Inhaltsangabe: David, durch Gottes Hilfe aus großen Gefahren errettet, schreibt zunächst die Bitten nieder, die in der Not bei ihm aufgestiegen waren. Dann dankt er Gott und lobt ihn, um andere durch sein Beispiel zu veranlassen, dasselbe zu tun. Wahrscheinlich handelt es sich hier um die Verfolgung von Seiten Sauls.
V. 1. Wenn ich rufe zu dir usw. Wenn David voranschickt, dass Gottes Hilfe seine einzige Zuflucht ist, so gibt er damit ein Zeugnis sowohl seines Glaubens wie seines guten Gewissens. Denn wenn die Menschen auch überall unter vielen Nöten zu seufzen haben, so nimmt doch kaum einer unter hundert seine Zuflucht zu Gott, sondern der größte Teil bäumt sich auf gegen Gott oder heult in die Luft hinein, oder lässt sich von der Verzweiflung überwinden und unterliegt dem Übel. Denn fast alle haben ein böses Gewissen und haben nie etwas von der Gnade Gottes geschmeckt, so dass sie sich daran halten könnten. Indem nun David den Herrn seinen Hort nennt, lässt er noch deutlicher ersehen, dass er nicht nur im Schatten und in der Ruhe fest auf Gottes Hilfe vertraute, sondern dass er diesen Glauben auch bislang in den allerschwersten Versuchungen bewahrt hat. Dann fügt er hinzu, wie groß die Not gewesen, die ihn bedrängte, indem er sich mit den Toten vergleicht. Damit will er aber nicht nur die Größe der Gefahr ausdrücken, sondern er legt zugleich ein Bekenntnis ab, dass er in seiner Hilfsbedürftigkeit nicht etwa hierhin und dorthin ausschaute, sondern sich so fest an den einigen Gott hielt, dass er seine Gnade als seine einzige Hoffnung ansah. Es ist, als spräche er zu Gott: Ich bin nichts, wenn du mich verlässt; kommst du mir nicht zu Hilfe, dann bin ich verloren. Es ist nämlich nicht genug, dass Menschen, die schwer heimgesucht werden, ihr Elend fühlen, sondern sie müssen sich auch von ihrer Ohnmacht überführen lassen und an allem Schutz in dieser Welt verzweifeln, um sich an Gott allein zu klammern. Der Ausdruck, dass Gott schweige, entspricht dem geläufigen biblischen Sprachgebrauch. Gott „antwortet“ den Gläubigen, wenn er durch die Tat beweist, dass er auf ihr Gebet gemerkt hat und nun seine Hilfe sendet. Dagegen schweigt er, wenn er sich stellt, als höre er nicht.
V. 2. Höre die Stimme meines Flehens. Diese Wiederholung ist ein Zeichen der Angst. Denn die Ausdrücke: „Stimme“ und „Flehen“ weisen hin auf den Eifer und die Inbrunst des Gebets. Sie lassen ersehen, dass David, von Sorge und Furcht erschüttert, nicht mit kaltem Herzen betete, sondern sich mit gewaltigem Verlangen nach seinem Gott ausstreckte. Die Heftigkeit des Schmerzes treibt zum lauten Rufen. Im zweiten Gliede wird dieselbe Sache noch einmal unter einem Bilde und äußeren Zeichen dargestellt. Dass man die Hände beim Gebet erhob, war eine zu allen Zeiten geläufige Sitte. Diese Gebärde hat sich selbst bei Götzendienern und unheiligen Menschen ganz naturgemäß eingestellt: denn mit solchem sichtbaren Zeichen richtet man alle Sinne auf Gott allein. Nun ist es ja sicher, dass die meisten, wenn sie diese heilige Handlung vollziehen, eitel Blendwerk treiben; aber die Erhebung der Hände an und für sich, wenn sie ohne Heuchelei und Trug geschieht, ist eine nützliche Zutat zum frommen und wahren Gebet. David sagt hier aber nicht, dass er seine Hände zum Himmel erhebe, sondern zu Gottes heiligem Chor, d. h. zum Allerheiligsten, wo die Bundeslade stand. Buchstäblich heißt das Wort „der Sprachort“. Denn von dieser Stelle aus gab Gott seine Antworten und heiligen Sprüche, mit denen er dem Volk seine Gnadengegenwart bezeugte. Dieses Allerheiligste benützte David als Hilfsmittel, um desto leichter zum Himmel emporzusteigen. Denn er war weder so beschränkt, noch hing er so abergläubisch am äußeren Heiligtum, dass er nicht gewusst hätte, dass man Gott im Geiste suchen muss, und dass die Menschen erst dann zu ihm emporsteigen, wenn sie die Welt dahinten lassen und im Glauben bis zur himmlischen Herrlichkeit vordringen. Da er sich jedoch bewusst war, dass er auch ein Mensch war, so wollte er dieses Hilfsmittel für die menschliche Schwachheit nicht unbenutzt lassen. Das Heiligtum war nämlich von Gottes Seite ein Unterpfand des Bundes; daher schaute David hier die Gegenwart der Gnade wie in einem Spiegel, - ebenso wie die Gläubigen jetzt, wenn sie die Gewissheit haben wollen, dass Gott ihnen nahe ist, geradeswegs zu Christo gehen müssen, der in der niedrigen Gestalt des Fleisches zu uns herniedergestiegen ist, um uns zum Vater emporzuheben. Wir sollen also wissen, dass David sich nur insofern an das Heiligtum hängte, als er sich auf die mit ihm verbundenen göttlichen Verheißungen stützte. Dabei übte er sich zwar nach Vorschrift des Gesetzes in irdischen Elementen, aber seine Seele hob sich über dieselbe empor.
V. 3. Zeuch mich nicht hin unter den Gottlosen. Der Hauptgedanke ist dieser: Gott möge nicht den Unterschied zwischen dem Gerechten und den Übeltätern verwischen und beide miteinander in das gleiche Verderben stoßen. Mit diesem Seitenblick auf seine Feinde will David ohne Zweifel zugleich seine Unschuld beteuern. Er hat jedoch nicht deswegen so gebetet, weil er wirklich meinte, dass Gott ohne Wahl willkürlich gegen die Menschen wüte; sondern er zieht von der Natur Gottes den Schluss, dass er guter Hoffnung sein dürfe, da es ja sein eigentliches Amt sei, die Frommen und die Verworfenen voneinander zu scheiden und einem jeglichen den Lohn zu geben, den er verdient. Unter Übeltätern versteht er solche Leute, die sich ganz dem Laster ergeben haben. Denn wenn die Kinder Gottes auch zuweilen fallen, abirren und in jeglicher Weise fehlen, so haben sie doch kein Gefallen an ihren Fehlern, sondern die Furcht Gottes treibt sie vielmehr zur Buße. Die Bosheit der Leute, die ihm vorschweben, beschreibt er sodann ausführlicher: sie heucheln Freundschaft und umgarnen dabei treulos unschuldige Menschen, indem sie mit der Zunge anders reden, als sie im verborgenen Herzensgrunde denken. Offene Schlechtigkeit ist aber viel leichter zu ertragen, als diese fuchsartige Schlauheit, die sich freundlich einschmeichelt, um zu schaden. So prägt uns dieser Satz ein, dass dem Herrn solche Leute am allerverhasstesten sind, die ihre einfältigen und sorglosen Mitmenschen mit Schmeichelworten wie mit Gift angreifen.
V. 4. Gib ihnen nach ihrer Tat usw. Nachdem er gebetet hat, dass Gott an seine Unschuld denken möge, schleudert David jetzt eine Verwünschung gegen seine Feinde. Die Häufung der Wörter lässt ersehen, dass er lange und viel unter der Last geseufzt hat, bevor dieser Rachewunsch bei ihm hervorbrach. Die Widersacher müssen nicht nur einmal, nicht nur für kurze Zeit und nicht nur auf eine Weise gesündigt haben, sondern sie haben es offenbar durch fortwährendes Übeltun zu einer ganz unerträglichen Frechheit gebracht. Wir wissen aber, welch eine lästige und schwere Versuchung es ist, wenn man sehen muss, wie die Gottlosen ohne Maß und Ende wüten, gleich als ob Gott bei ihrer Frechheit ein Auge zudrückte. David ist dadurch, dass er derartiges lange mit Geduld ertragen hat, gleichsam so ermüdet, dass er unter der Last zusammenbricht und deshalb dringend bittet, Gott möge endlich dem Mutwillen der Feinde Einhalt tun, da sie nicht eher ablassen würden, Verbrechen auf Verbrechen zu häufen. Spricht also David in diesem Verse zuerst von ihren Taten, dann von ihrem bösen Wesen und den Werken ihrer Hände, bittet er endlich, dass Gott ihnen vergelten möge, was sie verdient haben, - so sehen wir, dass in alledem doch nichts Überflüssiges ist. Zudem müssen wir bedenken, dass er eben damit ausdrücklich seine gute Zuversicht bezeugt. Zu solch zuversichtlicher Aussprache geben den Kindern Gottes die Heuchler oft den Anstoß, wenn sie mit ihren Schlichen die weltlichen Gerichte zu besten haben. Man sieht ja, wie die Allerschlechtesten mit ihrer Straflosigkeit noch nicht zufrieden sind, sondern die Unschuldigen überdies noch beschuldigen, wie der Wolf in der Fabel die Schafe anklagt, dass sie das Wasser trübe machen. David wurde also durch die Not dazu getrieben, Gott um seinen Schutz anzuflehen. Indessen erhebt sich hier wieder die schwierige Frage über die Rachgier. Da ich davon schon anderwärts handelte (zu. Ps. 18, 38. 48), kann ich mich hier kurz fassen. Zunächst ist sicher, dass, wenn das Fleisch uns zur Rache treibt, diese Gesinnung Gott nicht gefällt. Denn abgesehen davon, dass Gott niemandem zulässt, um persönlicher Beleidigungen willen einem Feinde Böses anzuwünschen, so kann es nicht ausbleiben, dass alle Regungen, die aus dem Hasse geboren werden, stürmisch sind. Es ist daher nicht recht, wenn Leute, die sich durch ihren Jähzorn zur Rachgier fortreißen lassen, sich auf David berufen. Es ist nicht ein persönlicher Schmerz, der den heiligen Sänger so erregt, dass er seinen Feinden das Verderben wünscht, sondern er fällt ohne alle fleischliche Erregung einfach ein sachliches Urteil. Wer also wider die Gottlosen beten will, muss zuerst ganz stillen Geistes werden. Sodann müssen wir uns hüten, dass auch nicht eine wirklich schmähliche Schlechtigkeit uns zu unüberlegtem Eifer reize, wie dies selbst Christi Jüngern unterlief, als sie die Leute, die ihrem Herrn die Herberge verweigert hatten, durch himmlisches Feuer verzehrt wissen wollten (Lk. 9, 54). Sie beriefen sich zwar auf das Beispiel des Elias, aber der Herr tadelt sie hart, indem er ihnen sagt, dass sie nicht wissen, von welchem Geiste sie sich treiben lassen. Vor allem aber ist dieses als allgemeine Regel festzuhalten, dass das Wohl der ganzen Menschheit uns am Herzen liegen muss. Das wird zur Folge haben, dass wir nicht nur dem Erbarmen Gottes Raum lassen, sondern auch wünschen, dass Menschen, die dem Verderben zuzueilen scheinen, dem sie sich selbst geweiht haben, wiederum zur Vernunft kommen. Kurz, David war ganz frei von allem verkehrten Eifer, er war auch begabt mit dem Geiste der Unterscheidung und des Gerichts, und dann handelte er hier nicht so sehr in seiner eigenen als in Gottes Sache. Durch diese Verwünschung mahnt er auch sich und alle Gläubigen daran, dass die Gottlosen, wenn sie auch eine Zeitlang ungestraft freveln, doch endlich vor Gottes Richterstuhl erscheinen müssen.
V. 5. Denn sie wollen nicht achten auf das Tun des Herrn. Dieser Vers deckt die Wurzel der Gottlosigkeit auf: die Bösen sind deshalb so dreist, anderen zu schaden, weil sie nicht bedenken, dass sie mit Gott selbst zu schaffen haben, wenn sie Menschen feindlich angreifen und vor keiner Schandtat zurückschrecken. Klagt ihr Gewissen sie an, so beruhigen sie sich mit eitler Selbstbespiegelung und werden in ihrer frechen Selbstherrlichkeit endlich ganz verstockt. Zuerst, wenn sie berauscht sind von ihrem Glück, bilden sie sich ein, dass Gott ihr Freund sei, und dass er sich um die Guten, weil diese viele Drangsale zu leiden haben, nicht kümmere. Zuletzt kommen sie jedoch dahin, dass sie meinen, dass alles durch Zufall geschehe, und so sind sie durch eigene Verschuldung bei hellem Lichte blind. So war es auch bei den Gegnern Davids: da sie absichtlich nicht wissen wollten, dass er von Gott zum Könige erwählt sei, so fassten sie Mut, um ihn zu verfolgen. Daher beklagt er sich über diese ihre grobe Unwissenheit, gleichwie Jesaja (5, 20) allen Gottlosen im Allgemeinen diesen Vorwurf macht. Diese Lehre hat einen doppelten Nutzen. Einmal ist für die Kinder Gottes bei ungerechten Angriffen die Überzeugung ein großer Trost, dass Gottes Vorsehung sie zu ihrem eigenen Besten zur Geduld erziehen will und dass, wenn in der Welt auch alles aus Rand und Band geht, Gott im Himmel trotzdem alles regiert. Es ist dies aber auch ein sehr passender Zügel, um die Leidenschaften unseres Fleisches zu bändigen, damit wir nicht als blinde Kämpfer im Dunkeln streiten. Lasst uns daher lernen, es ernstlich zu bedenken, dass alle Gerichte, die Gott hier auf Erden ausführt, zugleich Zeugnisse sind für die Gerechtigkeit, mit der er das menschliche Geschlecht regiert. Wenn daher in der Welt alles drunter und drüber geht, so müssen wir die Augen des Glaubens zum Himmel erheben, um Gottes verborgene Gerichte zu betrachten. Denn da Gott auch bei großer Finsternis noch immer einige Zeichen seiner Vorsehung erscheinen lässt, so ist es eine unentschuldbare Fahrlässigkeit, wenn wir darauf nicht achtgeben. Diese Schlechtigkeit brandmarkt der Prophet, indem er aufs Neue wiederholt: „die Werke seiner Hände“. Er deutet damit an, dass die Verworfenen dadurch, dass sie ruhig fortfahren zu sündigen, alle Werke Gottes, die zur Zügelung ihrer Wut dienen sollen, mit Füßen treten.
Darum möge er sie zerbrechen und nicht aufbauen. Möglich wäre auch die Übersetzung: „Er wird sie zerbrechen“. Dann würde David sich schon fest versprechen, dass die Verworfenen der erwünschte Untergang ereilen wird. Immerhin erscheint es mir passender, hier noch eine Fortsetzung seines Gebets zu finden. Sein Begehren ist aber dies, dass die Gottlosen eine derartige Zernichtung erfahren möchten, dass sie niemals sie sich wieder erheben noch ihre frühere Stellung wiedergewinnen. Denn diese Bedeutung hat bei den Hebräern der Ausdruck: „zerstören und nicht aufbauen“, wie denn die gleiche Wendung bei Maleachi (1, 4) in Betreff Edoms wiederkehrt. Wir wollen daher aufwachen und unsere Gedanken auf die Werke Gottes richten, die uns zur Furcht Gottes erziehen, in der Geduld erhalten, und in der Frömmigkeit stärken sollen, damit wir nicht mit unheilbaren Schlägen geschlagen werden.
V. 6. Gelobt sei der Herr. Dieses ist der zweite Teil des Psalms, in welchem David anfängt, Gott zu danken. Denn bisher haben wir nur gesehen, wie er sich unter den Gefahren im Beten übt. Durch diese Danksagung bezeugt er nun, dass sein Beten nicht umsonst war, und beweist durch sein Beispiel, dass Gott immer bereit ist, zu helfen, wenn man ihn nur in Wahrheit und von Herzen sucht. Denselben Gedanken führt er dann im folgenden Verse weiter aus, indem er Gott seine Stärke und seinen Schild nennt. Die Überzeugung, dass er erhört sei, hat er daraus gewonnen, dass er in wunderbarer Weise bewahrt worden ist. Er fügt noch hinzu, dass er mit Rücksicht auf seine Zuversicht und Hoffnung Erhörung erlangt habe: auf ihn hofft mein Herz, und mir ist geholfen. Denn es kommt oft vor, dass Leute, die Gott anrufen, trotzdem seiner Gnade durch ihren Unglauben den Zugang verschließen. Drittens sagt David, dass er nicht nur fröhlich sein, sondern auch dem Herrn danken wolle. Denn wenn die Gottlosen und Heuchler auch zu Gott fliehen, wenn die Not sie drängt, so vergessen sie doch, nachdem sie entronnen sind, alsbald ihren Erlöser und brechen nur in wahnsinnige Freude aus. Davids Meinung ist, um es kurz zu sagen, dass er nicht umsonst gehofft habe, da er tatsächlich erfahren durfte, dass Gott seine Macht zur Hand hat, die Seinen zu erlösen. Und eben dies war der Grund seiner wahren und echten Freude, dass er schmecken konnte, wie gnädig Gott ihm war. Diese Erfahrung gewinnt ihm auch das Versprechen dankbaren Gedenkens ab. Und sicherlich erheitert der Herr deshalb unsere Herzen, um unseren Mund zu öffnen, dass wir sein Lob singen.
V. 8. Der Herr ist ihre Stärke. Was David im vorigen Verse von sich sagte, wiederholt er jetzt erklärend im Blick auf seine Krieger. Was David im vorigen Verse von sich sagte, wiederholt er jetzt erklärend im Blick auf seine Krieger. Er hatte sich der Hilfe von Menschenhänden bedient: aber er schreibt doch Gott allein den Sieg zu. Denn da er wusste, dass Gott ihm geschenkt hatte, was ihm von menschlicher Hilfe zuteilwurde, und dass auch der glückliche Erfolg aus seiner freien Gnade geflossen war, so sieht er diese Mittel nicht anders an, als hätte Gott sichtbar seine Hand vom Himmel ausgestreckt. Und fürwahr! Es ist eine Schande, wenn die menschlichen Mittel, die doch weiter nichts sind als Werkzeuge der Macht Gottes, seinen Ruhm verdunkeln. Aber leider ist dieser Fehler sehr gemein. – Übrigens sagt David nicht, dass er an seine Krieger denkt, sondern gebraucht mit besonderem Nachdruck das hinweisende Fürwort. Dies ist, als wiese er mit dem Finger auf sie hin. Das folgende Glied hat den Sinn einer Begründung. David versichert nämlich, dass er mit seinem ganzen Heere deswegen mit siegreicher Tapferkeit von Gott ausgerüstet wurde, weil sein Krieg gleichsam eine Unternehmung Gottes selbst war. Darauf deutet es, dass er sich seinen „Gesalbten“ nennt. Denn wenn Gott ihn nicht zum König erwählt und ihn in Gnaden angenommen hätte, so würde er ihm nicht geneigter gewesen sein, als dem Saul. Indem er so nur die Kraft Gottes preist, die ihn zum König erhob, lässt er der eigenen Tüchtigkeit und Kraft nichts übrig. So lernen wir hier, dass ein jeder, der sich seiner ordnungsmäßigen Berufung bewusst ist, durch diese Lehre zu guter Hoffnung ermuntert wird. Vor allem ist aber festzuhalten, was wir sonst schon erwähnt haben, dass alle Wohltaten, die Gott uns erweist, aus der Quelle der gnädigen Erwählung in Christo fließen, die seinem Gesalbten hilft. David sagt „hilft“, nicht „geholfen hat“, da er mehr als einmal und auf mancherlei Weise bewahrt worden ist. Der Sinn ist daher, dass Gott, seitdem er einmal David durch die Hand Samuels gesalbt hat, niemals nachließ, ihm zu helfen, sondern in unzähligen Fällen sich als seinen Erlöser zeigte, um das Werk seiner Gnade in ihm zur Vollendung zu bringen.
V. 9. Dieser Schluss zeigt, dass dem David nicht so sehr sein eigenes Heil als das Wohl der ganzen Gemeinde am Herzen lag, und dass er nicht sich selbst lebte und für sich regierte, sondern zum Besten des ganzen Volkes. Mit Recht behält er im Auge, dass er nur zu diesem Zweck zum König erwählt wurde. Hierin ist er ein Vorbild Christi. Wenn Sacharja (9, 9) von diesem weissagt, dass er einer sein werde, dem geholfen wird1), so verheißt er ihm sicherlich nichts, woran seine Glieder keinen Anteil hätten, sondern die Wirkung dieses Heils soll sich auf den ganzen Leib erstrecken. Zugleich gibt Davids Vorbild allen irdischen Königen einen Fingerzeig, dass sie sich dem Gemeinwohl weihen sollen, so dass des Volkes Glück ihr Glück ist. Aber es ist nicht nötig zu sagen, wie weit sie von dieser Gesinnung entfernt sind. Denn durch den Stolz sind sie blind gemacht und verachten die übrige Welt, als wenn ihr Glanz und ihre Würde sie aus der gewöhnlichen Ordnung der Menschen herausnähme. Doch ist es nicht zu verwundern, dass das menschliche Geschlecht so stolz und verächtlich mit Füßen getreten wird, weil die Fürsten zum großen Teil davor zurückschrecken, Christi Joch zu tragen. Wir wollen jedoch daran denken, dass David gleichsam ein Spiegel ist, in dem Gott uns den ununterbrochenen Fortgang seiner Gnade zeigt. Wenn wir nur darauf sehen, dass der Gehorsam unseres Glaubens seiner väterlichen Liebe entspricht, so wird er uns auch als sein Volk und sein Erbe anerkennen. Die Schrift legt dem David öfter den Titel eines Hirten bei (Hes. 34, 23; 37, 24). Wenn aber David selbst dem Herrn dies Amt zuschreibt, der sein Volk weiden soll, so gesteht er, dass er dazu nur geschickt ist, sofern er sich als Gottes Diener beweist.