ist mein Rat und Bedünken, sobald Du gen Landshut kommst, Du wollest ihn zu Stund vorfordern und ihm das Schreiben seiner Hausfrau vorhalten, das sie mir und der Universität getan hat: warum er solches seinem Weib gestatte, und ihm anzeigen, dass er als Mann solch ungeschickte Schreiben seinem Weib gar nicht gestattet haben sollte,' und darauf seines Amtes von Stund an entsetzen, und die Strafe gegen die Frau vorbehalten. Du wollest Dich auch mit nichts erbitten lassen, ihn länger beim Amt bleiben zu lassen. Ich will mich zu Dir versehen, dass Du unser beider Notdurft daran tuest. Damit, was Dir als meinem herzlieben Bruder lieb ist. Wilhelm, Herzog in Bayern, Dein getreuer Bruder.“
Ludwig erklärte sich bereit, ihn vorzufordern und notdürftig, wie sich gebührt, mit ihm zu handeln, jedoch schlug er vor, sich überhaupt über die fernere Behandlung der Lutherischen Sachen gemeinsam zu beraten.
Den nächsten Aufschluss über den ferneren Verlauf ihrer Angelegenheit gibt uns das Sendschreiben an den Rat der Stadt Ingolstadt, welches vom 27. Oktob., dem Tage Simonis und Judae, datiert und von Grumbach aus geschrieben ist. Sie hielt sich also damals nicht mehr in Bayern auf, sondern hatte sich offenbar, um der Verfolgung zu entgehen, auf die Güter ihres Mannes in Franken zurückgezogen. Sie erwähnt in diesem Schreiben, dass sie erwartet hätte, die Universität würde sie zu unterweisen versuchen. Das sei nicht geschehen, sondern die ganze Sache verbreitet und ihr übel ausgelegt worden. Da solches Ärgernis auch in der Stadt angerichtet worden sei, wolle sie ihnen eine Kopie ihres Sendbriefes schicken, damit sie das rechte Urteil fällen könnten.
Sie wendet sich an sie als Glieder Christi, Eph. 4,15, sagt, dass diese mit dem Worte Gottes streiten müssten, verteidigt ihr Recht des Kampfes und sagt dann: „Ich höre, wie Etliche so sehr über mich erzürnt sind, dass sie nicht wissen, wie sie es nur schickten, dass ich vom Leben zum Tode käme. Nun weiß ich wohl, dass sie mir nicht schaden können, bis ihnen die Gewalt von Gott gegeben wird. Der wird mich wohl erhalten bis zu seinem Lob. 2. Kor. 4,7. Ps. 3,7. Jes. 30,17., 43,5., 51,12. Joh. 9,22. Sie sagen auch wie die Juden: Wir haben ein Gesetz, nach dem muss er sterben. Ich wollte gerne wissen, was Gewinns sie hätten, wenn sie mich gleich ermordeten. Sie trösten sich vielleicht der Freiheit des heimlichen Rechtes, was ihnen nicht übel dazu dient. Nun im Namen Gottes, so denn das die Stadt wäre, wo man die Christen martert, wie Jerusalem auch war, so geschehe mir, wie Gott will, aber bittet Gott, dass er nicht auch über euch, durch sie beschuldet, dieselbe Strafe verhänge. So ich schon gestorben bin, ist das Wort Gottes nicht vertilgt, denn es bleibt ewig. Ich achte auch dafür, so ich die Gnade hätte, den Tod um seines Namens willen zu leiden, würden gar vieler Herzen dadurch erweckt. Ja wenn ich allein stürbe, würden hundert Weiber wider sie schreiben. Denn ihrer sind viele, die belesener und geschickter sind, als ich; so möchten sie den Namen überkommen, dass man sie eine Schule für die Weiber hieße, wiewohl ich keinen Zweifel darein setze, es sind noch viele unter ihnen, die heimliche Jünger des Herrn sind, und aus Furcht, wie Nikodemus, nicht dürfen bekennen Christum, wiewohl es nicht genug ist; wir müssen bekennen, Matth. 10,32. Denn zu gedenken heißt nicht, vor den Menschen bekennen. Gott schicke ihnen einen herzhaftigen Geist. Was meiner Person nachgeredet wird, wollet euch nicht ärgern. Meinethalben achte ich nicht ihrer Verfolgung. Es ist mir eine Freude, dass ich wegen des heiligen Evangeliums gelästert werde. Gott verzeihe es ihnen; sie wissen nicht, was sie tun. Ich bitte auch herzlich für sie, dass sie Gott erleuchte, bitte auch euch, für sie und alle verstockten Herzen zu bitten. Jes. 30,9 rc. Jer. 10,21; 23,9 rc. Ap. 15,10,11. Jer. 23,16; 50,6. Die Hirten sind Narren geworden; es wäre viel besser, dass ein Mensch nicht zu solcher Predigt ginge, Matth. 7,15; 16,6; ein wenig falsche Lehre bringt viel Übels. Darum meine lieben Freunde und Brüder in Christo, sehet euch wohl vor, dass ihr nicht samt ihnen verderbet. Dazu wünsche ich euch die Gnade Gottes, in welche ich euer Seele, Leib, Ehre und Güter befehle. Bittet Gott für mich, desgleichen will ich Gott auch für euch bitten.“
So herzlich und freundlich schrieb sie an den Rat der Stadt; sie mochte wohl manche befreundete Herzen in demselben haben, welche auch ihre Freude am Evangelium hatten, allein in ähnlicher Weise, wie einst Nikodemus, aus Furcht vor Menschen nicht zu bekennen wagten. Welch eine Stärkung musste ihnen diese Freudigkeit einer schwachen Frau sein! Sie nahm willig die Verfolgung und Lästerung hin. So viel geht aus diesem Briefe hervor, dass man vorderhand ihrer Person nicht mächtig werden konnte, dass aber die Lästerzunge um so geschäftiger nun wurde, allenthalben das Schlimmste über sie auszubreiten. Es sollte an ihr das Wort des Herrn wahr werden (Matth. 10, 35): Ich bin gekommen, den Menschen zu erregen wider seinen Väter, und die Tochter wider ihre Mutter und die Schnur wider ihre Schwieger, und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenoffen sein. Davon soll uns das Folgende erzählen.
Schon die nächsten Folgen ihres Schrittes waren für Argula beschwerliche gewesen. Sie musste sich aus Bayern wegbegeben; wahrscheinlich wurde dasselbe Los ihrem Manne zu Teil, da die bayerische Regierung in religiösen Dingen die größte Strenge zu üben pflegte. Beide begaben sich nun auf ihre Güter in Franken, deren wichtigstes das oben genannte Grumbach war. Aber auch dort hatten sie unangenehme Erfahrungen, denn sie schreibt an ihren Vetter: „So haben die Pfaffen zu Würzburg meiner Junkherrn Gut auch verzehrt.“ Doch getrost setzt sie hinzu: „Meine Kindlein wird der Herr schon versorgen und sie speisen mit den Vöglein in der Luft, auch bekleiden mit den Blümlein des Feldes. Er hat's gesagt, Er kann nicht lügen.“ So herrlich war ihr Gemüt stets getröstet, ihr Gatte hingegen war tief verstimmt; er hatte nicht die Glaubensstärke seiner mutigen Frau.
Mit 2 Söhnen und 2 Töchtern hatte Gott ihre Ehe gesegnet. Die Kinder waren damals noch klein, als sie wie eine Verbannte mit ihnen das bayerische Land verlassen musste. Doch der getroste Blick und die betenden Hände ihrer Mutter mussten auch die Kinderherzen erheben; ihre kindliche Freude war nicht getrübt.
Aber ihr Gatte, Friederich, scheint es nicht an harten und kränkenden Vorwürfen haben fehlen zu lassen.
Er konnte ihren Glaubensmut nicht fassen, er empfand es zu tief, dass er um ihretwillen seine einträgliche Stelle hatte verlieren müssen. Es blieb ihm zwar sein Besitztum in Bayern, aber seine Güter in Franken hatten in ihren Einkünften sehr gelitten. Es scheint Not und Mangel über die Familie gekommen zu sein. Das zu ertragen verlangt einen tieferen Glaubensgrund, den er nicht hatte. So wendete er seinen Groll gegen seine Gattin, obgleich er zu viel Achtung für sie hatte, um zu den schändlichen Zumutungen fortzuschreiten, welche einige Verwandte an ihn stellten, er solle sie einmauern, wenn sie nicht von ihrem Glauben ließe. Es klingt als ein schmerzlich bitteres Wort aus dem Munde der treuen Gattin, wenn sie an ihren Vetter von ihrem Manne schreibt: „Er tut leider sehr viel dazu, dass er Christum in mir verfolgt.“ Das sind tiefe Wunden, welche ein treues Herz mit bitterem Weh empfindet. Wenn es einmal im Jammer laut aufseufzen muss gegen die Nächststehenden, ist's wohl ein empfindlicher Schmerz, der dazu treibt. Aber ihre Seele war in Gott gebunden. Auch selbst dem Nächsten und Liebsten konnte sie ihren Herrn und Heiland nicht opfern. Sie äußert sich darüber so herrlich:
„Wo er mich aber wollte dringen,
Von Gottes Wort treiben und zwingen,
Dass ich davon nichts halten sollt,
Welches ihr auch gar gern wollt:
Ja da müssen wir treten ab (Matth. 10)
Von Kind, Haus, Hof und was ich hab.
Wer's über ihn liebt, davon steht frei,
Derselbe sein nicht würdig sei.
Wir haben dafür auch ein schönes Zeugnis in dem herrlichen Schreiben an ihren Vetter Adam von Thering (Törring), der freundlich und mahnend an sie geschrieben hatte, sie möge doch um ihrer Verwandten willen von ihrem Glauben abstehen; denn es sei für sie so schmerzlich, so viel Geredes und Gespöttes über eine Verwandte zu hören. Es fällt dieses wohl in den Anfang des Jahres 1524.
Argulas Mutter war von dem altadeligen Geschlechte der Törring entsprossen und zwar von der Linie Seefeld, Adam stammte aus dem nahe verwandten Zweige der Törring zum Stein. Sein Vater war Georg von Törring gewesen, welcher zu Heideck wohnte und als Pfleger zu Höchstädt 1476 verstorben war. Derselbe hinterließ zwei Söhne und eine Tochter. Adam, der zweite, welcher ein ritterlicher und kluger Mann, dabei milde und wohltätig war, hatte sich bis zum Statthalter der Pfalz-Neuburg emporgeschwungen. Schon 1484 wird er bei einem Turniere in Ingolstadt als Kämpe genannt; er war also jetzt bereits ein alter Mann. Es wird von ihm berichtet, dass er im Jahre 1520 das Spital zu Neuburg stiftete, was ein Beweis seines Reichtums und seiner Wohltätigkeit sein mag. Er starb im Oktober des Jahres 1529.
Dass nun gerade er so besonderes Interesse an der Angelegenheit der Argula zeigte, ist leicht begreiflich. In seiner hohen Stellung als Statthalter der noch so jungen Fürsten (Otto Heinrich war den 10. April 1502, Philipp den 12. November 1503 geboren), welche erst den 26. Mai 1522 die Regierung übernommen hatten, musste ihm daran liegen, dass nicht eine so nahe Verwandte von ihm Ursache zum Anstoße und zur Lästerung gebe. Zugleich aber war sein junger Fürst Otto Heinrich (der nachmals so innige Freund der Reformation und unermüdete Verbreiter derselben) damals noch entschiedener Gegner aller lutherischen Bestrebungen. Er erließ in eben diesem Jahre 1524, in welches wahrscheinlich auch dieser Brief der Argula fällt, ein Schreiben an alle seine Untertanen, in welchem er sie ernstlichst vor Luthers Lehre warnte, und ein zweites an seine Beamten, in dem er ihnen den strengen Befehl erteilte, auf geheimes Zusammentreten wohl Acht zu haben, und die Komplottisten zu zerstreuen. Törring musste also auch wohl um seines Herrn willen alles Mögliche tun, um dessen Gunst zu erwerben. Zudem war er selbst ein alter Mann, der von dem, was ihm in einem langen Leben Gewohnheit geworden war, nicht mehr lassen wollte und der in der heiligen Schrift nie gelesen hatte. Daher schrieb ihm nun Argula mit inniger Teilnahme an seinem Seelenheile: „Darum, mein herzlieber Herr und Vetter, ist an Euch meine ganz freundliche Bitte, Ihr wollet Euch der göttlichen Schrift annehmen. Ihr habt lange den Fürsten geratschlagt, nun ist es Zeit, dass Ihr Eure Seele, die da ewig ist, beratschlagt. Könnt Ihr nicht mehr, so lest doch vor Eurem Ende die 4 Evangelisten durch. Wollte aber Gott, Ihr hättet die ganze Bibel gelesen, welches Buch allen Befehl Gottes in sich enthält. Es ist auch die Meinung Luthers nie gewesen, dass man seinen Büchern glauben solle; sie sollen allein Leitbüchlein zum Worte Gottes sein. Ihr könntet in Eurem Regiment wohl viel Nutzen schaffen, sonderlich so Ihr behilflich wäret, dass die Pfarr- und Predigt-Ämter mit gelehrten Männern besetzt würden.“
Wie sich also seine Mahnung an sie in eine ernste Aufforderung an ihn umwandelte, so wusste sie sich auch wohl gegen ihn zu verteidigen. Sie schreibt: „Was uns Gott gebeut, soll kein Mensch schelten, und ich wäre auch in diesem nicht schuldig, einem Menschen zu folgen, da ich Gott in der Taufe gelobt habe, ihm zu glauben, ihn zu bekennen, zu widersagen dem Teufel und allen seinem Gespenst. Wer Gott nicht bekennt, der ist kein Christ, wenn er auch tausendmal getauft würde. Darum, mein herzlieber Herr und Vetter, bitte ich Euch, keine Beschwernis zu nehmen, ob Ihr hört, dass man mich schmähet und verspottet, weil ich Christum bekenne. Aber dann erschrecket, so Ihr hört, dass ich Gott verleugne. Davor Gott ewig sei! Ich rechne es mir für eine große Ehre, dass ich um Gottes Lobs willen geschmäht werde. Es ist ein Geringes, dass ich von denen, die Gott in ihrer menschlichen Weisheit verblendet hat, vermaledeit werde.“
Sie schildert ihm hierauf den Zustand der Kirche und namentlich ihrer Prediger nach Jer. 50,6. 6,10. 10,11. 23,38. 1 Tim. 1,7; erläutert ihre Stellung zu Luther, ihr Verhältnis zu ihrem Gatten, die Gleichgültigkeit der Obrigkeit gegen Gottes Wort, den Stumpfsinn des Adels, die Unzucht in allen Ständen, schreibt ihm ihre Hoffnungen vom nächsten Reichstag und gibt ihrem Vetter die oben mitgeteilten Ermahnungen, erklärt ihre Bereitwilligkeit, sich in Alles zu ergeben und schließt dann: „Ich hatte gemeint, ich wollte mein Schreiben (an die Universität) heimlich haben behalten, so sehe ich wohl, dass es Gott will offenbar haben. Nun werde ich darum geschmäht: das ist ein gut Zeichen, dass es aus Gott ist; denn so es die Welt lobte, wäre es nicht aus Gott. Damit, mein herzlieber Herr und Vetter, befehle ich Euch jetzt und allezeit in die Gnade Gottes, hier in der Zeit und dort in Ewigkeit beizuwohnen.“
So schrieb die Edle von ihrem Grünbach aus an den alten Vetter. Ob ihr Wort einige Frucht schaffte, ist in den Büchern der Zeit nicht geschrieben, aber es war ein wahrhaft innerer, gewaltiger Drang in ihr, immer auf das Eine, was not tut, hinzuweisen, und es war ihr Freude und Erquickung, ein Wort des Trostes und der Aufmunterung denen zusprechen zu können, die von Gott an die Spitze des Kampfes gestellt waren. Ihre Heldenseele war durch ihre irdische Stellung gebunden; wo sie mit der Tat nicht wirken konnte, wollte sie es wenigstens am Worte nicht fehlen lassen. Auch hierfür haben wir ein schönes Zeugnis in dem Schreiben, das sie in der Zeit ihrer eigenen Verfolgung, da sie vermutlich in Nürnberg weilte, an den Churfürsten Friedrich von Sachsen am Zinstage (Dienstage, Tage des Zio) nach Andreä, den 3. Dezember, schrieb. Am 11. Dezember 1523 begann der neue Reichstag in Nürnberg, auf welchem Friedrich eine hervorragende Stellung einnahm, welcher mit der bekannten Forderung eines Universal-Conciliums am 18. April 1524 schloss. Sie schrieb dem edlen Fürsten Folgendes:
„Gnade und Friede in Gott wünsche ich herzlich ewig beizuwohnen E. Ch. Gnaden!
Gnädigster Fürst und Herr!
Ich habe nicht unterlassen können, E. Ch. G. zu schreiben, denn ich bin sehr erfreut dieser Zukunft auf diesen berufenen Reichstag. Ich hoffe, der allmächtige Gott werde Regierer sein, und Gnade, Weisheit und Stärke allen denen, so da handeln, geben, damit das Wort Gottes den Armen wieder gepredigt und nicht so elend mit Gewalt durch etliche heidnische Fürsten verboten und den Armen entzogen werde. Jene kreuzigen und verfolgen jetzt Jesum aufs Neue. Durch Gott halte E. Ch. G. hart über demselben gewissen Worte Gottes, denn es muss sein, wir müssen ja Gott öffentlich bekennen Matth. 10,32. Ich wünsche und bitte von Gott solches Gemüt, als bisher bei E. Ch. G. gespürt, Gott zu Ehren, auf dass E. Ch. G. ihnen fröhlich mit christlichem, freudigem Gemüt unter Augen treten“. Sie zitiert ihm nun Jes. 51,12. Jes. 29,4. Ps. 12,6. „Wir sehen das Heil, Gott sei Lob! und haben alle Gewalt auf unserer Seite. Lasse sie E. Ch. G. toben und wüten; es ist doch ohne alle Kraft. Der Fels wird sie zerknirschen und zu Boden stürzen, denn er ist ihnen ein Fall, aber den Gläubigen eine Auferstehung und hochgeachtetes edles Kleinod 1 Petr. 2,6. Sie werden gar zu Schanden, als man sieht, wie sie so gar töricht und irrig sind, dass sie schier nichts können reden oder schreiben. E. Ch. G. wolle das nicht achten, dass sie griesgramen über Christum; alle Gewalt ist ihnen genommen, Ps. 140,4. Jes. 8,9 rc. Gedenke doch E. Ch. G., welche Gewalt Gott ihnen früher ließ, solange sie noch ihren vollkommenen Besitz hatten und sich Gott gleich achteten. Wie viel weniger jetzt, wo sie Gott den Frauen unter die Füße wirft, dass sie ihre Gewalt verachten. Darum trete ihnen E. Ch. G. mit Gottes Wort in seiner Kraft trotzig unter die Augen, denn E. Ch. G. sehen den Topf brennen Jerem. 1,13; den können sie nicht verlöschen.
Ich redete nächten (gestern abends) mit Herzog Hans, auch Anderen des Regiments, gern hätte ich viel mehr geredet, wäre Volk gewesen zum Zuhören. Ich würde sie, ob Gott will, nicht fürchten, ihnen, wann und wie oft sie wollten, unter die Augen zu treten. Ich bitte E. Ch. G., durch Gott das Gemüt fröhlich zu erheben mit Dankbarkeit, dass nach seiner Ordnung aus E. Ch. G. Land und Schutz unser Heil verkündet und Christus wieder gelehrt und erkannt würde. Der allmächtige Gott behalte E. Ch. G. in seiner Benedeiung, hier und dort.“
Am gleichen Tage schrieb sie auch an den Pfalzgrafen Johannes, von dem sie abends vorher nebst andern Fürsten zur Tafel geladen war, worauf sie im obigen Briefe Bezug nimmt und wobei sie bemerkte, dass derselbe das Wort Gottes lieb gewinne. Es war dies Johann der Jüngere, Graf zu Simmern und Sponheim, Vater des spätern Churfürsten Friedrich III. Sie schreibt ihm:
„Der allmächtige, barmherzige Gott wolle solches vorgenommene Werk fruchtbarlich vollstrecken und vollkommener erleuchten, welches Licht allein Gott durch sein Wort muss entzünden und es kann ja nicht bei menschlicher Vernunft gesucht, noch gefunden werden. Ps. 36,10. 119,130. Da hören wir, wie Gott nicht leiden will, Weisheit zu ihm zu bringen, sondern Weisheit von ihm zu begehren.
Wir müssen nichts werden, auch bei uns nicht angesehen. sein, sondern nur lauter Gott suchen, und ihm gar nichts, was unser, vorbringen oder Achtung darauf haben, so lässt er sich finden und anders werden wir ihn nicht finden. Joh. 1,9 rc. Ich bitte E. F. G. durch Gott, den Spruch Matth. 10,32 wohl in das Herz zu drücken. Brauchet den oft auf diesem Reichstage frei und unerschrocken, denn Gott ist mit uns. Ps. 12,6. Nun haben wir, Gott sei ewig Lob! das aufgerichtete Heil. Das Wort Gottes ist am Tage, darum werden wir keine Gewalt fürchten, sondern fröhlich vor alle gewaltigen Angesichter ohne Zittern treten, wann und wie oft man will, E. F. G. helfen und raten, dass das Reich Gottes den Armen nicht versperrt werde, und ihr samt uns nicht verderbet. Ich hab's nicht lassen können, E. F. G. zuvor mit dieser Ermahnung zu gesegnen. Ich befehle mich und uns alle in die gütige Freundlichkeit Christi.“
Wahrscheinlich war sie damals auf dem Wege aus Bayern, von wo sie jedenfalls um diese Zeit floh, gegen Ende November nach Nürnberg gekommen und hatte dort wegen ihrer Angelegenheit mit den Fürsten, welche der Reformation hold waren, gesprochen. Von dort aus begab sie sich dann auf ihr Gut Grumbach.
Doch noch nicht ganz war ihre Ingolstädter Angelegenheit beendet, noch einmal, nachdem bereits ein Jahr darüber vergangen war, sollte die ritterliche Frau wegen derselben in den Kampf ziehen müssen. Ein Student, Johannes von Landshut, der seinen Familien-Namen verbarg, hatte die edle Frau in einem Spottgedichte gelästert. Er hob an:
Frau Argel, arg ist euer Nam',
Viel ärger, dass ihr ohne Scham,
Und alle weiblich Zucht vergessen
So frevel seid und so vermessen,
Dass ihr euren Fürsten und Herren
Erst wollt einen neuen Glauben lehren rc.
Er beschuldigt sie falscher Bibelzitate, was durchaus unwahr ist. Nur einmal hat sie 1 Kor. 2 statt Röm. 1,16 falsch angeführt, was bei so vielen Sprüchen nicht zu verwundern ist. Er klagt sie der Anmaßung an, die Reformatoren des Widerspruchs und falscher Lehre, sie selbst nur der Freude an Frechheit und Unzucht, die Luthers Lehre den Weibern freistelle. Sie werde wahrscheinlich deshalb Arsacius verteidigen, weil er ein Jüngling von krausem Haare sei.
Willst du aber mit Ehren bestehen,
So stell ab dein Mut und Gutdunkel
Und spul dafür an deiner Kunkel
Oder strick Hauben und wirk Borten.
Ein Weib soll nicht mit Gottes Worten
Stolzieren und die Männer lehren,
Sondern mit Magdalena zuhören rc.
Diesen vorwitzigen jungen Menschen züchtigte sie nun in einem langen, seinem Inhalte nach trefflichen und auch in der Form gewandten Gedichte. Wir haben oben bereits Vieles daraus mitgeteilt. Da er ihre Ehre angegriffen hatte, so ist der heilige Zorn wohl erklärlich, mit dem die sittlich reine Frau zu dem unverständigen jungen Menschen redet.
Sie hebt zunächst als ein Zeichen seiner finstern Sache nach Joh. 3 den Umstand hervor, dass er seinen Namen verschwieg,
Seid ihr ein redlich, christlich Mann,
Zu Ingolstadt tret auf den Plan,
Auf einen Tag, der euch gefällt,
Hab ich geirrt, dasselb erzählt.
So ihr mir Gottes Wort herbringt,
Folg ich wie ein gehorsam Kind.
Er aber ließ diese Aufforderung zu öffentlicher Disputation gerne unbeachtet, sie hatte nach Matth. 10,20 Freudigkeit genug dazu. Hierauf redet sie von den Gaben des Geistes, der sie Niemandem verschließt, und zeuget herrlich von der seligen Lehre, in der der Geist Gottes selbst die Menschen unterweiset.
Deshalb liegt an euern Dekret
Nicht so viel, wie drin geschrieben steht,
Vermaledeien und verbannen,
Tut nichts, denn Seel und Leib verdammen
Und Stricke zu legen, wie ihr uns faht.
Hierauf bekämpft sie ihre Menschensatzungen, ihren Geiz und ihre Irrlehre und schließt daran ein ernstes Mahnwort, und die Hervorhebung ihres Rechtes, zu lehren:
Dieweil ihr Gottes Wort verdruckt,
Schändet Gott, die Seel zum Teufel zuckt,
Will ich es gar nicht unterlassen,
Zu reden im Haus und auf der Straßen.
Sie weist hin auf die Heldentat der Judith, die sie in köstlicher, lieblicher Weise schildert, und auf den Sieg durch Jael und Deborah:
Darum so zürnet nicht so hart,
Ob Gott noch jetzt würd' Weiber schaffen,
Die eure Hoffart müssten strafen.
Ihr seid der Maß von Gott geschlagen,
Dass euch nur müssten Weiber plagen.
Hierauf verspottet sie ihr langes Besinnen, indem sie ein ganzes Jahr hindurch keine Widerlegung ihres Schreibens fanden.
Da ist Einer kommen, wie er wähnt,
Er sei mit Loröl (Lorbeer) wohl gekrönt,
Hat's zogen auf Poeterei,
Vermeint, auf Erden Kein'r weiser sei
Zum Lug aufrichten, Leut schimpfieren,
Sein göttlich Kunst wird Jeder spüren.
Dann sagt sie, ihn mit Spott abzufertigen, gebe ihr Sprüchw. 26 das Recht; weil er in Versen schrieb, habe sie, die auf keiner hohen Schule war, sich hingesetzt und nun dieses ihr erstes Gedicht gemacht. Darauf verteidigt sie die Reformatoren und zeichnet ihre Gegner, sagt, dass wenn sie nur ihre Person angegriffen hätten, sie geschwiegen haben würde, aber
So ihr wollt Gottes Wort verletzen,
Will ich mich stark dawider setzen.
Dann geht sie auf seine einzelnen Anklagen ein und sagt, ihr Ärger über ihr Schreiben an den Herzog rühre wohl daher, dass sie fürchten müssen, er möchte ihre Schändlichkeit aufdecken. Sie hoffe von ihren Fürsten das Beste.
In Freuden ich vernommen han,
(Dass sie) Jetzt fahen's auch zu lesen an.
Gott woll ihn'n darin Beistand tun,
Dass sie das Wort Gottes nehmen an,
Und schicken seinen heiligen Geist,
Der sie die rechte Wahrheit weist.
Es ist dies eine Nachricht, welche sonst geschichtlich nicht bekannt ist, da die Herzöge von Bayern gerade in diesem Jahre 1524 sich zu strengeren Maßregeln gegen die Reformation durch den päpstlichen Legaten hinreißen ließen. Schließlich weist sie ihren Gegner noch hin auf den Ernst des göttlichen Gerichtes und schließt dann so:
Auf dies Mal nimm genug davon,
Bis er hervortritt auf den Plon,
Von Balaams Eselin nehmt zu gut,
Mein lieber Joannem von Lanzhut.
Will's Gott, nach dem ein anders.
Argula v. Grumbach.
Wir haben die Zeit ihrer ersten Liebe zum Herrn betrachtet. Es waren die Jahre 1523 und 1524. Es war eine köstliche Frühlingszeit ihres geistlichen Lebens. Wie in der Natur in der holden Lenzeszeit Alles sprosst und treibt, alle Fesseln springen und alle Decken abgeworfen werden, wie gleichsam eine innere Unruhe Alles ergreift, die zur Kraftentfaltung, zu immer gesteigerter Lebensäußerung forttreibt, die sich selbst nicht genug tun kann; wie dann in alle dem, was nun frisch hervorkeimt und fröhlich aufsprießt, gleichsam eine selige Lust und ein helles Aufjauchzen der Natur sich kund gibt, welches unwillkürlich des Menschen Herz mit fortreißt, dass er auch mitjubeln und mitjauchzen muss so war es in dieser ersten Liebes- und Lebenszeit der für Christus und sein heiliges Wort gewonnenen Seele. Sie war fast unerschöpflich im Schreiben und Reden und Wirken für die Sache des Herrn. Es ist natürlich, dass wir dabei länger verweilen mussten.
Auf die Frühlingszeit folgt die Sommerzeit. Es tritt in der Natur ein langsamerer, gleichsam bedächtigerer Gang ein. Das rasch Emporgeschosste muss erstarken; die drückende Hitze der Sonne brennt, die Gewächse müssen auch heftige Stürme ertragen lernen. Alles muss reifen und zur Ernte tauglich werden. Da ist freilich nach außen hin dieses rege, mannigfaltige, das Auge bezaubernde Leben nicht mehr. Alles wird einförmiger. Die Entfaltung und Mehrung des Lebens geht nicht nach außen, sondern nach innen, und darum ist sie stiller, ruhiger, fast nicht bemerkbar. Aber dennoch ist dies die notwendige Ergänzung jener ersten Kraftentfaltung; ohne sie wäre jene verloren.
So ging es auch im Leben der ritterlichen Frau. So bewegt ihr Leben in den Jahren 1523 und 1524 war, so gleichförmig wurde es später. So reich und unerschöpflich sie sich in Schrift und Rede in dieser Zeit gezeigt hatte, so ruhig und still wurde sie jetzt. Aber wenn sich so von ihrem äußeren Leben für uns fast jede Spur verliert, so dass wir klagen möchten, dass sie in dieser späteren Zeit gar nichts mehr von sich kund tat, so wendete sich dasselbe eben nun nach innen, und zeitigte hier, was noch unreif und untauglich war für den Tag der Ernte. Der treue Vater im Himmel aber sandte seine heiß glühende Sonne dazu, die Hitze der Trübsal, welche alles, was nicht Kraft und Lebensfülle genug hatte, verzehrte und das, was wirklich aus Gott war, zu immer herrlicherer Vollendung brachte. Stellen wir nun die wenigen Züge, die wir von ihr noch besitzen, zu einem anschaulichen Bilde zusammen.
Mit schwerem Herzen musste sie auf das Land ihrer Väter, die Stätte ihres bisherigen Wirkens hinblicken. Der Same, den sie in der Umgegend von Dietfurt gestreut hatte, konnte nicht aufgehen; die Lebensregungen hin und her im Lande wurden immer strenger niedergedrückt. Luther schreibt sonntags nach Sim. und Judä des Jahres 1524 vermutlich auf ihren Bericht hin: „In Bayern ist das Kreuz und die Verfolgung des Wortes gar stattlich ganghaft, wiewohl das Wort nicht öffentlich ist ausgestreut worden. So gar wüten jene Schweine; aber das vergossene Blut wird sie schon ersticken.“ Es war das für sie ein tiefer Schmerz; denn sie kannte ja viele Freunde des Wortes Gottes in ihrem Heimatlande persönlich; sie hatte in ihrer eigenen Familie Solche, die den Herrn Jesum lieb hatten von ganzem Herzen.
In dieser Zeit war es für ihre bekümmerte Seele ein reicher Trost, dass ihr der teure Mann Gottes, Luther, trotz der ungeheuren Last seiner Arbeit doch vergönnte, in Briefen ihm ihre Sorgen und ihr Leid klagen, doch auch ihr Vertrauen zum Herrn aussprechen zu dürfen, und dass er ihr auch sie beantwortete. Leider hat bis jetzt keiner ihrer Briefe mehr aufgefunden werden können, aber in Luthers Briefen ist ihrer oft gedacht und ihrer Anliegen. Besonders nahe war sie auch mit Spalatin verbunden, der meist Luthers Briefe an sie vermittelte. In einem, am Tage nach Antoni 1524 an Spalatin geschriebenen, Briefe sagt Luther: „Lieber, wo Ihr könnt an sie gelangen, grüßt sie doch von meinetwegen und tröstet sie in Christi Namen.“ In einem andern Briefe an diesen bezeichnet er sie kurzweg „unsere Argula“; was beweist, wie hoch sie Luther schätzte und wie sehr sie sein Vertrauen genoss. Noch deutlicher geht dieses aus einem dritten Briefe Luthers an Spalatin vom Andreastage (20. Novbr.) 1524 hervor, worin er erwähnt: „Dass die Argula von einer mir bevorstehenden Verheiratung schreibt, dafür bedanke ich mich. Es nimmt mich nicht wunder, dass solcherlei Dings von mir geplaudert wird, da noch viel Anderes mehr geschwätzt wird. Wollt ihr aber doch meinetwegen Dank sagen, und melden, dass ich zwar sei in des Herrn Hand als seine Kreatur, deren Herz er wandeln, töten und lebendig machen könne alle Augenblicke und Stunden. Gleichwohl würde es bei der Gelegenheit meines Herzens, darin es bisher gestanden und noch steht, nicht geschehen, dass ich ein Weib nähme. - Denn ich bin täglich des Todes und der Strafe gewärtig, die Ketzer verdienen. Wiewohl ich auch nicht will Gott Maß und Ziel setzen in meinem Werke mit mir und mich nicht auf mein Herz verlassen. Ich bin aber der Hoffnung, er werde mich nicht lange mehr leben lassen.“ Luther dankte ihr also für ihren Rat. Er erkannte darin liebende Fürsorge, der Frauen echten Sinn und Art. Es ist zugleich ein Zeichen, was in ihren Augen das Familienleben galt. Wie musste es sie freuen, dass ein halbes Jahr darauf Luther ihrem Rat folgte. Dienstag nach Johanni 1524 traute ihn Bugenhagen in Wittenberg.
Im folgenden Jahre brach der Bauernkrieg aus, der so verheerend durch das Würzburger Gebiet tobte und auch ihrem Besitztum Schaden brachte. Wie konnte sie anders, als mit Wehmut und Tränen diese Bewegungen ansehen? Auf der einen Seite erkannte sie die wahren Elemente, welche demselben zum Teil zu Grunde lagen, andrerseits musste es sie tief bekümmern, dass das Wort Gottes also missbraucht und für des Fleisches Freiheit verwendet wurde. Zudem kostete sie dieser mörderische Krieg das Leben eines teuren Bruders, Marcell, welcher in der Gegend von Salzburg im Kampfe fiel.
Die folgenden Jahre brachten ihr zunächst nur Leid und Trübsal. Der wieder gewonnene Einfluss des Bischofes von Würzburg machte sich in jeder Weise in Verfolgung des Evangeliums geltend; zugleich scheinen damals auch mancherlei Eingriffe in die Besitzverhältnisse ihres Mannes vorgekommen zu sein, und dazu sich noch andere Leiden eingefunden zu haben. Jedenfalls war das Maß ihrer Trübsal groß, wenn Luther im Jahre 1528 an Spalatin von ihr schreiben kann: „Ich schicke die Briefe unserer Argula, dass Ihr sie lest statt der meinigen, und seht, was das gute Weib ausstehen und leiden muss.“ So duldete und stritt sie im Glauben zur Bewährung des gelegten Grundes, und wankte nicht, denn sie war erleuchtet vom Lichte des ewigen Wortes und hatte geschmeckt die Kräfte der zukünftigen Welt.
Das Jahr 1530 brachte ihr den Tod ihres Mannes, es war für sie in jener unruhigen, bedrängten Zeit, da diejenigen, welche im Glauben standen, in täglicher Gefahr waren, ihre Güter und auch das Leben zu verlieren, ein harter Schlag. Denn ihre Kinder waren noch unmündig und die ganze Last der Verwaltung und Erziehung lag nun auf ihr. Doch inmitten aller eigenen Sorgen verlor sie nie den Gang der öffentlichen Angelegenheiten aus den Augen. Damals aber nahte der für die Evangelischen so wichtige Reichstag zu Augsburg. Wie mochte sie die Sache der reinen Lehre auf betendem Herzen tragen! Von besonderem Troste aber war es ihr, als Luther nun in ihre Nähe kam und damals einige Zeit in Coburg verweilte, um dem Reichstage näher zu sein. Da drängte es sie, ihn persönlich aufzusuchen. Es war wohl das erste Mal, dass sie ihn von Angesicht sah. Welche Freude mochte es ihr sein, in ihren damaligen Sorgen den Trost des Mannes in Christo zu hören. Gestärkt durch das Wort aus seinem Munde zog sie wieder der Heimat zu.
Doch wie sie selbst in ihrer geistlichen Not gerne Trost bei Andern suchte und den Segen der brüderlichen Teilnahme empfand, so wollte auch sie in den Stunden der Anfechtung nicht den streitenden Brüdern mit Rat und Ermunterung und Stärkung aus Gottes Wort fehlen. So konnte es sie demnach nicht unterlassen, ihrem treuen, bewährten Freunde Spalatin auf den Reichstag selbst ein Trostschreiben zuzusenden. Derselbe hat uns diese für ihn so erfreuliche Tatsache erzählt. Er schreibt: donnerstags nach Margarethä habe ich auch neben andern Schriften einen sehr christlichen Brief von der v. Staufen gehabt, die schreibt unter anderm also: „Fürchtet euch nicht, die Sache ist Gottes, der sie in uns ohne uns angefangen hat, der weiß und wird uns wohl beschützen; er schläft nicht, der da behütet Israel, die Sache ist sein; er wird den Streit wohl stillen und hinausführen“. Die übrigen Worte hat er leider nicht zitiert, sie sind verloren gegangen.
Der Augsburger Reichstag hatte auf Herzog Wilhelm einen guten Eindruck gemacht, einen noch entscheidenderen freilich auf Otto Heinrich von Neuburg. Zudem brachten die politischen Verhältnisse den Herzog den Protestanten näher, indes gewährte er doch keine größere Duldung für den evangelischen Glauben. Es muss uns deshalb fast auffallen, dass Argula ihre Güter in Bayern behalten konnte, wie denn vom Jahre 1535 ein Spruch über dieselben vorliegt. Der ältere Sohn Gottfried übernahm die Hofmark Lenting und behielt sie auch bis zum Jahre 1560 in seinem Besitze, wo er sie, wahrscheinlich durch Geldnot veranlasst, an seinen Verwandten, den Grafen Schlick, verpfändete. Der jüngere Sohn Hans Georg trat in bayerische Dienste, wurde aber später aus denselben entlassen. Ob dies mit seinem religiösen Bekenntnisse irgendwie zusammenhing, oder nicht: darüber liegen keine Berichte vor. Wir müssen dies dahingestellt sein lassen, sowie wir überhaupt über das Verhältnis der Söhne zur Mutter nichts wissen.
Von den späteren Jahren der Frau Argula liegt gar keine Nachricht mehr vor, als dass sie nach einer langen Witwenschaft zu Zeiligheim auf ihrem Schlosse im Jahre 1554, also 64 Jahre alt, gestorben sei. Es liegt dieser Marktflecken, dessen Bevölkerung heutzutage aus Katholiken und Protestanten gemischt ist, an der Volkach südlich von Schweinfurt. Dort verlebte sie ihre letzten Tage, während ihre Söhne die Güter in Bayern verwalteten.
Vieles sah sie in den Stürmen der Zeit an sich vorübergehen, die ernsten, mit Erfolg gekrönten Bemühungen der Protestanten, ihren Glauben bekennen zu dürfen, die großen Taten ihres treuen Freundes Luther, auch sein Abscheiden aus dieser Welt, die schweren Stürme, die im Schmalkaldischen Kriege nach dem Tode des teuren Mannes Gottes über die Evangelischen hereinbrachen, die Erhebung des Kurfürsten Moritz, um seine Glaubensgenossen zu rächen, den siegreichen Erfolg desselben, indem er im Jahre 1553 den Passauer Vertrag errang, in welchem der Kaiser angeloben musste, keinen des Augsburgischen Glaubensbekenntnisses verwandten Stand des Glaubens halber zu vergewaltigen.
Noch erlebte sie auch, dass im Lande ihrer Väter nach langem Druck sich freiere Stimmen wieder erhoben. Zwar waren nun durch des alten Kanzlers Leonhard v. Eck Bemühen die Jesuiten in Ingolstadt eingezogen und hatten diese Universität zu einem Bollwerke gegen Wittenberg gemacht. Doch als derselbe, ein 72jähriger Greis, am 17. März 1550 starb, nachdem sein Herzog, Wilhelm, um 12 Tage ihm in jene Welt vorausgegangen war, und der mildere Albrecht das Ruder des Staates ergriff, wagten sich die bisher mehr im Stillen fortgeglommenen Meinungen wieder hervor. Im Gerichte Mermosen predigte ein früherer Mönch Seidennatter im Jahre 1553 den reinen Glauben. Die Landleute ließen sich das heilige Abendmahl in beiden Gestalten austeilen, ja sie hatten solchen Hass gegen die Bilder, vor denen sie bisher die Knie hatten beugen müssen, dass sie dieselben nun zerschlugen. Durch ganz Bayern hindurch begann es sich wieder zu regen, wie einst zu der Zeit, da Argula noch in frischer Jugendkraft dieses Feuer mitanzufachen sich bemühte. Ja selbst auf den Landtagen zu München und Landshut verlangten die Stände, sie wollten nicht von Heiligen und ihren Werken, sondern von Christus und dem lautern Gottesworte hören; sie verlangten das heilige Abendmahl in beiden Gestalten. Und so weit kam es in Bayern, dass der Herzog in einem öffentlichen Ausschreiben erklärte, er werde Niemanden, der um seines Gewissens willen den Kelch empfange oder dem Fastengebote sich entziehe, bestrafen. Es war eine liebliche Abendröte für das sturmbewegte Leben der nun 62jährigen Frau, wohltuend nach den heißen Kämpfen ihres Lebens für die Freiheit des Glaubens im geliebten Vaterlande.
Wie hier noch Freude, so lag auf der andern Seite Schmerz. Ihr Vetter, Wilhelm v. Grumbach, war als einer der wütendsten Parteigänger auf die Seite des wilden Markgrafen Albrecht getreten, welcher verheerend das Frankenland durchzog. Die natürliche Folge war, dass nun der Würzburger Bischof seine uralten Stammgüter als verwirkte Lehen einzog. Doch erlebte sie nicht mehr sein schauriges Ende.
Im Frieden Gottes schied sie von hinnen, um den Siegespreis und die Ehrenkrone des Glaubens dort zu finden, die sie hier nur in der Hoffnung unter Geduld und Tränen schaute. Sie gehört zu den edlen Seelen, welche hienieden unter Tränen, aber mit starkem Mute und getrostem Ausblicke zum Herrn Samen der Ewigkeit gesät haben. Ihnen gilt die Verheißung, dass sie dort mit Freuden ernten werden. Das Geschlecht der Staufen und der Grumbacher ist längst erloschen und ihre Burgen liegen in Ruinen, aber das Gedächtnis dieser edlen Sprossin eines edlen Geschlechtes soll nicht untergehen, sondern Vielen zur Stärkung und zum Troste bewahret werden auf die kommenden Geschlechter. Das ist auch der Zweck dieses Buches.