Calvin, Jean – Hiob 2, 1-10.

1) Es kam der Tag, da die Gottessöhne sich vor dem Herrn einstellten, und auch der Satan trat mit ihnen vor den Herrn. 2) Und der Herr sprach zum Satan: Wo kommst du her? Der Satan antwortete dem Herrn: Vom Umherschweifen auf der Erde und vom Umherwandeln auf ihr. 3) Da sagte der Herr zum Satan: Hast du auf meinen Knecht Hiob acht gegeben, der seinesgleichen nicht auf Erden hat – ein Mann, fromm und redlich, gottesfürchtig und allem Bösen Feind? Er hält immer noch fest an seiner Frömmigkeit. Hast du nicht von mir verlangt, ich solle ihn ohne Ursache verderben? 4) Und der Satan antwortete dem Herrn: Der Mensch gibt Haut für Haut und alles, was er hat, um sein Leben. 5) Aber recke einmal deine Hand aus und taste sein Fleisch an – du sollst sehen, er wird dir ins Angesicht fluchen. 6) Und der Herr sprach zum Satan: Siehe, er ist in deiner Hand, doch schone sein Leben! 7) Da ging der Satan hinweg aus der Gegenwart des Herrn und schlug Hiob mit bösen Geschwüren von der Fußsohle bis zum Scheitel seines Hauptes. 8) Da nahm er einen Scherben, um sich damit zu schaben, und saß mitten in der Asche. 9) Sein Weib aber sprach zu ihm: Hältst du noch immer an deiner Frömmigkeit fest? Segne den Herrn und stirb! 10) Er aber antwortete ihr: Du redest wie die närrischen Weiber. Das Gute nehmen wir vom Herrn an, und das Böse sollten wir nicht annehmen? In alledem versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen.

Der Satan und alle bösen Menschen der Welt können sich gegen uns erheben, aber dabei bleiben sie dennoch unter Gottes Hand und sind nur Vollstrecker seines Willens. Das geschieht zwar wider ihren Willen; gleichwohl muss es so sein, da Gott die Alleinherrschaft der ganzen Welt hat und der Teufel sowohl wie die Gottlosen ihm unterworfen sind und nichts ohne seinen Willen tun können. Darum heißt es auch aufs Neue, der Satan sei unter den Gottessöhnen vor ihm erschienen. Gott fragt den Satan: Hast du nicht acht gehabt auf meinen Knecht Hiob? Der Satan hört, wie Petrus sagt, nicht auf, umherzugehen „wie ein brüllender Löwe, und suchet, welchen er verschlinge“ (1. Petr 5, 8), doch fügt der Apostel hinzu: „Dem widerstehet, fest im Glauben.“ Des Sieges können wir versichert sein, wenn wir uns ganz auf Gott stützen und auf die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, von der es bei Johannes Kap. 10, 29 heißt: „Der Vater, der sie mir gegeben hat, ist größer denn alles.“ Deshalb brauchen wir nicht zu fürchten, der Satan könnte seinen Schöpfer überwinden. Nun aber hat uns Gott in die Hände unseres Herrn Jesus Christus gegeben, auf dass er uns ein guter und getreuer Wächter Leibes und der Seele sei. Wir sehen aber an Hiob, wie nötig es uns ist, dass wir auf die Probe gestellt werden: wir sehen, wie nötig wir Gottes Hilfe haben; zugleich aber ist unser Glaube viel besser bewährt und die Kraft des Heiligen Geistes wird viel deutlicher und besser an uns sichtbar, wenn wir über die Anfechtungen den Sieg gewonnen haben. Deshalb wollen wir uns mit dieser himmlischen Stärke wappnen, dann können wir allen Anläufen Widerstand tun, bis wir einst, wenn wir in die ewige Ruhe des himmlischen Reiches versammelt werden, den völligen Sieg davontragen.

Zieht aber Gott seine Hand von uns ab, so müssen wir uns bereit machen, noch größeres Elend zu leiden, als das war, dem wir schon entronnen sind. Denn so geht Gott immer vor, wenn er die Seinen schlägt: Solange sie noch Neulinge und ans Leiden noch nicht gewöhnt sind, schont er sie; einem kleinen Kinde bürdet man ja auch nicht eine so schwere Last auf wie einem Mann. Gott achtet auf unsere Tragkraft, und je nachdem wir im Tragen der Last geübt sind, legt er uns kleine oder mittelmäßige auf; sind wir erst einmal abgehärtet, dann kann er uns wohl mehr belasten, zumal er uns auch die Kraft gegeben hat, die Last zu tragen. Wir kennen das Wort des Herrn an Petrus: „Da du jünger warst, gürtetest du dich selbst und wandeltest, wohin du wolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst“ (Joh 21, 18). Es war sehr hart, dass Hiob seiner Güter beraubt wurde, dass er seine Kinder verlor und dass er verarmte, aber etwas ganz anderes war es, dass der Satan seine Person antastete, so dass er voll bösen Ausschlags wurde, von dessen besonderer Art man nur weiß, dass er war wie ein Aussatz - und die Heilige Schrift zeigt uns, dass es ein Übel allerschlimmster Art gewesen sein muss. Ausgestoßen aus der menschlichen Gesellschaft, wo er doch bis dahin von jedermann geehrt ward, liegt er da wie ein faulender Leichnam, so dass er gleichsam bei lebendigem Leibe verwesen muss und sich in äußersten Schmerzen windet. Das hatte der Satan mit dem Worte gemeint: Der Mensch gibt Haut für Haut. Sein eigen Kind gibt er zum Lösegeld, wenn er sich damit retten kann; dabei meint er noch viel gewonnen zu haben, indem er sein Leben rettete; hat er auch alles verloren, so kann er sich wenigstens damit noch trösten und seinen Schmerz lindern. Diese List nimmt der Satan aus der Natur der Menschen; unser Leben ist uns so kostbar, dass uns alles andere leichter zu ertragen scheint als leibliche Schmerzen. An diesem Gottesknecht jedoch erblicken wir eine unüberwindliche Standhaftigkeit: es gehe ihm, wie es wolle, - er lässt nicht ab, Gott zu loben.

Die Menschen müssen sich selbst verleugnen, um sich Gott ganz zu übergeben. Solange ein Mensch sich selbst gefällt – und wenn er auch sonst daran gewöhnt ist, Gott zu dienen -, geht es mit ihm rückwärts statt vorwärts. Wer Gefallen an sich selber hat, der hat auch Gefallen an seinem Behagen und seinem Vergnügen; er verlangt nach allem, was ihm nützlich ist und wonach ihn gelüstet. Aber genau das Gegenteil davon will Gott an uns tun. Wieso denn? Wie ist das möglich? Hat denn Gott Gefallen daran, uns zu beschweren? Keineswegs, sondern er tut es, weil es uns heilsam ist, uns so zu zähmen und zu demütigen; denn sonst beweisen wir nicht den untertänigen Gehorsam, den wir ihm schuldig sind. Passte sich Gott in seinen Schickungen unserm Willen an, so könnte man gar nicht unterscheiden, was es um einen rechten Gehorsam ist; behandelt er uns aber unsern Wünschen entgegen, und bleiben wir auch dann noch ihm unterworfen und geben wir ihm die Ehre, uns regieren zu lassen nach seinem guten Willen und wie er es fügt, dann erst können wir von Gehorsam reden. Wohl dürfen wir Gott bitten, dass er uns beistehe und uns zuschicke, was uns förderlich ist, aber dabei müssen wir die Grenze innehalten, er wolle uns tun, wie er´s für gut erkennt; und wenn es unserm Wunsche entgegen geht, uns die Gnade zu erweisen, dass wir uns ihm anpassen und in allen Dingen ihm folgen, wohin er uns ruft. Und daran haben wir zu lernen. solange wir leben. Um ein schwieriges Handwerk zu erlernen, braucht man viel Zeit, und umso mehr kann dann hernach von Kunst reden. Ebenso schwierig aber ist diese Lektion, ja noch schwieriger, wenn man sie wirklich ausüben will. Es ist wohl wahr: Mit dem Bekenntnis sind wir schnell fertig, dass Gott Meister sein und über uns herrschen muss, aber wenn´s zur Tat kommt, so gibt´s wenige, die sich darein schicken.

Nun wird uns berichtet, dass Hiobs Weib kommt und ihn zur Verzweiflung zu treiben sucht. Hältst du noch immer an deiner Frömmigkeit fest? Segne Gott und stirb! Auch wenn wir keine Blasebälge haben, die das Feuer schüren, so findet der Teufel in uns selber schon Mittel genug, um uns zu reizen. In unserer Natur schlummert soviel Widerspenstigkeit, dass es zum Erbarmen ist. Statt uns sanftmütig Gott zu unterwerfen mit unserm Geist und Willen, machen wir uns allerlei leichtfertige Gedanken und Phantasien, und es ist keiner unter uns, der nicht ins seinem Hirn solche Träume spänne, die ihn wie trunken machen. Der Satan braucht also nicht lange nach Werkzeugen außer uns zu suchen, um uns zu betrügen; er findet deren genug in uns. Die Feinde sind schon drinnen! Drum hatte Hiob einen doppelten Krieg zu führen. Zu all seiner eigenen inneren Anfechtung hinzu treibt ihn noch sein Weib zur Verzweiflung. Das ist der Gipfel alles Übels! Ja, Gott lässt es zu, dass den Seinen so etwas zustößt, besonders wenn er eine scharfe Prüfung mit ihnen vornehmen will. Das ist nicht nur dem Hiob so ergangen, wir sehen es auch besonders an David, ja nicht minder an unserm Herrn Jesus Christus. Das sind zwei Spiegel, worin diese Art von Anfechtung sichtbar werden soll. Denn darüber bricht David in die schmerzlichste Klage aus, dass man seine Hoffnung auf Gott verhöhnt, als dürfe ein jeder das Maul gegen ihn aufreißen: „Seht ihn nur an! Er sah ja aus, als wenn er Gott im Schoße säße, er nennt ihn seinen Schutzherrn, seine Burg, seine Feste; er rühmt sich, sein Ohr stehe immer offen und allezeit fände er bei ihm seine Zuflucht; kurzum, es sah aus, als würde Gott ihn nie verlassen. Aber nun sieht man, was das für eine Freundschaft ist!“ Alles Ungemach, das David erlitten hat, ist ihm nicht so hart gewesen, nichts hat ihn so tödlich zerschmettert wie dieser Spott, den man ihm antat. Und Satan weiß ganz genau, dass er uns an der Gurgel packt, wenn er dies Spiel gewinnt; denn dann ist nicht mehr die Rede davon, dass er uns Arm oder Bein zerschmettert, nein, dann kommt er uns geradeswegs ans Herz und an die Kehle, wenn er es fertig bringt, dass die boshaften Menschen ihren Spott mit uns treiben, als hätten wir vergeblich auf Gott gehofft und wären in unserer Erwartung getäuscht. Dann ist es mit unserem Glauben vorbei, wenn wir einer solchen Anfechtung Raum geben. So ist es David ergangen, und in vollem Maße hat es sich bei unserem Herrn Jesus Christus erfüllt. Wir aber, die wir seine Glieder sind, müssen ihm darin gleich gestaltet werden, und diese Ähnlichkeit muss sich an uns auswirken. Also müssen wir uns auf Widerstand bereit machen, wenn wir Unglück leiden und die Bösen unsern Glauben verhöhnen, um uns so zur Verzweiflung zu bringen, dass es uns ist, als ob Gott unser Feind sei, ja als ob er uns mit eitler Hoffnung tränke, wenn wir bei ihm nicht die erwartete Hilfe finden. Gewiss, schwer ist es, solche Anfechtungen zu überwinden; aber der, der Hiob stark gemacht hat, sollte der nicht ebenso mächtig sein, uns zu helfen, dass es mit uns nicht gar aus ist? An Hiob haben wir ein Beispiel: Erst quält uns der Satan, erst tastet er unsere Person, dann unser Hab und Gut, dann alles Übrige an, und schließlich müssen wir uns noch verspotten lassen, und den letzten Stoß muss unser Glaube aushalten. Ja, dabei geht es nicht anders, als dass der Name Gottes gelästert wird. Dennoch aber müssen wir in äußerste Angst und Not geraten, wenn es soweit kommt. Denn wenn die Ungläubigen uns vorhalten, wir seien von Gott verworfen, und ihn der Lüge zeihen, als habe er uns betrogen, so kann es ja gar nicht anders sein, als dass uns das quält und kränkt; trotzdem aber dürfen wir nicht müde werden, und wir müssen uns ins Gedächtnis rufen, dass das Beispiel Hiobs und Davids und Jesu Christi selbst uns nur dazu helfen soll, dass wir nichts Befremdliches darin finden dürfen, wenn wir ihrem Bilde gleich gestaltet werden. Denn so hat es Gott gemeint, als er uns dem Leibe seines Sohnes einpflanzte: er ist der Schutzherr aller seiner Gläubigen, wie Paulus Röm 8 ausführt.

Hältst du noch immer an deiner Frömmigkeit fest? Sie meint: Was gewinnst du damit, dass du Gott dienst? Du wolltest dadurch doch erreichen, dass er dich auf seinen Armen trage, dass er dich liebkose, du wolltest auch etwas davon merken, dass er dein Vater sei, und nun siehst du, dass er dein Feind und dein Verfolger ist. Da siehst du, deine Frömmigkeit hilft dir nichts. Das Wort „Segne den Herrn und stirb“ legt man verschieden aus. Wir sahen schon, dass das Wort „segnen“ manchmal für „fluchen“ gebraucht wird. Dieser Sprachgebrauch soll uns lehren, die Gotteslästerung als etwas, wofür es gar keinen Ausdruck gibt, zu verabscheuen. Murren gegen Gott, ihn verfluchen, etwas gegen seine Ehre aussprechen, das ist so abscheulich, dass wir einen Ekel davor haben müssen. So sehen wir auch, dass Paulus Hurerei, Narreteidinge, Fressen, Saufen und Diebstahl als Dinge bezeichnet, die man unter uns überhaupt nicht aussprechen soll. Doch legt man die Stelle auch so aus: Schimpfe auf Gott und dann stirb; räche dich an ihm ein einziges Mal, bevor du sterben musst, denn du siehst doch, dass er dich betrogen hat! Ja, es besteht kein Zweifel daran, dass Hiobs Frau ein Werkzeug des Satans war; man braucht sich also gar nicht zu wundern, wenn sie gleich einer Proserpina ist, einer Furie aus der Hölle, die den Hiob nur so von Sinnen bringen soll, dass er sich gegen Gott erhebt und sich an seiner Majestät versündigt. Aber bei rechtem Nachdenken ist der natürliche Sinn des Wortes vielmehr dieser:

Segne Gott und stirb! „Du magst Gott solange preisen, wie du willst, gewinnen wirst du damit nichts! Es ist nur verlorene Zeit, und sterben musst du doch, das ist ganz bestimmt; du siehst, dass deine Gebete bei Gott keine Erhörung finden. Ob du ihn auch preisest, es ist alles einerlei – bis in den Himmel dringt das alles nicht. Du magst dich vor Gott demütigen, so tief du willst, - sterben musst du doch als ein armer, verzweifelter Mensch. Warte nur nicht darauf, dass Gott im Frieden mit dir handle oder sein Zorn sich lindere – du musst fort von hier.“

Hiobs Weib ist nur darauf bedacht, ihn in Verzweiflung zu bringen; er soll sich an Gott ärgern, und anstatt Gott zu preisen, wie er bisher getan, soll er ihm trotzen und quer durchs Feld laufen wie ein wildes Tier. Wohl ist dies Wort aus dem Munde einer Frau gekommen, aber wie viele findet man heutzutage, die ebenso sprechen! Das ist die gewöhnliche Art der Welt; denn wir dienen Gott nur unter günstigen Fahnen, wie man zu sagen pflegt. Ja, die Leute schämen sich nicht einmal, ihrem Unglauben durch Sprichwörter Ausdruck zu geben. Sie sagen: Man muss sich nicht derart auf die Zweige des Baumes verlassen, dass man sich nicht (zugleich auch) an den Stamm (d. h. an das Greifbare) hält! Als wollten sie sagen: Man muss sich nicht völlig auf Gott verlassen. Damit zeigen wir doch nur, dass wir Gott keine Ehre geben; wir machen uns eine Vorstellung von ihm, je nachdem die Dinge gehen. Wenn Gott uns Gutes tut, dann lassen wir wohl merken, dass wir ihm verpflichtet sind; aber wenn er uns übel behandelt, dann heißt es: Wozu plagen wir uns noch?

Aber auch wenn die Gottlosen uns nicht plagen, so können doch selbst die, die in der Schule Gottes sehr viel gelernt haben, sich selbst solche törichten Gedanken machen. Sehen wir doch selbst einen Mann wie David bekennen, er sei wie auf Eis gegangen, da er merkte, dass es den Gottlosen immerdar wohl gehe, und sie sich berauschten an den Wolllüsten dieser Welt, dass sie nicht in solchem Kummer lebten wie die Frommen, die armen Gläubigen aber das Wasser der Angst trinken müssten und Gott nicht aufhöre, sie zu plagen. Endlich sei es so weit mit ihm gekommen, dass er dachte: „Soll es denn umsonst sein, dass mein Herz unsträflich lebt und ich meine Hände in Unschuld wasche?“ Solche Gedanken sind ihm gekommen, aber er hat ihnen tapfer widerstanden (Ps 73). Lasst uns auch darauf achten, dass wir selbst gegen unsere allerbesten Freunde wohl auf der Hut sein müssen! Nicht meinem Weibe, nicht meinem Nächsten noch irgendeinem Vertrauten darf ich mich ganz hingeben; unsere Verbundenheit untereinander muss derart sein, dass wir immer auf Gott blicken und das Band unserer Eintracht und Freundschaft von ihm geknüpft ist. Hat einer aber in seinem Hause einen Teufel, der ihn plagt, oder gar zwei oder drei, so muss er doppelt auf der Hut sein. Der Satan, unser Feind, ist gar zu listig, er späht einen Punkt aus, wo er am besten einbrechen kann, und findet er eine schwache Stelle, so legt er dort eine Bresche. Den leichtesten Eingang findet er in der Liebe, mit der der Mann an seinem Weibe hängt, und an dem Busenfreund, auf den er vertraut. So versucht der Satan, sich dieser Leute gegen uns zu bedienen. Das soll den guten und gottgemäßen Freundschaften keinen Abbruch tun; aber der Mann muss Gott bitten, er lasse ihm sein Weib nicht zu einem Höllenbrand werden, der das Feuer der Ungeduld oder der Verzweiflung in ihm entzünde und ihn zur Lästerung treibe. Ebenso muss das Weib Gott bitten, dass ihr Mann sie leite, wie sich´s gebührt, und dass er sie immerdar zum Guten führe, ist er doch ihr Herr und Haupt. Als Hiob sieht, dass sein Weib darauf ausgeht, ihn in den Abgrund der Hölle zu stürzen, leistet er ihm ernsthaften Widerstand. Sind wir Gottes Kinder, so müssen wir uns solchen Gotteslästerungen widersetzen.

Ebenso aber, wie Hiob seinem Weibe, müssen auch wir ähnlichen Anfechtungen entgegen treten, von woher sie auch kommen mögen. Wenn wir´s recht überlegen, wir haben keinen schlimmeren Feind unserer Seligkeit als uns selber, nämlich unsere böse Natur und die schlechten Triebe, die wir darin vorfinden und die ebenso viele Feinde sind, uns an unserer Seligkeit zu hindern. Darum muss ich am heftigsten über mich selber zürnen; denn aus mir selber kommen meine ärgsten Feinde. Kommen uns nun solche törichte Gedanken in den Sinn, die uns reizen, gegen Gott anzubellen – und unser Herz ist voll Widerstrebens und Aufsässigkeit gegen ihn -, so wollen wir uns nicht selbst beschwindeln mit dem Gedanken: So sind wir nun einmal, und wir können uns nicht besser machen als wir sind. Solche Ausreden helfen uns nichts, sondern man muss standhaft kämpfen und widerstehen, und es ist nicht genug, dass wir einfach sagen: Ja, ja, man muss sich in Acht nehmen, oder dergleichen. Nein, nein, man muss in den Kampf eintreten, in einen ernsten Kampf, in dem man seine ganze Kraft und sein ganzes Bemühen einsetzen muss, sonst kommt man nicht zum Ziel.

Nun fügt Hiob hinzu: Das Gute nehmen wir vom Herrn an, und das Böse sollen wir nicht annehmen? Hier bringt er eine natürliche Erwägung vor, die uns dazu bewegen soll, die Übel und Widerwärtigkeiten, die Gott uns schickt, geduldig zu ertragen. Fühlen wir uns sterblichen Menschen zu Dank verpflichtet, so werden wir auch willig sein, etwas Böses um ihretwillen zu leiden. Tun wir aber so etwas den Kreaturen zu Gefallen, was sind wir dann erst dem Schöpfer schuldig! Soviel Gutes tut uns Gott – und wir sollten nichts Böses von ihm leiden wollen, wenn es ihm gefällt? Soll er nicht unser Meister sein und uns betrüben dürfen, wenn es ihm gut dünkt? Und wenn wir noch hunderttausend Mal geduldiger wären als im Erleiden des Bösen von Menschen, denen wir verpflichtet sind, - das ist alles noch nichts! Warum? Weil die Majestät Gottes höher ist als alle Kreaturen, so dass wir gegen ihn überhaupt unsere Pflicht nicht zu erfüllen vermögen, wie sich´s gebührt. Und wenn wir den Menschen unsere schuldige Pflicht leisten, so ist es doch völlig unmöglich, mit unserer Pflicht gegen Gott jemals ans Ende zu kommen. Aber vor allen Dingen müssen wir die täglichen Gnadengaben betrachten, die er uns zuteilt. Wenn wir richtig rechnen, müssen wir mit David bekennen: „Herr, mein Gott, deine Wunder sind nicht zu zählen“ (Ps 40, 6). Warum? Weil Gottes Güte ein Abgrund ist, an den wir nicht ohne Entzücken denken können. Wenn einer bedenkt, wie sich Gott seit seiner Geburt, ja schon vor seiner Geburt als Vater gegen ihn erzeigt hat, müsste er dann nicht schamrot werden, ehe er noch den hundertsten Teil davon entdeckt hat? Unzählbar sind die Gnaden Gottes und unbegreiflich; warum wollten wir dann nicht die Trübsale annehmen, die er uns schickt? Und wenn wir noch viel mehr angefochten würden, so gingen doch seine Wohltaten weit über die Trübsale, die wir von seiner Hand zu leiden haben.

In alledem versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen. Das muss man nicht so verstehen, als wäre Hiob ein Heuchler gewesen und als hätte Gott nur mit dem Munde gelobt, während sein Herz ganz anders empfand. Es soll damit nur gesagt sein, wie wunderbar tapfer er sich gehalten hat. Der hl. Jakobus sagt (3, 2): „Wer auch in keinem Wort fehlt, der ist ein vollkommener Mann.“ Warum? Die Leute sind schnell fertig mit dem Wort; bisweilen ist das Wort schon ausgesprochen, ehe wir noch die Sache recht erfasst haben. Wer sich so beherrschen kann, dass ihm kein unbedachtes Wort entfährt, der ist mit einer ganz einzigartigen Gnade Gottes begabt. Hiob kennt kein Widerstreben gegen Gott, ja, selbst seine Worte sind genau abgewogen, während sonst die Menschen so leichtfertig sind, dass sie ihre Zunge nicht im Zaum halten können: so hat sich Hiob vor Gott gedemütigt. Lasst uns denn Gott anrufen, er wolle uns die Gnade verleihen, dass kein Wort über unsere Lippen komme, das der Ehre seines heiligen Namens Abbruch tue! Denn vornehmlich die Zunge soll der Ehre Gottes geweiht sein. Dazu sollen wir zwar alle unsere Glieder gebrauchen; wie er alles geschaffen hat, so ist es auch billig, dass der ganze Mensch der Ehre Gottes diene; aber er will ausdrücklich, dass die Zunge in unserm Munde also erklinge, dass sie ein Werkzeug seiner Verherrlichung sei. Machen wir den gegenteiligen Gebrauch davon, so verkehren wir die Ordnung der Natur. Gleichwohl aber sind wir zu diesem Fehler geneigt, und nichts wird uns so schwer, als Zurückhaltung zu üben mit unserer Zunge. Umso mehr müssen wir Gott bitten, er wolle uns so regieren, dass wir auch nicht ein Wort aussprechen, das nicht zu seiner Ehre diene.

Hiob weist sein Weib nicht allein zurecht, sondern er zeigt ihm auch seine Torheit. Wir müssen uns also wohl vorsehen, dass wir uns in keinen Wortstreit oder Rechtshandel mit Gott einlassen, sondern uns im Zaum halten und uns selbst anklagen. Sind wir irgendwie von einem bösen Zweifel angefochten, so sind wir schon vor Gott verdammt. Lasst uns also seinem Gericht zuvorkommen und uns selber richten und verdammen, dabei aber nicht daran zweifeln, dass Gott uns gnädig ist und Geduld hat mit unserer Schwachheit! Nur lasst uns durch die Gnade des Heiligen Geistes solche Gedanken verwerfen und nicht darein willigen, den törichten Phantasien, die wir in unserm Herzen hegen, nachzugeben! So sollen wir es machen.