Calvin, Jean - Psalm 127.

Inhaltsangabe:

Alle Ordnung in der Welt, staatliche und wirtschaftliche, besteht nicht durch der Menschen Eifer, Arbeit und Rat, sondern allein durch Gottes Segen. Der Nachwuchs des menschlichen Geschlechts ist sonderlich sein Geschenk.

Ein Stufenlied von Salomo.

1 Wo der Herr nicht das Haus bauet, so arbeiten umsonst, die dran bauen; wo der Herr nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst. 2 Es ist umsonst, dass ihr früh aufstehet und euch spät niedersetzt und Brot der Schmerzen esset: also wird er seinem Geliebten Schlag geben.

V. 1. Wo der Herr nicht das Haus bauet usw. Wir haben keinen Grund, die salomonische Abfassung dieses Psalms zu leugnen und in der Aufschrift, vom gewöhnlichen Sprachgebrauch abweichend, zu übersetzen: für Salomo. Es passt vorzüglich, dass der des Staatswesens kundige Salomo durch den Geist des Verstandes über die Dinge redet, die ihm so vertraut sind. Wenn er behauptet, dass die Welt und das menschliche Leben unter göttlicher Leitung stehen, so sind es zwei Umstände, die ihn dazu veranlassen. Zum ersten, dass die Menschen, wenn ihnen einmal etwas gelungen ist, alsbald ihre Undankbarkeit an den Tag legen, indem sie es ganz und gar sich selbst zuschreiben. So bringen sie Gott um die Ehre, die ihm gebührt. Um uns von dieser Unart zu heilen, erklärt Salomo, wir hätten überhaupt nur insoweit Erfolg bei unserem Tun, als Gott Glück und Segen dazu gibt. Zum weiten will er das törichte Selbstvertrauen der Menschen zerstören, welche unter Hintansetzung Gottes, bloß im Vertrauen auf den eigenen Verstand und die eigene Kraft, alles Möglich dreist unternehmen. Er reißt ihnen weg, was sie sich ohne Grund anmaßen, und ermahnt sie zur Demut und zum Gebet. Der Menschen Arbeiten oder Streben oder Planen verwirft er nicht: der Eifer in der Erfüllung unserer Pflicht ist eine lobenswerte Eigenschaft. Gott will nicht, dass wir Klötzen gleichen oder auf der faulen Haut liegen, sondern dass wir gebrauchen und anwenden, was er uns gegeben hat. Es ist ja wahr: der größte Teil unserer Mühe und Arbeit rührt von dem Fluche Gottes her; und doch, auch wenn wir in paradiesischer Unschuld geblieben wären, wäre es immer noch Gottes Wille, dass wir uns regen, gleichwie Adam in den Garten gesetzt wurde, ihn zu bebauen. Also Salomo will die Wachsamkeit, die Gott gefällt, nicht im geringsten verurteilen, auch nicht die Arbeit, mit der man dem Herrn ein angenehmes Opfer bringt, wenn man sich ihr im Gehorsam gegen sein Gebot willig unterzieht. Aber wir sollen nicht in blinder Überhebung an uns reißen, was Gottes ist. Deshalb werden wir erinnert, dass wir mit unserer Geschäftigkeit nichts zu Wege bringen, als nur soweit der Herr Segen zu unserer Arbeit gibt.

Mit dem „Haus“ meint er nicht bloß den Bau von Holz oder Stein, sondern er begreift damit die ganze wirtschaftliche Ordnung; und mit der „Stadt“ bezeichnet er nicht bloß ein Gebäude oder die Umfassungsmauern, sondern die gesamte Staatsverfassung. Auch was er sagt von denen, die bauen, und von dem Wächter, der wachet, ist in weiterem Sinne zu nehmen: was die Menschen an Mühe, Überlegung und Fleiß aufwenden zum Schutz der Familie oder zur Erhaltung der Stadt, das wird alles vergeblich sein, wenn der Herr nicht vom Himmel her gnädiges Gelingen gibt. Hier darf ich wiederholen, was ich soeben schon berührte: weil die Menschen gemeiniglich von einem so blinden Stolze besessen sind, dass sie Gott gering achten und ihre Gaben über die Maßen hochhalten, so gibt es nichts Heilsameres, als in die Schranken gewiesen zu werden, damit sie einsehen, dass alles, was sie beginnen, erfolglos sein wird, wenn Gott nicht aus lauter Gnade den Fortgang gibt.

Wenn die Weisen dieser Welt über Staatsverfassung verhandeln, so stellen sie in geistreicher Weise alles zusammen, was ihrer Meinung nach zu dem Gegenstand gehört: die Ursachen und die Mittel, die den Staat in die Höhe bringen, weisen sie mit Scharfsinn nach, andererseits die Fehler, durch welche ein gutes Staatswesen verdorben wird; kurz sie zählen mit großer Gewandtheit alles auf, was in dieser Beziehung zu wissen nötig ist, - nur dass sie die Hauptsache außer Acht lassen, nämlich dass die Menschen, so verständig und tüchtig sie auch sein mögen, in allem, was sie nur unternehmen, nichts ausrichten können, als nur soweit Gott ihnen die Hand reicht oder vielmehr sie als seine Werkzeuge gebraucht. Welcher Weltweise hat das je anerkannt, dass ein Staatsmann weiter nichts ist als ein Werkzeug in Gottes Hand? Nein, in der menschlichen Kraft finden sie die hauptsächliche Ursache der Wohlfahrt. Wenn so die Sterblichen in freventlicher Vermessenheit sich erheben, um Städte zu gründen, um die ganze Welt zu organisieren, so tut der heilige Geist recht daran, solchem Wahnsinn offen ins Gesicht zu leuchten. Tätig wollen wir sein, jeder nach seiner Gabe und Aufgabe, aber so, dass alles Lob, wenn etwas gelingt, bei Gott allein bleibt. Denn auch eine Teilung, wie viele sie sich denken, ist unbillig, dass einer, der sich wacker aufgeführt hat, die Hälfte des Lobes dem Herrn lässt, die andere für sich in Anspruch nimmt. Nein, Gottes Segen einzig und allein muss gelten und herrschen. Wenn demnach unser Erdenlos rein an Gottes Belieben hängt, wo sind dann die Flügel, mit denen wir uns bis zum Himmel erheben wollen? Wenn ein Haus eingerichtet, ein Lebensberuf erwählt wird, ja auch wenn Gesetze gegeben und Gerichte gehalten werden, so ist das alles nur ein Kriechen an der Erde; und dennoch sind alle unsere Bemühungen hier kraftlos, wie der heilige Geist verkündigt. Umso unleidlicher ist die Unvernunft derer, die in eigener Kraft bis in den Himmel dringen wollen.

Was ergibt sich nun daraus? Es ist nicht zu verwundern, wenn heutzutage Unordnung und Verwirrung in der Welt herrschen, wenn die Gerichte in den Städten aufgelöst sind, Ehegatten sich gegenseitig verklagen, Eltern über Kinder Beschwerde führen, alle ihr Geschick bejammern. Wer wendet sich denn noch an Gott in seinem Beruf und erhebt sich nicht selbst in vermessenem und aufgeblasenem Sinn? Es ist also nur der traurige Lohn, womit Gott gerechterweise den undankbaren Menschen vergilt, die ihn um seine Ehre betrügen. Würden sich alle demütig unter Gottes Vorsehung stellen, so würde ohne Zweifel in den einzelnen Beziehungen sowohl des öffentlichen Lebens als auch des Privatlebens der Segen zu sehen sein, den Salomo anpreist.

Das Wort, welches wir mit „arbeiten“ übersetzt haben, bedeutet nicht bloß sich mühen, sondern sich abmühen bis zur Erschöpfung. Unter den Wächtern sind, wie gesagt, nicht bloß die zu verstehen, die auf Wachtposten gestellt werden, sondern alle obrigkeitlichen und richterlichen Personen. Sind sie wachsam, so ist das eine Gabe von oben. Aber noch in anderer Beziehung haben wir nötig, dass Gott für uns wacht: denn wenn er nicht selbst die Wache vom Himmel aus hält, wird kein menschlicher Scharfblick genügen, um Gefahren abzuwehren.

V. 2. Es ist umsonst. Jetzt schildert Salomo in kräftigen Zügen, wie die Menschen sich vergeblich verzehren und abquälen durch Arbeit und Hunger, um Reichtümer zu erwerben, da auch diese lediglich ein Geschenk Gottes sind. Um mehr Eindruck zu machen, bedient er sich der Anrede: es ist umsonst, dass ihr frühe aufstehet. Zwei Mittel zählt er auf, die nach gewöhnlicher Anschauung viel helfen zum Schätze sammeln. Denn man wundert sich nicht, wenn Leute, die keine Arbeit scheuen, sondern Tag und Nacht ihren Geschäften obliegen und dabei von ihrer Arbeit einfach leben, in kurzer Zeit Reichtümer anhäufen. Und doch behauptet Salomo, dass weder durch Sparsamkeit noch durch Geschäftigkeit etwas ausgerichtet wird. Nicht dass er verbieten wollte, sich haushälterisch einzurichten oder früh aufzustehen und an die Arbeit zu gehen; aber um uns zum Gebet und zur Anrufung Gottes anzuregen und uns die Dankbarkeit gegen Gott ans Herz zu legen, macht er zunichte, was die Gnade Gottes in den Schatten stellt. Wir werden also dann unsere Sachen richtig angreifen, wenn wir uns mit unserer Hoffnung an Gott allein halten; dann wird auch der Erfolg unseren Wünschen entsprechen. Wenn aber ein Mensch, ohne nach Gott zu fragen, nur hurtig und hastig daher fährt, wird er Hals über Kopf hinstürzen und zu Grunde gehen. Also nicht zur Trägheit sollen die Leute gebracht werden, dass sie ihr Leben lang nichts denken, sondern die Hände in den Schoß legen und hinbrüten; nein, sie sollen das, was der Herr ihnen auferlegt hat, ausführen, aber immer mit Gebet und Anrufung Gottes den Anfang machen und ihre Arbeit ihm befehlen, dass er sie segne. – Das Brot der Schmerzen ist entweder das durch harte und sorgenvolle Arbeit erworbene oder das mit Verdruss verzehrte, wie man es ja sieht, dass kargende, geizige Leute sich den Bissen vom Munde abziehen. Wie wir die Worte auch fassen, sie sagen uns einfach, dass geizige Leute, wenn sie sich auch allen Lebensgenuss verkümmern, doch nicht vorwärts kommen.

Also wird er`s seinem Geliebten im Schlaf geben. Der Prophet weist darauf hin, dass man den Segen Gottes, von dem er gehandelt hat, an den Kindern und Knechten Gottes wirklich wahrnehmen kann. Die bloße Aneignung der Wahrheit, dass alles nutzlos ist, was die Menschen unternehmen, genügt ja nicht als Antrieb zu freudiger Pflichterfüllung, wenn nicht eine Verheißung dazukommt, die uns mit zuversichtlicher Hoffnung erfüllt. Das Wörtchen „also“ dient zur Vergewisserung; Salomo weist gleichsam mit dem Finger darauf hin, um uns das annehmbarer zu machen, was unglaublich und märchenhaft erscheint, dass Gott den Gläubigen ohne viel Sorge ihren Lebensunterhalt beschert. Er redet zwar so, als wenn Gott durch seine Zärtlichkeit bei seinen Knechten den Müßiggang beförderte. Wir wissen aber, dass die Menschen zur Tätigkeit geschaffen sind, und werden im nächsten Psalm sehen, wie die Gottesfürchtigen glücklich geschätzt werden, wenn sie von ihrer Hände Arbeit sich nähren. Dennoch heißt es: der Herr „wird` s seinem Geliebten im Schlaf geben“, was die Ungläubigen vergebens auf eigene Faust sich zu verschaffen suchen. Man kann auch übersetzen: „er wird seinem Geliebten Schlaf geben.“ Jedenfalls ist aber unter dem „Schlaf“ nicht Untätigkeit zu verstehen, sondern das stille Arbeiten, dem die Gläubigen im Gehorsam des Glaubens obliegen. Woher nämlich diese fieberhafte Aufregung bei den Ungläubigen, dass sie keinen Finger regen können ohne Geräusch, d. h. ohne sich mit unnötigen Sorgen zu quälen, woher anders, als weil sie auf die Vorsehung Gottes nichts geben? Die Gläubigen hingegen gehen, auch wenn ihr Leben reich an Arbeit ist, still und gelassen im Gehorsam gegen Gott ihren Weg; ihre Hände sind nicht müßig, aber ihre Herzen bleiben in der Stille, in der Glaubensstille, als schliefen sie.

Man möchte einwenden: die Gläubigen wissen doch oft vor schrecklichen Sorgen nicht, wo ihnen der Kopf steht; und wenn es an allem Nötigen mangelt und alle Mittel fehlen, so ist ihnen angst für den morgenden Tag. Ich antworte: wenn der Glaube und die Gottesfurcht vollkommen wären bei denen, die Gott dienen, so würde der Segen Gottes, von dem hier die Rede ist, augenscheinlich sein; darum, wenn sie über die Maßen geängstet werden, so geschieht das durch ihre Schuld, weil sie der Vorsehung Gottes nicht ganz vertrauen. Ich sage noch mehr: sie werden härter gestraft als die Ungläubigen, weil es ihnen heilsam ist, durch die Unruhe eine Zeitlang hierhin und dahin gezerrt zu werden, nur damit sie zu diesem ruhigen Schlaf gelangen. Indessen ist doch die Gnade Gottes sehr mächtig und bricht mitten in der Finsternis immer wieder hervor, die Gnade, dass der Herr seine Kinder gleichsam im Schlaf ernährt.

3 Siehe, Kinder sind ein Erbteil vom Herrn, und Leibesfrucht ist ein Geschenk. 4 Wie Pfeile in der Hand eines Starken, so sind die Söhne der Jugend. 5 Wohl dem, der seinen Köcher derselben voll hat! Sie werden nicht zu Schanden, wenn sie mit ihren Feinden reden im Tor.

V. 3. Siehe, Kinder sind ein Erbteil vom Herrn. Steht das Menschenleben überhaupt unter Gottes Regierung, so soll das besonders auf einem einzelnen, bestimmten Gebiet anerkannt werden, das Salomo jetzt anführt. Nichts scheint natürlicher, als dass Menschen von Menschen geboren werden. So denken denn die meisten, Gott habe das einmal im Anfang so eingerichtet, jetzt lasse er bei Hervorbringung von Nachkommenschaft bloß den geheimen Naturtrieb wirken, ohne selbst etwas dabei zu tun. Ja, auch wo Gottesfurcht ist, wo man es gar nicht leugnet, dass Gott Vater und Urheber des Menschengeschlechts sei, erkennt man doch nicht eine auf den einzelnen Fall sich erstreckende, göttliche Fürsorge an, sondern nur eine Gesamtwirkung Gottes zur Erschaffung von Menschen. Um uns eines Besseren zu belehren, nennt Salomo die Söhne ein „Erbteil“ von Gott und die Frucht des Mutterleibes ein Geschenk. Für Geschenk wäre buchstäblich zu übersetzen: „Lohn“. Aber das hebräische Wort bezeichnet alles, was Gott an Wohltaten den Menschen zuwendet. Demnach ist der Sinn: Kinder bekommt man nicht durch Zufall, sondern wie es Gott gefällt, jedem sein Teil zu geben. Die Wiederholung zeigt, dass „Erbe“ und „Lohn“ dasselbe bedeuten. Beides steht entgegen dem Zufall oder, wenn man so will, der menschlichen Lebenskraft. Je kräftiger einer ist, umso geeigneter erscheint er zur Erzeugung von Nachkommenschaft. Dahingegen sagt Salomo: Väter werden diejenigen, welche Gott dieser Ehre würdigt.

V. 4. Wie Pfeile in der Hand usw. Nicht immer bringt eine große Kinderschar den Eltern Freude. Darum wird hier als eine weitere Gnade Gottes noch genannt, wenn die Kinder wohlgestaltet und mit guten Anlagen und Tugenden aller Art begabt sind. Mit Recht erörtert Aristoteles in der Staatslehre die Frage, ob Kinderreichtum zu den Gütern zu rechnen sei, und er leugnet das, wenn die Kinder nicht auch von edler Art und gutem Charakter seien. In der Tat wäre Verwaisung oder Kinderlosigkeit für manche ein glücklicheres Los als Kinderreichtum mit Herzeleid. Darum ist es wohl angebracht, dass Salomo die edle Veranlagung der Kinder als besondere Wohltat Gottes preist. Der Vergleich, den er macht, könnte uns etwas grob vorkommen: wie der Schütze mit einem wohl versehenen Bogen ausgerüstet wird, so werden den Menschen ihre Kinder zu Schutz und Deckung gegeben, sie sind gleichsam ihr Bogen und Köcher. Bei näherer Prüfung werden wir gestehen müssen, dass der Vergleich trefflich gewählt ist. Er erinnert daran, dass ein Mann ohne Nachkommen gewissermaßen entwaffnet dasteht; denn was ist Kinderlosigkeit oder Vereinsamung anders? Dagegen ist es eine sonderliche Gottesgabe, dass einer in seinen Kindern wieder jung wird. Gott gibt ihm alsdann neue Kraft, dass er gleichsam zum zweiten Mal zu leben anfängt, er, der sonst bald aufgebraucht wäre. – Was Salomo hier sagt, ist von großer, praktischer Bedeutung. Es wird ja auch die Fruchtbarkeit der unvernünftigen Tiere ausdrücklich auf Gott allein zurückgeführt. Wenn Gott es als einen Segen von ihm betrachtet wissen will, dass Kühe, Schafe und Pferde Junge bekommen, wird es dann nicht eine unverzeihliche Schlechtigkeit sein, wenn Menschen, denen Gott den Ehrennamen „Vater“ beilegt, solche Gnade für nichts achten? Dazu kommt, dass den Eltern, die in ihren Kindern keine Gottesgabe sehen, das Aufziehen derselben eine gleichgültige und lästige Sache ist, gleichwie andererseits zu freudiger Erziehungsarbeit nichts so anzuspornen vermag als eben jener Gedanke. Und wer es so betrachtet, wird, ohne sich zu beunruhigen, auch bei wachsender Kinderzahl des Segens Gottes sich freuen und sich keinen großen Kummer darum machen, wenn er seinen Söhnen auch nur ein geringes Erbe hinterlassen kann.

V. 5. Sie werden nicht zu Schanden usw. Hier schildert der Prophet die Kinder, wie sie, gerecht und unbescholten in ihrem Wandel, kein Bedenken tragen, über ihr Leben Rechenschaft zu geben, um übel wollenden Leuten und Verleumdern den Mund zu stopfen. An den Toren fanden früher die Gerichtsverhandlungen statt; „im Tor“ heißt also soviel wie: vor Gericht oder im Rathaus. Was an den Kindern in erster Linie gelobt wird und von den Vätern als eine Gnade Gottes gebührend geschätzt werden soll, ist ihre Unschuld. Vorhin hatte Salomo die braven und wohl begabten Kinder mit Pfeilen verglichen. Damit nun niemand bei diesem Vergleich an Gewaltstreiche und räuberisches Treiben denke, stellt er ausdrücklich fest, dass der Schutz, den sie ihren Eltern bringen sollen, auf ihrem tugendhaften und sittenreinen Wandel beruht. Solche Kinder also soll man sich wünschen, die nicht die Elenden unterdrücken, nicht durch List und Betrug sich hervortun, nicht Schätze sammeln mit Ungerechtigkeit, nicht durch herrisches Auftreten sich Geltung verschaffen, sondern die auf Recht und Billigkeit halten, den Gesetzen den Gehorsam nicht verweigern und bereit sind, sich über ihr Leben zu verantworten. So sehr es aber auch der Eltern Pflicht ist, ihre Kinder mit aller Sorgfalt zu erziehen in Gottesfurcht und Zucht, sollen sie doch dessen eingedenk bleiben, dass sie das ohne Gottes freie und sonderliche Gnade nicht erreichen können. Daneben deutet Salomo an, dass es uns an missgünstigen Widersachern nie fehlen werde, wenn wir uns auch noch so sehr der Rechtschaffenheit befleißigen. Denn wenn die Redlichkeit gegen alle Lästerung gefeit wäre, so gäbe es keine Auseinandersetzung mit Feinden.