Text: Mark. 16, 14-20
So ist er denn wieder nach Hause gegangen, zurückgekehrt in seine Himmel, die er nur aus Liebe, aus überschwänglicher Liebe verlassen hat, um auch uns ihrer teilhaftig zu machen. Aber wahrlich nicht fruchtlos ging er über die ihm fremde Erde, durch die ihn befremdende Welt: denn siehe vom Himmel herabkommend, den Himmel auf Erden offenbarend und in ihn wieder zurückkehrend, hat er unser Geschlecht, unser Leben, unser Herz umgestaltet, geheiligt, mit himmlischem Sinne durchweht und durchglüht. Ja, ein verstoßenes, gesunkenes, heimatloses, enterbtes Geschlecht ist, ohne ihn, die Menschheit. Wenn der Himmel uns verschlossen ist, wenn dunkle Wolken über dem Heiligtume jenes höheren Gottesreiches, über jenem ewigen Weltraum schweben, und ihren Anblick uns entziehen, wenn kein freundliches Liebesband die himmlischen Geister mit uns verschlinget, und wir allein einsam da stehen auf der armen Erde, uns selbst überlassen, überlassen unserer Armut, unserm Elende, unserer Sünde, wen sollte da, in jenen Augenblicken, wo das Getümmel der Welt schweigt und der Geist sich emporhebt zu ernster Betrachtung, wen sollte nicht Bangigkeit ergreifen, und Schwermut, und nagende zerrüttende Verzweiflung. Aber nein, damit wir es wüssten, dass auch uns ein Himmel offen stehe, und dass in demselben uns ein Vaterherz entgegenschlage, damit jener Vorhang zerreiße, der das Reich der Wahrheit, der Heiligkeit und Seligkeit und verhüllte, damit wir es gewahr werden wie ein Band der Liebe herab sich senket, herab sich neiget aus dem Himmel auf die Erde, um die Menschheit zu umschlingen, und auch sie, auch sie hinauf zu ziehen, deswegen bist du selbst, du Himmelskönig, herabgekommen und wieder aufgestiegen in die Himmel, die Bahn uns weisend, die zu unserer Heimat führt. Ohne Christus ist das Menschenleben ein verworrenes Rätsel, ein grausames Spiel, ein frostiger Spott. Wenn das Menschenleben an nichts Himmlisches sich anschließt, wenn nicht Ewiges diesem verwirrenden, betrübenden, immer abwechselnden Gefühle von sinnlichen Erscheinungen zum Grunde liegt; wenn es nicht ein wahrhaftes, ein heiliges, ein wirklich seliges Leben gibt, zu welchem dies äußere, irdische Leben mit seinen unbefriedigenden Freuden und seinen nagenden Leiden, mit seiner unvollkommenen Tugend und seiner mangelhaften Tätigkeit, die Vorschule, die Bildungs- und Prüfungs-Anstalt ist, wer sollte dann nicht niedergedrückt werden von der Mühe des Lebens, von der Leere, der Zwecklosigkeit des menschlichen Treibens und Jagens und Arbeitens. Aber so aus dem Himmel herabkommend, und das Menschenleben teilend, hat Christus den himmlischen Sinn dieses Menschenlebens uns offenbart. Zum Himmel hinaufsteigend und uns nachwinkend, hat er das Ziel und den Zweck desselben uns vor Augen gelegt, und es als eine Himmelsbahn uns dargestellt; und so wie unser Geschlecht, so wie unser Leben, so hat auch unser Herz der zum Himmel hinan sich erhebende Christus umgestaltet und geheiligt. Wenn dem Menschenherzen kein Himmel geöffnet ist, wohin es streben kann, kein Himmel, in welchem seine Liebe wohnt; wie ist es so arm mitten unter den Gütern der Erde, so elend mitten unter den Herrlichkeiten der Welt, so unbefriedigt mitten unter dem Getümmel der Sinne. Wenn in dem Herzen nur das Irdische wohnt, eine irdische Tugend, eine irdische Liebe, ein irdischer Ruhm, wie ist es da so entfernt von der wahren, von der göttlichen Güte, auch mitten unter dem Beifalljauchzen der Menge. Aber siehe, der vom Himmel herab und zum Himmel hinauf Steigende hat auch unsern Herzen diesen Himmel geöffnet, und in ihm nur die wahren Güter, das wahre Leben gezeigt, hat die schwere Last der Sünden von uns weggenommen, und in dem von der Schuld befreiten sprossen jetzt herrlich empor die schönsten Himmelsblumen; in dem mit dem Herrn versöhnten Herzen breitet sich aus ein neuer ewiger Frühling, geschmückt mit den Blüten der besseren Welt, der eigentlichen Heimat in die uns Christus versetzt hat. Und gerade diese Blüten einer besseren Welt, gerade dieser Himmelssinn der jetzt im Herzen wohnt, aus unsern Worten spricht, in unsern Taten lebt, aus unserm ganzen Leben weht, gerade dieser Himmelssinn ist auch das Kennzeichen der echten Jünger des in den Himmel erhobenen Heilandes, ist unser Schmuck, unsere Würde, unsere Seligkeit, und äußert sich in unserm Streben, unserm Treiben, unserm Wirken.
1) Der Himmelssinn, welchen der Heiland in seinen Jüngern anfacht, äußert sich zuerst in ihrem Streben, das jetzt nicht mehr nach den Gütern der Erde, sondern nach den ewigen Gütern des Himmels gerichtet ist, und eben dadurch wird ihr Streben so erhaben, so einfach, so selig, auch mitten in der Trauer. Der Himmelssinn macht unser Streben so erhaben, so einfach, während das Streben der Kinder der Welt verworren an hunderterlei Dinge geheftet ist; denn seht, wenn der Mensch das echte, das einzige wahre Gut, seinen Gott verloren hat, so will er jetzt den Durst seines Herzens nach Wirken, nach Tätigkeit, nach Liebe an jenen tausend und tausend falschen Gütern stillen, welche die Welt ihm darbietet; aber er trinkt und trinkt, und dennoch wird er nicht gestillt, nicht befriedigt, darum wendet er sich jetzt zu diesem, jetzt zu jenem hin; aber wenn er auch alle Schätze der Welt, alle Güter der Erde, alle Vergnügen der Sinne aufnahm in sein Herz, um die Leere, die Öde, die weiten Räume desselben zu füllen: es ist vergebens, jene innere Leere will nicht verschwinden, jene Öde hört nicht auf ihn zu quälen und in den weiten Räumen seiner Brust hallt stets die beunruhigende, rastlos ihn aufsagende Stimme wieder: Mensch! da wo du bist, ist nicht das Glück, die Ruhe, die Seligkeit. Wie ganz anders der, in welchem der Himmelssinn Christi angefacht ist, der, welcher durch seinen Heiland das einzige wahre Gut gefunden hat, seinen Gott. Einfach, erhaben ist sein Streben, er will ja nur Eines; seinen Gott in allem erkennen, preisen, tätig verehren. Versetzt ihn in die mannigfachsten Verbindungen, lasst ihn die verschiedenartigsten äußeren Geschäfte treiben, seht ihn jetzt in seinem Berufe, jetzt wieder in dem was man Vergnügen, Erholung nennt - er wird immer in allen diesen verschiedenen äußeren Gestalten des Lebens, nach dem Einen streben, in Gott zu sein und zu leben; denn wer den Himmel, wer seinen Gott im Herzen trägt, der hat an diesem genug und alles Äußere, sei's Beruf, sei's Vergnügen, ist ihm insofern wert, ist ihm insofern Gegenstand seines einfachen Strebens, als er das Göttliche in ihm aufsucht, empfängt, wirkt und ausübt. Darum wird auch der, in welchem der Himmelssinn lebt, in so vielen verwickelten Fragen, wo der Weltgesinnte zweifelt, und nicht weiß, was er zu tun habe, weil hier dieser, dort jener Vorteil ihm winkt, schnell und sicher das Rätsel lösen, was zu tun sei; denn das, was Gott will, wird uns bald klar, wenn wir nur ernstlich es suchen. Hingegen was unser nach den Gütern der Erde lüsternes Herz will, das wissen wir oft selbst nicht, weil das Getümmel der Welt dieses Herz betäubt, ihm die Besinnung raubt, und bald da, bald dorthin es zieht. Aber den Himmel im Herzen, arbeiten wir uns hindurch durch das betäubende Getöse der Welt, immer dahin den Blick gerichtet, immer dahin den Schritt gelenkt, wo unser Gott, der Gegenstand unsers einzigen Strebens ist, und eben darum ist auch das Streben in welchem der Himmelssinn lebt, so ruhig. Unruhig muss wohl das Streben der Kinder der Welt sein, da alles das, worauf es gerichtet ist, so unsicher, so ungewiss ist, da sie bald an der Erlangung der gewünschten Güter zweifeln, bald wann sie glauben sie erlangt zu haben, befürchten müssen sie zu jeder Stunde sich wieder entrissen zu sehen. Wer sich der Täuschung ergeben hat, wie will der Wahrheit ernten; wer nach vergänglichen, in sich gleich zerrinnenden Luftgestalten hascht, wie will er sagen, dass er sie gewiss erlangen, dass er sicher sie besitzen werde. Außer Gott, meine Brüder, ist keine Wahrheit, keine Sicherheit, kein Besitz, mithin auch keine Ruhe für unser Streben; hat aber Christus einmal den Himmelssinn in uns angefacht, hat er unsern Willen wieder in die rechte ursprüngliche Richtung versetzt, streben wir wieder so wie die gesamte Gemeinschaft der Heiligen im Himmel, nach dem rechten Gute, nach Gott hin, so wird. bald jenes abmattende, uns so elend machende, verwirrende Treiben und Jagen sich legen; der Sturm unsers Strebens ist beschworen, Himmelsruhe lagert sich über der stillen Gott abspiegelnden Fläche unsers Gemüts, denn siehe, was wir jetzt erstreben, das ist uns gewiss, sobald wir nur ernstlich es wollen; dann ist Christus uns dafür Bürge, das kann uns nicht mehr entrissen werden, denn unsern Gott kann niemand uns entreißen als wir selbst, wenn wir aufs Neue von ihm uns trennen wollten. Ja, es ist ein eigenes Gefühl der Freiheit und der Ruhe das unser ganzes Wesen durchdringt, wenn wir wirklich von dem Erdenleben uns losgesagt, wenn der Himmelssinn in uns eingezogen, und das Streben auf Gott allein in stiller Ruhe sich gerichtet hat. Was vorher rastlos uns aufjagte, was unmöglich wir glaubten entbehren zu können, vor diesem ziehen wir jetzt vorbei, gelassen und ergeben immer unserm himmlischen Führer nach. Was vorher uns lockte, uns trieb, uns mit steter Unruhe erfüllte, das lassen wir frei und ruhig jetzt zur Seite; denn unser jetziges einziges Streben, auf den Himmel, auf Gott gerichtet, ist ja zugleich selbst mitten in der Trauer der sinnlichen Natur schon selig, und in sich selbst befriedigend.
Es werden gewiss schon manche unter euch, meine Brüder, die eigene, überraschende, ganz unerklärliche Erfahrung gemacht haben, dass so wie der Himmelssinn, durch Christum in uns angefacht, wirklich angefangen hat uns zu durchdringen und unser Streben auf Gott zu richten, so wie wir angefangen Gott zu besitzen, oder vielmehr uns von Gott besitzen zu lassen, wir auch anfangen selig zu sein. Das ewige selige Leben beginnt mit dem Augenblicke, wo Gott in uns einzieht und unser Höchstes wird; denn, auch in tiefer Trauer der irdischen Natur, auch im heißen Kampfe ist etwas in unserm innersten Wesen, in unserm Geiste, das uns hält, stützt, trägt, befriedigt; ist etwas das uns, freundlich tröstend, unnennbar erquickend zuruft: auch du bist selig, doch in der Hoffnung! Das ist deines Gottes Ruhe, mein Bruder, in dem du gewurzelt bist, das ist deines Gottes Geist, dem du dich ergeben, auf welchen du dein Streben gerichtet hast, und der dir jetzt als Tröster erscheint; das ist deines Gottes Stimme, der liebend dir zuruft: Selig bist du, wenn in dieser Prüfung du überwindest; ja selig, wenn gleich in Hoffnung! Ruhig besser, einfach ernster wird unser Streben durch den Himmelssinn, den Christus in uns anfachen will, und ebenso wird dadurch auch unser Lieben rein, sicher, überreich an der herrlichsten Hoffnung.
2) Durch den Himmelssinn wird unser Lieben erst rein, rein wie das Blau des lichterfüllten Himmels, der über uns sich wölbt, rein wie die Liebe, welche Christum bewogen hat, für uns geboren zu werden, zu leiden, den bittersten Todeskampf zu erdulden. Der von Gott sich losreißende, in Selbstsucht sich versenkende, dem Himmel abtrünnig gewordene Mensch hat aus der heiligen, herrlichen Wohnung, die in seines Vaters Haus ihm bereitet war, auch die Liebe mitgebracht in die Welt; aber wie befleckt wird in der Welt unsere Liebe, wie wird durch die Selbstsucht, in die der gefallene Mensch sich versenkt, jenes heilige Gottesfeuer der Liebe verunreinigt und seines Himmelsglanzes beraubt! Ja wohl liebt auch der Gefallene, aber er liebt in den andern sich selbst, seine Sinnlichkeit, seine Eitelkeit; er will auch hier wieder für sich haben, besitzen, genießen. Anders liebte Christus, anders liebt man im Himmel, anders lernet nach und nach derjenige lieben, in welchem Christus den Himmelssinn entzündet; denn seine Liebe sucht die andern, selbst ohne Rücksicht auf sich, oder vielmehr sucht auch in den andern die Gottheit. Aber freilich was es heiße die Andern in Gott lieben wie sich selbst, das lässt sich nicht dartun und beweisen, mit armen Erdenworten, so wenig ihr dem Blindgebornen mit Worten den Farbenschmelz erklären könnet, der über dem Frühling ausgeschüttet ist. Aber eine solche reine Himmelsliebe zu verstehen, in sich aufzunehmen, und zu üben, dies lernen wir immer mehr von Christus; dies lernen wir durch heiliges Gebet; dies lernen wir endlich, wenn wir uns stets gewöhnen, in unsern Verhältnissen zu den andern uns selbst zu verleugnen, und im steten Hinblicke auf Gott, in ihnen Mitgenossen der ewigen Herrlichkeit zu erblicken. Dann wird es uns auch klar werden, wie eine solche immer mehr sich reinigende Himmelsliebe die einzig-wahre Liebe sei. Wer bei seinem Lieben sich selbst sucht, wen gröbere oder feinere Selbstsucht treibt, der wird oft in den Gegenständen seiner Liebe nicht finden, was er gesucht, und unbefriedigt bald sein Herz erkalten lassen, oder wenn er dasselbe auch fand, so droht doch seinem irdischen selbst. süchtigen Lieben die Gefahr, das Loos, das Schicksal, das über allem Irdischen und Selbstsüchtigen schwebt, die Vergänglichkeit, das auf die Dauer Unbefriedigende. Das himmlische Lieben aber, von ganz anderer Natur als das irdische, ist sicher, denn es ist auf das Ewige im Bruder gerichtet; ist gewiss, denn es ist nicht unsere veränderliche Sinnlichkeit, unsere wandelbare Eitelkeit, welche liebt, sondern unser unsterblicher Geist selbst welcher in dem andern den Bruder, den Mitgenossen des großen Vaterhauses erkennt und liebt. Dann schreckt uns nicht ab das Verbannt, das Zurück-gestoßen-werden, denn wir lieben ja in den Andern nicht uns selbst; da lernen wir jenes Dulden, Schonen, Tragen, das aus den Aposteln des Herrn uns so herrlich entgegen leuchtet. Da lernen wir jene Feindesliebe, die das Evangelium uns verkündet, und jenes große, wahrhaft himmlische Vergebungswort verstehen, das am Kreuze unser Heiland über seine Mörder ausgestoßen hat. Und eben so ist diese reine, diese sichere, diese heilige Liebe auch reich an dem herrlichsten Troste. Ruhiger, wenn gleich mitfühlend, wenn gleich alles das unsrige tuend um zu unterstützen, zu helfen, zu lindern, aber dennoch ruhiger und trostvoller können wir auf den schweren Leidensgang unserer Brüder blicken, denn in Gott sie liebend, sehen wir auch zugleich ein, wie dieser Gang, den Gott sie führet, für sie der beste, der segensreichste, sei; ergeben, wenn gleich der sinnliche Schmerz die irdische Natur ergreift, ergeben, hoffend und selig auch in dieser Hoffnung, können wir es tragen, wenn sichtbar sie von uns getrennt werden, wenn in den Himmel, in welchen Christus eingegangen ist, sie ihrem Heilande folgen; denn in Gott, welchen sie nun näher schauen, kennen, genießen, in Gott wissen und finden wir sie in Gott sind sie uns nahe, und so mischet sich lindernd und erquickend unter das harte Gefühl der Trennung die Freude über ihre Einführung in den Himmel, der auch uns in kurzem offen stehen wird. Stille harrend, wenn gleich unermüdet tätig, für das Heil der uns anvertrauten, der uns in heiliger Liebe verbundenen Seelen, stille harrend können wir es erwarten, dass das Gute in ihnen Wurzel fasse, dass auch sie zu echten Christen werden; denn wir vertrauen nicht mehr auf unser Tun und Arbeiten, sondern auf die Gnade Gottes in Christo, welcher auf, uns vielleicht unbekannten, Wegen sie retten wird; wir wollen nicht ungeduldig die Früchte unserer Liebe, unserer Bemühungen sehen, sondern wissend, dass auch jene Seelen in Gottes Hand sind, bescheiden wir uns gerne zu warten bis die Sonne des ewigen Lebens, Jesus Christus, die Nacht, die viel, leicht noch über ihnen schwebt, zerteile, ihr Herz erleuchte und den Frühling des göttlichen Lebens in ihnen hervorrufe. Ja, der Himmelssinn, den Christus in uns anfacht, macht unsere Liebe trostvoll, sicher und rein und so wird er sich auch noch endlich:
3) In unserm Wirken äußeren, indem er dasselbe bestimmt, demütig und segnungsreich macht. Bestimmt, nicht mehr mit seinen Sorgen und Wünschen in die Zukunft ausschweifend, sondern den gegenwärtigen Augenblick recht ergreifend und ausfüllend wird unser Wirken, wenn Himmelssinn uns belebt. Freilich wenn wir uns selbst suchen, wenn wir bald dies bald jenes wollen, was uns Vergnügen, Vorteil gewähren kann, so ist uns meist die Gegenwart nicht genug, und wir hoffen meist in der Zukunft oder in andern Lagen oder Verhältnissen erst recht wirken, recht leben zu können; da hingegen derjenige, der in allen Lagen eine Offenbarung Gottes erkennt, in jeder Stunde einen göttlichen Willen zu üben hat, in dieser Stunde, in dieser Lage auch bestimmt das Große oder Kleine, das Leichte oder Schwere, nach besten Kräften und mit ganzem Gemüte ins Werk zu sehen sucht; denn nicht unsere Lage, nicht die Zeiten trennen uns von Gott, sondern unser Herz, das jetzt etwas anderes will, als Gott ihm auferlegt. Freilich ist dies, was uns zu wirken aufgetragen wird, oft gar wenig scheinbar; es glänzet nicht in den Augen der Welt; es wird dadurch nichts Großes, die Aufmerksamkeit, den Beifall, die Bewunderung der Menschen erregendes bewirkt; aber der Himmelssinn macht uns ja auch demütig. Wenn dies unser Höchstes, unser Himmel ist, Gottes Willen zu tun, so fragen wir nicht mehr danach, ob das, was uns Gott auftrage, auch den Menschen auffalle; ob es gelobt oder getadelt, oder unbemerkt übersehen werde; sondern nur danach, was Gott jetzt von uns wolle, wodurch er seine Gegenwart, sein Wohnen in dem Herzen zu offenbaren bereit sei. Nicht mehr neidisch sehen wir auf andere hin, welche Größeres tun als wir, sondern in dem kleineren Wirkungskreise freuen wir uns harmlos darüber, dass Gott in andern so herrliche Taten übe; nicht mehr trostlos härmen wir uns ab, unter dem scheinbar geringen Erfolg unsers Wirkens, denn wir wissen es ja, dass das Wirken im Himmelssinn verübt, das Wirken, das nicht aus unserm betörten, von der Selbstsucht befleckten Herzen hervorging, sondern im eigentlichen Sinne im Namen Gottes von uns als seinem Werkzeuge geschah, immer segnungsreich sei, wenn gleich wir diesen Segen noch jetzt nicht erfahren können. Wenn diesen Himmelssinn Christo ihr ablehnt, wenn er schon dadurch bei euch sich äußert, dass euer Streben einfach ruhig, selig in der Hoffnung, euer Lieben rein, sicher und trostvoll, euer Wirken endlich bestimmt, demütig und segensreich sein wird; dann habt ihr den Zweck der Sendung Christi euch angeeignet, dann beginnt schon jetzt bei euch, mitten in dem zeitlichen, vergänglichen, irdischen Leben, jenes höhere, ewige und himmlische, dessen Vollendung und Verklärung auch euch erwartet, wenn euer irdisches Tagewerk vollendet ist, und euerm froh hinauf sich schwingenden Geiste, jener Himmel, jenes vollkommene Geisterreich sich öffnet, in das der Heiland euch vorangegangen ist, die Stelle euch zu bereiten.