Sie werden euch in den Bann tun. Es kommt aber die Zeit, dass, wer euch tötet, wird meinen, er tue Gott einen Dienst daran. Und solches werden sie euch darum tun, dass sie weder meinen Vater noch mich erkennen.
(Joh. 16, 2. 3.)
Während Pasquali von Gefängnis zu Gefängnis geschleppt ward und endlich auf dem Campo di Fiore den Märtyrertod erlitt, wütete auch der Sturm der Verfolgung gegen die Gemeinden in Calabrien, die er mit dem Wort des Lebens erbaut hatte. Die oben erwähnten Vorgänge in Guardia boten einen erwünschten Vorwand gegen diese von päpstlich Gesinnten so verhassten evangelischen Christen einzuschreiten. Die Mönche sandten einen Courier nach Neapel mit der Anzeige von dem spanischen Vizekönig, die Waldenser in Calabrien seien im vollen Aufstande. Auf diese Meldung hin hielt der Vizekönig es für seine Pflicht, in eigener Person gegen die Ketzer zu ziehen, nachdem er so viele Truppen als möglich um sich versammelt hatte. In San Xisto angelangt befahl er auf Anstiften der Inquisitoren, das Dorf mit Feuer und Schwert zu zerstören, die Alten, sowie die Weiber und die Kinder, die noch da wären, umzubringen, wofern sie ihre Religion nicht abschwören wollten. Empört über diese Grausamkeiten schlossen sich jetzt die übrig gebliebenen Waldenser nur noch enger zusammen und befestigten sich dergestalt auf dem Gebirge, dass der Vizekönig nicht Truppen genug zu haben glaubte, um sie zu überwinden. Daher erließ er einen Aufruf, in welchem er allen ausgeschriebenen und verhärteten Verbrechern und Banditen Straflosigkeit zusicherte, wenn sie unter seiner Anführung die Waffen trügen, um die Ketzer auszurotten. Auf diese Zusicherung hin kam eine Unzahl von Bösewichtern aus allen Teilen des Reiches zusammen, und während sie vom Vizekönig Straferlass für ihre an der Gesellschaft begangenen Verbrechen erhielten, sicherten ihnen die Inquisitoren die Vergebung aller ihrer Sünden zu, wenn sie nur gegen die Ketzer ohne alle Schonung verführen. Dieses vom Vizekönig angeführte und vom Papste gesegnete Heer von Missetätern jagte den Waldensern durch Berge und Wälder nach und ließ durch wohl abgerichtete Spürhunde, die sie zu diesem Ende mit sich führten, den Flüchtigen in Klüften und Flussbetten, in Gebüschen und Bäumen nachspüren und einfangen. Die Unglücklichen wurden zuerst von den Hunden zerfleischt, dann von den Dienern der heiligen Inquisition zu Tode gemartert, und die Wenigen, die solchen Nachforschungen entgingen, wurden eine Beute des Hungers.
Während die Truppen auf der Waldenserjagd waren, war La Guardia unbemannt; da stellten sich die beiden Inquisitoren Malricino und Urbino mitleidig, und indem sie die wenigen in La Guardia gebliebenen Waldenser zusammenberiefen, äußerten sie ihr Bedauern über das Blutvergießen und missbilligten das Verfahren des Vizekönigs, während sie doch denselben dazu angestiftet hatten. „Wir können solche Grausamkeiten unmöglich länger dulden,“ sprachen sie, „kommt nur, kommt, wir wollen euch in Sicherheit bringen.“ Und so gingen sie aus der Stadt hinaus und forderten die wenigen Einwohner auf, ihnen an einen sicheren Ort zu folgen. Die Unglücklichen glaubten den Betrügern und so wurden ihrer siebzig Personen von La Guardia an eine Stelle hingeführt, wo die Soldaten im Hinterhalte lagen, aus dem sie nun unversehens über die Betrogenen herfielen, sie banden und nach Montalto abführten. Hier war ein Inquisitor, Namens Panza, welcher aus Neid über dem seinen Mitarbeitern Malricino und Urbino gewordenen Vorzug von Großinquisitor Alessandrino1) zur Verfolgung der Waldenser auserkoren zu sein, an den ihm nun Übergebenen noch größeren Eifer als jene zeigen wollte. Er ließ sie sogleich Alle in die Folterkammer bringen und wollte da, wie einst die Schergen des römischen Kaisers die Christen zu Lyon jene glaubenstreuen Vorfahren der Waldenser, zwingen zu bekennen, dass in ihren religiösen Versammlungen die gräulichsten Unsittlichkeiten begangen würden. Da Keiner so etwas bekennen wollte, so ließ er sie auf eine Weise martern, dass ihrer Viele an den Qualen starben. Einer, Namens Stefano Carlino, wurde so grimmig gefoltert, dass sein Leib barst und die Eingeweide herausfuhren. Ein Anderer, Ferminio, der acht volle Stunden mit einem Folterwerkzeuge, das die Inquisitoren selbst das „höllische“ nannten, gemartert worden, glaubte es nicht länger aushalten zu können, und versprach die Messe zu hören; allein der Inquisitor verlangte, er solle die Unsittlichkeiten bekennen, und da er solches nicht wollte und auch der Wahrheit gemäß nicht konnte, so ließ Panza die Tortur verdoppeln, bis er starb. Ein gewisser Marcone wurde entkleidet, und so durch die Straßen von Montalto geführt, während zwei verlarvte Henkersknechte ihn aus aller Macht mit eisernen Ketten peitschten; und waren diese müde, so traten zwei Andere für sie ein, welche mit brennenden Pechfackeln ihn auf die Wunden schlugen, bis er tot war. Von zwei Söhnen Marcones wurde der Eine in grausamster Weise zu Tode gemartert, der Andere aber von einem hohen Turme herabgestürzt. Auf denselben Turm führte man einen Jüngling, Namens Samson von ungemeiner Körperkraft, vermöge welcher er lange und grausame Qualen ausgehalten, bis er auf Befehl des Inquisitoren durch die Soldaten von diesem Turme herabgestürzt wurde. Nach dem Sturze lebte er noch vier und zwanzig Stunden; aber Niemand durfte sich ihm nahen, um ihm den geringsten Beistand zu leisten. Er verbrachte die ganze Zeit seines langen Todeskampfes im Gebete. Während Samson mit dem Tode rang, ging gerade der Vizekönig vorbei, der noch dem Sterbenden einen Fußtritt an den Kopf versetzte, indem er den Schergen der Inquisition eine rohe unmenschliche Weisung in Bezug auf dessen Leichnam erteilte. Nachdem der Inquisitor Panza noch 60 Frauen von San Xisto teils zu Tode hatte martern lassen, teils den Meistbietenden zu Sklavinnen verkauft, kehrte er als Sieger nach Neapel zurück.
Über das grausame Wüten der Inquisitoren gegen die armen Waldenser, welche von den Spürhunden aufgejagt und von den Soldaten eingefangen worden, sowie über die christliche Ergebung, mit welcher diese Evangelischen dem Tode entgegen gingen, gibt uns der Brief eines katholischen Augenzeugen, in Montalto den 11. Juni 1560 geschrieben, nähere Auskunft: „Nachdem ich Ihnen,“ heißt es in demselben, „von Zeit zu Zeit geschrieben habe, um Sie von Allem dem in Kenntnis zu sehen, was hier in Bezug auf die Ketzerei getan wird, muss ich Ihnen Nachricht geben von dem entsetzlichen Gericht, welches man heute in aller Frühe an den Lutheranern zu vollziehen begonnen hat. Die Wahrheit zu sagen, könnte ich es mit nichts besser vergleichen, als mit einer Schafschlächterei. Diese Unglücklichen waren in einem Hause wie in einem Schafstall eingesperrt. Als der Schlächter kam, holte er Einen heraus, verdeckte ihm das Gesicht mit einer Binde und führte ihn auf ein an das Haus stoßendes Feld; dann hieß er ihn niederknien, und schnitt ihm mit einem Messer den Hals ab. Das getan, nahm er dem Gemordeten die blutige Binde ab und ging einen Andern zu holen, dem er dieselbe umlegte und ihn dann auf gleiche Weise umbrachte. So fuhr er fort, bis er ihrer 88 abgeschlachtet hatte. Sie können sich denken, welch schrecklicher Anblick das war! Kaum kann ich mich beim Schreiben der Tränen erwehren. Es ist auch nicht ein Einziger, nachdem er bei Einem zugesehen, dageblieben, um einen Zweiten zu sehen. Die Demut, die Ergebung, die Geduld, womit sie zum Märtyrertod gingen, ist unglaublich, alle Alten gingen freudigen Mutes dem Tode entgegen; die Jungen jedoch zeigten sich etwas furchtsam. Ich schaudere, wenn ich an den Schlächter denke mit dem bluttriefenden Messer zwischen den Zähnen, mit der blutgetränkten Binde in der Hand, wie er zur Herde ging, ein Schlachtopfer nach dem andern herausholte, gerade wie es der Metzger mit denjenigen Schafen macht, die er schlachten will. Es waren Karren bestellt worden um die Leichname wegzuführen, welche noch gevierteilt und an den öffentlichen Straßen von einem Ende Calabriens zum andern aufgehängt werden sollen. Noch heute ist ein Befehl erschienen, dass mehr als hundert Frauen gefoltert und dann umgebracht werden sollen!“
Derselbe Brief enthält auch Angaben über die Zahl der Märtyrer. Bis zum 11. Juni 1560, dem Tage, da der Brief geschrieben, waren 1600 Waldenser in den Gefängnissen.
Ein anderer Augenzeuge, ein eifriger Katholik im Gefolge des Inquisitoren, vervollständigt auf entsetzliche Weise in einem Briefe aus Montalto vom 27. Juni 1561 die traurige Erzählung: „Vor der Ankunft Seiner Gnaden des außerordentlichen Inquisitoren in Montalto waren 86 halsstarrige Ketzer gevierteilt und hierauf ihre Glieder auf Stangen gesteckt worden, welche zu diesem Zweck an der öffentlichen Straße bis zu einer Entfernung von 36 Meilen aufgesteckt waren; und so sah man ein für die Ketzer abschreckendes, für die guten Katholiken aber sehr trostvolles Schauspiel. Gegenwärtig haben wir ihrer über 1400 in dem Gefängnis. Einige fliehen in die Berge, werden aber von den katholischen Soldaten verfolgt, welchen eine Belohnung von zehn Scudi für jeden lebendig- oder toteingebrachten Ketzer zugesichert ist, und auf solche Weise bekommen wir deren jeden Tag. Die Zahl der Gefangenen ist so groß geworden, dass Sr. Gnaden mit dem Generalvikar von Cosenza übereingekommen ist, die meisten derselben der Buße zu unterwerfen und nur die halsstarrigen ums Leben zu bringen. Die Pastoren aber sollen lebendig verbrannt werden. Ihrer fünf sind bereits nach Cosenza gesandt worden, um dort, mit Harz bedeckt, verbrannt zu werden, damit die Strafe für ihre Gottlosigkeit recht lange daure. Es sind auch viele Frauen in den Gefängnissen, die man Alle lebendig verbrennen wird: Morgen werden fünf der Vornehmsten verbrannt.
Unterzeichnet
Luigi d'Appiano.
Der katholische Geschichtsschreiber Neapels, Thomas Costo schreibt über diese Vorgänge: „Etliche wurden erwürgt, Andere entzwei gesägt, wieder Andere von einem hohen Felsen herabgestürzt; Alle grausamer und unverdienter Weise ums Leben gebracht. Es war wirklich zum Erstaunen, was man von ihrer Halsstarrigkeit hörte; denn während der Vater den Sohn und der Sohn den Vater sterben sah, zeigten sie nicht nur durchaus keinen Schmerz, sondern sagten mit aller Heiterkeit einer ruhigen Seele, sie gingen hin, Engel Gottes zu werden.
Was die Buße betrifft, der nach d'Appiano mehrere Waldenser unterworfen wurden, so bestand sie darin, dass man die Männer auf die spanischen Galeeren sandte, die Frauen und Kinder aber als Sklaven verkaufte. Immerhin gelang es den Inquisitoren nicht alle Waldenser in Calabrien gänzlich von der Erde zu vertilgen; denn Viele derselben konnten in ihre alten Täler entkommen, wo sie, von ihren Mitbrüdern aufgenommen, in ihrem Unglücke Trost fanden. Da jedoch die Inquisitoren solches im Voraus besorgt hatten, wurden auf ihr Gesuch die strengsten Befehle erlassen an alle Städte, Dörfer, Wachten, Fuhrleute, Brückenwächter, Bootsleute, keinen Fremden durchzulassen, aufzunehmen, oder ihm irgend welche Hilfe zu leisten, wenn er nicht ein vollgültiges Zeugnis von seinem Pfarrer vorweisen könne, dass er ein guter Katholik sei; und dieses Zeugnis musste von den Pfarrern aller Kirchspiele unterzeichnet sein, durch welche der Reisende gekommen war. Die Wachten sowohl in den neapolitanischen als römischen Staaten waren angewiesen, Jeden, dem sie begegnen würden, anzuhalten und ihm das Pfarrzeugnis eines guten Katholiken abzufordern, in dessen Ermangelung der Reisende festgenommen und der Inquisition überliefert werden musste, um sich zu überzeugen, ob er ein Waldenser sei oder nicht.
Unter solchen Umständen waren die armen Waldenserflüchtlinge genötigt, nur Nachts zu reisen und sich den Tag über wie wilde Tiere verborgen zu halten. Durch Flüsse mussten sie schwimmen oder waten; ihre Nahrung waren Eicheln, wilde Wurzeln oder rohe Kräuter, Gott allein weiß, wie Viele ihr Märtyrertum durch Hunger und Erschöpfung vollendeten. Einige überwanden endlich das Alles und erreichten die Wohnsitze ihrer Vorfahren; Andere kamen später erst hin, und endlich gelangten auch etliche Flüchtlinge entweder von den Galeeren oder aus der Sklaverei nach ihrer alten Heimat. Ihre Glaubensgenossen wetteiferten mit einander in der Aufnahme der edelmütigen Bekenner des Glaubens, welche nach so vielen Mühseligkeiten in den Tälern der Alpen jene Glaubensfreiheit fanden, welche um so köstlicher wird, je länger und beharrlicher man um sie kämpfen und leiden muss. So erwahrte sich auch in diesem Falle, was Léger, der Geschichtsschreiber der Waldenser mit Bezug auf seine Glaubensbrüder versichert: „Sowie alles Unkraut die Lilie des Tales bis jetzt nicht hat ersticken können, so werden alle Verfolgungen des Bösen diese Lilie nicht vernichten.“
Die Kolonie der Waldenser in Calabrien blieb zwar zerstört und die Gegend, welche ihr Fleiß in einen fruchtbaren Garten umgewandelt, fiel der früheren Verwilderung anheim und wurde aus einer Wohnstätte des Friedens und christlicher Ordnung zu einem Zufluchtsorte der Räuber und Banditen bis auf unsere Tage. Das sind die Früchte der Siege, welche die sich selbst vergötternde römische Kirche über evangelische Christen erringt! Hingegen wandeln jetzt die Söhne jener glaubenstreuen Märtyrer durch ganz Italien von den Alpen bis Sizilien als die Boten des Heils und des Friedens unter den Nachkommen derjenigen, welche ihre Väter so grausam verfolgt und gemordet haben. So rächt sich der gläubige Christ an seinen Feinden und bewährt sich als Jünger dessen, der noch am Stamme des Kreuzes für seine Mörder gebetet hat!