Inhaltsangabe: David hatte schon den Thron bestiegen und einige herrliche Siege gewonnen, welche viel zur Befestigung seiner königlichen Würde beitragen konnten. Deshalb rühmt und erhebt er Gottes Gnade, nicht bloß um seine Dankbarkeit zu bezeugen, sondern auch um den Rest des Volkes, der sich noch nicht unterwerfen wollte, zu gewinnen und so die Einheit des zerrissenen Volkskörpers herzustellen. Nachdem er aber an die glänzenden Zeichen offenbaren göttlichen Segens erinnert, welche ebenso viele Siegel seiner Erwählung zur königlichen Würde waren, verweist er (V. 8) vornehmlich auf den Spruch Gottes, aus welchem die Gläubigen abnehmen können, dass sie sich der Führung Gottes beugen würden, wenn sie die von Samuel vollzogene Salbung anerkennen. Untergemischt werden auch Bitten, dass Gott sein angefangenes Werk vollenden möge.
1 Dem Musikvorsteher: von der Rose des Zeugnisses, ein gülden Kleinod Davids, zu lehren; 2 da er gestritten hatte mit den Syrern zu Mesopotamien und mit den Syrern von Zoba; da Joab umkehrte und schlug die Edomiter im Salztal zwölftausend.
Indem bezüglich der übrigen Stücke der Überschrift auf Ps. 16, 1; 45, 1; 56, 1 zurückgewiesen werden kann, bleibt hier nur zu erklären, warum dieser Psalm insbesondere bestimmt ist, das Volk zu lehren. Wahrscheinlich beschreibt David den Zweck, den er in einem Zeitpunkte verfolgte, als er schon viele herrliche Siege, aber doch noch nicht die unbestrittene Herrschaft über das ganze Reich gewonnen hatte: die Leute, die sich bisher noch gegen ihn auflehnten, sollten ihre Parteisucht darangeben und sich durch die unwidersprechlichen Beweise belehren lassen, dass Davids Königtum von dem Gott stamme, der ihn vor den Augen aller Menschen so reich gesegnet hatte. Das Lied wurde als Siegesgesang gedichtet, als David die Syrer und andere mit ihnen verbündete Völkerschaften niedergeworfen hatte (2. Sam. 8, 3 ff.; 10, 6 ff.). Da übrigens die Hebräer sehr weite Gebiete unter dem Namen Syrien (hebräisch „Aram“) zusammenfassen, müssen sie die einzelnen Gebiete durch genauere Bezeichnungen unterscheiden. So deutet, wie buchstäblich zu übersetzen wäre, „Aram der Ströme“ auf Mesopotamien; daran grenzten westlich die Syrer von Zoba. Dass deren Reich bis an den Euphrat reichte, ist daraus ersichtlich, dass der König desselben seine Macht an dem Wasser Euphrat wiederherstellen wollte (2. Sam. 8, 3). In dem dortigen Bericht werden als dritte Gruppe die „Syrer von Damaskus“ genannt, welche am nächsten an das jüdische Land grenzten. Und da gerade sie den Krieg gegen David angefangen, indem sie ein Heer zur Unterstützung der Ammoniter aussandten, welches er dann in die Flucht schlug, so erhebt sich die Frage, warum gerade ihrer in unserem Psalm keine Erwähnung geschieht. Ich möchte mir die Sache so zurechtlegen, dass David nur die entfernteren Stämme nennt, weil deren bloßer Name für das Volk bis dahin schreckhaft war: wurden diese jetzt in bis dahin unerhörter Weise überwunden, so war dies ein besonders herrliches Zeichen der Gnade Gottes, die Davids Reich so weit ausdehnte.
3 Gott, der du uns verstoßen und zerstreuet hast, und zornig warest, tröste uns wieder. 4 Der du die Erde beweget und zerrissen hast, heile ihre Brüche, die so zerschellet ist. 5 Denn du hast deinem Volk ein Hartes erzeigt; du hast uns einen Trunk Weins gegeben, dass wir taumelten.
V. 3. Gott, der du uns verstoßen und zerstreuet hast usw. David hebt mit Gebet an, um sich und andere zur Betrachtung der Gnadentaten Gottes zu erwecken. Dabei vergleicht er den jetzigen und den früheren Zustand, um deutlich werden zu lassen, dass Sauls Königtum von Gott verworfen war. Er klagt über die bisherige elende und trostlose Zerstreuung des Volkes und bittet dann, dass der Gott, der jetzt eine Wendung zum Besseren gegeben, sich auch in Zukunft seinem Volke gnädig zeigen möge. Denn die beliebte Deutung der ersten Worte des Psalms auf Davids persönliche Leiden ist unpassend. Gewiss hatte David harte Prüfungen zu bestehen, ehe er zur Herrschaft gelangte; aber hier schließt er sich mit dem ganzen Volk zusammen und klagt über gemeinsames Elend. Das wird kaum anders zu deuten sein, als dass er damit einen dunklen Hintergrund zeichnet, von welchem sich die gegenwärtige Gnade Gottes hell abheben sollte: war unter Sauls Herrschaft das Volk durch schweres und langes Unglück gedrückt, so war alsbald mit dem Anfang der Herrschaft Davids ein neues Licht aufgegangen. Sehr bemerkenswert ist, dass David, dessen schlimmste und grausamste Feinde doch seine eigenen Landsleute gewesen waren, jetzt, da er auf den Thron gelangt ist, alle ihre Beleidigungen vergisst und allen an den Zweck seiner Berufung denkt: indem er sich mit seinem Volk zusammenschließt, tritt er vor Gottes Angesicht. Dass Gott sein Volk „zerstreuet“ hat, bezeichnet er als das größte Übel: denn als Sauls Kraft gebrochen und zu Boden gedrückt war, war das Land den Feinden zur Beute gegeben, sodass niemand in seinem Hause sicher geborgen war, sondern alle jeden Augenblick auf Flucht und Verbannung gerüstet sein mussten. Eben dieser Zustand der Verwüstung wird auch mit den Worten beschrieben (V. 4): der du die Erde beweget und zerrissen hast. Die Meinung ist ja nicht, dass in wirklichem Erdbeben sich etwa Spalten aufgetan hätten, sondern dass der Zustand des Volkes der jämmerlichen Verwüstung gleicht, welche einem Erdbeben zu folgen pflegt. Denn seitdem Saul vom Herrn abgefallen war, missriet ihm alles, bis er selbst zu Grunde ging und das Volk in einem verderbten und verzweifelten Zustande zurückließ. Sicher erfüllten damals Furcht und Zittern alle Herzen: Abrahams Nachkommen waren den Feinden zum Spott geworden, und sie hätten sich ihnen auch willig unterworfen, wenn das drohende Joch der Knechtschaft nicht gar zu unerträglich gewesen wäre. An diesen Zeichen macht David klar, dass Saul von Gott verlassen war, und er deckt die Quelle alles Unglücks darin auf, dass Gott zornig war. Aber denselben Arzt, der geschlagen hat, ruft er auch um Hilfe an: Heile ihre Brüche! V. 5. Denn du hast deinem Volk ein Hartes erzeigt. Diese harte Behandlung wird alsbald bildlich mit den Worten dargestellt, dass Gott den Kindern Israel einen Trunk Weins gegeben habe, dass sie taumelten . Das will besagen, dass das Unglück sie ganz von Sinnen brachte, wie der Wein den Menschen die klare Besinnung zu nehmen pflegt. Mit alledem stellt David seinen Volksgenossen den göttlichen Fluch vor Augen, der unter Sauls Regiment auf ihnen lastete; sie sollen also ihren Widerspruchsgeist dämpfen und sich nicht weiter für ein von Gott verworfenes Regiment einlegen.
6 Du hast aber doch ein Panier gegeben denen, die dich fürchten, welches sie aufwarfen um der Wahrheit willen. (Sela.) 7 Auf dass deine Lieben erledigt werden, hilf mit deiner Rechten und erhöre uns. 8 Gott redete in seinem Heiligtum, des bin ich froh, und will teilen Sichem, und abmessen das Tal Sukkoth. 9 Gilead ist mein, mein ist Manasse; Ephraim ist die Macht meines Haupts, Juda ist mein Zepter. 10 Moab ist mein Waschbecken, meinen Schuh strecke ich über Edom; Philistäa jauchze mir zu!
V. 6. Du hast aber doch ein Panier gegeben. Manche Ausleger übersetzen, was dann noch eine Weiterführung der Bitte wäre: du mögest ein Panier geben. Aber David mischt unter seine Bitten jetzt vielmehr eine fröhliche Danksagung. Er weist auf den eingetretenen Umschwung hin, der ein deutliches Zeichen der göttlichen Gnade ist. Im Namen des ganzen Volkes preist er den Herrn, der ein Panier aufgerichtet hat, um die Herzen zu erquicken und die Zerstreuten zu sammeln. Dass man dieses Panier erheben darf um der Wahrheit willen, besagt ganz gewiss nicht, dass Israel mit seiner Treue und Wahrheit dies verdient hätte: denn es war samt seinem Haupte ein bundbrüchiges Volk. Vielmehr ist Davids Meinung, dass Gottes Wahrheit sich aus der Finsternis erhob, als wider alle Hoffnung sein Volk plötzlich in einen besseren Stand kam. Denn wer hätte bei dem bisherigen verzweifelten Zustande nicht glauben müssen, dass Gottes Verheißungen dahin gefallen wären? Als darum David auf den Thron erhoben wurde, tauchte zugleich die lange verhüllte Wahrheit Gottes wieder hervor. Obgleich nun diese Wohltat dem ganzen Volke zugute kam, erinnert David doch daran, dass Gott dabei die Wenigen angesehen habe, die ihn fürchten, und dass er für deren Heil sorgen wollte. V. 7. Auf dass deine Lieben erledigt werden. Damit kehrt die Rede zum Gebet zurück. Doch halte ich es auch nicht für ausgeschlossen, diesen Satz noch mit dem vorigen zu verbinden. Dann würde die Größe der göttlichen Gnade herausgehoben werden, die in dem erfahrenen Umschwung hervortrat: dieselben Leute, welche kurz zuvor ohne Aussicht auf Rettung unter äußerstem Druck standen und sicherem Verderben entgegengingen, wenn nicht ein Wunder Gottes sie rettete, haben jetzt durch Gottes Gnade Mut bekommen, ein Panier zu erheben. Übrigens werden dieselben Leute, von denen es zuvor hieß, dass sie Gott fürchten, jetzt als seine Lieben bezeichnet: so wird deutlich, dass sie nicht etwa einen Lohn für ihre Gottesfurcht empfangen, sondern unter der freien Gnade stehen. – Hilf mit deiner Rechten. Wenn nicht schon im vorigen Satzglied, so hebt jedenfalls hier die Bitte an: denn wie hoch uns Gott auch durch seine Wohltaten erheben möge, so haben wir doch immer nötig, ihn in Demut und Bescheidenheit zu bitten, dass er sein Werk fortsetze. V. 8. Gott redete in seinem Heiligtum. Bis dahin hatte David auf die sichtbaren Beweise hingewiesen, aus denen sich auf ein neues und seit Jahren ungewohntes Walten der Gnade Gottes schließen ließ: der Herr hatte seinem zerknickten Volke eine neue Blüte geschenkt und das Glück derartig gewendet, dass immer ein Sieg dem andern folgte. Nun aber sollen die Gedanken des Volkes auf die Hauptsache, nämlich auf Gottes Verheißungen gerichtet werden, die längst zuvor bezeugt hatten, was jetzt tatsächlich eingetreten war. Werden doch alle Beweise seiner Gnade, mit denen Gott uns vielleicht überschüttet, nur dann eine heilskräftige Erkenntnis hervorrufen, wenn sein Wort voranleuchtet. Zweifeln könnte man, ob hier Verheißungen vorschweben, welche dem ganzen Volke oder nur David persönlich galten. Aber auch wenn wir das letztere annehmen, trennt David seine Sache nicht von dem Anliegen des gesamten Volkes, dem er zum Haupt gesetzt war. Er heißt also das Volk die Gedanken auf den göttlichen Spruch richten, welcher ihn unter herrlicher Anerkennung zum König bestimmt hatte (1. Sam. 13, 14; 16, 7 ff.; vgl. Ps. 89, 36), - wenn ja die sonstigen Beweise der Gnade Gottes nicht ausreichen sollten. Dass Gott „ins seinem Heiligtum“ geredet hat, ließe sich auch übersetzen: „in seiner Heiligkeit“. Und dies empfiehlt sich vielleicht, weil wir nichts davon wissen, dass dem Samuel gerade in der Stiftshütte der göttliche Spruch zuteil wurde. Dagegen wäre eine Berufung auf Gottes Heiligkeit sehr wohl am Platze: so erschiene dem Spruch die Glaubwürdigkeit gesichert, wie ja Gott seine Treue und die Kraft seiner Verheißung durch viele Zeichen bestätigt hatte. So kann David wider allen Zweifel hinzufügen, dass er bei diesem ihm durch Samuel überbrachten Gottesspruch getrost verharre: des bin ich froh. Alles Siege, die ganz gewiss seinen Mut gehoben hatten, bereiteten ihm nicht so viel freudige Gewissheit, als dieses Zeugnis des göttlichen Wortes. Und in der Tat: auch für uns haben alle Wohltaten Gottes einen hohen Wert und erquicken uns; aber die oberste Stelle nimmt doch der Glaube ein, welcher alle tödliche Traurigkeit vertreibt und die Toten durch geistliche Freude wieder lebendig macht. Übrigens verkündet David nicht bloß persönlich seine Freude, sondern ruft alle Frommen zur Teilnahme auf. Darauf deutet er den Hauptinhalt des Gottesspruches an, jedoch nicht in einem schlichten Bericht, sondern in schwungvollen Worten, aus welchen wir die Gewissheit seines Glaubens ersehen: er verkündet wie eine selbstverständliche und zweifellose Sache, dass er ausführen werde, was Gott versprochen hatte. Ich will, so sagt er, teilen Sichem und abmessen das Tal Sukkoth. Damit nennt der Landesteile, welche sich erst spät ihm unterwarfen, und der Psalm scheint in einer Zeit gedichtet, in welcher der Sohn Sauls dort noch anerkannt wurde. Da also David um diese Gegenden besonders ringen musste, erklärt er, sie würden, wenn auch spät so doch sicher, sich ihm unterwerfen; denn Gott habe sich herabgelassen, sein Wort dafür einzusetzen. Aus demselben Grunde wird auch (V. 9) Gilead und Manasse genannt. Von Ephraim als dem volkreichsten Stamm sagt David mit Recht: die Macht meines Hauptes, d. h. meines Regiments. Damit aber der Gottesspruch durch sein Alter desto ehrwürdiger erscheine, fügt er hinzu: Juda ist mein Zepter. Das will besagen, dass Abrahams Nachkommen nicht anders zu seinem starken Volk zusammenwachsen können, als indem sie um den Stamm Juda sich scharen oder um einen Führer, der aus dieser Gegend stammt. Wir haben also hier eine Anspielung auf die Weissagung des Erzvaters Jakob (1. Mos. 49, 10): „Es wird das Zepter von Juda nicht entwendet werden“. So musste jedermann begreifen, dass das Reich nur dann gefestigt dastehen könne, wenn es auf den Stamm Juda sich gründe: denn so hatte es Gott nicht nur beschlossen, sondern auch als seinen Willen verkündet. Übrigens ist hier besonders deutlich, dass David nicht rein persönlich, sondern im Namen des ganzen Volkes spricht, dessen Vertreter er ist. V. 10. Moab ist mein Waschbecken. Von den fremden Völkern zu welchen die Rede sich jetzt wendet, wird ganz anders gesprochen, wie von den eigenen Landsleuten: denn über die Kinder Abrahams sollte David wie über Brüder, nicht wie über Sklaven herrschen; über die unheiligen und unbeschnittenen Völker dagegen war ihm eine härtere Herrschaft verstattet, die sie kräftig beugen sollte. Indessen darf sich kein siegreicher Fürst etwa auf dies Beispiel berufen, um eine tyrannische Herrschaft aufzurichten und Heiden nach Laune unterdrücken; denn David hatte im Unterschied von anderen Fürsten einen besonderen Befehl Gottes: er war nicht nur zum König, sondern auch zum Rächer der Gemeinde Gottes eingesetzt, insbesondere gegen jene unversöhnlichen Feinde, welche ihre Blutsverwandten unaufhörlich in der unmenschlichsten Weise bedrängt hatten. Höchst verächtlich lautet es, wenn er die Moabiter als ein Gefäß bezeichnet, welches ihm nach der allgemeinen Sitte der Morgenländer dazu dienen soll, seine Füße zu waschen. Ebenso wegwerfend ist die Aussage gemeint: meinen Schuh strecke (oder werfe) ich über Edom. Es war dies ein Zeichen schmachvoller Unterwerfung: denn wie die Edomiter das heilige und auserwählte Volk mit stolzer Frechheit misshandelt hatten, so sollte ihnen vergolten werden. Den Philistern wird spottend zugerufen: Philistäa, jauchze mir zu! Dies Volk hochfahrenden Geistes, welches sich nie unter ein Joch beugen wollte, soll gezwungen werden, dem Sieger zuzujubeln, wie wir auch Ps. 18, 45 lasen: „die Kinder der Fremde schmeicheln mir.“
11 Wer will mich führen in eine feste Stadt? Wer geleitet mich bis nach Edom? 12 Wirst Du es nicht tun, Gott, der du uns verstießest, und zogest nicht aus, Gott, mit unserm Heer? 13 Schaff uns Beistand in der Not; denn Menschenhilfe ist nichts nütze. 14 Mit Gott wollen wir Taten tun. Er wird unsre Feinde untertreten.
V. 11. Wer will mich führen in eine feste Stadt? Diese Fragen wollen einem Einwand begegnen. David schien vor der Zeit zu frohlocken, da noch so viele Feinde wider ihn standen: darum erklärt er, dass er für alle Zukunft Gutes von Gott erhoffe, der ihn die festen Plätze der Feinde überwinden und Sieg gewinnen lassen wird. Denn wenn der Herr versprochen hatte, dass alle Völker, die sich jetzt noch auflehnten, unter seine Macht und Gewalt kommen sollten, so konnte, trotz aller noch bestehender Schwierigkeiten und Gefahren, unter Gottes Führung ein sicherer Erfolg nicht ausbleiben. Unter der festen Stadt wird nicht gerade bloß die moabitische Hauptstadt Raboth zu verstehen sein, an welche man neben Edom gedacht hat, sondern David wird ganz allgemein der Hoffnung Ausdruck geben, dass alle festen Städte, durch welche sich die Feinde unbesiegbar glaubten, ihnen nichts helfen werden: Gott wird sie überwinden, wie er ihm in offener Feldschlacht den Sieg verlieh. Und wiederum muss der Rückblick auf die früheren Zustände die Gnade Gottes, die unter Davids Regiment aufleuchtete, umso strahlender erscheinen lassen: der du uns verstießest, - du wirst es tun. So wird von neuem bewiesen, dass Davids Berufung in rechtmäßiger und heiliger Weise erfolgt war. Der Gott, der zuvor sein Volk verlassen und dem Unglück des Krieges preisgegeben hatte, wird die Tore der feindlichen Städte öffnen, so dass David durch alle Bollwerke hindurch brechen kann. V. 13. Schaff uns Beistand usw. Jetzt kehrt David zur Bitte zurück, ja eben die gewisse Hoffnung, in welcher er zuletzt redete, bahnt ihm den Weg zu eifrigem Gebet. Er sagt aber, dass allein Gottes Hilfe, wobei alle andere Unterstützung fehlen könne, ihn vollständig decken werde. Dies wollen die Worte besagen: Menschenhilfe ist nichts nütze. Es ist, als spräche David: „Herr, wie du keines Helfers bedarfst, wenn du deine Kraft beweisen willst, so habe auch ich keinen Grund, weiter nach Menschenhilfe auszuschauen, sobald du mir bezeugst, dass deine Gnade über mir waltet.“ Möchte doch solcher Sinn auch in unsern Herzen wohnen! Denn dass die Welt immer hin und her schwankt oder, ohne an Gott zu denken, sich mit leeren Hoffnungen aufbläht, kommt doch nur daher, dass niemand das Heil Gottes im Herzen schmeckt, welches allein uns genügen sollte und ohne welches alles Menschenhilfe nur trügerischer Schein ist. Es ist zudem eine uneigentliche Ausdrucksweise, dass David von „Menschenhilfe“ überhaupt redet: dergleichen gibt es ja nur für die törichten Einbildungen der Menschen, die allerlei Heil in der Welt suchen. Und wenn auch Gott den Dienst von Menschen gebraucht, um uns zu retten, so tritt er doch keineswegs sein Amt an jene ab, noch schmückt er sie mit seinem Siegespreis. Also auch die Hilfe, welche uns durch Menschen zufließt, ist als eine Gotteshilfe einzuschätzen, und Davids Ausdruck will uns lediglich einprägen, dass alle Hilfe, die man anderswoher als von Gott erhofft, ein Trug ist. Diese Meinung bekräftigt auch der letzte Vers, aus dem wir lernen, dass wir einerseits ohne des Herrn Kraft nichts vermögen, dass wir aber andrerseits mit unbesieglicher Kraft gerüstet sind, wenn Er uns beisteht. Denn dieser Doppelgedanke liegt in dem Satz: mit Gott wollen wir Taten tun (V. 14). Wenn Gott seine Gnade zurückzieht, muss alles zusammenfallen und entschwinden, was an Menschen stark zu sein scheint. Wiederum: wer keine andere Stärke hat, als seinen Gott, ist mit vollkommener Macht gerüstet, um alle Schwierigkeiten zu bestehen. Damit aber nicht der Schein aufkomme, als sollte dem Herrn nur ein Mitwirken, also nur die Hälfte des Werkes zugeschrieben werden, erklärt David ausdrücklich: Er wird unsere Feinde untertreten. Darf man also nicht einmal, wenn es sich um einen Kampf mit Menschen handelt, den Ruhm zwischen uns und Gott teilen, so muss es wohl eine vollends unerträgliche Lästerung sein, wenn man für den Erwerb des ewigen Heils die Kräfte unseres freien Willens der Gnadenwirkung des heiligen Geistes gleichwertig an die Seite stellt. Wer abgetrennt von Gott auch nur ein Tröpflein eigener Kraft sich anmaßt, wird in seinem Hochmut einen tiefen Fall tun.
Quelle: Müller, Karl / Menges I. - Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift - Psalter