Du möchtest gern mehr von unserem Herrn Christus wissen - Andres, wer möchte das nicht?
Aber bei mir bist Du an der falschen Adresse. Ich bin kein Freund von neuen Meinungen und halte fest am Wort. Ich hasse sogar das Kopfzerbrechen an Religionsgeheimnissen, denn ich denke, sie sind eben darum Geheimnisse, damit wir sie nicht wissen sollen, bis es an der Zeit ist.
Wenn wir ihn nicht selbst sehen können, Andres, so müssen wir denen glauben, die ihn gesehen haben. Mir bleibt nichts anderes übrig.
Was in der Bibel von ihm steht, all die herrlichen Sachen und herrlichen Geschichten sind freilich nicht er, sondern nur Zeugnisse von ihm, nur Glöckchen am Leibrock, aber doch das Beste, was wir auf Erden haben, und so etwas, das einen wahrhaftig freut und tröstet, wenn man hört und sieht, daß der Mensch noch was anderes und Besseres werden kann, als er, sich selbst überlassen, ist.
Und was in der Bibel von ihm steht, das habe ich mehr als einmal gelesen und nehme es so, wie es da steht, ohne etwas dazuzutun und ohne etwas wegzunehmen. Willst Du also davon mit mir schreiben und sprechen, so gut ich es kann und salvo meliori judicio 1); von Herzen gern! Ich weiß für mich nichts lieberes und Erfreulicheres als von Hilfe und Errettung, und wems anders ist, der muß nie in Not gewesen sein noch andere darin gesehen haben. Ruft doch ein Weib, das ihren verlorenen Groschen wiedergefunden hat, ihre Freundinnen und Nachbarinnen und spricht: „Freuet euch mit mir, denn ich habe meinen Groschen gefunden, den ich verloren hatte.“ Und was ist das für eine Not, aus der man mit Geld errettet werden kann!
Besinnst Du Dich noch unserer ersten Schiffahrt, als wir den neuen Kahn probierten und ich mitten auf dem Wasser herausfiel? Ich hatte schon alles aufgegeben und dachte nur daran, wie mir der Tod schmecken und was meine arme Mutter sagen würde; da sah ich Deinen ausgestreckten Arm herkommen und hakte ein! Und ich seh ihn noch immer, Andres, wenn ich nur deinen Namen lese oder oft nur auf ein großes A stoße. Im Grunde war Deine Hilfe nur ein Palliativ 2), denn was damals ohne Dich das Wasser getan hätte, das werden nun die anderen Elemente noch tun, und Du wirst mich nicht retten. Aber ich kann doch den Arm nicht wieder vergessen, und ich glaube, daß er bei unserer innigen Freundschaft die Hand viel mit im Spiel habe. Das ist hier einmal mit uns nicht anders: Not lehrt beten, und Hilfe und Errettung erfreut!
Und nun ein Erretter aus aller Not, von allem Übel! Ein Erlöser vom Bösen. Und nun ein Helfer, wie die Bibel den Herrn Christus darstellt, der umherging und wohltat und selbst nicht hatte, wo er sein Haupt hinlege; um den die Lahmen gehen, die Aussätzigen rein werden, die Tauben hören, die Toten auferstehen und den Armen das Evangelium gepredigt wird; dem Wind und Meer gehorsam sind, und der die Kindlein zu sich kommen ließ und sie herzte und segnete; der bei Gott und Gott war und wohl Freude daran haben konnte, der aber an die Elenden im Gefängnis gedachte und verkleidet in die Uniform des Elends zu ihnen kam, um sie mit seinem Blut frei zu machen; der keine Muhe und keine Schmach achtete und geduldig war bis zum Tode am Kreuz, damit er sein Werk vollende; der in die Welt kam, um die Welt selig zu machen, und der darin geschlagen und gemartert wurde und mit einer Dornenkrone wieder hinausging!
Andres, hast Du je was Ähnliches gehört, und fallen Dir nicht die Hände am Leib nieder? Es ist freilich ein Geheimnis, und wir begreifen es nicht; aber die Sache kommt von Gott und aus dem Himmel, denn sie trägt das Siegel des Himmels und trieft von Barmherzigkeit Gottes…
Man könnte sich für die bloße Idee wohl brandmarken und rädern lassen, und wem es einfallen kann zu spotten und zu lachen, der muß verrückt sein. Wer das Herz auf der rechten Stelle hat, der liebt im Staube und jubelt und betet an.
Sprich und schreibe also mir davon, Du mein herzlieber Andres, wie und was Du willst, und ich will Dir keine Antwort schuldig bleiben.
Dein usw.
Postskript
Es gibt einige Leute, Andres, die alles bekehren wollen und mit der Bibel in der Hand hinter jedem hochfahrenden Geist und Taugenichts herlaufen. Das soll aber nicht sein und ist ärgerlich anzusehen; wo auch der Fehler stecke. Die Lehre Christi, die nicht einer wert ist zu hören, mag allerdings allen Menschen gepredigt werden, und wers nicht besser haben will, der mags bleiben lassen.
Unser Herr Christus spricht auch gar anders über die Jüngerschaft. „Wer ist unter euch, der einen Turm bauen will und sitzet nicht zuvor und überschlägt die Kosten, ob ers habe hinauszuführen, auf daß nicht, wo er den Grund gelegt hat und kanns nicht hinausführen, alle, die es sehen, fangen an, seiner zu spotten, und sagen: dieser Mensch hub an zu bauen und kanns nicht hinausführen. Also auch ein jeglicher unter euch, der nicht absaget allem, das er hat, kann nicht mein Jünger sein.“ Und in seiner Instruktion an seine ausgehenden Apostel: „Wo ihr aber in eine Stadt oder Markt gehet, da erkundiget euch, ob jemand drinnen sei, der es wert ist, und bei denselben bleibet, bis ihr von dannen ziehet; und wo euch jemand nicht annehmen wird noch eure Rede hören, so gehet heraus von demselbigen Hause oder Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen.“
Und nun erwarte ich Deine weiteren Befehle.