Chalmers, Thomas - Von der Teilnahme, die in den fernen Regionen der Schöpfung für den Menschen empfunden werden.

Lukas 15,7.

Ich habe bereits versucht, den Standpunkt zu erläutern, welchen die ungläubigen Astronomen der Religion gegenüber einnehmen, indem sie dem Wesen Gottes die ihm eigene Vollkommenheit absprechen: wir meinen jene wunderbare Allmacht, vermittelst welcher er gleichzeitig einer endlosen Mannigfaltigkeit von Dingen seine Aufmerksamkeit und Fürsorge zuwenden, und die Nähe seiner Macht und Gegenwart dem größten, sowie dem kleinsten und unbedeutendsten Geschöpf fühlbar machen kann. In Kürze wies ich auch auf den andern Umstand hin, dass diese Ansicht den moralischen Eigenschaften der Gottheit Eintrag tue. Sie setzt nämlich der Güte seines Wesens eine Schranke. Wir meinen viel von der Güte Gottes auszusagen, wenn wir erklären, dass eine einzige Welt, nein, ein einziges System von Welten ihr nicht genug sei, dass ihr ein umfassenderes Gebiet zu Gebote stehen muss, um in die Provinzen desselben die überströmende Flut ihres Reichtums auszuschütten; dass sie, soweit unsere Sinne reichen, den Weltraum mit schwebenden, lebende Wesen bergenden Körpern übersät hat, über deren jedem, wie über unserer Erde, zur Zier ein Sternenhimmel ausgespannt ist, und dass wohl in diesem Augenblick selbst in Fernen, welche weit außer dem Bereich des menschlichen Auges liegen, Lob- und Danklieder aufsteigen zu Ihm, dem Einen Gott, welcher inmitten seiner Einen großen, Alles umfassenden Familie thront.

Gewiss heißt das viel von der Güte Gottes aussagen, wenn wir erklären, dass ihre fernen Ausstrahlungen über einen weiten und ungeheuren Raum sich erstrecken, dass die Erde, die wir inmitten dieser unermesslichen Ausdehnung bewohnen, zu einem bloßen Punkt verschwindet, der dem Alles überblickenden Auge fast unbemerkbar scheinen könnte. Aber erhöht das nicht die Macht und Vollkommenheit dieses Alles beherrschenden Auges, dass in eben dem Moment, wo es einen umfassenden Blick auf das Ganze wirft, es auch seine Sorge fest und unbeirrt jedem einzelnen Teil, wenn auch noch so klein, zuwenden kann; dass in dem Moment, wo es all die Welten überschaut, es auch ins Besondere und mit der größten Umsicht und Schärfe jede einzelne in Obacht nimmt, dass, während es den Kreis der Unendlichkeit durchmisst, es auch die ganze Kraft seines Blickes jedem einzelnen, kleinsten Teil dieses Kreises zu Teil werden lässt; dass, während es das Ganze des Daseins erfasst, es alle Einzelheiten in ihren mannigfaltigen Verschiedenheiten aufs Genaueste und Sorgfältigste untersucht? Wie sehr dies die Macht des allsehenden Auges erhöht, das werdet ihr leicht einsehen. Sagt mir also, ob die Güte nicht eben dadurch in hellerem Licht erscheint, dass, während sie das weite Feld aller erschaffenen Dinge ermisst, auch nicht der allerkleinste Teil darin vergessen wird; dass, während sie über das Ganze eines unermesslichen Gebietes Segen ausstreut, sie denselben auch auf jede einzelne Wohnstätte in reicher Fülle ausströmen lässt; dass, während sein Arm alle Welten stützt und umfasst, er zugleich in den Umkreis jeder einzelnen tritt und besondere Fürsorge und Liebe jedem einzelnen Wesen ihrer zahllosen Bevölkerung gewährt. O gibt nicht Gott, der ja die Liebe ist, den besten Beweis dieser Eigenschaft, wenn er, im höchsten Himmel thronend, den Reichtum seiner Güte über das ganze ihm untergebene Reich der Natur ausgießend, einen gnädigen, mitleidsvollen Blick dem allerniedrigsten seiner Kinder gönnt und seinen belebenden Geist in jedes Herz sendet, mit seiner Gegenwart jedes Haus beglückt und segnet, für die Bedürfnisse jeder Familie sorgt, bei jedem Krankenbett wacht und den Klagen jedes Leidenden sein Ohr leiht?

Und während sein wunderbarer Geist die ganze Last der Weltregierung auf sich nimmt, ist es nicht um so wunderbarer und erhebender, dass er für jeden Kummer Mitleid und für jedes Gebet ein offenes Ohr hat?

Der Apostel Johannes sagt: „Noch ist es nicht offenbart was wir sein werden. Wir wissen aber, dass, wann es wird offenbart sein, wir ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.“ Schon jetzt sehen die Engel das Angesicht unseres Vaters im Himmel und werden dadurch, wie es uns scheinen möchte, mehr und mehr zu geistigen Abbildern Gottes, so dass sie wieder sein eigenes Bildnis auf ihn zurückspiegeln; und so geht durch alle anbetenden Scharen, die in beseligender Anschauung Gottes weilen, immerfort eine Ähnlichkeit mit dem Wesen Gottes. Und bemerkt ihr nicht, wie von jenem eigentümlichen und so sehr einnehmenden Kennzeichen der Güte Gottes, auf das wir eben aufmerksam gemacht haben, ein Strahl erquickend auch auf uns herniederfällt, wenn wir der schriftgemäßen Stellung der Engel uns erinnern? Von den Höhen des Himmels herab haben sie immer ein wachsames Auge auf die Menschen dieser sündhaften Welt, und die Reue eines Jeden verbreitet dankbare Freude und Wonne in allen Räumen, da sie wohnen. Stellt diesen Charakterzug der Engel dem düsteren, beengenden Geist eines Ungläubigen gegenüber. Er hört von den unzähligen Welten; er fühlt sich emporgehoben durch diesen Gedanken zu einer Höhe, die sein Geist nicht fassen kann, und von diesem schwindligen Standort schaut er nieder auf die unbedeutende Erde, die wir bewohnen und erklärt sie unwürdig jener Besuche aus höheren Regionen, jener besonderen Fürsorge und Aufmerksamkeit, von denen wir im Neuen Testamente lesen. Er ist weder fähig, sich mit seinem Geist zu der Höhe der sittlichen noch zu derjenigen der natürlichen Vollkommenheit emporzuschwingen; und wenn er das Gebiet, über das der Reichtum Gottes verschwenderisch ausgegossen liegt, in seiner wunderbaren Ausdehnung erkennt, so bleibt er ratlos stehen und kann den wesentlichen Gedanken nicht fassen, dass die Macht und Vollkommenheit Gottes sich in dem bloßen Umfang des Wirkungskreises nicht großartiger entfaltet, als in der Ausfüllung desselben bis ins Kleinste, wo auch der geringste Teil nicht vernachlässigt wird, wo die Fülle der Gottheit ihre Spuren einem jeden von ihnen aufdrückt, und wo jede Blume der pfadlosen Wüste sowohl, als auch jedes Gestirn im unermesslichen Weltraum den Beweis leistet, wie dieses unergründliche Wesen für Alle in Liebe sorgen kann, und, thronend in unerforschlicher Hoheit, zu hoch für unsern Verstand, seinen wachsamen Blick in jedem Augenblick auf jedes einzelne Geschöpf seiner Hand zu richten und in Kraft seines Alles überdenkenden, Alles regierenden Verstandes zugleich immer das Ganze zu umfassen vermag.

Aber Gott, umgeben von unzugänglichem Licht und voll Herrlichkeit, ist so erhaben über unsern Verstand und all unser Begriffsvermögen, dass der Geist des Menschen im Bemühen, ihn zu erfassen, erschöpft den Versuch aufgeben muss. Wenn das Bild des Höchsten vor unser geistiges Auge gebracht werden könnte, jene Flut des Glanzes, welche immer von ihm ausgeht, auf alle die, welche sein Antlitz sehen dürfen, es würde uns nicht nur blenden, sondern ganz überwältigen. Und daher lade ich euch ein, den Abglanz dieses Bildes zu betrachten, und so einen Blick auf seine gemilderten Strahlen zu werfen, und die Züge der Gottheit auf dem Angesicht jener gerechten Engel zu erfassen, welche nie abgefallen sind von dem Bild, in dem sie erschaffen worden sind; und da wir unfähig sind, die Schönheit und Majestät seines Antlitzes zu ertragen, vor dem Seher und Propheten früherer Zeiten niederfielen und wurden wie tot, so lasst uns, ehe wir dieses Argument zu Ende bringen, von ihm, der auf dem Throne sitzt, aus dem Anblick und dem geoffenbarten Tun und Handeln derer, die ihn umgeben, eine Lehre empfangen.

Der Ungläubige also, indem er das Feld seiner Betrachtungen erweitert, würde sich nichts daraus machen, wenn jeder einzelne Gegenstand darin in Vergessenheit sänke; aber die Engel, wiewohl ein viel umfassenderer Überblick des Ganzen ihnen eigen ist, werden uns geschildert als ganz vertraut mit der Geschichte jeder einzelnen abhängigen Provinz in demselben. Der Ungläubige, dessen Geist unter Sonnen und Sonnensystemen dahinfliegt, kann, da seine Augen bereits in Anspruch genommen sind, dem bescheidenen Planeten, den wir bewohnen, keinen Blick schenken; die Engel hingegen, die doch auf einem erhabeneren Standpunkt stehen und einen weiteren Ausblick über die Schöpfung haben, werden uns nichtsdestoweniger dargestellt, wie sie auf diese Erde herniederblicken und sorgfältig jedes Bedürfnis und jeden Mangel all ihrer Familien beachten. Indem der Ungläubige uns in verschwindende Kleinheit versinken lässt, würde er unsere Erde ganz aus dem Auge verlieren und den verhüllenden Mantel der Vergessenheit über alle menschlichen Angelegenheiten und Interessen ausbreiten; aber so wollen die Engel uns nicht verlassen; ungeblendet von der alle Begriffe übersteigenden Großartigkeit, die sie umgibt, wenden sie, wie sie uns die göttliche Offenbarung schildert, alle ihre Aufmerksamkeit diesem unserem Wohnorte zu und richten ihre Augen voll Sehnsucht und Güte auf uns und unsere Kinder. Der Ungläubige schildert jene Welten, welche in weiten Fernen kreisen und deren Zahl die Fassungskraft des menschlichen Verstandes übersteigt und dann übergibt er mit der Kälte einer gefühllosen Berechnung diejenige, die wir bewohnen, mit all der Schuld, welche die Menschen darin angehäuft haben, der Verzweiflung. Aber Er, der die Sterne alle zählt, ist uns offenbart, wie er auf jeden Einzelnen unter all den Millionen unseres Geschlechts herniederschaut und durch das Wort des Evangeliums ihn einlädt und wie mit der Hand zu sich winkt und beim ersten Schritt, da er umkehrt, ihm mit all dem Verlangen des Vaters im Gleichnis vom verlorenen Sohn entgegengeht, um ihn wieder aufzunehmen in jene Gemeinschaft, die er verlassen hatte. Und was diese Welt anbetrifft, zu deren Gunsten nach der Meinung des finsteren Ungläubigen nicht eine einzige Bewegung stattfindet, so erfahren wir, dass der ganze Himmel wegen ihrer Wiederherstellung in Unruhe ist; und nicht Ein verlorener Sohn, nicht Eine verlorene Tochter kann von der Sünde zur Gerechtigkeit zurückgerufen werden, ohne dass unter den himmlischen Heerscharen eine laute Freude sich kundtut. Ja, ich kann es von dem Geringsten und Unwürdigsten unter euch Allen sagen, dass das Auge der Engel auf ihm ruht und dass seine Buße zu dieser Stunde ein Beben der Wonne unter dem mächtigen Heerhaufen ihrer zahllosen Legionen hervorrufen würde.

Nun habe ich nur eine Frage aufzustellen: Auf welcher der beiden Seiten dieses Gegensatzes sehen wir am meisten die Spuren des Göttlichen? Durch welche von beiden gewinnt der Ruhm. Gottes am meisten? Welche trägt in sich den größten Beweis, dass ihr himmlisches Gepräge verliehen ist? Denn, wenn wir das auf der Seite des Ungläubigen finden, dann müssen alle unsere Hoffnungen schwinden, indem wir jenes verhängnisvolle Urteil gutheißen, nach welchem die Welt um ihrer Bedeutungslosigkeit willen dazu bestimmt ist, von der Fürsorge Gottes für immer ausgeschlossen zu sein. Ich habe schon lange an die Tür eures Verstandes geklopft und versucht, meinem Beweisgrund Eintritt zu verschaffen. Jetzt wende ich mich an die Empfänglichkeit eures Herzens: sagt mir, wem gibt die innere Stimme desselben am liebsten Zeugnis, dem Ungläubigen, der diese unsere Welt ins Nichts versenken möchte, oder jenen Engeln, die durch die ganze Weite ihrer himmlischen Wohnungen ihre Freude in Hosiannarufen über jeden einzelnen reuigen Sünder laut werden lassen?

Und hier kann ich nicht umhin, mir den Vorteil zu Nutze zu machen, den unser Heiland uns durch die Gleichnisse dieses Kapitels an die Hand gegeben hat, indem er uns durch dieselben den Grundsatz erkennen lässt, demzufolge die Bewohner des Himmels für die Erlösung und Wiederherstellung unseres Geschlechtes solche Teilnahme empfinden. Um den verhältnismäßigen Unterschied im Maße des Wissens und der Liebe, das einem Menschen und einem Engel erreichbar ist, klar zu machen, wollen wir an den Unterschied denken, der zwischen den verschiedenen Menschen besteht. Wir können mitunter im Leben einem Menschen begegnen, der weder Zärtlichkeit, noch Interesse über die Grenzen seiner eigenen Familie hinaus hegt, der aber dank dieser instinktmäßigen Anhänglichkeit, welche die Natur in seine Brust gelegt, das Lob eines liebevollen Vaters, eines guten Gatten oder eines leuchtenden Vorbildes alles dessen, was die Familienbande so lieb und teuer macht, sich erwerben kann. Nun stellt euch denselben vor, wie er seine Liebe noch weiter ausdehnt, ohne dass sie dadurch an Innigkeit gegen die Seinigen daheim verliere; wie er, indem er die Schwelle seines Hauses überschreitet, sich auch für die Nachbarfamilien interessiert; wie er seine Dienste der Stadt oder dem Distrikte widmet, in dem er wohnt, und einen Teil seiner Zeit den wohltätigen Arbeiten eines menschenfreundlichen und gemeinnützigen Mannes opfert. Durch diese Erweiterung seines Wirkungskreises hat er das Maß seiner Liebe erhöht; und inwiefern er das ohne Vernachlässigung der schuldigen Rücksichten für seine eigene Familie getan - hat wozu wir allerdings bei den uns gezogenen Grenzen und beschränkten Fähigkeiten sehr geneigt sind - hat er nicht, ich lasse euch darüber entscheiden, durch Erweiterung des Kreises seiner Interessen und seiner Liebe zugleich seinen Wert und seine sittliche Würde erhöht?

Aber ich kann mir noch eine größere Erweiterung des Wirkungskreises denken. Ich kann mir einen Mann vorstellen, dessen stets rege Teilnahme weit über seine nächste Nähe hinausgeht, dem der Name des Vaterlandes mit zauberischer Allgewalt und mit all dem Drang eines gerechten, unwiderstehlichen Anspruchs auf seine Dienste zu Herzen geht; der nie den Namen England hört, ohne sich für den Wert und das Wohl des britischen Volkes zu begeistern; der sich mit all dem Eifer der Leidenschaft für die besten und edelsten Zwecke des Vaterlandes aufopfert; der mit Verachtung alles Parteiehrgeizes sein Leben und sein Wirken nur der schönen Aufgabe widmet, die Kenntnisse, die Tugend, das materielle Wohl seines Volkes zu fördern. Nun, wenn solch ein Mann noch all die Zärtlichkeit, all das feine Pflichtgefühl gegen seine eigene Familie beibehält, Alles erfüllt, was er dem Haus und seiner nächsten Umgebung schuldig ist, und doch zugleich mit der Macht seines unermüdlichen Wirkens ein noch so viel weiteres Feld der Tätigkeit beherrscht würde er nicht wegen der größeren Ausdehnung seines wohltätigen Einflusses sowohl hinsichtlich der Sittlichkeit als des Verstandes einen noch viel höheren Rang einnehmen als zuvor und der Glanz seines Namens in der Geschichte menschlicher Vortrefflichkeit noch dauernder sein?

Ich kann mir endlich eine noch erhabenere Stufe der Menschenliebe denken, indem ich mir einen Mann vorstelle, dessen Herz in seinem Drange, Gutes zu tun, keine Schranken kennt, dessen Wünsche und Begriffe in dieser Hinsicht sich durch keine Grenzpfähle einengen lassen; der sich selbst als ein Glied der Menschheit betrachtend alle Energie, die ihm übrig bleibt, für die Hebung derselben verwendet; der mit seinen weitreichenden Bestrebungen das ganze Menschengeschlecht zu umfassen vermag, und der einem inneren, vom Himmel stammenden Triebe folgend sich einem großen mühevollen Unternehmen hingibt, welches für das sittliche Wohl der Welt von nachhaltigem Einfluss sein wird. Ja, könnte ein solcher Mann so erhabene Grundsäge mit dem besänftigenden Einfluss persönlicher Tugend vereinigen; könnte er inmitten dieses herrlichen Aufschwunges der Gedanken und Taten mit der Milde seines liebevollen Gemütes doch noch den häuslichen Herd beglücken und den beseligenden Zauber der Heiligung und Frömmigkeit unter allen Familiengliedern verbreiten; könnte er sich dazu noch mit der Liebenswürdigkeit eines ruhigen und zufriedenen Herzens in die Spiele der Kinder mischen und noch Kraft finden, den Segen seiner Gegenwart und seines Rates seiner weiteren Umgebung zuzuwenden ja, würde nicht die Vereinigung so vieler Anmut mit so großartiger Wirksamkeit ihn um so mehr erheben? Würde nicht der eine Zug in diesem so seltenen Charakter den anderen erklären und verherrlichen? und wäret ihr nicht bereit, ihn als das schönste Vorbild reiner Menschlichkeit zu betrachten, der eure Liebe zu gewinnen weiß, während er euch unwiderstehlich Ehrfurcht abnötigt?

Ich kann diesen Teil meiner Beweisführung nicht verlassen, ohne an das zu erinnern, was für Beispiele für diese letzte und großartigste Weise des Wohltuns in unserem eigenen Lande gegeben worden sind, wo der Geist des Evangeliums in den Herzen so vieler seiner aufgeklärten Anhänger eine solche Menschenliebe entzündet hat, dass die Wirkung ihrer Wünsche und Anstrengungen bis zu den fernsten Völkern gedrungen ist; eine Menschenliebe, von der wir, wenn nach der Ausdehnung und den Grenzen ihres Arbeitsfeldes gefragt, in der Sprache der Bibel antworten müssen: „Der Acker ist die Welt“; eine Menschenliebe, welche alle Kasten- und Rassenunterschiede vergisst, und ihr ausgedehntes Wirken all unsern Brüdern zu Teil werden lässt; eine Menschenliebe, welche sich den Menschen im Allgemeinen zuwendet, den Menschen mit all ihren Verschiedenheiten, den Menschen, sofern sie alle der gleichen Natur teilhaftig sind, den Menschen, die, in was für einem Klima oder Zone man ihnen auch begegnen. mag, für die gleichen Interessen leben, die gleichen hohen Fähigkeiten zur Vervollkommnung und zur Seligkeit besitzen. Zwar bemächtigt sich dieses Gegenstandes oft eine Anschauung voll großartiger, aber vager und unbestimmter Gedanken, die zu nichts führen als zu bloßen Theorien. Aber die Männer, von denen ich spreche, haben sich ihr Unternehmen nicht gedacht, wie etwas, das in der Luft steht. Sie haben ihm einen bestimmten Ort angewiesen. Sie haben es in Tat und Wirklichkeit umgesetzt. Sie haben den Traum zur Wahrheit werden lassen. Bei ihnen hat die Kraft idealen Strebens ihre glücklichste Ergänzung gefunden, nämlich in der Festigkeit und Beharrlichkeit und all den Tugenden, mit denen das Neue Testament uns zur Selbstlosigkeit und Hingebung erzieht.

Und wollte ich diese schöne Vereinigung der Güte und Größe besonders aufsuchen, auf die ich eben solchen Wert gelegt habe, und kraft deren der erleuchtete Christ für die Interessen der ganzen Menschheit sowohl, als für den Ausdruck seines Wohlwollens gegen jeden Einzelnen, der ihm nahe kommt, in seinem Herzen Raum finden kann nirgends dürfte ich sicherer sein, ihr zu begegnen, als bei den großen Männern unseres Landes: einem Howard von ehedem, der ganz Europa durchwanderte, das darin aufgehäufte, aber versteckte Elend aufzuspüren - oder bei Männern der Gegenwart, wie Wilberforce, der nicht müde wurde, seine Stimme gegen den größten Frevel, welcher je an unserer Natur begangen worden, zu erheben, bis er die Ausrottung desselben zu Wege gebracht und Clarkson, der sein schwieriges Ziel zu erreichen die eindrücklichsten Schilderungen machte und endlich im Parlament für diese gerechte Sache den Sieg davon trug und Carey, aus dessen Hand jetzt die Völker des Ostens die ersten Mittel zu ihrer sittlichen Erneuerung empfangen und endlich bei jenen heiligen und opferfähigen Männern, welche ihr eigenes Leben für nichts achten, sondern jedes Jahr von unserer Inselheimat hinausziehen, die himmlische Botschaft über den ganzen Erdkreis zu tragen und trotz des härtesten Tadels ihr Werk in den fernsten Ländern fortführen, einen Teil unserer Menschheit nach dem andern aus Finsternis und Sünde erretten, durch das Licht und den Geist des Evangeliums Gottes Reich bei ihnen mehren, an jedem Orte, wo sie ihre bescheidene Hütte aufschlagen, einen Glanz sittlicher Schönheit verbreiten, und endlich durch den Erfolg ihres edlen Unternehmens selbst ihren Widersachern Beachtung und Beifall abnötigen, und Ausrufe des Entzückens dem überraschten und erstaunten Reisenden entlocken, wenn er des mildernden Einflusses gewahr wird, der sich von ihnen aus über die Wildnis verbreitet, wenn er die Kirchenglocken hört und in Einöden, wo er vor einem halben Menschenalter nur schreckenerregende Wilde getroffen hätte, sich an dem tätigen Treiben der Missionsschulen und an dem lieblichen Anblick friedlicher, christlicher Dörfer erfreut.

So tut sich denn diese milde und zugleich so erhabene Menschenfreundlichkeit jener Männer kund, welche durch den Glauben, der in Jesu ist, geheiligt und in ihren Herzen durch himmlische Strahlen erwärmt und erleuchtet worden sind. Was wird denn der Quell der Liebe sein, frage ich, aus dem solche Wirkungen hervorgehen? Wie weit ist der Umfang dieser Tugend dort und wie tief das Gefühl ihrer zärtlichen Fürsorge und wie rein und inbrünstig das Sehnen jener Wesen, die, weil sie nie fielen, wie wir, gegen keine Finsternis und keine niederdrückende Last der Sünde zu kämpfen haben? Die Engel haben ein weiteres Feld für ihre Betrachtung. Sie können diese Welt mit Allen, die darauf sind, als Teil einer größeren Familie ansehen. Die Engel waren schon in der vollen Ausübung ihrer Fähigkeiten, als unser Geschlecht in der allerersten Kindheit war, und nahmen Teil an dem Freudenfeste, als bei der Schöpfung der Menschheit die ganze beseelte Natur froh erregt wurde und die Morgensterne in Jubel ausbrachen. Sie liebten uns mit der Liebe, welche eine Familie auf Erden für eine jüngere Schwester empfindet, und gerade um unserer Kindheit willen, wo unsere Fähigkeiten noch nicht entwickelt waren, hegten sie um so zärtlichere Liebe für uns; sie betrachteten uns, obschon wir zu einer späteren Stunde ins Leben traten, doch als Miterben der gleichen Bestimmung, um mit ihnen auf der Stufenleiter sittlicher Erhebung immer höher zu steigen, vor dem gleichen Zepter uns zu beugen und an denselben Himmelsgütern väterlicher Liebe und Fürsorge teilzunehmen, welche fortwährend von dem Throne des Ewigen auf alle Glieder einer pflichtgetreuen und liebreichen Familie ausströmen. Stellt euch die geistige Spannkraft eines Engels vor, gepaart mit der ihm eigenen, unbegrenzten Innigkeit der Liebe, wie er von der Höhe, auf der er steht, viele Welten überschaut und des Ursprungs und der daraus folgenden Interessen jedes Einzelnen eingedenk sein kann; wie die enge Verwandtschaft mit den Bewohnern jeder dieser Welten, nach der wir Alle Kinder Eines Vaters sind, einen mächtigen Einfluss auf ihn ausübt; und wie, obschon unser Fall der Grund sowohl als der Beweis ist, wir diese reinen und edlen Gefühle eines himmlischen Geistes nicht fassen können, sie doch vereinbar find mit den erhabenen Begriffen und der stets lebendigen Liebe eines Engels, dass er seine Güte nicht nur der mächtigen Ausdehnung der Planeten und Systeme zuwenden, sondern zugleich auch eine Flut zärtlicher Liebe über jeden Einzelnen ausschütten kann.

Denkt an alles das, und ihr werdet nicht ermangeln zu sehen, wie der in diesem Kapitel so schön durchgeführte Grundgedanke dem Unglauben gegenüber, den wir so lange bemüht gewesen, zu bekämpfen, Stand halten kann. Es war ein natürlicher Trieb und die Erfahrung eines jeden Menschenherzens wird es bestätigen es war ein natürlicher Trieb des Hirten, die neunundneunzig Schafe seiner Heerde allein in der Wüste zu lassen und selbst auf die Berge zu gehen, um mit all seiner Sorgfalt, mit Anwendung all seiner Kraft das eine verlorene zu suchen. Es war ein natürlicher Trieb; und in der uns vorliegenden Stelle wird uns gesagt, dass dies ein Trieb ist, der nicht nur Menschen, sondern auch Engeln gemein ist, wenn das Weib, unbekümmert wegen der neun Groschen, welche sicher verwahrt waren, all ihre Angst und Sorge nur dem einen zuwandte, den sie verloren, und um dessen willen sie ein Licht anzünden, das ganze Haus kehren und eifrig suchen musste, bis sie ihn gefunden. Es Es war ein natürlicher Trieb in ihr, sich mehr zu freuen über dieses eine Stück als über alle übrigen, und es Freunden und Nachbarn zu verkünden, damit sie sich mit ihr freuen könnten. Und so sehr auch das Ebenbild Gottes auf dem Antlitz der Menschheit in allen seinen Zügen verwischt ist, so ist das nun ein Teil unserer Natur, die sich ganz ebenso im Himmel wiederfindet, wo „mehr Freude ist über einen Sünder, der Buße tut, als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen“. Möglicherweise ist jeder Planet, der durch das Weltall rollt, ein Land der Gerechten, ein Glied der großen Familie Gottes, und hat innerhalb des weiten Bereiches, den seine väterliche Güte kraftvoll umspannt, seine sichere Bahn. Aber ich kenne wenigstens einen Verirrten, und wie ist er so weit vom Pfade des Friedens und der Reinheit abgewichen; und wie hat er sich in trauriger Entfremdung von seinem Schöpfer verloren in jenen vielfach verschlungenen Pfaden, die ihn weit vom Wege der Unsterblichkeit weggeführt haben; wie sehr verblichen ist jene Schönheit, wie sehr getrübt jenes Glück, welches am Schöpfungsmorgen, als Gott anschaute Alles, was er gemacht hatte, und sah, dass es sehr gut war, so reichen Schmuck und Segen verhieß; und wie sehr hat er vor den Augen der sündlosen Kreatur diese Güte preisgegeben und ist rasch in Schuld und Schande und Elend versunken! Ja, wenn überhaupt etwas Wahres an diesem Kapitel ist, oder ein wohltuender, ergreifender Zug in dem Grundgedanken, der seine Gleichnisse durchzieht, wie sollten wir uns noch wundern, wenn jene, welche den Thron der Liebe umgeben, so aufmerksam zu uns herniederschauen, oder wenn alle anderen Himmelskörper auf eine kurze Spanne Zeit, mit dem Maßstab der Ewigkeit gemessen, vergessen scheinen, indem wir allein uns ihrer Teilnahme rühmen dürfen; oder wenn, wegen jedes Schrittes, den wir wieder zum Hirten zurücktun, wegen jedes einzelnen Menschen, welcher der Heerde, von der er sich verirrt, wieder zurückgegeben worden, eine Freudenbotschaft um die andere die himmlischen Heerscharen in Jubel versehen muss; oder wenn, so gesunken und gefallen wir auch sein mögen, der ganze Himmel Teil nimmt an dem Unternehmen dessen, welcher in der Kraft seiner Macht sich hingab, uns zu suchen und selig zu machen.

Und ich kann nicht umhin, hier noch zu bemerken, welche schöne Harmonie besteht zwischen dem Gesetz der teilnehmenden Liebe im Himmel und den rührenden Beweisen derselben auf unserer Erde. Wenn das Glied einer zahlreichen Familie von einer schweren Krankheit heimgesucht wird, wird nicht gerade auf dieses alle Liebe, alle Zärtlichkeit verwendet und nimmt es nicht so zu sagen das Interesse der ganzen Familie, der ganzen Umgebung für sich allein in Anspruch? Wenn das Heulen des nächtlichen Sturmes dem Mutterherzen traurige Ahnungen einflößt, zu welchem ihrer Kinder, möchte ich fragen, fliegt ihre Sorge, ihre Angst? Gilt sie nicht dem Sohne, dem Matrosen, den ihre Einbildungskraft mit den wilden Wellen des Meeres kämpfen sieht? Konzentriert sich nicht in dieser Stunde der vermeintlichen Gefahr die Unruhe und Furcht in ihrer ganzen Stärke auf ihn, und gilt nicht ihm für eine Weile jeder ihrer Seufzer, jedes ihrer Gebete? Wir hören manchmal von schiffbrüchigen Reisenden, die an ein barbarisches Ufer geworfen, von den lauernden Bewohnern ergriffen, durch die öden Pfade einer unbekannten Wildnis geschleppt, in Gefangenschaft verkauft, mit den Ketten unwiderruflicher Knechtschaft gefesselt und aller Freiheit außer der des Denkens beraubt worden sind, wobei sie gerade dies als einen neuen Stachel ihres Elendes fühlen. Denn an was können sie denken, als an die ferne Heimat? Und wenn die schönen und lieblichen Bilder in ihrer Seele aufsteigen, wie könnten sie anders daran denken, als mit der Bitterkeit der Verzweiflung? Nun sagt mir, wenn die Kunde von diesem Unglück seine Familie erreicht, welches ist das Glied derselben, dem die ganze Flut der Teilnahme und des Jammers zuströmt? Wer ist es, der Wochen, ja Monate lang jedes ihrer Gefühle in Anspruch nimmt, sie zu den größten Opfern anspornt, und die wirksamsten Mittel anwenden lässt, damit er wieder heimkehren könne? Wer macht, dass sie sich selbst und Alles um sie her vergessen? Und sagt mir, wo sind die Grenzen der Mühe, der Anstrengungen und der Hingabe, welche die betrübten Eltern und die weinenden Schwestern aufzuwenden bereit find, ihn zu suchen und zu retten?

Nun denkt euch, wozu wir durch die Gleichnisse dieses Kapitels berechtigt sind, das Wesen all dieser irdischen Anstrengungen in voller Wirksamkeit am Throne Gottes. Denkt euch das Weltall als eine eng verbundene glückliche Familie, diese entfremdete Welt als das einzige verirrte oder das einzige gefangene Glied, das zu ihr gehört, dann werden wir uns nicht mehr wundern, dass von der ersten Periode des Falles unseres Geschlechtes bis zu der Erfüllung seiner Bestimmung in der Zeit es eine solche Bewegung im Himmel geben würde, oder dass Engel so oft auf diese unsere Erde abgesandt wurden, zum Zwecke uns zurückzubringen, oder dass der Sohn Gottes sich sollte erniedrigt haben, die Last unserer wunderbaren Erlösung auf sich zu nehmen, oder dass der Geist Gottes durch die immer tätige Mannigfaltigkeit seines allmächtigen Einflusses uns gerade jetzt jene Gnade spenden sollte, um uns geschickt zu machen, damit wir wieder in jene himmlische Wohnungen aufgenommen werden. Denkt nur, dass die Liebe dort der herrschende Gedanke ist, die Liebe, deren Kraft und Stärke dahin zielt, wo ihr Gegenstand am meisten in Gefahr ist, auf immer verloren zu gehen; die Liebe, welche durch diesen einen Umstand zu den äußersten Anstrengungen und zum schönsten Ausdruck ihrer Zärtlichkeit sich getrieben fühlt; und dann kommen wir zu einer deutlichen und einleuchtenden Erklärung dieses ganzen Geheimnisses; auch werden wir der guten Botschaft, wenn sie uns schon sagt, dass durch die lange Geschichte dieser Welt lang nämlich nach unseren Begriffen, aber nur ein kurzer Monat nach der Zeitrechnung der Unsterblichkeit - so viel himmlische Wachsamkeit und Fürsorge auf die Erlösung ihrer schuldbeladenen Bewohner verwendet worden ist, nicht mit Unglauben entgegentreten.

Es gibt noch einen in unserer Natur begründeten Zug, der dieses Prinzip in seiner Vollendung aufzeigt und geeignet ist, die Anwendung desselben auf unser gegenwärtiges Argument noch deutlicher zu machen. So lange das sterbende Kind Davids noch lebte, war er in angstvoller, peinlicher Spannung und litt um seinetwillen. Als es aber gestorben, stand er auf und wurde getröstet. Dieser Zug in König David stimmt ganz überein mit allem, was wir hinsichtlich unserer eigenen Empfindungen und Gemütsbewegungen erfahren. Es ist die Macht der Ungewissheit, welche ein so unruhiges und seltsames Spiel mit unseren Herzen treibt, welche alle unsere Sorgfalt im Denken und Handeln um das Zehnfache vermehrt, welche alle unsere Wachsamkeit auf das Sterbebett des Kindes konzentriert, welche uns mit Rücksicht auf jede Veränderung, auf jedes Symptom im Fortschritt der Krankheit in so peinlicher Spannung erhält, welche alle unsere Liebe und Zärtlichkeit in einem Maße an sich zieht, das sich nicht näher bestimmen lässt, und welches uns drängt, jede Anstrengung zu machen, jedes Mittel anzuwenden, bis der erlöschende Strahl der Hoffnung gewichen, oder der Todesschlaf die Augen des lieben Wesens für immer geschlossen hat.

Ich weiß nicht, wer von euch im Buche des Lebens geschrieben steht, auch nicht, ob dies den Engeln im Himmel geoffenbart ist. Aber so lange ihr im Lande der Lebendigen weilt, ist euch die Kraft und der Einfluss eines Heilmittels geboten, welches, wenn man es nach der Vorschrift des Evangeliums nimmt, die Seele erneuert und ihr überhaupt einen Vorschmack gibt für das Leben und Blühen der Unsterblichkeit. Wundert euch also nicht, wenn, so lange diese Ungewissheit besteht, eure Seelsorger für euch besorgt sind, oder Engel für euch Sorge tragen, oder der ganze Himmel die Fortschritte eures Gnadenstandes und eurer Erneuerung aufmerksam verfolgen sollte, oder dass das Auge derjenigen, welche auf den obersten Höhen der himmlischen Welt stehen, so scharf auf jeden eurer Schritte und auf jede Veränderung in eurem inneren Leben gerichtet sein sollten. Eine solche Betrachtung sollte noch mehr als nur die ungläubigen Einwendungen. zum Schweigen bringen, sie sollte mit dem Rufe zur Buße unsern Lebenswandel umgestalten. Wie wird es die ganze Schuld unseres reuelosen Widerstandes vergrößern, sollten wir uns der Macht und der Liebe dieser vielfachen Aufforderungen widersetzt haben: nämlich der Stimme Gottes, der zum Bitten sich herablässt, dem Wort der Erlösung, das uns ins Haus gebracht wird, dem freien Anerbieten von Gnade und Kindesstellung, das unsere Ohren hören können, dem heiligen Geiste, der immer bereit ist, jedem unserer Wünsche, jeder unserer Fragen entgegen zu kommen, den Engeln, die uns zu sich laden und den ersten Regungen unseres erwachten Gewissens, die uns die volle Teilnahme und die ganze Fürsorge der himmlischen Heerscharen zuwenden.