Calvin, Jean - Psalm 29.

Inhaltsangabe: David verherrlicht Gottes schreckliche Macht an den verschiedenen Wundern der Natur, um alle Sterblichen, von dem Höchsten bis zum Niedrigsten, vor dem Herrn in den Staub zu beuten. Gottes Wundertaten sollen uns nicht minder aufwecken, ihm die Ehre zu geben, als wenn er selbst mit eigener Stimme seine Herrschaft ausriefe. Nachdem David also die Stolzen, die sich nicht gerne beugen, in Angst gesetzt und mit nicht undeutlichem Tadel an ihre Pflicht erinnert hat, lädt er die Gläubigen freundlich ein, freiwillig den Herrn zu verehren.

V. 1 u. 2. Bringt her dem Herrn usw. Es ist Davids Absicht, alle Sterblichen zum Dienste und zur Furcht Gottes zu bringen. Da es jedoch besonders schwer hält, die Gewaltigen und Männer in hohen Würden zur Unterwerfung zu bringen, so redet er diese besonders an. Jüdische Ausleger lassen freilich die Engel oder die Sterne angeredet sein.1) Aber David will den Stolz demütigen, der die Fürsten auf Erden so trunken macht, dass sie sich gegen Gott erheben. Das ist der Grund, weswegen er Gott hier mit Schrecken erregender Stimme durch Donner, Hagel, Sturmwind und Blitze zu diesen verhärteten und unbeugsamen Großen reden lässt. Denn wenn sie nicht durch Angst erschüttert werden, so wollen sie sich vor keiner himmlischen Gottheit scheuen. Wir sehen nun ein, weshalb David mit Übergehung der anderen an diese Mächtigen seine Worte besonders richtet. Denn in der Regel missbrauchen sie ihre hohe Stellung in unheiliger Weise, indem sie in ihrer Raserei sich das anmaßen, was nur Gott zukommt. Mindestens können sie in der Regel erst mit Gewalt dahin gebracht werden, dass sie sich dem Herrn unterwerfen, ihrer Vergänglichkeit gedenken und sich seiner Gnade anvertrauen. Sie sollen dem Herrn die Stärke geben, weil sie durch falsche Einbildungen nur zu leicht sich selbst betrügen und ihre hervorragende Stellung irgendwoher sonst, nur nicht aus dem Himmel empfangen zu haben glauben. Kurz, sie sollen ihren Stolz ablegen, die falsche Meinung von ihrer eigenen Kraft fahren lassen und Gott so verherrlichen, wie er es verdient hat.

Denn (V. 2) unter der Ehre seines Namens ist eine solche zu verstehen, die seiner Erhabenheit würdig ist, die ihm aber die Großen der Welt gewöhnlich rauben. Die Wiederholung zeigt ferner, dass man stark auf sie eindringen muss, um ihnen dieses Bekenntnis, zu dem sie doch verpflichtet sind, auszupressen. Mit dem Schmuck des Heiligtums meint David nicht den Schmuck des Himmels (wie einige wollen), sondern den Schmuck der Stiftshütte, die mit den Zeichen des Ruhmes Gottes geschmückt war. Dies ergibt sich aus dem Zusammenhang. Absichtlich nennt der Prophet diesen Ort, an dem der wahre Gott sich geoffenbart hatte, damit alle Sterblichen dem Aberglauben entsagen und dem reinen Gottesdienste sich zuwenden. Das kann aber nicht anders geschehen, als wenn man die Welt von allen selbst erdichteten Götzen abwendet.

V. 3 u. 4. Die Stimme des Herrn geht über den Wassern. Jetzt stellt uns David, wie ich schon kurz erinnerte, die Wunder in der Natur vor Augen. Es hätte Gottes Güte ebenso gut als seine Macht in seinen Werken preisen können. Und da alles in dem gewöhnlichen Lauf der Natur, am ganzen Himmel und im ganzen Getriebe der Erde uns zur Erkenntnis Gottes leitet, so hätte er ebenso gut (wie er dies Ps. 19, 1 tut) die Sonne, die Sterne, das ganze Heer des Himmels und die Erde mit ihrer Fülle uns vorführen können. Aber er wählt nur diejenigen Werke aus, die nicht nur bezeugen, dass die Welt einmal von Gott gegründet wurde und jetzt von ihm regiert wird, sondern die auch imstande sind, die Schlafenden aufzuwecken und sie gleichsam wider ihren Willen dahin zu bringen, dass sie den Herrn fußfällig anbeten. Und die Erfahrung bestätigt dies auch. Denn Menschen, die Gott am frechsten verachten, erschrecken am meisten beim Donner, beim Sturm und ähnlichen heftigen Naturereignissen. Daher weist der Prophet uns nicht ohne Grund auf diese besonderen Erscheinungen hin, die selbst rohen und abgestumpften Menschen einiges Gefühl von Gott einflößen und sie, mögen sie auch noch so träge und sorglos sein, aufrütteln. Er redet nicht davon, dass die Sonne täglich aufgeht, dass sie durch ihre Strahlen belebendes Licht spendet. David spricht nicht davon, dass der Regen sanft herabrieselt und durch seine Befruchtung die Erde fruchtbar macht, sondern er führt Gewitter, Wolkenbrüche und anderes, was durch seine Heftigkeit die Herzen der Menschen mit Furcht erfüllt, zum Zeugnis an. Sicherlich redet Gott durch alle seine Geschöpfe, aber der Prophet führt jetzt nur solche Stimmen auf, durch welche er uns hart anfährt, um uns aus unserer Trägheit, oder sagen wir lieber aus unserer Schlafsucht aufzuwecken. Wie haben ja schon früher gesagt, dass diese Rede sich besonders gegen Leute wendet, die durch rücksichtslose Verhärtung alle Erkenntnis Gottes, soweit dies in ihrer Macht steht, unterdrücken. Und die Bilder, die David bei seiner Darstellung gebraucht, zeigen deutlich, dass es seine Absicht war, die Hartnäckigkeit durch Schrecken zu unterwerfen, weil sie sonst nicht leicht nachgibt. Dreimal wiederholt er nämlich, dass Gottes Stimme sich in großen und gewaltigen Gewittern hören lässt, und im folgenden Verse setzt er hinzu, dass sie voll Kraft und herrlichen Glanzes sei.

V. 5 bis 8. Die Stimme des Herrn zerbricht die Zedern. Wir sehen, dass der Prophet, um die Hartherzigkeit der Menschen zu brechen, Gott in seinen Werken als den Schrecklichen vorführt. Es scheint auch, dass er nebenbei die Stolzen und die von eitlem Selbstvertrauen strotzen, wegen ihrer Tollheit ausschilt, dass sie Gottes Stimme im Gewitter nicht vernehmen, wenn seine Blitze die Luft durchzucken, wenn er hohe Berge erschüttert und hochgewachsene Bäume knickt und niederwirft. Ist es nicht etwas Ungeheuerliches, dass während alle Teile der stummen Welt vor Gott zittern, allein die Menschen, die doch mit Erkenntnis und Verstand begabt sind, nicht bewegt werden? Ja, wenn sie Geist und Gelehrsamkeit genug besitzen, so dichten sie sich selbst Zauberlieder, mit denen sie sich gegen die Stimme Gottes, die noch so stark in ihren Ohren klingen will, unempfänglich machen. Denn die Gelehrten meinen meistens, dass sie nur dann scharfsinnig genug über die Ursachen der irdischen Dinge handeln, wenn sie Gott durch einen weiten Abstand von seinen Werken trennen. Das ist aber eine teuflische Wissenschaft, die uns in die Betrachtung der Natur gebannt hält und uns von Gott abwendet. Würde jemand, der einen Menschen kennenzulernen wünscht, gar nicht auf dessen Angesicht sehen, sondern sein Augenmerk nur auf die Nägelspitzen richten, so würde man mit Recht über seine Torheit lachen. Und doch ist die Tollheit der Gelehrten noch viel größter, die aus den nächsten Ursachen oder den Mittelursachen sich einen Schleier machen, um nicht gezwungen zu werden, die Hand Gottes, die unverkennbar wirkt, zu erkennen. An die Zedern im Libanon erinnert David deswegen insbesondere, weil diese Bäume dort besonders hochgewachsen und schön waren.

Des Weiteren nennt er (V. 6, 8) Libanon, Sirjon oder Hermon und die Wüste Kadesch als den Juden besonders bekannte Orte. Dass aber Gott den Libanon löcken oder springen mache wie ein Kalb usw. ist eine dichterisch übertreibende Redeweise. Zu denken ist an die Gewalt des krachenden Donners, der die Erde erschüttert und die Berge aus ihren Wurzeln zu reißen scheint.

Ebenso ist der nächste Satz bildlich geredet (V. 7): die Stimme des Herrn sprüht Feuerflammen. Wir sollen uns die Wolken wie ein Hauch aus Gottes Munde vorstellen, den er dann gleichsam mit einem Hammer schlägt, so dass Feuer und Blitze heraussprühen. Es ist nun sehr nützlich und lehrreich, etwa mit Aristoteles die nächsten und natürlichen Ursachen solcher Erscheinungen zu erforschen, - nur muss man sich zu dem Urheber der Natur selbst führen lassen. Aber es ist doch ganz verkehrt, wenn diese Mittelursachen uns festhalten und hindern. Das ist ebenso, als wenn jemand sein ganzes Leben lang ein Elementarschüler bleiben wollte: dann lernt man immer und weiß schließlich nichts. Der einzige wirklich lobenswerte Scharfsinn ist, wenn man sich durch diese Mittel zum Himmel ziehen lässt, damit nicht nur einige verworrene Töne an unser Ohr dringen, sondern die Stimme Gottes uns zur Frömmigkeit erziehe. Dass die Stimme des Herrn die Wüste erzittern macht, erinnert an die geläufige menschliche Empfindung, der Einöden schon schrecklich sind und bei Donner, Blitz und Sturm vollends schauerlich werden. Gesucht ist die von manchen Auslegern bevorzugte Übersetzung, dass Gottes Stimme die Wüste „zum Gebären bringt“, wobei man denn wohl gar an die Wunder denkt, welche die Wüste beim Durchzug Israels auf Gottes Befehl gleichsam von sich gab. Erwägenswert ist höchstens, bei der Wüste an die Tiere zu denken, die in ihr hausen: dann wäre der nächste Vers mit seiner Aussage über die Hirschkühe erläuternd hinzugefügt.

V. 9. Die Stimme des Herrn macht die Hündinnen kreisen. Hierin liegt ein stillschweigender Vergleich. Es ist nämlich ganz widersinnig und wunderbar, dass die Menschen durch die Stimme Gottes nicht bewegt werden, während doch ihre Kraft sich den wilden Tieren gegenüber so wirkungsvoll erweist. Ist es schon schnöder Undank, wenn man seine Vorsehung und seine Herrschaft in der ganzen Ordnung der Natur nicht merkt, so ist es eine verabscheuungswürdige Trägheit, wenn man selbst durch seine seltenen und ungewohnten Werke, welche die wilden Tiere zum Gehorsam zwingen, sich nicht belehren lässt. Einige Ausleger machen die, wie mir scheint, zutreffende Anmerkung, dass die Hirschkühe deswegen vor allem genannt werden, weil sie schwer gebären. Dass Gottes Stimme die Wälder entblößt, will entweder besagen, dass ihn keine Hüllen hindern können, selbst in die verborgensten Schlupfwinkel und Höhlen einzudringen, oder aber dass die Blitze, Platzregen und Wirbelwinde die Bäume ihrer Blätter berauben und sie entblößen.

In seinem Tempel sagt ihm alles Ehre. Wenngleich die Stimme Gottes die ganze Welt erfüllt und bis an die entferntesten Gegenden dringt, so sagt der Prophet doch, dass sein Ruhm allein in der Gemeinde gepriesen wird, weil Gott dort nicht nur deutlich spricht, sondern auch die Gläubigen freundlich zu sich lädt. Denn seine furchtbare Stimme, welche auf verschiedene Weise sich in der Luft hören lässt, trifft die Ohren der Menschen so und erschüttert ihre Herzen derartig, dass sie lieber von ihm fliehen, als dass sie sich zu ihm nahten. Auch abgesehen davon, dass ein guter Teil mit tauben Ohren die Stimme Gottes in Sturm, Ungewitter, Donner und Blitz überhört, kommen auch die anderen Menschen in dieser allgemeinen Schule nicht so weit, sich dem Herrn zu unterwerfen. Treffend sagt David daher von den Frommen, dass sie Gottes Lob in seinem Tempel singen. Denn da sie durch seine väterliche Stimme unterrichtet worden sind, so übergeben sie sich ihm ganz und weihen sich seinem Dienst. Nur der preist Gottes Ruhm recht, der ihn freiwillig verehrt. Man könnte jedoch hier auch eine Klage finden, dass Gott die ganze Welt tadelt wegen ihres Schweigens: denn, obwohl seine Stimme überall erschallt, so wird sein Lob doch nur im Tempel verkündigt. Indessen wird David vielmehr die ganze Welt durch das Beispiel der Frommen ermahnen wollen, Gottes Namen zu preisen. Und absichtlich nennt er den Tempel, als die Stätte, wo Gottes Ruhm erschallt. Er will uns damit lehren, dass um Gott in Wahrheit zu erkennen und in rechter Weise zu loben, eine andere Stimme erforderlich ist als die, welche man im Gewitter, im Platzregen und im Sturm auf den Bergen und in den Wäldern vernimmt. Denn wenn er uns nicht deutlich lehrt, und wenn er uns nicht dadurch freundlich zu sich lockt, dass er uns seine Liebe kosten lässt, so werden wir immer stumm bleiben. Es ist also allein die Heilslehre, welche uns Gottes Gnade und seinen ganzen Willen deutlich offenbart und dadurch unsere Herzen erheitert und unsern Mund öffnet, um sein Lob zu singen. So finden wir hier allein Grund und Anleitung zum Lobe Gottes. Und in der Tat sehen wir, dass es damals außer bei den Juden in der ganzen Welt kein Licht der Frömmigkeit gab, und dass selbst diejenigen Weltweisen, die eine genauere Erkenntnis Gottes zu haben schienen, nichts vorgebracht haben, wodurch er in Wahrheit verherrlicht worden wäre. Denn alles, was sie über die Religion gesagt haben, ist nicht nur kalt, sondern fast fade. Also nur in Gottes Wort leuchtet die Wahrheit, die uns zur Frömmigkeit führen kann.

V. 10. Der Herr thront über der Sintflut. Die Ausleger finden hier eine Anspielung an jene denkwürdige Flut, die als eine Strafe von Gott einst den ganzen Erdkreis überspülte: denn damals hat der Herr sich für alle Zeiten als Richter der Menschen erwiesen. Ist dies nun auch richtig, so hat unser Satz noch einen umfassenderen Sinn. Denn nach meiner Ansicht führt David den angefangenen Faden weiter, indem er daran erinnert, dass selbst die Überschwemmungen, welche die Erde mit dem Untergange bedrohen, so durch Gottes Vorsehung in Schranken gehalten werden, dass es offenbar wird, wie Er das Ruder hält. Daher erwähnt David unter den anderen Zeichen der göttlichen Macht auch dies, dass der Herr König bleibt und das Regiment in der Hand behält, selbst wenn in den Lüften ein Ungestüm herrscht, das die Elemente zu vermischen scheint.

V. 11. Der Herr wird seinem Volk Kraft geben. David kehrt zu dem vorigen Gedanken zurück, nämlich dass Gott, wenn er auch überall seine Macht sichtbar offenbart, sie doch in besonderer Weise gegen sein auserwähltes Volk erweist: und er schildert den Herrn sogar ganz anders als zuvor, - nicht wie er die Menschen, die er anredet, durch Furcht und Schrecken zu Boden schlägt, sondern wie er sie aufrecht erhält, herzt und stärkt. Mit dem Worte „Kraft“ fasst er alles zusammen, was sie hochhält. Er prägt uns also ein, dass alles, was zur Erhaltung des Lebens der Frommen dient, allein aus Gottes Gnade fließt. Dies bekräftigt er auch durch den nächsten Satz: der Herr wird sein Volk segnen. Denn es heißt dann von Gott, dass er jemand mit Freuden segne, wenn er ihn so freigebig und gütig behandelt, dass sein ganzes Leben glücklich verläuft und ihm nichts an der vollen Glückseligkeit fehlt. Hier wollen wir lernen, uns unter Gottes Herrschaft mit einer Ehrfurcht zu beugen, die doch von ihm alles Gute erhofft: denn im Blick auf Gottes unermessliche Macht dürfen wir fest überzeugt sein, dass er uns mit einer unbesieglichen Schutzwehr umgibt.

1)
In der Tat sind die „Göttersöhne“, wie buchstäblich zu übersetzen wäre, die Engel, welche der Dichter im Blick auf die herrliche Naturerscheinung zum Lobe Gottes auffordert.