Inhaltsverzeichnis

Calvin, Jean - Vom Abendmahl des Herrn.

Da das Sacrament des heiligen Abendmahles unseres Herrn Jesu Christi lange Zeit in viele und große Irrthümer verwickelt und in den letzten Jahren gar der Gegenstand verschiedener und nichts weniger als friedlicher Erörterungen gewesen ist, so darf es uns nicht Wunder nehmen, daß viele schwache Gemüther nur schwer sich darüber klar werden können, welcher Auffassung sie vorzugsweise sich anschließen sollen, vielmehr in zweifelsvoller Ungewißheit abwarten, bis es zur Schlichtung der Streitigkeiten unter den Dienern Gottes und zu irgend welcher Uebereinstimmung in dieser Angelegenheit gekommen sein wird. Da aber derartige Zweifel sehr verderblich sind und es überdieß auch sehr gefährlich ist, keine Gewißheit in diesem Geheimniß zu haben, dessen Verständniß zu unserem Heile so überaus nothwendig ist, so habe ich es für nützlich erachtet, die Hauptpunkte dieser Lehre in aller Kürze ins Licht zu setzen und in klaren Worten zu erhärten, was vorzugsweise darin festgehalten werden müsse. Es haben mich überdieß einige wohlgesinnte Männer, welche einsahen, daß es die Lage der Dinge also erheische, dringend darum ersucht, und habe ich, um meine Pflicht nicht aus den Augen zu setzen, ihrer Aufforderung Folge geben müssen.

Um jedoch das Verständniß unserer Ausführungen zu erleichtern, müssen wir vor Allem den Plan, den wir zu verfolgen gedenken, angeben. Zuerst wollen wir auseinandersetzen: warum und zu welchem Zwecke der Herr dies heilige Sacrament eingesetzt habe. Sodann: welche Frucht uns daraus erwachse, wobei wir zugleich darthun werden, wie uns der Leib Christi darin gegeben werde. Drittens werden wir auf den rechten Gebrauch dieses Sacramentes hinweisen. Viertens wollen wir die Irrthümer und abergläubischen Satzungen angeben, mit denen es befleckt worden, und zeigen, worin sich die Diener Gottes von den Papisten unterscheiden müssen. Endlich fünftens wollen wir auseinandersetzen, welches der Ursprung des Streites gewesen ist, der mit solcher Bitterkeit von denen selbst geführt worden, die in unseren Tagen auf die Erneuerung der Kirche und auf die Wiederherstellung der reinen Lehre auf Grund des Evangeliums mit allem Eifer bedacht gewesen sind.

I.

Was den ersten Punkt betrifft. Da es dem Allerhöchsten gefallen hat, uns durch die Taufe in die Kirche aufzunehmen, das heißt in seine Hausgenossenschaft, die er selbst ernähren und erhalten will, und zwar uns nicht bloß als Hausgenossen, sondern auch als seine Kinder angenommen hat, so muß er auch, um den Pflichten eines rechtschaffenen Vaters zu genügen, uns erziehen und uns Alles, was zu unserer Nahrung und Ausbildung gehört, zu Theil werden lassen. Was nun die Erziehung des Leibes anlangt, so kann diese, da sie sich auf alle Menschen erstreckt, und den Bösen wie den Guten auf gleiche Weise zu Theil wird, nicht als ein auf den Kindern Gottes ausschließlich ruhender Segen betrachtet werden. Wohl haben wir darin ein Zeugniß seiner väterlichen Güte gegen uns, wenn er unsern Leib nährt und schützt, und wir aller der Güter theilhaftig werden, die er uns in seiner Gnade so reichlich zufließen läßt: aber wie das Leben, zu welchem er uns erneuert hat, ein geistiges ist, so muß auch die Speise, durch welche wir erhalten und gekräftigt werden sollen, eine geistige sein. Wir müssen nämlich wohl bemerken, daß wir nicht bloß zu dem dereinstigen Besitz jenes himmlischen Erbes berufen, sondern durch die Hoffnung gewissermaßen schon jetzt zu diesem Besitz gelangt sind: so daß uns der Herr das Leben nicht bloß verheißen, sondern uns auch wirklich dem Tode entrissen und in dasselbe hinübergeleitet hat. Dieser Wohlthat sind wir aber theilhaftig geworden, wenn er uns als seine Kinder angenommen und uns wiedergeboren hat durch den Samen der Unsterblichkeit, ich meine durch sein Wort, welches er durch den heiligen Geist in unsere Herzen eingeprägt hat.

Zur Pflege und Erhaltung dieses neuen, geistigen Lebens können also unmöglich vergängliche und verwesliche Speisen beitragen, wodurch der Bau genährt wird; unsere Seele bedarf dazu ganz anderer, bei weitem besserer und vorzüglicherer Nahrungsmittel. Die ganze Schrift aber bezeugt uns, daß das geistige Brod, wodurch unsere Seelen erhalten werden, eben dasselbe Wort sei, wodurch der Herr uns wiedergeboren hat, und giebt zugleich als Grund dafür an, daß Christus, unser einziges Leben, und in demselben dargereicht und geschenkt werde. Denn da Gott gewollt hat, daß in Christo die ganze Fülle des Lebens wohne, um dieselbe durch ihn uns mitzutheilen, hat er uns auch das Wort gewissermaßen als das Werkzeug gegeben, wodurch Christus mit allen seinen Gnadengütern uns zugetheilt wird. Fest steht also der Satz, daß unsere Seelen mit keiner andern Speise, als mit Jesu Christo genährt werden. Deshalb hat der himmlische Vater, um unser Fortkommen besorgt, uns auch kein anderes Nahrungsmittel gegeben, hat uns vielmehr auf dies Eine ausschließlich hingewiesen. Damit sollen wir uns begnügen; dabei soll sich unsere Seele beruhigen, da es zur Stärkung und Erhaltung derselben zum Ueberflusse ausreicht, da wir es schlechterdings nicht entbehren können, da, wenn es uns entzogen würde, kein zweites an seiner Stelle gefunden werden könnte.

In wie fern Christus die einzige Speise ist, wodurch unsere Seelen genährt werden, haben wir jetzt gesehen. Aber da er nun durch das Wort Gottes, als durch das für diesen Zweck bestimmte Werkzeug, uns mitgetheilt wird, wird er Brod 1) und Wasser 2) genannt. Was aber vom Worte gesagt wird, gilt auch vom Sacrament des Abendmahles, wodurch uns der Herr in die Gemeinschaft mit Christo führt. Denn da wir so schwach und kleinmüthig sind, daß wir ihn nicht zuversichtlich ergreifen können, wenn er nur durch die Predigt des Wortes uns dargeboten wird, so hat der Vater der Barmherzigkeit sich zu unserem Kleinmuth herabgelassen und außer dem Worte uns noch ein Zeichen gegeben, was mit den Augen sinnlich wahrgenommen werden kann, um uns dadurch das Wesen seiner Verheißungen darzustellen, um allen Zweifel und alle Ungewißheit aus unserer Seele zu verscheuchen, und unsere Zuversicht zu befestigen und zu stärken.

Da also dieses Geheimniß ein erhabenes und schwer zu begreifendes ist, und wir es mit unserem Geiste nicht fassen, noch mit dem Gedanken es ergründen können, wie der Leib und das Blut Christi uns mitgetheilt werden, ja da wir so unwissend und unerfahren sind, daß wir in göttlichen Dingen auch nicht das Geringste verstehen, so mußte uns dies auf eine unserem Fassungsvermögen entsprechende Art gezeigt werden. Darum hat der Herr das heilige Abendmahl eingesetzt, um erstlich uns jene Verheißungen zu versiegeln, kraft deren er uns im Evangelio seines Leibes und Blutes theilhaftig zu machen verheißen hat, und uns in der Ueberzeugung zu befestigen, daß unser geistiges Leben darin bestehe, daß wir nach Empfang eines so außerordentlichen Unterpfandes die feste Zuversicht unseres Heiles haben: zum Andern, um uns zur Erkenntniß und zum Preise seiner unendlichen Güte und Barmherzigkeit zu führen: endlich drittens, um uns dadurch, daß wir uns als Glieder Christi erkennen, zur Führung eines heiligen und gottseligen Wandels, zur Pflege der Freundschaft und brüderlichen Eintracht, welche uns besonders ans Herz gelegt wird, zu treiben. Wenn wir diese drei Gesichtspunkte recht scharf ins Auge fassen, von denen der Herr bei der Einsetzung des heiligen Abendmahles ohne Zweifel ausgegangen ist, so wird uns dies auch weiter zur rechten Erkenntniß der Früchte führen, die uns daraus erwachsen, sowie der Art und Weise, wie wir dieselben zu gebrauchen haben.

II.

So wären wir also zu dem zweiten Abschnitt unserer Auseinandersetzung gekommen, in welchem wir zeigen wollten, welche heilsame Frucht uns aus dem Mahle des Herrn erwachse, wenn anders wir dieselbe zu ergreifen und zu genießen verstehen. Dies wird uns klar werden, wenn wir unsere Bedürftigkeit, der das heilige Abendmahl zu Hülfe kommt, recht sorgfältig in Erwägung ziehen. Wir müssen nämlich erschrecken über uns selbst, wenn wir erkennen, was wir sind, und prüfen, was in uns ist. Denn Niemand ist unter uns, der auch nur eine Spur von Gerechtigkeit in sich entdecken könnte; im Gegentheil, wir sind mit so vielen Lastern und Verbrechen besudelt, und mit einer solchen Menge von Sünden behaftet, daß es weiter keines Anklägers als unseres Gewissens bedarf: auch braucht kein anderer Richter gesucht zu werden, der uns verurtheilt. Daraus folgt, daß der Zorn Gottes wider uns entbrannt ist und daß Niemand dem ewigen Tode entfliehen kann. Wenn wir aber noch nicht ganz in Sicherheit und Stumpfsinn versunken sind, so muß jener furchtbare Gedanke uns eine stete Höllenpein verursachen. Denn wir können nicht an das göttliche Gericht denken, ohne daß zugleich unsere Verdammniß uns offenbar werde. Wir werden also von dem Abgrunde des Todes verschlungen, wenn uns nicht der Allmächtige dem Verderben entreißt. Wie können wir aber die Hoffnung der Auferstehung haben, wenn wir unser Fleisch betrachten, das an sich hinfällig und der Zerstörung unterworfen ist? Wir mögen also auf den Leib oder auf die Seele sehen, wir erblicken in uns nichts als Elend, so lange wir uns auf uns selbst beschränken, und müssen beim Gefühl dieses jammervollen Zustandes von namenloser Angst und Unruhe gefoltert werden. Um daher unserer großen Schwachheit zu Hülfe zu kommen, hat uns der himmlische Vater das Abendmahl gegeben wie einen Spiegel, worin wir den gekreuzigten und auferstandenen Christum erblicken: Den gekreuzigten, damit unsere Sünden und Frevel hinweggenommen werden: den auferstandenen, damit wir vom Verderben des Todes befreit, der himmlischen Unsterblichkeit wieder theilhaftig werden. Diesen besonderen Trost entnehmen wir aus dem Abendmahle unseres Herrn, daß es uns zum Kreuze und zur Auferstehung Christi führt, damit wir wissen, daß, obgleich böse und ungerecht, wir dennoch vom Herrn angenommen und als gerecht erkannt werden: daß, obwohl vom Tode umstrickt, wir dennoch durch ihn zum Leben geführt werden: daß, obwohl in namenloses Elend versunken, wir dennoch der ganzen Fülle der Seligkeit theilhaftig werden sollen. Oder um uns noch klarer auszudrücken: Da in uns durchaus nichts Gutes vorhanden ist, und wir auch nichts von Dem besitzen, was zur Erlangung des Heiles erforderlich ist, so giebt uns das Abendmahl das gewisse Zeugniß, daß wir Alles, was uns nützlich und heilsam ist, erlangt haben, wenn wir des Leidens und Sterbens Christi theilhaftig sind. Darum können wir behaupten, daß der Herr uns alle Schätze seiner himmlischen Gnadengaben öffnet, indem er uns zur Theilnahme an den Gütern Christi gelangen läßt. Vergegenwärtigen wir uns also, daß das Abendmahl uns gegeben ist als ein Spiegel, worin wir Christum erblicken: den gekreuzigten, auf daß wir vom Tode und der Verdammniß befreit werden: den auferstandenen, auf daß wir Gerechtigkeit und ewiges Leben erlangen. Obschon uns dieselbe Gnade auch im Evangelio dargeboten wird, so sehen wir sie doch mit Recht als eine aus dem Abendmahle insonderheit uns erwachsende Frucht an, da wir in diesem Sacramente zu weit größerer Gewißheit und vollerem Genusse derselben geführt werden.

Da aber die Güter Christi uns nicht gehören, wenn nicht zuvor er selbst der Unsere geworden, so muß er uns zuerst im Abendmahle geschenkt werden, damit, was wir soeben bemerkten, nun auch wirklich in uns vollbracht werde. Darum pflege ich Christum als die Materie und die Substanz der Sacramente, die Gnadengaben und Wohlthaten aber, die uns durch ihn zu Theil werden, als die Kraft und Wirkung derselben zu bezeichnen. 3) Ferner: die Kraft des Abendmahles besteht darin, daß es die durch das Leiden und Sterben Christi gewirkte Versöhnung mit Gott bestätigt, daß es uns gewiß macht, daß unsere Seelen durch sein Blut gereinigt worden und wir durch seinen Gehorsam Gerechtigkeit erlangt haben, daß es endlich die Hoffnung des Heiles, die wir auf dasjenige alles gründen, was er für uns gethan hat, an unseren Herzen versiegelt. Hieraus müssen wir schließen, daß die Substanz mit der Kraft des Sacramentes verbunden ist; sonst würden wir schlechterdings zu keiner Gewißheit gelangen. Zweierlei wird uns also im Abendmahle geboten: Christus, als Grund, Quelle, Ursache aller Güter, und zum Andern die Frucht seines Leidens und Sterbens. Dies geben uns auch die Einsetzungsworte deutlich zu erkennen. Er heißt uns nämlich nicht bloß seinen Leib essen und sein Blut trinken, sondern fügt ausdrücklich hinzu, daß sein Leib für uns dahingegeben und sein Blut zur Vergebung der Sünden vergossen sei. Dadurch giebt er uns erstens zu erkennen, daß uns nicht bloß sein Leib und sein Blut an und für sich gereicht werden, sondern auch die Frucht, die aus seinem Leiden und Sterben kommt, von uns empfangen werden müsse. Ferner wie können wir zu dem Vollgenusse so großer Güter gelangen, wenn wir nicht seines Leibes und Blutes theilhaftig geworden sind, aus denen dieselben entspringen?

Wir kommen nun zu der Frage, die in älterer und neuerer Zeit so oft angeregt worden ist, wie nämlich die Worte zu verstehen seien, worin Christus Brod und Wein seinen Leib und sein Blut nennt. Die Antwort wird uns nicht schwer fallen, wenn wir den Gedanken im Auge behalten, den wir vorhin ausführten, daß der Nutzen, den wir aus dem Abendmahle zu ziehen gedenken, gänzlich verschwindet, wenn nicht Christus selbst als die Grundlage und die Substanz des Sacramentes uns gegeben wird. Steht dies fest, so leuchtet ein, daß wir das Abendmahl zu einer ganz überflüssigen Handlung machen würden, wenn wir, was eine abscheuliche Lästerung wäre, die darin uns dargebotene wahrhaftige Gemeinschaft mit Christo in Abrede stellten. Wenn ferner diese Gemeinschaft mit Christo in der Weise vermittelt wird, daß wir aller Gnadengüter und Wohlthaten, die er uns durch seinen Tod erworben, theilhaftig werden, so genügt es nicht, daß wir an seinem Geiste, wir müssen auch an seiner Menschheit Theil haben, in welcher er, um unsere Schulden zu bezahlen, einen vollkommenen Gehorsam Gott dem Vater geleistet hat. Auch kann Eins ohne das Andere nicht geschehen. Denn wenn er sich uns giebt, so thut er es, damit wir ihn ganz besitzen. So wie nun die Schrift lehrt, daß sein Geist unser Leben ist, so sagt er selbst, daß sein Fleisch unsere Speise und sein Blut in Wahrheit unser Trank sei. Wenn dies nicht leere Worte sind, so müssen, wenn unser Leben in Christo sein soll, auch unsere Seelen mit seinem Fleisch und Blut, als den ihnen eigenthümlichen Speisen genährt werden. Das soll uns im Abendmahle bezeugt werden, wenn es vom Brode heißt: „nehmet hin und trinket, das ist mein Blut“. Ausdrücklich ist von Leib und Blut die Rede, damit wir darin die Speise unseres geistigen Lebens erkennen.

Wenn man nun fragt, ob das Brod der Leib, und der Wein das Blut Christi sei, so werden wir antworten, daß Brod und Wein sichtbare Zeichen sind, die uns den Leib und das Blut Christi darstellen, daß diese Zeichen aber Leib und Blut genannt werden, weil sie gewissermaßen die Werkzeuge sind, wodurch der Herr Jesus uns diese mittheilt. Diese Bezeichnung ist sehr treffend. Denn obgleich wir weder mit den Augen noch mit dem Geiste die Gemeinschaft begreifen können, die wir mit dem Leibe Christi haben, so wird diese doch deutlich hier dem Auge gezeigt. Wir können ein faßliches Beispiel anführen. Da Gott wollte, daß sein Geist bei der Taufe Christ erscheinen sollte, stellte er ihn in Gestalt einer Taube dar. Johannes der Täufer erzählt, er habe den heiligen Geist herniederfahren sehen. Wenn wir es genau untersuchen, werden wir finden, daß er nichts als eine Taube gesehen hat; denn der heilige Geist an und für sich ist unsichtbar. Da er aber wußte, daß, was er sah, nicht eine leere, bedeutungslose Erscheinung, sondern das sicherste Zeichen der Gegenwart des heiligen Geistes sei, so behauptet er fest, er habe ihn gesehen, in so fern er auf eine seinem Wahrnehmungsvermögen entsprechende Weise in die Erscheinung trat. 4) So müssen wir nun auch von der Gemeinschaft, welche wir mit dem Leibe und Blute Christi haben, sagen, daß sie ein geistiges Geheimniß ist, welches weder mit den Augen gesehen, noch auch mit dem Geiste des Menschen aufgefaßt werden kann 5) Sie wird uns unter sichtbaren Zeichen, wie es die Schwachheit unserer Natur erheischt, gezeigt, doch immerhin unter Zeichen, die mit den Gegenständen, die sie bezeichnen, auf das engste verknüpft sind. Mit Recht wird also das Brod Leib genannt, da es denselben uns nicht bloß darstellt, sondern auch darbietet. Wir werden daher gern zugeben, daß der Name Leib Christi auf das Brod übertragen werde, da es Zeichen und Unterpfand desselben ist 6) Aber das wollen wir noch hinzufügen, daß es durchaus nicht etwa nöthig ist, die Sacramente des Herrn von ihrer Substanz zu trennen. Beide zu unterscheiden, ist, um Verwechslungen zu vermeiden, nicht nur gut, sondern schlechterdings nothwendig; aber sie so zu scheiden, daß das Eine ohne das Andere gesetzt wird, ist ungereimt. Wenn wir also das sichtbare Zeichen ansehen, so müssen wir bedenken, was es darstellt und von wem es uns gegeben ist. Das Brod nämlich wird uns gegeben, um uns den Leib Christi darzustellen: den sollen wir genießen; und es wird uns gegeben von Gott, der die ewige und unveränderliche Wahrheit ist. Wenn aber Gott weder täuschen noch lügen kann, so müssen wir schließen, daß er Alles, was er uns im Sacrament durch äußere Zeichen darstellt, auch wirklich vollzieht und uns zu Theil werden läßt. Darum müssen wir im Abendmahle wahrhaftig den Leib und das Blut Christi empfangen, da uns die Gemeinschaft mit Beiden vom Herrn darin dargestellt wird. Denn was sollte solch’ Essen und Trinken zu bedeuten haben, wenn der Herr es zu dem Zwecke eingesetzt, daß Brod und Wein uns auf den Leib und das Blut Christi, unsere geistige Nahrung, hinweisen, und er uns doch nichts als Brod und Wein darböte? Würde das Sacrament dann nicht ganz zwecklos sein, und würde uns der Herr durch solche Darreichung nichtsbesagender Zeichen nicht betrogen haben? Es muß daher zugegeben werden, daß, wie die Darstellungsweise, deren Gott im Abendmahle sich bedient, eine wahrheitsgemäße und mit der Sache übereinstimmende ist, so auch die innere Substanz des Sacramentes mit den sichtbaren Zeichen verbunden sei, und wie das Brod uns mit der Hand gereicht wird, so auch der Leib Christi, dessen wir theilhaftig werden sollen, uns mitgetheilt werde. Dies Eine sollte uns, abgesehen von allem Anderen, schon reichlich genügen, die Ueberzeugung nämlich, daß Christus uns im Abendmahle die wahrhaftige Substant seines Leibes und Blutes giebt, damit wir ihn in vollstem Maße besitzen und in diesem Besitze zur Gemeinschaft aller seiner Güter gelangen. Denn wenn wir ihn selbst in uns haben, so sind auch alle himmlischen Schätze, die in ihm verborgen sind, vor uns ausgebreitet, daß sie unser seien und wir sie mit ihm gemeinschaftlich genießen. Der Nutzen des Abendmahles besteht also kurz gesagt darin, daß Jesus Christus uns in demselben dargeboten wird, damit wir ihn selbst, und in ihm die ganze Fülle der Gnadengüter und Wohlthaten besitzen, nach denen unser Herz verlangen kann; und, was damit zusammenhängt, daß es unsere Herzen in dem Vertrauen, das wir zu Christo haben sollen, im Wesentlichen stärkt und befestigt.

Der zweite Nutzen, den wir aus dem Abendmahle ziehen, ist der, daß wir dadurch ganz besonders angespornt werden, die Wohlthaten, die wir von unserem Herrn Jesu Christo empfangen haben und noch täglich empfangen, zu erkennen, und daß wir in Folge dessen ihm die Ehre geben und seinen heiligen Namen in alle Ewigkeit preisen. Denn von Natur achten wir gar nicht auf die Güte unseres Gottes; wir denken nicht daran, wenn er nicht selbst die Gleichgültigkeit in unseren Herzen ertödtet und an unsere Pflicht uns mahnt. Ernstlicher aber kann er uns nicht mahnen, als indem er uns so zu sagen nöthigt, die Größe jener unendlichen Wohlthat, daß er uns mit seiner eigenen Substanz nährt und erquickt, mit den Augen zu schauen und mit den Händen zu fühlen. Dies will er uns auch zu erkennen geben, wenn er uns seinen Tod verkündigen heißt, bis daß er kommt. Wenn es nun zu unserem Heile so nothwendig ist, daß wir der göttlichen Wohlthaten eingedenk bleiben und seine Gnadengaben vor den Menschen preisen, so erkennen wir mit Recht einen besonderen Nutzen des Abendmahles darin, daß es uns vor dem Laster des Undankes bewahrt und nicht zugiebt, daß wir die große Wohlthat vergessen, deren Christus uns durch seinen Tod theilhaftig gemacht hat, vielmehr uns antreibt, ihm dafür zu danken und diesen Dank durch öffentliche Zeugnisse an den Tag zu legen.

Der dritte Nutzen des heiligen Abendmahls endlich ist der, daß wir dadurch mehr zur Führung eines heiligen Lebens, und vorzugsweise zur Pflege der christlichen Liebe und Freundschaft ermahnt werden. Da wir nämlich Christi Glieder geworden, ihm einverleibt, und zugleich mit ihm als unserem Haupte verbunden sind, so ist es billig, daß wir zunächst seiner Reinheit und Unschuld gleichförmig werden, und daß besonders jene Eintracht unter uns herrsche, welche unter den Gliedern eines und desselben Leibes stattfinden muß. Nun würde es allerdings mit diesem Nutzen nicht viel auf sich haben, wenn es bei dem Umstande sein Bewenden behielte, daß der Herr uns zu diesem neuen Leben blos ermahnen, oder durch das äußere Zeichen anspornen wollte. Das aber ist die Hauptsache, daß er innerlich in uns mit seinem Geiste schafft, daß wir der Kraft und Wirkung dieses Sacramentes theilhaftig werden, das er gewissermaßen als Werkzeug bestimmt hat, ums ein Werk in uns auszurichten. Da also die Kraft des heiligen Geistes mit den Sacramenten verbunden ist, wofern wir sie recht gebrauchen, so müssen wir auch das feste Vertrauen haben, daß sie zur Förderung eines heiligen Lebens und insonderheit der christlichen Liebe im Wesentlichen beitragen.

III.

Wir kommen zum dritten Abschnitt unserer Auseinandersetzung, auf den rechten Gebrauch des heiligen Abendmahles. Wer mit Verachtung, oder auch nur unbekümmert um sein Seelenheil zum Tische des Herrn kommt, ohne den festen Vorsatz, in dem neuen Leben zu beharren, zu welchem der Herr ihn berufen, der kommt unwürdig zum Sacrament, und befleckt dasselbe durch diesen unwürdigen Gebrauch. Aber eine so heilige, von Gott selbst geweihte Handlung zu beflecken, ist ein großes und unerträgliches Verbrechen. Auch verkündet Paulus nicht ohne Grund eine schreckliche Verdammniß allen Denen, die das Abendmahl unwürdig genießen. Denn wenn es weder im Himmel noch auf Erden etwas Erhabeneres giebt, als den Leib und das Blut des Herrn, so wird man keine geringe Schuld auf sich laden, wenn man ihn unbedachtsam und leichtsinnig genießt, und ohne gründliche Vorbereitung dem heiligen Tische naht. Außerdem ermahnt uns der Apostel, daß wir uns selber prüfen, damit wir, wie es sich gebührt, das Sacrament gebrauchen. Wenn es nun klar ist, wie diese Prüfung beschaffen sein muß so werden wir auch alsbald erkennen, was zu dem rechten Gebrauch, von dem wir reden, erforderlich ist.

Aber es ist in diesem Punkte große Vorsicht anzuwenden. Denn nicht nur müssen wir bei der Prüfung unserer selbst, wie sie der Herr befohlen hat, mit der größten Sorgfalt zu Werke gehen, es haben auch sophistische Lehrer die betrübten Gewissen verwirrt und geängstet, ja geradezu in Höllenpein dadurch versetzt, daß sie ich weiß nicht was für eine Art von Selbstprüfung verlangten, die kein Mensch zu vollziehen im Stande gewesen wäre. Um nun von dieser Angst befreit zu werden, müssen wir Alles, wie schon gesagt, auf die Einsetzung des Herrn, als auf die Richtschnur zurückführen, wonach wir unsere Prüfung einzurichten haben; dann werden wir weder fehlen noch irren. Wenn wir darnach verfahren, so müssen wir erwägen, ob wir wahre Buße und wahren Glauben in uns wahrnehmen. Beide sind so eng mit einander verknüpft, daß eins ohne das Andere nicht bestehen kann. Denn wenn wir glauben, daß unser Leben in Christo ist, so müssen wir erkennen, daß wir in uns selber todt sind; wenn wir bei ihm unsere Kraft und Stärke suchen, so müssen wir einsehen, daß wir selbst aller Kraft ermangeln; wenn wir unsere Seligkeit von seiner Gnade abhängig machen, so müssen wir wissen, wie groß ohne die Gnade unser Elend ist; wenn unsere Ruhe, unser Friede allein in ihm ist, so dürfen wir in uns selbst nichts als Unruhe, Kummer und Sorgen wahrnehmen. Solch Bewußtsein kann aber nicht in uns vorhanden sein, ohne einmal das größte Mißfallen an uns selber, zum Andern Furcht und Unruhe, und endlich Liebe und Sehnsucht nach Gerechtigkeit uns einzuflößen. Denn wer das Abscheuliche seiner Sünden und das Elend seiner gottentfremdeten Natur kennt, der wird von solcher Scham ergriffen, daß er sich selbst mißfallen, sich selbst verdammen, und vor innerem Schmerze in laute Seufzer ausbrechen muß. Dazu kommt ferner das göttliche Gericht, welches das Gewissen des Sünders mit unsäglicher Angst erfüllt, da er sieht, daß er ihm nicht entfliehen und auch in keiner Weise gegen seine Anklagen sich vertheidigen kann. Wenn wir bei dieser Erkenntniß unseres elendes Gottes Güte schmecken können, dann tragen wir Verlangen, unser ganzes Leben nach seinem Willen zu richten, unseren vorigen Wandel abzulegen, und in Ihm eine neue Creatur zu werden. Wenn wir also der rechten Gemeinschaft mit dem Herrn im heiligen Abendmahle theilhaftig werden wollen, so müssen wir mit fester Zuversicht Christum als unsere Gerechtigkeit, unser Leben und unser Heil erkennen, müssen seine Verheißungen ergreifen und für gewiß ansehen, müssen alles Andere, was damit im Widerspruche steht, und unser Vertrauen darauf, fallen lassen, damit wir an aller eigenen und an aller menschlichen Hülfe verzweifelnd, auf ihn allein unsere ganze Zuversicht setzen und an seiner Gnade uns genügen lassen. Da dies aber nicht möglich ist, wenn wir nicht wissen, wie sehr wir seines Beistandes bedürfen, so müssen wir durch das Gefühl unseres Elendes fortwährend dazu angestachelt werden, daß wir gleichsam wie Hungrige begierig nach ihm verlangen. Denn wie lächerlich wäre es, ohne Appetit Speise zu begehren? Zum Appetit aber gehört nicht bloß ein leerer Magen: er muß auch so beschaffen sein, daß er Speise in sich aufnehmen kann. Hieraus ergiebt sich, daß unsere Seelen hungern und heftig nach Speise verlangen müssen, wenn sie im Abendmahle des Herrn ihre Nahrung finden wollen. Ferner muß bemerkt werden, daß wir nach Christo uns nicht sehnen können, wenn wir nicht nach der Gerechtigkeit trachten, die vor Gott gilt, und welche in der Selbstverläugnung und im Gehorsam gegen ihn besteht. Denn das verträgt sich nicht miteinander, daß wir Christo einverleibt sind, und dabei nach den Lüsten und Begierden unseres Fleisches leben. Da in Christo nichts ist, als lauter Reinheit, Enthaltsamkeit, Gütigkeit, Mäßigkeit, Wahrheit, Demuth und andere ähnliche Tugenden, so müssen wir, wenn anders wir seine Glieder sein wollen, uns auch von allen sündlichen Begierden, von Anmaßung, Uebermuth, Eitelkeit, Stolz und den übrigen Lastern fern halten. Denn wir würden nicht, ohne ihm die größte Schmach anzuthun, neben solchen Sünden ihn im Herzen tragen können. Wir müssen immer bedenken, daß er nicht mehr Gemeinschaft mit der Sünde hat, als das Licht mit der Finsterniß. Wir werden also zur wahren Buße gelangen, wenn wir darnach trachten, daß unser Leben sich nach dem Vorbild Christi richte. Und zwar betrifft diese Forderung nicht blos im Allgemeinen alle Seiten unseres Lebens, sondern insonderheit auch die Liebe, welche uns vorzüglich in diesem Sacramente empfohlen wird. In dem Sinne wird es ja auch das Band der Liebe genannt. Wie nämlich das zum gemeinsamen Gebrauch geheiligte Brod aus vielen Körnern beseht, welche so unter sich verbunden sind, daß Eins vom Andern nicht getrennt werden kann, so soll auch uns ein unauflösliches Band der Freundschaft umschlingen. Und so empfangen wir Alle denselben Leib Christi, damit wir seine Glieder seien. Wenn wir nun Uneinigkeit und Zwietracht unter uns nähren, so reißen wir, so viel an uns ist, Christum auseinander, und laden dadurch dieselbe Schuld auf uns, als wenn wir jenes Verbrechen in der That begingen. Darum wagen wir es nicht, dem heiligen Tische zu nahen, so lange wir noch irgendwie Haß und Groll gegen Jemand, und besonders gegen Christen, die zur Einheit der Kirche gehören, im Herzen tragen. Wir müssen überdies, um der Absicht des Herrn zu genügen, noch darauf aufmerksam machen, daß zu einem würdigen Genusse es erforderlich ist, daß wir mit dem Munde es bekennen und mit der That es bezeugen, wie viel der Heiland für uns gethan hat, und daß wir ihm dafür Dank sagen, nicht nur damit durch uns sein Name gepriesen werde, sondern auch um uns gegenseitig zu erbauen, und dem Nächsten an unserem Vorbild zu zeigen, was er zu thun habe.

Da nun aber kein Mensch schon so weit im Glauben und in der Heiligung gefördert ist, daß nicht noch viel an ihm zu wünschen übrig bliebe, so wäre es zu befürchten, daß viele fromme Gemüther sich durch das Gesagte verwirren ließen, wenn wir ihnen nicht entgegenkämen, und unsere Vorschriften über Buße und Glauben auf das gehörige Maß zurückführten. Denn sehr gefährlich ist der Standpunkt derer, die da auf vollkommene Zuversicht und Buße dringen, und alle diejenigen, denen noch etwas daran fehlt, vom Tische des Herrn ausschließen wollen. Auf diese Weise müßten nämlich Alle, ohne Ausnahme, ausgeschlossen werden. Denn wer unter uns wird behaupten wollen, daß sein Vertrauen nie wanke, daß er nie einen Flecken, nie eine Schwäche an sich gewahre? Wenigstens sind alle Kinder Gottes davon durchdrungen, daß sie fortwährend Ursache haben, den Herrn zu bitten, daß er ihrem Unglauben zu Hülfe komme. Denn diese Krankheit hat ihre Wurzeln so tief in uns geschlagen, daß wir schlechterdings nicht geheilt werden können, bevor wir nicht von diesen Fesseln des Körpers befreit werden. Auch ist es um unsere Heiligung so schlecht bestellt, daß wir tagtäglich um Vergebung der Sünden und um Wachsthum in der Gnade bitten müssen; und obgleich die Einen unvollkommener sind als die Anderen, so ist doch Keiner schon so gefördert, daß er nicht noch in vielen Stücken fehlte. Wenn man also ein solches Maß des Glaubens und der Heiligung fordern will, dem schlechterdings nichts mehr fehlt, so wird das Abendmahl Allen nicht nur unnütz, sondern sogar verderblich sein; und das widerstreitet ohne Zweifel der Absicht des Herrn, der seiner Kirche gerade nichts Heilsameres gegeben hat. Wenn daher unser Glaube auch noch unvollkommen und unser Gewissen noch nicht so rein ist, daß es uns nicht noch vieler Sünden beschuldigte, so darf uns das doch nicht hindern, dem heiligen Tische des Herrn zu nahen, wenn wir nur bei unserer Schwachheit, natürlich ohne alle Verstellung und Heuchelei, unser Heil allein in Christo suchen und unser Leben nach seinem Evangelio zu richten beflissen sind. Ohne Heuchelei, sag’ ich ausdrücklich, weil gar Viele sich selbst betrügen und sich einreden, es sei genug, wenn man seine Sünden verdamme, wenn man sie auch dabei nähre und pflege; oder auch, es reiche hin, sich einige Zeit derselben zu enthalten, wenn man auch nachher ihnen wieder Raum gestatte. Die wahre Buße ist fest und beständig, und darum bewirkt sie, daß wir nicht blos einige Tage oder Monate, sondern Zeit unseres Lebens, ohne Unterbrechung, das Böse, das uns anklebt, erkennen und dagegen ankämpfen. Wenn wir so in Wahrheit Mißfallen an unseren Lastern haben, wenn wir es fühlen, daß wir von aufrichtigem Hasse dagegen, welcher aus der Furcht Gottes entspringt, sowie von dem lebhaften Wunsche erfüllt sind, ein gottseliges und heiliges Leben zu führen, dann sind wir würdig, das Abendmahl des Herrn zu nehmen, wenn auch noch viel Schwachheit in uns ist. Ja, wenn wir nicht schwach, kleingläubig und unvollkommen wären, dann würde das Sacrament unnütz und seine Einsetzung überflüssig gewesen sein. Da es also ein Heilmittel ist, wodurch Gott unserer Schwachheit zu Hülfe kommen, unseren Glauben stärken, unsere Liebe mehren, und in der Heiligung des Lebens uns fördern will, so müssen wir gerade um so häufiger es gebrauchen, je mehr das Gefühl unserer Krankheit uns drückt; so wenig dürfen wir uns dadurch abhalten lassen. Das Abendmahl nicht genießen unter dem Vorwande, daß man noch schwach im Glauben und zu wenig gefördert sei im christlichen Leben, wäre ganz dasselbe, als wenn Jemand die Arznei nicht nehmen wollte darum, weil er krank ist. Die Schwachheit unseres Glaubens und die Gebrechen unseres Lebens sollen uns also mahnen, daß wir zum Abendmahle, als unserem einzigen Heil- und Besserungsmittel kommen. Nur daß wir nicht ohne alle Buße und Glauben erscheinen! Von jener muß, da sie im Herzen verborgen ist, unser Gewissen vor Gott Zeugniß ablegen; dieser dagegen muß, da er sich in Werken offenbart, durch unser Leben in die Erscheinung treten.

Was die Zeit betrifft, wo wir zum Abendmahle gehen müssen, so läßt sich darüber nichts Allgemeingültiges feststellen. Denn ein Jeder hat mitunter besondere Hindernisse, die ihn im Falle des Nichterscheinens entschuldigen können. Außerdem haben wir nirgends eine Vorschrift, wonach Alle, so oft es ihnen geboten wird, das Sacrament genießen müßten. Wenn wir aber auf das Ziel sehen, zu dem der Herr uns führt, so werden wir erkennen, daß es doch weit häufiger gebraucht werden muß, als es gewöhnlich bei den Meisten der Fall ist. Denn je größer unsere Schwachheit ist, desto mehr müssen wir uns in einem Stücke üben, das zur Befestigung unseres Glaubens und zur Förderung unserer Heiligung im Wesentlichen beitragen kann und soll. Darum muß in allen wohlgeordneten Kirchen der Gebrauch bestehen, daß das Abendmahl so häufig als möglich, und so oft es mit Rücksicht auf den in der Gemeinde vorhandenen Grad der Empfänglichkeit für dasselbe zulässig ist, gefeiert werde. 7) Und jeder Einzelne muß, so viel an ihm ist, sich darauf vorbereiten, es so oft zu genießen, als es von der ganzen Gemeinde gefeiert wird, es müßten denn ganz gewichtige Gründe ihn verhindern. Obwohl uns keine Zeit, auch kein bestimmter Tag vorgeschrieben ist, so muß uns doch die Ueberzeugung genügen, daß es des Herrn Wille ist, daß wir das Sacrament oft gebrauchen; sonst verkennen wir den Nutzen, der uns daraus entspringt. Einige aber von den Entschuldigungen, die da vorgebracht werden, sind thöricht und grundlos. Die Einen behaupten, sie seien unwürdig, und erscheinen unter diesem Vorwande das ganze Jahr nicht am Tische des Herrn. Die Anderen bedenken nicht bloß, wie unwürdig sie sind, sondern geben auch vor, daß sie mit denen, die sie unzubereitet zum Sacramente kommen sehen, nicht communiciren können. Noch Andere halten den häufigen Gebrauch desselben für überflüssig und sind der Meinung, daß, wenn wir Christum einmal aufgenommen haben, diese Gemeinschaft keiner so häufigen Erneuerung bedürfe. Jene Ersten nun, die sich mit ihrer Unwürdigkeit entschuldigen, frage ich: Wie kann ihr Gewissen ein Jahr und darüber ein so großes Elend ertragen, daß sie es nicht wagen, den Herrn, wie sich’s gebühret, anzurufen? Sie werden es nämlich mit mir verwegen finden, Gott als unsern Vater anzurufen, wenn wir nicht Glieder Christi sind. Dies ist aber unmöglich, so lange nicht die Substanz und Wirklichkeit 8) des Abendmahles in uns Gestalt gewonnen hat. Wenn wir nun die Wirklichkeit, die Sache selbst besitzen, wie sollten wir nicht würdig sein, das äußere Zeichen zu empfangen! Wir sehen hieraus, daß diejenigen, die sich als Unwürdige vom Abendmahl ausschließen wollen, sich durch eigene Schuld jenes großen Vorzuges, Gott im Gebete anzurufen, berauben. Uebrigens will ich denen, deren Gewissen beunruhigt sind, oder durch irgend welche Scrupel abgehalten werden, keine Gewalt anthun und sie zwingen, sich leichtsinnig darüber hinwegzusetzen; vielmehr rathe ich ihnen, so lange zu warten, bis der Herr sie von ihrer Angst befreit haben wird. Ebenso mag, wenn irgend ein anderer triftiger Grund vorliegt, ein Aufschub verstattet sein. Ich will nur zeigen, daß Niemand lange sich dabei beruhigen darf, daß er wegen seiner Unwürdigkeit nicht kommen könne; denn er geht so der kirchlichen Gemeinschaft verlustig, auf der unser ganzes Heil beruht. Lieber kämpfe er mit allen Kräften gegen die Hindernisse an, die der Teufel ihm in den Weg legt, damit er von einer so großen Wohlthat und allen Gütern, die damit verknüpft sind, nicht ausgeschlossen werde.

Die Andern scheinen mehr für sich zu haben. Sie erheben den Einwand: Wenn es schon nicht erlaubt ist, das Brod mit denen gemeinschaftlich zu essen, die sich unsere Brüder nennen und nichtsdestoweniger ein ausgelassenes Leben führen, wie viel weniger werden wir das geweihte Brod mit ihnen genießen können, das uns den Leib des Herrn darstellen und mittheilen soll! Aber auch darauf ist es nicht schwer zu antworten. Es ist ja nicht Sache des Einzelnen, zu urtheilen und zu unterscheiden, wer zugelassen und wer ausgeschlossen werden müsse; dies Recht kommt vielmehr der ganzen Kirche, oder dem Prediger sowie den Aeltesten zu, die ihm zur Leitung der Kirche beigeordnet sind. Auch sagt Paulus nicht, daß wir Andere, sondern daß wir uns selber prüfen sollen. Allerdings ist es unsere Pflicht, diejenigen zu ermahnen, die ein schandvolles Leben führen, und sie, wenn sie uns nicht hören wollen, dem Prediger anzuzeigen, damit er kraft der kirchlichen Autorität entscheide; aber wir dürfen uns nicht in der Weise von den Lasterhaften fern halten, daß wir die Gemeinschaft der Kirche verlassen. Zudem wird es öfter vorkommen, daß die Verbrechen nicht so offenkundig sind, daß sie mit dem Bann belegt werden können; denn obschon der Prediger im Herzen Jemand für unwürdig erachtet, so kann er ihn doch nicht öffentlich dafür ausgeben, oder vom Abendmahle ausschließen, wenn er ihn nicht durch kirchlichen Urtheilsspruch überführt hat. Wenn solcher Fall sich ereignet, so bleibt uns kein anderes Mittel, als Gott zu bitten, daß er seine Kirche vor allem Aergerniß bewahren möge, bis daß der jüngste Tag komme, wo die Spreu von dem Weizen gesichtet werden wird.

Für den dritten Einwand endlich läßt sich nicht einmal ein Scheingrund herbeiziehen. Denn dies geistige Brod ist uns ja nicht gegeben worden, daß wir gleich damit gesättigt werden, sondern vielmehr damit wir, nachdem wir seine Süßigkeit geschmeckt, immer größeres Verlangen darnach tragen und es genießen, so oft es uns dargeboten wird. Das ist es nämlich, was wir vorhin auseinandersetzten, daß uns Jesus Christus in diesem sterblichen Leben niemals so mitgetheilt wird, daß unsere Seelen durch ihn gesättigt werden, sondern so, daß er ihre beständige Nahrung ist.

IV

Wir kommen zum vierten Abschnitt.

Da der Teufel einsah, daß der Herr seiner Kirche nichts Heilsameres als dies Sacrament hinterlassen, so hat er, seiner Gewohnheit gemäß, es gleich von Anbeginn mit den verschiedenartigsten Irrthümern und abergläubischen Satzungen zu beflecken gesucht, um seinen Ruhm zu zerstören; auch hat er in der Verfolgung seines Vorhabens nicht eher nachgelassen, als bis er die Einsetzung des Herrn verkehrt und in Lüge verwandelt hat. Es liegt nicht in meiner Absicht, die Zeit zu bestimmen, in welcher jeder Betrug und Irrthum seinen Anfang genommen; ich werde mich damit begnügen, nach der Reihe die vom Teufel ausgestreuten Irrthümer aufzuführen, vor denen wir uns hüten müssen, wenn wir das Mahl des Herrn rein und unverfälscht haben wollen.

Da zunächst der Herr uns das Abendmahl gegeben hat, damit es unter uns als ein Zeugniß der Gemeinschaft vertheilt würde, die wir mit seinem Leibe haben, so werden wir auch darin des Opfers theilhaftig, das er zur Versöhnung für unsere Sünden Gott dem Vater dargebracht hat. Der menschliche Scharfsinn hat dagegen die Lehre ersonnen, daß das Sacrament ein Opfer sei, wodurch wir Vergebung der Sünden von Gott erlangen. Das ist eine abscheuliche Lästerung, die durchaus nicht geduldet werden darf. Denn wenn wir nicht erkennen und gewiß sind, daß der Tod unseres Herrn Jesu Christi das einige Opfer ist, wodurch er uns mit Gott dem Vater versöhnt und alle Sünden hinweggenommen hat, deren wir vor dem göttlichen Gerichte schuldig waren, so vernichten wir die Kraft und Wirkung dieses Todes. Wenn wir nicht zugeben, daß Christus der einzige Priester ist, durch dessen Vermittelung wir vom Vater wieder zu Gnaden angenommen werden, so rauben wir ihm seine Ehre und fügen ihm eine große Beleidigung zu. Da nun die Meinung, daß das Abendmahl des Herrn ein Opfer ist, wodurch wir Vergebung der Sünden erhalten, gegen jene Wahrheit streitet, so muß sie geflohen und als teuflisch verdammt werden. Daß sie dagegen streitet, ist unverkennbar. Denn wie stimmt das zusammen: Christus habe durch seinen Tod dem Vater ein Opfer dargebracht, wodurch er ein für alle Mal Vergebung aller Sünden uns erworben, - und doch müsse er täglich von Neuem geopfert werden, damit uns zu Theil werde, was wir lediglich durch seinen Tod empfangen? Dieser Irrthum hat nicht gleich von Anfang an den höchsten Grad erreicht, sondern ist erst nach und nach so auf die Spitze getrieben worden. Daß die Alten zwar das Abendmahl schon ein Opfer nannten, ist bekannt. Aber sie führten als Grund dafür an, daß der Tod Christi uns in demselben vergegenwärtigt werde. Was sie sagen, bezieht sich also darauf, daß dem Abendmahle darum, weil es die Erinnerung an jenes einige Opfer ist, in welchem wir allein unseren Frieden finden sollen, der Name „Opfer“ beigelegt worden sei. 9) Dennoch kann ich den Gebrauch der alten Kirche nicht entschuldigen, sofern man in Gebärde und Ritus eine Art von Opfer mit fast alttestamentlichen Ceremonieen darstellte, nur mit dem Unterschied, daß man als Hostie sich des Brodes anstatt des Thieres bediente. Und das kann ich, da es zu sehr an das Judenthum streift und mit der Einsetzung des Herrn nicht übereinstimmt, durchaus nicht gutheißen. Denn im alten Bunde, in der Zeit der Vorbilder, hatte der Herr solche Ceremonieen angeordnet, damit sie so lange beobachtet würden bis daß jenes Opfer an dem Fleische seines lieben Sohnes, der die jenen heiligen Handlungen zum Grunde liegende Wirklichkeit war, vollzogen würde. 10) Da nun dies Opfer ganz vollendet ist, so bleibt nichts weiter übrig, als daß seine Kraft auf uns übergehe. Darum ist es überflüssig, es durch äußere Zeichen zu versinnbildlichen. Also nach der Anordnung Christi sollen wir nicht darbringen oder opfern, sondern, was schon dargebracht und geopfert ist, annehmen und genießen. Obwohl nun die Alten darin einigermaßen gefehlt haben, so war doch noch keine so große Gottlosigkeit, wie in späterer Zeit, mit diesem Irrthum verknüpft. Was nämlich dem Tode Christi eigen war, ist jetzt ganz auf die Messe übertragen worden, und man behauptet, daß sie Gott für unsere Sünden genugthue und man durch sie mit ihm versöhnt werde. Außerdem hat man, was Christi Amt war, denen zugeschrieben, die sich Priester nannten, und gemeint, daß sie Gott opfern und durch ihre Opfer Vergebung unserer Sünden bei ihm vermitteln. ich will die Erklärungen, die die Feinde der Wahrheit hierzu geben, nicht übergehen. Sie sagen, die Messe sei kein neues Opfer, sondern die Zuneigung jenes einigen Opfers, von welchem wir geredet haben. Obwohl sie aber ihre Abscheulichkeit zu beschönigen suchen, so ist doch ihr Gerede offenbar nichts als eine leere Sophisterei. Denn es ist nicht bloß gesagt, daß das Opfer Christi das Einzige sei, sondern auch, daß es keiner Erneuerung bedürfe, da seine Kraft und Wirkung eine ewige ist. Es wird nicht gesagt, daß Christus einmal dem Vater geopfert worden sei, damit Andere später dieselbe Opferung vornähmen, um uns die Kraft seiner Vermittelung zuzueignen, sondern daß er in das himmlische Heiligthum eingegangen sei, und daß er dort erscheine, um durch seine Vermittelung uns dem Vater angenehm zu machen. Was die Zuneigung des Verdienstes seines Todes betrifft, daß wir seine Wirkung an uns empfinden, so geschieht dieselbe nicht in der Weise, wie man in der päbstlichen Kirche meint, sondern dadurch, daß wir die Botschaft des Evangelii annehmen, wie sie die Diener, die Gott gewissermaßen als Gesandte verordnet hat, durch ihre Predigt verkünden, sowie er dieselbe auch durch die Sacramente gleichsam versiegelt hat. Die Meinung des Volkes, wonach, wer die Messe hört oder mit Geld erkauft, sich deßwegen Gnade und Gerechtigkeit erwerbe, ist von allen Lehrern und Predigern gebilligt worden. Um aber einen Nutzen aus dem Abendmahle zu ziehen, dürfen wir, wie schon gesagt, Nichts von dem Unseren mit herzubringen, um das, was wir suchen, zu verdienen; es braucht vielmehr nur die in demselben uns dargebotene Gnade im Glauben ergriffen zu werden. Diese Gnade ist im Sacrament als Solchem nicht enthalten; sondern, wie sie vom Kreuze Christi ausgeht, so verweist sie uns auch auf das Kreuz. Nichts ist also dem wahren Verständniß des Abendmahles so hinderlich, als den Begriff des Opfers damit zu verbinden; denn es verhindert uns dies, den Tod Christi als das einzige, für alle Zeiten gültige Opfer anzuerkennen. – Wenn man dies recht verstanden hat, dann wird man einsehen, daß alle Messen, in denen keine gemeinschaftliche Abendmahlsfeier stattfindet, wie sie vom Herrn angeordnet ist, lauter verabscheuungswerthe Ceremonieen sind. Denn der Herr hat nicht bestimmt, daß bloß der Priester, nachdem er sein Opfer vollbracht, für sich besonders communicire; sondern er hat gewollt, daß dies Sacrament nach Art des ersten Abendmahles, das er mit seinen Aposteln gefeiert hat, öffentlich in der Gemeinde vertheilt werde. Aber nachdem jene abscheuliche Lehre erfunden war, ist aus derselben wie aus einem Abgrunde jene unselige Gewohnheit hervorgegangen, daß das Volk sich damit begnügt, der Handlung beizuwohnen, und, wie um ein Verdienst zu erwerben, sich meistens der Communion enthält, weil der Priester behauptet, daß er für Alle, und besonders für die Anwesenden die Hostie darbringe. Ich übergehe hier die übrigen Vorspiegelungen und Betrügereien, die so viel Unsinn enthalten, daß sie keiner Erwähnung werth sind, als zum Beispiel: jedem kleinen Heiligen seine Messe zuzutheilen, und was vom Abendmahl des Herrn gesagt ist, auf Wilhelm und Walter, wie es im französischen Sprüchwort heißt, zu übertragen; ebenso, öffentlichen Handel damit zu treiben, und alle übrigen Schändlichkeiten, die aus der Bezeichnung „Opfer“ entstanden sind.

Wir kommen auf einen zweiten Irrthum, den der Teufel ausgestreut hat, um dieses hochheilige Geheimniß zu verfälschen. Er hat nämlich die Lüge ersonnen, daß Brod und Wein sich in Leib und Blut Christi verwandeln, nachdem die Worte der vermeintlichen Consecration gesprochen seien. Jene Fiction ist nun zunächst gar nicht in der Schrift begründet; auch hat sie kein Zeugniß der alten Kirche für sich aufzuweisen, und kann also mit den Worten des Herrn in keiner Weise übereinstimmen. 11) Ist das nicht eine gewaltsame Erklärung, wenn man behauptet, daß, wenn Christus das Brod seinen Leib nennt, die Substanz des Brodes in Nichts verwandelt werde, und an ihre Stelle der Leib Christi trete? Aber es ist nicht nöthig, die Sache in Zweifel zu ziehen, da die Wahrheit an und für sich klar ist und durch sich selbst eine so ungereimte Behauptung widerlegen kann. Ich übergehe hier eine Unzahl von Zeugnissen aus der Schrift und den Kirchenvätern, in denen das Sacrament Brod genannt wird. Ich behaupte nur, daß die Natur des Sacramentes es erheische, daß die Materie des Brodes als sichtbares Zeichen des Leibes bestehen bleibe. Denn es ist eine allgemeine Regel für alle Sacramente, daß zwischen den Zeichen, die wir dabei sehen, und dem geistigen Gegenstande, den sie darstellen, irgend ein Vergleichungspunkt vorhanden sein muß. Wie wir also in der Taufe dadurch gewiß gemacht werden, daß unsere Seelen innerlich abgewaschen sind, daß zum Zeugniß dafür das Wasser, welches die Befleckungen des Leibes hinwegnimmt, über uns ausgegossen wird, so muß auch im Abendmahl materielles Brod vorhanden sein, damit uns bezeugt werde, daß der Leib Christi unsere Speise sei. Denn was würde es bedeuten, wenn uns die weiße Farbe dies darstellen sollte? 12) Wir erkennen es also klar, daß die Darstellung, welche der Herr uns, um unserer Schwachheit zu Hülfe zu kommen, von seinem Leibe gegeben hat, ganz und gar verfehlt wäre, wenn nicht die Substanz des Brodes bestehen bliebe. Denn die Worte, deren der Herr sich bedient, bedeuten eben so viel, als wenn Jemand sagte: Wie der Leib des Menschen durch Brod genährt und erhalten wird, so ist mein Fleisch die geistige Speise, wodurch die Seelen belebt werden. Und welches Vergleiches bedient sich der Apostel Paulus? Wie aus vielen unter sich vermischten und verbundenen Körnern Ein Brod wird, so müssen wir untereinander verbunden sein, da wir Alle Eines Brodes theilhaftig sind. 13) Wenn nur die weiße Farbe ohne die Substanz des Brodes zurückbliebe, wäre es nicht lächerlich, also zu reden? Darum schließen wir ohne jegliches Bedenken, daß diese Transsubstantiation eine Lüge des Teufels ist, wodurch die Wahrheit des Abendmahles verunstaltet wird. – Aus dieser Fiction sind nun verschiedene unsinnige Meinungen hervorgegangen: und wollte Gott, daß es nur unsinnige Meinungen, und nicht auch die abscheulichsten Lästerungen wären! Denn die Menschen haben mit der Vorstellung von einer sogenannten localen Gegenwart des Leibes Christi den Glauben verbunden, daß die Gottheit und Menschheit des Erlösers an jene weiße Farbe gefesselt sei, ohne die Ungereimtheiten in Erwägung zu ziehen, die daraus folgten. Obwohl nun die alten Lehrer der Sorbonne 14) es genauer zu bestimmen gesucht haben, wie Leib und Blut mit den Zeichen verbunden seien, so läßt sich doch nicht leugnen, daß die Meinung, daß Christus in diesen Zeichen eingeschlossen sei und darin gesucht werden müsse, von Hohen und Niederen in der päbstlichen Kirche angenommen worden ist, und heute mit Feuer und Schwert und allen möglichen Foltern auf das grausamste aufrecht erhalten und vertheidigt wird. Um diese Meinung zu behaupten, müssen sie auch zugeben, daß der Leib Christi gleichsam unendlich und in keinem Raume eingeschlossen, oder aber, daß er an verschiedenen Orten zu gleicher Zeit sei; und wenn sie das behaupten, so kommen sie zuletzt dahin, daß er sich von einem Phantom in keinem Stücke mehr unterscheidet. Eine solche locale Gegenwart anzunehmen, vermöge deren der Leib Christi in dem Zeichen eingeschlossen, oder, wie sie behaupten, räumlich damit verbunden sei, ist also nicht nur ein Unsinn, sondern auch ein fluchwürdiger Wahn, der den Ruhm Christi schmälert, und Alles, was wir in Betreff seiner menschlichen Natur glauben müssen, verkehrt. Denn die Schrift lehrt überall, daß Christus, wie er auf Erden unsere menschliche Natur angenommen, so auch dieselbe, nachdem er sie den Banden der Sterblichkeit entrissen, in den Himmel erhoben habe, ohne sie jedoch verändert zu haben. So müssen wir also auf Zweierlei achten, wenn wir von Christi menschlicher Natur reden: erstlich darauf, daß wir die Wahrheit seiner Natur nicht beschränken, und sodann, daß wir seiner Herrlichkeit keinen Abbruch thun. Wenn wir dies recht beobachten wollen, so müssen wir unsere Herzen zum Himmel erheben, um dort unseren Erlöser zu suchen. Denn wenn wir ihn in irdische und vergängliche Elemente herabziehen wollen, so stoßen wir nicht nur um, was die Schrift von seiner menschlichen Natur bezeugt, sondern führen auch seine glorreiche Himmelfahrt auf Nichts zurück. Da aber Viele dieser Materie ausführlich behandelt haben, so will ich es mir lieber ersparen, ein Mehreres darüber zu sagen. Das nur habe ich im Vorübergehen bemerken wollen, daß, Christum im Gedanken in Brod und Wein einzuschließen, oder ihn so damit zu verbinden, daß unser Herz an diesen äußeren Elementen klebt und nicht in den Himmel erhoben wird, ein teuflischer Wahnsinn ist. Wir werden das noch an einer anderen Stelle berühren. – Es sind aus dieser verkehrten Meinung, nachdem sie einmal angenommen war, viele andere abergläubische Gebräuche hervorgegangen. Zunächst jene fleischliche Anbetung, welche nichts Anderes, als der offenbare Götzendienst ist. Denn vor dem Brode niederzufallen 15) und Christum darin anzubeten, als ob er persönlich gegenwärtig und darin eingeschlossen wäre, heißt das nicht ein Götzenbild an Stelle des Sacramentes aufrichten? Er hat uns ja nicht geheißen, ihn anzubeten, sondern ihn anzunehmen und zu essen. Diese Anbetung des Brodes durfte man sich also keineswegs herausnehmen. Außerdem ist es in der alten Kirche immer Sitte gewesen, daß vor der Feier des Abendmahles das Volk ermahnt wurde, die Herzen nach Oben zu richten, damit es dadurch erkennen lernte, daß, um Christum würdig anzubeten, man sich nicht an das sichtbare Zeichen hängen dürfe. Aber wir werden über diesen Punkt nicht lange streiten, wenn die Gegenwart und die Verbindung der Wirklichkeit mit dem Zeichen richtig verstanden wird. Wir haben schon davon gesprochen und werden später noch einmal darauf zurückkommen. – Aus derselben Quelle sind auch jene anderen abergläubischen Gebräuche hervorgegangen, wonach zum Beispiel das Sacrament alljährlich ein Mal in feierlichem Aufzuge durch die Dörfer getragen 16) ein ander Mal ihm ein Tabernakel eingerichtet, und die Hostie das ganze Jahr hindurch in einer Kapsel oder Büchse aufbewahrt wird, 17) damit die Aufmerksamkeit des Volkes darauf, als auf Gott selbst, gerichtet sei. Diese Gebräuche müssen alle, da sie nicht nur ohne Rücksicht auf das Wort Gottes von Menschen erfunden, sondern auch der Einsetzung des Abendmahles diametral entgegengesetzt sind, von sämmtlichen Christen verworfen werden.

Wir haben nun gesehen, worin das Unheil seinen Grund hat, daß in der päbstlichen Kirche das Volk sich das ganz Jahr hindurch der Gemeinschaft des Abendmahls enthält. Das Sacrament wird nämlich für ein Opfer gehalten, das von Einem im Namen Aller dargebracht wird. Wenn man nun ferner das Abendmahl dem Volke alljährlich ein Mal reicht 18) so wird dasselbe erbärmlich zertheilt und gleichsam in Stücke zerrissen. Denn während das Sacrament des Blutes dem unzweideutigen Befehle des Herrn gemäß Allen gereicht werden müßte, stellen sie den Satz auf, daß das Volk mit der Hälfte zufrieden sein müsse. 19) So wird den armen Christen die Wohlthat, die ihnen Gott zugedacht hatte, durch schändlichen Betrug entzogen. Denn es ist fürwahr keine geringe Wohlthat, des Blutes Christi theilhaftig zu werden zu unserer Nahrung, und es ist eine unerhörte Grausamkeit, diese Wohlthat denen zu entziehen, denen sie von Rechts wegen zukommt. Wir können hieraus ersehen, mit welcher Vermessenheit und Schamlosigkeit der Pabst in der Kirche Gottes geschaltet hat, nachdem er zur Alleinherrschaft gelangt war. Als der Herr seinen Jüngern befahl, das durch seinen Leib geheiligte Brod zu essen, nahm er auch den Kelch, und sagte nicht bloß: „trinket“, sondern fügte ausdrücklich hinzu: „Alle“: Kann es einen noch schlagenderen Beweis geben? Er heißt uns das Brod essen, und wendet sich dabei nicht ausdrücklich an uns Alle; beim Kelche aber befiehlt er, daß wir Alle trinken. Warum macht er diesen Unterschied, wenn nicht um jener Bosheit und List des Teufels zu begegnen? Gleichwohl ist die Anmaßung und der Uebermuth des Pabstes so groß, daß er sich unterfängt, im Gegentheil zu sagen: „trinket nicht Alle!“ Um sich aber für weiser als Gott auszugeben, behauptet er, daß es billig und vernunftgemäß sei, daß der Priester etwas vor dem Volke voraushabe, wodurch seine priesterliche Würde zu Ehren gebracht werde. Als ob der Herr nicht einsichtsvoll genug gewesen wäre, und nicht bedacht hätte, wie Eins vom Anderen unterschieden werden müsse. Er hält uns ferner die Gefahren vor, welche eintreten könnten, wenn der Kelch ohne Unterschied Allen gereicht würde: es können nämlich ein Tropfen verschüttet werden. Als ob der Herr das nicht vorhergesehen hätte. Heißt das nicht den Herrn der Unbedachtsamkeit zeihen, weil er die Ordnung, welche befolgt werden mußte, verkehrt, und sein Volk ohne alle Ueberlegung in solche Gefahr gestürzt habe? Um aber zu zeigen, daß kein erheblicher Schade aus dieser Veränderung erwachse, behaupten sie, daß das Ganze unter einer Gestalt begriffen sei, da der Leib nicht vom Blute getrennt werden könne. 20) Als ob aber der Herr nicht Eins vom Andern geschieden hätte. Wenn der eine Theil als überflüssig fortgelassen werden kann, so wäre es in der That thöricht und unnütz gewesen, uns Beides besonders und geschieden zu übergeben. Etliche aber von jenen Trabanten des Pabstes, da sie einsahen, daß ein so abscheulicher Gebrauch nur mit der größten Schamlosigkeit vertheidigt werden kann, haben denselben auf andere Weise zu rechtfertigen versucht. Sie behaupten nämlich, daß Christus, als er dies Sacrament einsetzte, nur zu den Aposteln geredet habe, die er damals schon in den Priesterstand erhoben hätte. Aber was werden sie vom Paulus antworten, der da sagt, daß er dem christlichen Volke gegeben habe, was er von dem Herrn empfangen, damit ein Jeder von dem Brode esse und von dem Kelche trinke? 21) Wer hat es ihnen geoffenbart, daß Christus den Aposteln als Priestern das Abendmahl gegeben habe? Seine Worte nämlich besagen das Gegentheil, da er ihnen nachher befiehlt, nach seinem Vorgange dasselbe zu thun. Er schreibt also eine Regel vor, die in seiner Kirche für alle Zeiten befolgt werden soll, wie dies auch von Alters her geschehen ist, bevor der Antichrist sich die Alleinherrschaft angemaßt und gegen die Wahrheit Gottes das Haupt erhoben hat, um sie von Grund aus zu zerstören. Wir sehen also, daß es eine unerträgliche Verkehrtheit ist, dieses Sacrament so zu theilen und zu zerreißen, daß die Stücke getrennt werden, die Gott zusammengefügt hat.

Um zum Schlusse zu kommen, wollen wir in Ein Kapitel zusammenfassen, was sich sonst wohl noch unterscheiden ließe. Es hat nämlich der Teufel diesen Gebrauch ohne alle Belehrung über die Abendmahlsfeier eingeführt; und an die Stelle der Belehrung theils unpassende, theils unnütze, theils auch schädliche und gefährliche Ceremonien treten lassen, aus denen ungemein viel Unheil hervorgegangen ist, so daß die Messe, welche in der päbstlichen Kirche für das Abendmahl gehalten wird, um sie richtig zu bezeichnen, nichts Anderes, als eine leere Nachäffung und Schauspieler-Handlung ist. Ich nenne sie eine Nachäffung, weil, gleich wie die Affen die Verrichtungen der Menschen falsch und ohne alle Vernunft nachmachen, so die Papisten das heilige Abendmahl des Herrn in der Weise nachahmen, daß sie durch ihre verkehrten Satzungen die ganze Wahrheit desselben entstellen. Daß dem wirklich so ist, zeigt uns das nicht schon der Umstand, daß der Herr uns befohlen hat, dies Geheimniß mit dem rechten Verständniß zu feiern? Daraus folgt, daß das Wesen desselben in der Belehrung liegt, und daß, wenn diese fehlt, das Ganze nichts als eine abgeschmackte und leere Ceremonie ist. Das lehrt nicht nur die Schrift, das bezeugen sogar die Canones des Pabstes selbst, in welchen u. A. ein Ausspruch des Augustinus 22) angeführt wird, worin dieser fragt: Was ist die Taufe ohne das Wort Anderes, als ein vergängliches Element? 23) Ohne das Wort, wie er gleich hinzufügt: nicht in so fern es gesprochen, sondern in so fern es verstanden wird. Damit giebt er uns zu erkennen, daß die Sacramente aus dem Worte Gottes ihre Kraft empfangen, wenn dasselbe auf eine vernehmliche und verständliche Weise gepredigt wird. Das Uebrige ist nicht werth, Sacrament genannt zu werden. Nun aber ist mit der Messe so wenig eine verständliche Belehrung verknüpft, daß man im Gegentheil das ganze Geheimniß für entweiht hält, wenn nicht Alles heimlich dabei gesprochen und verrichtet wird, so daß man Nichts vernehmen noch verstehen kann. 24) Es kommt also die päbstliche Consecration auf eine Art von Zauberei hinaus. Denn nach Art der Zauberer wähnt der Priester durch sein Gemurmel und seine verschiedenartigen Gebärden Christum vom Himmel in seine Hände herabzuziehen. Wir sehen hieraus, daß die Messe nicht sowohl das heilige Abendmahl des Herrn, als vielmehr eine offenbare Entweihung desselben ist, und daß ihr das eigenthümliche Wesen des Abendmahles gerade abgeht, welches eben darin besteht, daß man das Geheimniß dem Volke gehörig erkläre und die daran sich knüpfenden Verheißungen mit lauter Stimme verlese, und nicht darin, daß der Priester einige leise und unvernehmliche Formeln ohne Sinn und Verstand hermurmele. – Ich nenne die Messe zweitens eine Schauspieler-Handlung, weil man allerhand Possen und schauspielermäßige Gebärden dabei zu sehen bekommt, welche eher bei einer theatralischen Aufführung als beim hochheiligen Abendmahle des Herrn an ihrem Platze sind. es wurden zwar die Opfer im alten Testamente mit mancherlei prunkvollen Ceremonieen ausgeführt. Aber da diese ihren guten Grund hatten, und insgesammt geeignet waren, das Volk in der Frömmigkeit zu unterweisen und zu üben, so unterscheiden sie sich doch bei weitem von jenen Gebärden, welche zu nichts weiter dienen, als die Herzen des Volkes ohne jeglichen Nutzen zu captiviren und gespannt zu erhalten. Da nun bekanntlich jene Meßler, um so zu sagen, dies Vorbild des alten Testamentes für sich in Anspruch nehmen, um ihre Ceremonieen zu rechtfertigen, so müssen wir wohl bemerken, welch’ ein Unterschied zwischen Dem ist, was sie treiben, und Dem, was Gott dem jüdischen Volke vorgeschrieben hatte. Denn wenn ich bloß das Eine anführen wollte, daß, was damals geschah, im Gesetze Gottes begründet war, während diese Albernheiten lediglich auf menschlicher Erfindung beruhen, wäre das nicht schon ein gewaltiger Abstand? Aber es sind noch weit gewichtigere Gründe vorhanden, die uns veranlassen, jene Ceremonieen zu verwerfen. Denn nicht ohne Grund hatte der Herr dergleichen Formen vorgeschrieben, die nur für eine gewisse Zeit gelten, und einst ihr Ende erreichen und wieder aufgehoben werden sollten. Denn da das helle Licht des Evangeliums noch nicht erscheinen konnte, so hat er das Volk desto mehr an Vorbildern üben wollen, damit, was von der einen Seite fehlte, von der Anderen ersetzt würde. Aber seitdem Christus im Fleische geoffenbaret ist, sind in dem Maße, als die Lehre mehr ans Licht gekommen, auch die Vorbilder mehr in den Hintergrund getreten. Da wir also das Wesen haben, so müssen wir den Schatten dahintenlassen. Denn wenn wir die aufgehobenen Ceremonieen erneuern wollen, so stellen wir den Vorhang, den Christus durch seinen Tod zerrissen hat, wieder her, und verdunkeln auf diese Weise das Licht des Evangeliums. Wir sehen also, daß diese Menge von Ceremonieen, welche uns in der Messe entgegentreten, eine dem Judenthum entlehnte Form sind, welche dem Geiste des Christenthums schnurstracks zuwiderläuft. Es liegt durchaus nicht in meiner Absicht, alle Ceremonieen zu verwerfen, welche den Anstand und die öffentliche Ordnung fördern; und wodurch dem Sacrament eine größere Ehrerbietung gezollt wird; wenn sie nur passend und nüchtern sind. Aber jenes ungeheure Labyrinth kann durchaus nicht geduldet werden, da es ungemein viel Aberglauben erzeugt, und das Volk ohne jegliche Erbauung gewissermaßen stumpf gemacht hat.

Hieraus läßt sich ersehen, worin diejenigen, denen Gott das Verständniß seiner Wahrheit geoffenbaret hat, sich von den Papisten zu unterscheiden haben. Sie werden es einmal nicht bezweifeln, daß es eine abscheuliche Lästerung ist, die Messe für ein Opfer auszugeben, wodurch man Vergebung der Sünden erlange, - oder den Priester gleichsam als den Mittler anzusehen, der das Verdienst des Leidens Christi denen zuwendet, welche die Messe für Geld erkaufen, oder derselben beiwohnen, oder auch mit heiliger Scheu ihr nahen. Sie werden vielmehr daran festhalten, daß das Leiden und Sterben des Herrn das einzige Opfer ist, wodurch er dem Zorne Gottes genug gethan und uns eine ewige Gerechtigkeit erworben hat. Sie werden es erkennen, daß der Herr Jesus in das himmlische Heiligthum eingegangen ist, um daselbst für uns einzustehen und durch die Kraft seines Opfers zu vermitteln. Uebrigens werden sie ohne Weiteres zugeben, daß die Frucht seines Todes uns im Abendmahl mitgetheilt wird, nicht um des Verdienstes der Werke willen, sondern wegen der Verheißungen, die uns darin gegeben sind, wofern wir sie im Glauben ergreifen. – Zum Andern dürfen sie durchaus nicht zugeben, daß Brod und Wein in Leib und Blut Christi, wie die Papisten behaupten, verwandelt werden; vielmehr müssen sie darauf bestehen, daß die sichtbaren Zeichen ihre wahre Substanz beibehalten, damit sie uns die geistige Wirklichkeit darstellen, von der wir gesprochen haben. – Zum Dritten werden sie, obwohl sie überzeugt sein müssen, daß der Herr uns in der That darreiche, was er uns äußerlich vorbildet, und wir im Abendmahl also wirklich den Leib und das Blut Christi empfangen, Denselben dennoch nicht im Brode suchen, als wäre er darin eingeschlossen, oder mit den äußeren Zeichen, wie behauptet wird, örtlich verbunden; noch viel weniger werden sie das Sacrament anbeten; sondern sie werden ihre Herzen zum Himmel erheben, um dort den Herrn zu empfangen und anzubeten. Ebenso werden sie, was damit zusammenhängt, auch alle jene abergläubischen Gebräuche als Götzendienst verdammen, wonach das Sacrament in feierlichem Aufzuge und unter öffentlichen Ehrenbezeugungen herumgetragen wird, oder demselben jene Tabernakel errichtet werden, worin es zur Anbetung ausgestellt wird. Denn die Verheißungen des Herrn erstrecken sich auf nichts weiter, als auf den Gebrauch, den er uns befohlen hat. – Außerdem werden sie die Einsetzung des Herrn für verletzt und verunstaltet erachten, wenn dem Volke der eine Theil des Sacramentes entzogen wird, und die Austheilung beider Elemente als unerläßliche Bedingung der rechten Abendmahlsfeier hinstellen. – Endlich werden sie es nicht nur für überflüssig, sondern auch für gefährlich und dem Geiste des Christenthums widersprechend erachten, wenn man sich so vieler dem Judenthum entlehnter Ceremonieen, bei der Einfachheit, in der uns die Apostel unterwiesen haben, bedient. Ebenso werden sie es als eine gottlose Verkehrtheit ansehen, wenn das Abendmahl mit allerlei schauspielermäßigen Gebärden so gefeiert wird, daß schlechterdings keine Belehrung darin vernommen, dieselbe vielmehr völlig untergraben wird, als wenn es eine Art zauberischen Kunststückes wäre.

V.

Wir kommen schließlich zum fünften Abschnitt unserer Auseinandersetzung, zu jenem Streite nämlich, der in unseren Tagen über da heilige Abendmahl geführt worden ist, und den ich, weil er ein unseliger und ohne Zweifel vom Teufel angeregt ist, um den Lauf des Evangelii zu hemmen oder vielmehr ganz zu unterdrücken, durch ewige Vergessenheit vertilgt wünschte. Auch bin ich weit entfernt, gern davon zu sprechen. Weil ich aber sehr viele fromme Seelen sehe, die nicht wissen wohin, so will ich kurz hier das Nothwendige sagen, um ihnen zu zeigen, was sie zu thun haben.

Zunächst bitte und beschwöre ich im Namen Gottes alle Gläubigen, kein Aergerniß daran zu nehmen, daß dieser Streit unter denen gerade entbrannt ist, welche die reine Lehre des Evangeliums wieder aufgerichtet haben und unsere Anführer in der Rückkehr zur Wahrheit gewesen sind. Es ist ja nichts Neues, daß der Herr es zuläßt, daß seine Diener etwas nicht wissen und mit einander streiten. Er will sie darum nicht für immer im Irrthum lassen, sondern nur eine Zeit lang, um sie zu demütigen. Und gewiß, wenn uns bisher Alles gelungen und nach Wunsch gegangen wäre, so würden die Menschen sich vielleicht vergessen und die Gnade des Herrn nicht genug erkannt haben. Darum hat der Herr den Menschen jeden Grund zum Selbstrum nehmen wollen, damit ihm allein die Ehre gegeben werde. Außerdem wenn wir bedenken, welche Finsterniß die Erde bedeckte, als die Männer, zwischen denen dieser Streit entbrannt ist, uns das Licht des Evangeliums wieder zuführten, so werden wir uns wahrlich durchaus nicht wundern können, daß ihnen nicht gleich von Anfang an die volle Wahrheit offenbar gewesen. Es ist vielmehr ein ganz außerordentliches Wunder Gottes, daß sie in so kurzer Zeit so erleuchtet waren, daß sie aus jener Fluth von Irrthümern, in der sie so lange gesteckt, sich selbst und Andere haben herausziehen können. Aber es wird am Besten sein, den ganzen Sachverhalt darzulegen; dann wird uns klar werden, daß hier nicht zu einem solchen Aergernisse Ursach ist, als man gewöhnlich annimmt. – Als Luther zu lehren begann, behandelte er die Materie vom Abendmahle so, daß er, was die leibliche Gegenwart Christi anlagt, dieselbe ganz so stehen zu lassen schien, wie sie damals Alle verstanden. Denn obwohl er die Transsubstantiation verwarf, gab er doch das Brod für den Leib Christi aus, weil es mit demselben verbunden sei. 25) Er bediente sich überdieß dabei mancher harter Vergleiche, wie es ja nicht anders möglich war, wenn er seinen Gedanken klar machen wollte. Denn es ist nicht leicht, einen so schwierigen Gegenstand ins Licht zu setzen, ohne hin und wieder einige ungeeignete Ausdrücke zu gebrauchen. Hierauf standen Zwingli und Oecolampadius 26) auf, welche, da sie den Betrug des Teufels erkannten, der jener Lehre von der fleischlichen Gegenwart, die seit sechshundert Jahren in der Kirche verbreitet ist, zum Grunde liegt, eine so wichtige Sache nicht mit Stillschweigen übergehen zu dürfen glaubten. Zumal da mit diesem Irrthum eine abscheuliche Abgötterei verbunden ist, sofern Christus als im Brode eingeschlossen angebetet wird. Da es aber sehr schwierig war, eine so alte und tiefgewurzelte Meinung aus den herzen der Menschen zu reißen, so boten sie alle ihre Kräfte auf, sie zu bekämpfen, indem sie daran erinnerten, wie ungereimt es sei, nicht zu erkennen, was uns die ganze heilige Schrift von der Himmelfahrt Christi bezeugt: daß er nämlich in seiner menschlichen Natur in den Himmel erhoben worden, und daß er dort bleiben werde, bis daß er wiederkommt, die Welt zu richten. Aber indem sie diesen Satz so scharf betonten, vergaßen sie zu erklären, welche Gegenwart Christi wir im Abendmahl glauben müssen, und was es mit der Gemeinschaft seines Leibes und Blutes, deren wir darin theilhaftig werden, für eine Bewandniß habe. Darum meinte Luther, daß sie nichts als leere Zeichen, ohne alle geistige Substanz, bestehen ließen, und hob an, sich ihnen öffentlich zu widersetzen und sie der Ketzerei zu beschuldigen. Nachdem nun der Streit einmal entbrannt war, wurde er im Laufe der Zeit immer heftiger und brach zuletzt in helle Flammen aus, so daß die Parteien sich schroffer denn billig war ohngefähr funfzehn Jahre einander gegenüberstanden, während welcher Zeit Keiner den Anderen mit ruhigem und gerechtem Sinn anhören mochte. Denn obwohl sie Einmal zusammenkamen, 27) so war doch die Aufregung der Gemüther so groß, daß sie unverrichteter Sache wieder auseinandergingen. 28) Anstatt eine Verständigung herbeizuführen, entfernten sie sich immer mehr voneinander, nur darauf bedacht, ihre Meinung zu vertheidigen und die entgegengesetzte zu widerlegen. Wir sehen also, worin Luther, worin auch Oecolampadius und Zwingli gefehlt haben. Luther hätte von Anfang an erklären sollen, daß es nicht seine Absicht sei, die locale Gegenwart in der Weise zu lehren, wie sie die Papisten träumen 29), geschweige zu verlangen, daß das Sacrament an Gottes Statt angebetet werde. Ferner hätte er sich jener harten und schwer zu fassenden Vergleiche enthalten, oder sie doch zum wenigsten mit Mäßigung gebrauchen und so deuten sollen, daß sie kein Aergerniß geben konnten. Endlich, nachdem es zum Streite gekommen, hat er alles Maß überschritten, sowohl durch die Art und Weise seine Meinung zu behaupten 30), als auch durch die zu große Bitterkeit seiner Ausdrücke, mit denen er die Anderen tadelte. Während er sich nämlich so hätte ausdrücken sollen, daß seine Meinung angenommen werden konnte, bediente er sich seiner gewohnten Heftigkeit gemäß, um seine Gegner zu bekämpfen, allerhand hyperbolischer Ausdrücke, welche diejenigen nicht leicht ertragen konnte, die ohnehin schon nicht recht geneigt waren, ihm Glauben beizumessen. 31) Die Anderen wiederum fehlten darin, daß sie bei der Bekämpfung jener abergläubischen und fanatischen Meinung der Papisten von der örtlichen Gegenwart und der daraus folgenden Anbetung so beharrlich stehen blieben, daß sie ihre Kräfte lieber auf die Zerstörung des Irrthums, als auf die Feststellung Dessen, was zu erkennen heilsam war, verwandten. Denn wenn sie die Wahrheit auch nicht leugneten, so lehrten sie dieselbe doch nicht so deutlich, als erforderlich war. Ich meine: während sie mit allzu großem Eifer der Behauptung Eingang verschaffen wollten, daß Brod und Wein Leib und Blut Christi genannt werden, weil sie deren Zeichen seien, so bedachten sie nicht, daß es zugleich darauf ankommen, hinzuzufügen, daß nichtsdestoweniger eine Wahrheit mit diesen Zeichen verbunden sei. Auch haben sie nicht bezeugt, daß es nicht ihre Absicht sei, die wahrhaftige Gemeinschaft mit dem Leibe und Blute Christi zu leugnen, zu welcher der Herr uns in diesem Sacramente führt. 32)

Es wurde in der That auf beiden Seiten gefehlt, da man sich gegenseitig nicht anhören wollte, um der Wahrheit, auf welcher Seite sie sich auch herausstellen mochte, leidenschaftslos zu folgen. Deswegen dürfen wir aber nicht aus den Augen setzen, was ihnen gegenüber unseres Amtes ist: dürfen nicht vergessen, was für Gnadengaben und Wohlthaten ihnen Gott geschenkt, und durch ihre Hand uns mitgetheilt hat. Wenn wir nämlich nicht undankbar sein, und im Auge behalten wollen, was wir ihnen schuldig sind, so werden wir uns leicht aller Schmähungen und Verwünschungen enthalten, und ihnen diese Fehler und noch größere verzeihen. Da wir endlich sehen, daß sie sich durch einen gottseligen Wandel und eine vortreffliche Lehre ausgezeichnet haben und noch heute auszeichnen, so viel ihrer noch am Leben sind, so dürfen wir nicht anders, als mit der größten Bescheidenheit und Ehrfurcht von ihnen denken und sprechen, zumal da es Gott gefallen hat, nachdem er sie auf diese Weise in der Demuth geübt, diesem unseligen Streite ein Ziel zu setzen, oder ihn doch wenigstens zu besänftigen, bis daß er einst ganz beendet sein wird. Dies habe ich sagen wollen, weil bisher noch keine Glaubensformel veröffentlicht worden ist, die eine Verständigung herbeigeführt hätte, was sehr nothwendig wäre. Aber das wird geschehen, wenn Gott die Männer alle zusammenkommen lassen wird, von denen solche Glaubenssätze aufgestellt werden müssen. 33) Inzwischen muß es uns genügen, daß eine brüderliche Freundschaft und Verbindung unter den Kirchen bestehe, in so weit es der christlichen Einheit noth thut. – Wir bekennen also mit Einem Munde, daß wir, wenn wir nach der Einrichtung Gottes im Glauben das Sacrament empfange, der Substanz des Leibes und Blutes Christi in Wahrheit theilhaftig werden. Wie dies geschehe, mögen Andere deutlicher auseinandersetzen. Uebrigens muß das vorzüglich festgehalten werden, daß jede fleischliche Vorstellung ausgeschlossen und unser Geist in den Himmel erhoben werde, damit wir nicht meinen, daß unser Herr Jesus Christus von dort verstoßen worden sei, um in verwesliche Elemente eingeschlossen zu werden. Und wiederum, damit die Wirkung jenes heiligen Geheimnisses nicht vermindert werde, müssen wir glauben, daß dies Alles geschehe durch die geheime und wunderbare Kraft Gottes, und daß sein Geist das Band dieser Gemeinschaft sei, welche auch deswegen eine geistige genannt wird. 34)

Quelle: Calvin, Johann - Vom Abendmahl des Herrn

1)
Joh. VI., 51.
2)
Joh. IV., 14., Offenb. XXII., 17.
3)
Dieselbe Unterscheidung ist für die ganze folgende Auseinandersetzung festzuhalten. Die „Materie“ und die „Substanz“ der Sacramente, das heißt das Wesen, der Grund, die Quelle alles dessen, was uns darin zu Theil wird.
4)
Vergl. was Calvin in seiner Erklärung zu I. Cor. XI., 24 sagt: „Brod und Wein dürfen nicht nur in dem Sinne Leib und Blut Christi genannt werden, wie etwa die Bildsäule des Herkules – Herkules genannt wird, was eben nichts weiter besagen will, als das Bild stellt den Herkules vor; sondern wie die Taube (Luc. III., 22, Joh. I., 32) der heilige Geist genannt wird, weil sie ein sicheres Kennzeichen der unsichtbaren, aber doch wirklichen Gegenwart des heiligen Geistes ist.
5)
Man sieht hieraus, wie ungerecht der Vorwurf ist, der uns von Seiten der Lutheraner so oft gemacht wird, daß die reformirte Abendmahlslehre nicht bei den Einsetzungsworten stehen bleibe, sondern das Geheimniß mit dem Verstande zu ergründen versuche. Calvin spricht sich hier so klar und unzweideutig im entgegengesetzten Sinne aus, daß selbst Bossuet in seiner Historie des variations des églises protestantes I. 9. p. 25. Ed. de Paris 1688, nicht umhin kann, zu bekennen: Calvin met une présence tout à fait miraculeuse et divine. Il n’est pas comme les Suisses qui se fâchent quand on leur dit, qu’il y a du miracle dans la cène: lui au contraire se fâche quand on dit, qu’il n’y en a point. Il ne cesse de répéter que le mystère de l’Eucharistie passe les sens, que c’est un ouvrage incompréhensible de la puissance divine, et un secret impénétrable à l’esprit humain: que les paroles lui manquent pour exprimer ses pensées, et que ses pensées beaucoup au dessus de ses expressions, n’égalent pas la hauteur de ce mystère ineffable: De sorte, dit-il, qu’il expérimente plutôt ce que c’est que cette union qu’il ne l’entend: ce qui montre qu’il en ressent ou qu’il croit en ressentir les effets, mais que la cause le passe. C’est aussi ce qui lui fait mettre dans la confession de foy, que ce mystère surmonte en sa hautesse la mesure de notre sens et tout ordre de nature, et que pour ce qu’il est céleste, il ne peut être appréhendé, c’est à dire compris que par foy.
6)
Man kann sagen: Calvin faßt die Copula ist in dem Sinne von gilt: das gilt meinen Leib, hat den Werth meines Leibes; nicht: das bedeutet (Zwingli); nicht: in, mit und unter Brod und Wein werden Leib und Blut Christi gereicht (Luther), sondern: das gilt; das heißt: so wahr wir äußerlich Brod und Wein genießen, so gewiß und wahrhaftig treten wir innerlich in die engste und vollkommenste Lebensgemeinschaft mit der Person des Erlösers, eine Gemeinschaft, deren Innigkeit eben auch nicht treffender bezeichnet und äußerlich dargestellt werden kann, als durch das Essen und Trinken. Wie nämlich Speise und Trank sich durch den Genuß dem menschlichen Körper assimiliren, so gehen auch der Leib und das Blut Christi, deren wir im Abendmahle durch die Kraft des heiligen Geistes theilhaftig werden, in unser innerstes Wesen über, also daß wir leben, doch nun nicht wir, sondern Christus lebet in uns (Galat. II., 20). – Vergl. auch die 79ste Frage des Heidelberger Katechismus: „Warum nennet denn Christus das Brod seinen Leib, und den Kelch sein Blut, oder das Neue Testament in seinem Blute, und St. Paulus die Gemeinschaft des Leibes und Blutes Jesu Christi? Antw.: „Christus redet also nicht ohne große Ursache: Nämlich, daß er uns nicht allein damit will lehren, daß gleich wie Brod und Wein das zeitliche Leben erhalten, also sei auch sein gekreuzigter Leib und vergossen Blut die wahre Speise und Trank unserer Seelen zum ewigen Leben; sondern vielmehr, daß er uns durch dies sichtbare Zeichen und Pfand will versichern, daß wir so wahrhaftig seines wahren Leibes und Blutes durch Wirkung des heiligen Geistes theilhaftig werden, als wir diese heiligen Wahrzeichen mit dem leiblichen Mund zu seinem Gedächtniß empfangen; und daß all sein Leiden und Gehorsam so gewiß unser eigen sei, als hätten wir selbst in unserer eigenen Person alles gelitten und genug gethan.
7)
Calvin hat ursprünglich eine monatliche Feier des Abendmahles gewollt, und nur die frühere Ordnung in Genf hat die vierteljährliche Feier desselben in der reformirten Kirche begründet, wie sie noch jetzt seit drei Jahrhunderten besteht. Schon auf der Zürcher Synode 1538 stellte er den Antrag: „ut frequentior coenae usus restituatur, si non secundum veteris ecclesiae consuetudinem, at saltem singulis quibusque mensibus semel“, und in einem Briefe vom Jahre 1561 (cf. Henry, Leben Calvins, Th. II. pag. 211) sagt er: „Am meisten würden wir gewünscht haben, das heilige Abendmahl alle Monate zu genießen, doch so, daß ein zu häufiger Genuß keine Nachlässigkeit mit sich führe; denn wenn die größere Anzahl der Gemeinde sich dem Abendmahl entzieht, so ist die Kirche einigermaßen aufgelöst. Vorziehen würden wir es, daß jeden Monat die Kirche eingeladen würde, das Mahl des Herrn zu feiern, anstatt daß es bei uns nur vier Mal im Jahre geschieht. Als ich hier in Genf ankam, wurde es nur drei Mal im Jahre genossen, und so, daß zwischen Pfingsten und Weihnachten 7 Monate ohne den Genuß des Abendmahls vorübergingen. Ich wünschte die monatliche Feier desselben einzuführen; da ich aber nur so Wenige fand, die sich überzeugen ließen, so schien es mir besser, der Glaubensschwachheit des Volkes zu schonen, als hartnäckig zu streiten. Ich sorgte aber dafür, daß in den öffentlichen Acten angemerkt wurde, daß unser Gebrauch fehlerhaft sei, damit die Nachkommen mehr Freiheit und Leichtigkeit hätten, ihn zu verbessern.“
8)
Unter „Substanz“ und „Wirklichkeit“ des Abendmahles versteht Calvin hier, wie überall in dieser Schrift, den Leib und das Blut Christi, im Gegensatz zu den äußeren Zeichen, Brod und Wein. cf. pag. 7. Anm.
9)
Bei den Kirchenlehrern Justinus Martyr (gest. um 163) und Irenäus (gest. um 202) wird das Abendmahl als ein geistiges Dankopfer bezeichnet. Augustinus Und Fulgentius, Letzterer Bischof von Ruspe (gest. 533) nennen das Abendmahl ein Opfer, weil es, wie sie ausdrücklich sagen, ein Gedächtniß des Einmal dargebrachten Opfers Christi ist. – Die ersten Keime der katholischen Idee vom Meßopfer finden sich bei Cyprianus von Carthago, im 3. Jahrhundert, der die Opferhandlung beim Abendmahl auf das Opfer Christi bezieht und von einer Darbringung des Leibes und Blutes redet. In späterer Zeit tritt diese Vorstellung bei Cyrill von Jerusalem und namentlich bei Gregor dem Großen wieder hervor, der von einer Wiederholung des Todes Christi durch das heilige Opfer beim Abendmahl spricht: Paschasius Radbertus, Abt des Klosters Corbie, im 9. Jahrhundert, vertheidigt die Opferidee gegen den gelehrten Mönch Ratramnus. Petrus Lombardus im 12. Jahrh. redet von einer Wiederholung des Opfers Christi auf sacramentalische Weise; im eigentlichen Sinne sei Christus nur Einmal geopfert worden; denn wie es nur Einen Leib Christi gebe, so auch nur Ein Opfer. – Eine besondere Bedeutung gewann diese Lehre vom Meßopfer durch ihren Zusammenhang mit der Kirchenbuße und der Lehre vom Fegfeuer.
10)
Die alttestamentlichen Opfer waren nur Vorbilder und Schatten des einen, großen, für alle Zeiten und Jahrhunderte gültigen Opfers christi am Kreuz: sie wiesen alle auf Christum hin, der gleichsam ihre Wahrheit und Wirklichkeit war, sofern sie sich zu seinem Opfer verhielten wie der Schatten zum Wesen, wie die bildliche Darstellung zur Wirklichkeit.
11)
Erst Paschasius Radbertus bildet die Lehre von der Transsubstantiation aus ums Jahr 831. Dagegen schrieben vornehmlich die Kirchenlehrer Rabanus Maurus, Duns Scotus Erigena, Ratramnus, später auch Berengarius. Der Ausdruck Transsubstantiation kam erst im 12. Jahrhundert auf, und rührt von Hildebert von Tours her. – Zu einem Glaubensartikel wurde diese Lehre unter Innocenz III., auf dem 4ten allgemeinen Lateranconcil 1215 erhoben.
12)
Die weiße Farbe des Brodes, die allerdings noch zurückbleibt nach der angeblichen Transsubstantiation, kann uns doch unmöglich bezeugen, daß der Leib Christi unsere Speise sei. Der Vergleichungspunkt kann eben nur, wie bei der Taufe im Wasser, als Reinigungsmittel, so hier beim Abendmahle im Brode, als Nahrungsmittel liegen. Wie das Brod den Leib nährt, so nährt der Leib Christi unsere Seele zum ewigen Leben.
13)
cf. I. Cor. X., 17.
14)
So hieß bis zu Ende des 18. Jahrhunderts die theologische Facultät zu Paris, die von dem Canonicus Robert, aus Sorbonne in Champagnie gebürtig, im Jahre 1252 gestiftet worden. Ursprünglich war die Sorbonne eine Bildungsanstalt (collegium oder congregatio pauperum magistrorum studentium in theologica faultate) für junge Weltgeistliche auf der Pariser Universität; erst später erlangte sie so große Bedeutung, daß ihr Name auf die ganze theologische Facultät überging, und ihre Gutachten und Beschlüsse auf den Geist und die nationale Gestaltung des Katholicismus in Frankreich entscheidenden Einfluß hatten.
15)
Schon das Concil zu Lambeth 1281 befahl, bei der Elevation der Hostie zu läuten, damit die Anwesenden knieen sollten.
16)
Am Frohnleichnamsfeste, das im Jahre 1264 durch Pabst Urban IV. eingeführt ward, und noch heute am Donnerstag nach Trinitatis in der römischen Kirche gefeiert wird.
17)
Es ist dies eine natürliche Consequenz der Transsubstantiationslehre. Hat sich das Brod wirklich in den Leib Christi verwandelt, so ist dieser auch so lange vorhanden, als das äußere Zeichen fortdauert, selbst außerhalb der Abendmahlsfeier. Die Scholastiker Alexander Halesius und Thomas Aquinas trieben diese Consequenz sogar so weit auf die Spitze, daß sie zugaben, daß der Leib Christi auch von einer Maus genossen werden könne. – Die geweihte Hostie wird übrigens in einer Kapsel (pyixs) von kostbarem Stoffe aufbewahrt, und diese hat ihre Stelle in einem Behältnisse (ciborium oder tabernaculum) im Hochaltare, oder, wo das Lokale es gestattet, in einem besonderen Altare (altare sacramenti), an der rechten Seite von jenem (vornu evangelii). Vor dem Tabernakel brennt Tag und Nacht eine Lampe, und die heiligen Gefäße dürfen in der Regel von keinem Laien berührt werden.
18)
Auf der vierten Lateran-Synode 1215 ward den Laien bei Strafe der Excommunication befohlen, jährlich wenigstens ein Mal zum Abendmahl zu gehen.
19)
Der Mißbrauch der Kelchentziehung hat sich erst im 12. Jahrhundert eingeschlichen. In den ersten Jahrhunderten der Kirche wurde sie als ein Sacrilegium angesehen, und von den Päbsten Leo dem Großen im 3. und Gelasius im 5. Jahrhundert sogar mit Excommunication bedroht.
20)
Es ist dies die Lehre von der sogenannten concomitantia corporis et sanguinis Christi, wonach der Leib des Herrn unter jeder Gestalt des Abendmahles vollständig enthalten ist. Auch diese Lehre kam im 12. Jahrhundert auf, und wurde zuerst von den Scholastikern Anselmus von Canterbury und Petrus Lombardus, später auch von Alexander von Hales, Albertus Magnus, Thomas Aquinas und Bonaventura vorgetragen, welche Letztere die Nothwendigkeit der Kelchentziehung daraus herleiteten.
21)
cf. I. Cor. XI., 23-29: „ich habe es von dem Herrn empfangen, das ich euch gegeben habe u.s.w.“
22)
Augustin. tract. 80 in Joannem.
23)
„Schlecht Wasser“, wie Luther im vierten Hauptstück des kleinen Katechismus sagt.
24)
Es geht dies auf die sogenannten orationes secretae, die das Offertorium, die Darbringung der Hostie und des Kelches durch den Priester, begleiten.
25)
Luther hielt anfangs noch an der Transsubstantiation fest. Später lehrte er eine sogenannte Consubstantiation, wonach Leib und Blut Christi in, mit und unter Brod und Wein wahrhaft und gegenwärtig sein. „Indem wir das Brod segnen,“ sagt er, „vereinigt sich der Leib Christi mit dem gesegneten Brode; und indem wir den Kelch segnen, vereinigt sich das Blut Christi mit dem Weine.“ Und gleichwie das Eisen und Feuer zwei Substanzen, und doch also vermischt Eine glühende Substanz seien, ähnlich verhalte es sich mit dem Zusammensein des Leibes und Blutes mit Brod und Wein.
26)
Johann Oecolampadius (eigentlich Hausschein), Zwingli’s gelehrter Mitarbeiter im Werke der schweizerischen Kirchen-Reformation; geb. 1482 zu Weinsberg in Schwaben, seit 1525 Pfarrer in Basel, wo er am 24. Nov. 1531 starb. Vergl. über ihn J. J. Herzog: Das Leben Joh. Oecolampad’s und die Ref. der K. zu Basel. Basel 1843.
27)
Auf dem Gespräch zu Marburg, am 1., 2. und 3. October 1529, wo von der einen Seite Luther, Melanchthon, Justus Jonas, Friedr. Myconius, Caspar Cruciger, Johann Brenz, Andreas Osiander, und Steph. Agricola, - von der anderen Zwingli, Oecolampadius, Bucer und Caspar Hedio erschienen waren.
28)
Vgl. hierüber die erst kürzlich erschienene, treffliche Schrift: Huldreich Zwingli von R. Christoffel, Elberfeld 1857, I., pag. 310-323. – Der Landgraf Philipp von Hessen, der das Gespräch veranstaltet hatte, forderte nach Beendigung desselben beide Parteien auf, einander als Brüder zu begegnen und Solches auch äußerlich zu bezeugen und öffentlich zu erklären. Als aber Zwingli mit thränenden Augen vor Luther hintrat und ihm mit den Worten: „Es giebt keine Leute auf Erden, mit denen ich lieber Eins sein wollte, als mit den Wittenbergern“, die Rechte bot, wies ihn dieser mit den harten Worten zurück: „Ihr habt einen anderen Geist. Es wundert mich, daß Ihr mich, dessen Lehre Ihr für falsch haltet, doch als einen Bruder erkennen wollt. Ihr müßt wohl selbst nicht viel auf Eure Lehre halten.“
29)
Statt dessen aber schrieb er vor Beginn der Unterredung mit einem Stück Kreide die Worte auf den Tisch: „Dies ist mein Leib“, von denen er von vorn herein erklärte, „schlecht nicht weichen zu wollen,“ und behauptete, diese Worte müßten nach ihrem einfachen, natürlichen Sinne verstanden werden. Mit Recht erwiederte ihm daher Zwingli, daß er dann in den Irrthum der Papisten zurückfalle, sofern aus der buchstäblichen Auffassung dieser Worte die Verwandlungslehre folge. – Luther war in so fern im Widerspruche mit sich selbst, als er von der einen Seite gegen jede „Zeichelei und Deutelei,“ wie er sie den Schweizern vorwarf, gegen jede Erklärung der Einsetzungsworte sich verwahrte, und doch von der anderen, um der Transsubstantiation aus dem Wege zu gehen, in denselben Fehler verfiel und die Worte durch sein „in, mit und unter“ erklärte. Entweder ist da Brod der wirkliche Leib Christi, und dann hat es sich in demselben verwandelt, oder aber die Einsetzungsworte werden nicht nach ihrem einfachen, natürlichen Sinn genommen. Der Herr hat nicht gesagt: „Nehmet hin und esset, in diesem Brode ist mein Leib,“ sondern: „nehmet hin und esset, das ist mein Leib.“
30)
Luther argumentirte in Marburg mehr mit Behauptungen als mit Gründen, und entzog sich den klaren Beweisführungen der Schweizer durch einen continuirlichen Zirkelschluß. Um die Behauptung zu stützen, daß der Leib Christi im Brode sei, stellte er den Satz auf, daß derselbe an verschiedenen Orten zu gleicher Zeit, im Himmel und auf Erden sein könne; und als Zwingli dagegen geltend machte, daß der Leib Christi ein endlicher und begrenzter sei, der darum auch nur an einem Orte zugleich, nämlich im Himmel, und nicht im Brode sein könne, erwiederte er: „Christus spricht: das ist mein Leib. Nun wird das Sacrament an vielen Orten zugleich genossen, darin man nicht allein Brod, sondern den Leib Christi wahrhaftig genießt; darum ist der Leib Christi zumal an vielen Orten.“ Vgl. die vorerwähnte Schrift von Christoffel I., pag. 315.
31)
Als Oecolampadius gegen die buchstäbliche Auffassung der Einsetzungsworte den Umstand geltend machte, daß Christus Joh. VI. die Juden, welche wähnten, er muthe ihnen zu, sein wirkliches Fleisch zu essen und sein wirkliches Blut zu trinken, dahin belehrte, daß man ihn nur dann wahrhaft genieße, wenn man an ihn glaube, sofern das Fleisch kein nütze sei, und daß der Heiland, was er Joh. VI. verworfen, in den Worten des heiligen Abendmahles nicht zugelassen oder gar befohlen haben könne, - da entgegnete ihm Luther: „Die Juden meinten, sie müssen Christum essen, wie einen Schweinebraten. Durch den geistlichen Genuß wird der leibliche nicht aufgehoben.“ Und als Oecolampadius ihn darauf fragte, was wir des mündlichen Genusses noch bedürfen, da wir den geistigen haben, erwiederte Luther: „Ich bekümmere mich nicht, wozu wir dessen bedürfen, sondern ich sehe, daß geschrieben stehet: Dies ist mein Leib. Man muß es demnach unbedingt glauben und thun. Man muß es thun! Wenn Gott mir Mist zu essen befehlen würde, so thäte ich es, indem ich wohl wüßte, daß es für mich heilsam wäre. Wenn der Herr mir Holzäpfel vorlegen und mich essen heißen würde, so würde ich’s thun und nicht fragen: Warum?“ Vgl. Christoffel I., pag. 311 und 312.
32)
Zwingli behauptete, Leib und Blut des Herrn genießen sei nichts Anderes, als die Versöhnungsthat Christi, die durch die Hingabe seines Leibes und Blutes vollzogen worden, durch den Glauben sich aneignen; indem der Glaube diese Versöhnungsthat ergreife, werde unsere Seele genährt mit Christi Leib und Blut; durch das Abendmahl werde der Glaube, als durch eine sichtbare Sache, gewiß gemacht. Calvin hebt dagegen ausdrücklich die reale Mittheilung des Leibes Christi hervor, nur daß er den Vorgang nicht wie Luther vermöge des Körpers Christi, der als solcher nicht an mehreren Orten zugleich sein kann, sondern vermöge der Kraft des heiligen Geistes geschehend denkt.
33)
Leider wurde durch die im Consensus Tigurinus später festgestellte Formel, wie schon in der Vorrede bemerkt worden, nur die Vereinigung der reformirten Parteien bewirkt, während derselbe nach Calvins Plan auch in die Augsburgische Confession übergehen und die gesammte evangelische Christenheit verbinden sollte.
34)
Schließlich sei hier noch für den Vergleich der lutherischen und reformirten Abendmahlslehre an den trefflichen Aufsatz von Dr. Sack erinnert (siehe Evang. Kirchenzeitung 1836, Nr. 94, 95, 96), worin es u. A. heißt: „Beide Lehren ergänzen sich. Die reformirte Lehre bedarf einer Ergänzung, welche aus der Hinzunahme eines in der lutherischen Lehre stärker ausgesprochenen Elementes entsteht, wie aber auch umgekehrt das lutherische Dogma nur durch die Aufnahme des in der reformirten Kirche zur Klarheit gekommenen Princips allein erst eine vollständige theologische Haltung gewinnen kann. Das lutherische Dogma hat nämlich keinesweges Recht, zu dem reformirten zu sagen: du erkennst die Darreichung des wahren Leibes und Blutes Christi nicht an. Dieser Vorwurf wird immer ein unwahrer, unbegründeter, ungerechter bleiben, denn dieser reale Genuß ist den Reformirten durch die Aussprüche Christi und der Apostel und durch die Natur des Sacramentes eben so gewiß, wie den Lutheranern. Aber wohl darf es sagen: du weisest zu wenig nach, wie der Genuß des Brodes und Weines mit dem Genusse des Leibes und Blutes zusammenhängt; denn die Vermittelung durch den heiligen Geist, die wir dir zugeben, schließt die Vermittelung durch das leibliche Essen und Trinken nicht aus. Es ist also darin die noch nicht gelösete Aufgabe, das von dem Herrn geordnete Zugleichsein des doppelten Genusses aufzufassen, als ein Ineinandersein der himmlisch-verklärten Substanz des Leibes Christi mit der irdischen Substanz der Elemente, unter der Voraussetzung der geistlichen Lebenssphäre, in welcher die communicirende Kirche mit Christo steht. Auf der andern Seite hat die reformirte Kirche nicht Recht, zu der lutherischen zu sagen: es giebt keine Art von Einheit des Leibes Christi mit den Elementen des Brodes und Weines; und in der That hat sie auch schon immer zugestanden, daß es eine sacramentliche Einheit zwischen beiden Substanzen gebe. Allein sie hat vollkommen Recht, zu ihr zu sagen: du mußt es aufgeben, diese Einheit unabhängig von der durch die Wirksamkeit des heiligen Geistes vermittelten Glaubensempfänglichkeit der Kirche darzustellen. – So ergiebt sich als Resultat, daß beide Dogmen sich ergänzen und die Vereinigung und Versöhnung beider Standpunkte die wahre Mitte zwischen den entgegengesetzten Irrthümern der scholastisch-katholischen und hyperverständigen Lehre darstellt.“ – Jedenfalls reducirt sich, wie schon gesagt, der Unterschied beider Lehren lediglich auf das Wie des Genusses von Leib und Blut des Herrn, und giebt, da diese Frage sich auf Grund der Schrift, in Ermangelung eines näheren Aufschlusses aus derselben wohl niemals endgültig entschieden lassen wird, keinen Grund zur Trennung ab.