„Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinen Wegen.“
Ps. 119,105.
Zwei junge Waldenser saßen im Jahre 1340 eines Abends in einer Herberge zu Turin und sprachen von Ackerbau sowie von ihrem Wunsche, auszuwandern. Ein Fremder, der in demselben Zimmer war, trat zu ihnen und machte ihnen den Vorschlag, sie mit sich nach Kalabrien zu nehmen, wo viel unangebautes Land sei, welches sie urbar machen könnten. Die Jünglinge baten um Erlaubnis, dieses Anerbieten den Ihrigen mitzuteilen, und gaben dem Fremden zu verstehen, dass sie nicht die Einzigen seien, die ihre heimischen Bergtäler verlassen würden. „Und in unserem Lande,“ setzte der Fremde hinzu, „ist Boden genug für Alle.“
Sofort kehrten die beiden Jünglinge in ihre Täler zurück und gaben ihren Landleuten Kunde von diesem Vorschlag. Man kam überein, mit den beiden Jünglingen Abgeordnete nach Kalabrien zu schicken, um das Land in Augenschein zu nehmen und die Bedingungen zu ihren Niederlassungen festzusetzen. Die Abgeordneten schlossen mit den Eigentümern des neuangebauten Landes Verträge, und alsobald bildete eine Menge waldensischer Familien eine Karawane und nahm ihre Bibel mit, um sich im fremden Lande niederzulassen. Als sie am Fuße ihrer heimischen Berge sich verabschiedeten, erschollen noch ihre Gesänge zum Allerhöchsten, ununterbrochen von dem Schluchzen der Väter, deren Alter nicht gestattete, den geliebten Söhnen zu folgen. Die väterlichen Segenswünsche und die Gebete ihrer Glaubensgenossen begleiteten die Auswanderer, welche nach einer Reise von 25 Tagen in dem von Gott ihnen bestimmten neuen Lande anlangten.
Gleich nach ihrer Ankunft brachten sie die Verträge mit den Eigentümern jener Ländereien vollends ins Reine. Sie kamen über einen Grundzins überein, den sie den Eigentümern zu bezahlen hatten. Die Waldenser hatten das Recht, unabhängige Gemeinden zu bilden, ihre eigenen Vorgesetzten zu wählen, sich Gemeindesteuern aufzulegen, kurz, sie bildeten eine eigentliche Kolonie. Der Vertrag wurde in gesetzlicher Form abgefasst und hernach vom Könige von Neapel selber bestätigt.