1) Hat nicht der Mensch, der auf Erden ist, eine bestimmte Zeit, und sind nicht seine Tage wie die Tage eines Tagelöhners? 2) Wie der Knecht nach dem Schatten blickt, wie ein Tagelöhner auf das Ende seiner Arbeit wartet, 3) so habe ich die Monate vergeblich mich geplagt, und die Nächte sind mir zur Mühe eingesetzt. 4) Wenn ich mich lege, spreche ich: Wann werde ich aufstehen? Wenn ich auf meinem Bette liege, so bin ich mit Bitterkeit gesättigt bis zum Abend. 5) Mein Fleisch ist mit Würmern bekleidet und mit Staub der Erde; meine Haut ist ganz zerrissen und verderbt. 6) Meine Tage fliehen dahin wie das Weberschifflein und nehmen ab ohne Hoffnung.
Solange wir in der Welt sind, müssen wir viel Ungemach leiden, und doch wollten wir gern. Gott legte uns nur so viel auf, wie wir tragen können. Wir sind so verweichlicht und verzärtelt, dass wir, sobald er nur die Hand an uns legt, schon meinen, es sei zu viel, und so machen´s auch die Allergeduldigsten. Fährt Gott aber fort, uns zu betrüben, alsbald bricht unsere Ungeduld heraus. Hiob beklagt sich, dass sein Kreuz zu lange währe: eigentlich müsste der Mensch eine bestimmte Zeit haben. Es ist, als wollte er sagen: Gott hat uns auf Erden nicht in solche Unruhe gesetzt, dass es kein Ende damit haben soll. Nun aber habe ich nicht Ruhe noch Frieden Tag und Nacht; mich dünkt, ich bin viel schlimmer dran als andere Leute, und Gott will mich härter schlagen, als ein Mensch in seinem Leben ertragen kann. In Hiob hat uns der Heilige Geist wie in einem Spiegel unsere Gebrechlichkeit vor Augen gestellt, nicht die leibliche, sondern die der Seele. Dabei hatte Hiob eine geradezu bewundernswerte Kraft und Ausdauer, und trotzdem sieht man, wie es ihm ergeht. Wie soll es dann aber mit denen werden, die nichts als Schwachheit an sich haben, die kaum ein Tröpflein Kraft empfangen haben, um mitten in ihrer Trübsal standhaft zu bleiben?
Hat nicht der Mensch, der auf Erden ist, eine bestimmte Zeit? Hiob macht allerdings von diesem Spruche eine üble Anwendung, aber der Gedanke an sich ist gut und heilig und soll uns eine heilsame Lehre geben. So ermahnt uns auch der hl. Petrus: „Sintemal ihr den zum Vater anruft, der ohne Ansehen der Person richtet nach eines jeglichen Werk, so führet euren Wandel, solange ihr hier wallet, mit Furcht“ (1. Petr 1, 17). Vor seinem Angesicht müssen wir einmal Rechenschaft ablegen. Stellen wir nun die Menschen mit unserem äußeren Schein zufrieden, so ist das nichts; denn er wird alle unsere Gedanken und Wünsche aufdecken. Das ist wohl ein schweres Los, dass die Kinder Gottes in Furcht und Unruhe leben sollen; aber Petrus setzt hinzu, das solle geschehen, „solange wir hier wallen.“ Er setzt also den Gläubigen eine bestimmte Zeit, die sie so wandeln sollen, um ihnen einen Trost zu geben im Gedanken an die ewige Ruhe, die ihnen im Himmel bereitet ist. Das ist ein Segen für uns, dass uns auf Erden ein bestimmtes Ziel gesetzt ist. Was sollte aus uns werden, wenn unser Erdenleben überhaupt kein Ende hätte und wir immer in solcher Not bleiben müssten? Dann gäbe es überhaupt keine Ruhe mehr für uns. Gewiss, wer Gott flieht, meint wohl gute Tage zu haben und herrlich und in Freuden leben zu können, aber dabei müssen solche Menschen doch in allerlei Not hinein; sie mögen machen, was sie wollen, um sie sich vom Halse zu schaffen, - es hilft ihnen nichts, sie bleiben doch von Gott gefangen. Was sollte nun daraus werden, wenn wir immer so im Elend blieben und keine Hoffnung hätten, jemals davon frei zu werden? Das könnte uns wohl in hoffnungslose Verzweiflung stürzen. Darum liegt eine großer Trost in dem Wort: Ja, ihr geht durch diese Welt hindurch, aber euer Leben ist kurz; deshalb seid geduldig in eurer Trübsal, sie ist ja nur kurz, und endlich kommt ihr zur Ruhe, die ich euch bereitet habe.
So ist es mit allen Züchtigungen, die Gott uns zuschickt. Das bisher Gesagte bezieht sich allgemein auf unser Leben, aber es gilt auch für jedes besondere Kreuz, das Gott uns auferlegt: Gott wird ihm ein Ende setzen. So spricht er auch beim Propheten Jesaja: „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott; redet mit Jerusalem freundlich und prediget ihr, dass ihre Dienstbarkeit ein Ende hat“ (Jes 40, 1f.). Wenn er auch die Seinen wegen ihrer Sünden züchtigt, so tut er das doch nicht, um sie ganz und gar aufzureiben, nein, er hält Maß in seinen Züchtigungen; sie sollen darnach Erleichterung bekommen und spüren, dass Gott sich ihrer erbarmt hat und sie nicht aufs äußerste hat verfolgen wollen. Unser ganzes Leben lang geht es ohne Kreuz nicht ab, aber Gott lässt es nicht über die gesetzte Zeit hinaus dauern. Gewiss, auch die rohesten Heiden pflegten sich bei allem, was ihnen zustieß, damit zu trösten: Nun, kein Unglück ist so groß, dass es nicht endlich ein Ende nähme! Damit haben sie ihr Leiden gelindert. Es ist also scheinbar eine überflüssige Lehre, es liege ein Trost darin, dass dem Menschen eine bestimmte Zeit gesetzt ist und dass seine Tage sind wie die eines Tagelöhners. Aber was auch die Menschen sich für Gedanken machen: wenn Gottes Hand sie drückt, so werden sie irre und meinen in einem tiefen Abgrund zu stecken, aus dem sie nie wieder herauskommen. Solange wir in guter Ruhe sitzen, haben wir leicht sagen, großes Unglück sei nicht von langer Dauer; aber wenn Gott uns vor seinen Richterstuhl fordert und uns unsere Sünden fühlen lässt, dann ist uns sein Gericht so schrecklich, dass wir in ein Labyrinth geraten, aus dem wir gar keinen Ausgang sehen, und es uns dünkt, als müssten wir uns immer tiefer darein verstricken. In solche Verwirrung geraten die Menschen, wenn Gottes Gericht sie richtig trifft. Unser Fleisch ist von Natur immer dazu geneigt, zu wüten und zu toben; deshalb hält uns Gott nicht ohne Grund diese bestimmte Zeit vor Augen, von der hier die Rede ist. Gott weiß: Wenn wir zu schwer belastet würden, so würden wir unter der Bürde erliegen und zusammenbrechen. Das weiß er wohl, und deshalb hilft er unserer Schwachheit auf; er weiß das Gewicht unserer Last zu mäßigen. Diese Verheißungen haben wir – sollten wir uns nun nicht mit Recht freuen, dass uns eine Zeit bestimmt ist?
Darum aber müssen wir auch mit Paulus das kurze Elend dieser Zeit in Vergleich stellen zu der himmlischen Herrlichkeit: „Unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit“ (2. Kor 4, 17). Denken wir an das ewige Reich Gottes, das kein Ende hat, so muss das doch wohl allem Übel, das man sich in der Welt denken kann, mehr als reichlich das Gegengewicht halten. Sobald wir uns also zu Missmut, Ungeduld und Verzweiflung gereizt sehen, lasst uns denken an dies Wort von der uns bestimmten Zeit; das Leiden, das uns heilsam ist, hat Gott vorgesehen; nicht ohne seine Gnadenwillen kommt das Kreuz zu uns, und wenn er uns züchtigt, so geschieht das nicht allein aus Billigkeit und Recht, sondern mit väterlicher Freundlichkeit.
Die Hauptsache aber ist, dass jeder, sobald es nötig ist, diesen Gedanken heilsam auf sich anwendet. Wäre unser Leben nicht soviel Elend unterworfen, so käme es uns viel zu kurz vor; denken wir jedoch an die zahllosen Anfechtungen, von denen eine die andere ablöst, dann kommt uns das Leben ermüdend lang vor. Aber wir müssen zufrieden sein mit dem Zeitmaß, das er uns zugemessen hat, er weiß wohl, was uns im Blick auf unsere Schwachheit gut und heilsam ist. Soviel ist sicher: Niemand liegt für immer hier unter dem Druck. Die Not nimmt einmal ein Ende, wenn Gott uns aus dieser irdischen Pilgerschaft hinweg nimmt und zu seiner ewigen Ruhe führt, die kein Ende und keine bestimmte Zeit mehr hat. In unsern Widerwärtigkeiten also lasst uns warten, bis er uns die Hand reicht; lasst uns sicher sein: Er wird zu rechter Zeit eingreifen!
Hiob hat von dieser Wahrheit eine üble Anwendung gemacht; umso ängstlicher müssen wir darauf bedacht sein, einen Gedanken, den Gott uns zu unserer Unterweisung ins Herz gibt, nicht zu missbrauchen und keine falsche Anwendung davon zu machen. Gleichwohl ist das unser gewöhnlicher Fehler: lesen wir in der Heiligen Schrift, ob es dort irgendeinen Trost für uns gäbe, der uns trösten könnte in unserer Bedrängnis, was machen wir dann? „Ja, da ist ein Trost, den Gott seinen Kindern gibt, aber ich spüre nichts davon; es scheint, als wollte Gott seine Gläubigen erquicken, nur um mich zur Verzweiflung zu bringen! Was kann ich denn anders denken, als dass mir alle Hoffnung auf Gnade verschlossen ist?“ So machen wir´s:
Wenn Gott uns auch noch so freundlich führt, wenn er uns auch unsere Schmerzen lindert – das stoßen wir alles von uns, wir geben unserm Unglück immer neue Nahrung, wir schließen uns von der Gnade aus und stoßen sie weit von uns. So ist´s dem Hiob ergangen, darum braucht es uns nicht zu befremden, wenn auch wir in gleiche Anfechtung geraten. Da gibt´s nur einen Rat: Wir müssen Gott bitten, er wolle uns den Geist der Weisheit schenken, dass wir alle seine Ermahnungen zu unserm Heil anwenden: Ach Herr, wir sind in deiner Hand; es steht uns nicht zu, dir Vorschriften zu machen und dich aufzufordern, du solltest dies und das tun, aber du hast uns gelehrt, dass du unserer Not ein Ende setzen kannst, ja ein seliges und erwünschtes Ende; Herr, so wollen wir denn geduldig abwarten, was du uns zugedacht hast! Sieht es so in unsern Herzen aus, dann bekommt Gott die Ehre, die ihm gebührt. Aber wenn wir ungeduldig in Klagen ausbrechen, dann ist das genau so, als wollten wir Gott von seinem Throne stoßen und als hätte er keine Macht mehr über uns.
Wenn unsere Trübsal lange währt, so sollen wir doch gute Hoffnung behalten: es steht uns nicht zu, unsere Zeit zu bestimmen, sondern Gott ordnet sie, wie er es für gut befindet. Und wenn wir nicht sofort das Ende unseres Elends sehen, ja, wenn es aussieht, als dauerte es nun erst recht lange und als bekämen wir von der verheißenen Güte nichts zu schmecken – Gottes Verheißungen geleiten uns in die Finsternisse des Todes, und mit ihrem hellen Schein geben sie uns immer wieder neue Hoffnung auf eine gewisse Erlösung aus all unserm Elend. Darum sagt Paulus: „Euch, die ihr Trübsal leidet, gibt Gott Ruhe mit uns, wenn nun der Herr Jesus wird offenbar werden vom Himmel samt den Engeln seiner Kraft“ (2. Thess 1, 7). So sollen wir uns die Verheißungen Gottes zunutze machen, dann werden wir sie mitten in unserm Elend schmecken.
Das Wort von der „bestimmten Zeit“ erläutert Hiob durch ein Gleichnis: Es ist ihm, wie wenn der Knecht nach dem Schatten blickt, sich nach der nächtlichen Ruhe sehnt, weil er unaufhörlich arbeiten muss. Aber ich, sagt er, habe weder Ruh noch Rast: Wenn ich mich lege, spreche ich: Wann werde ich aufstehen? Und wenn ich des Morgens aufstehe, so dünkt mich, der Tag solle ein Jahr dauern. Gott sucht mich nicht heim wie andere Leute, sondern er lässt seine Wetter über mich gehen, um mich ganz zur Verzweiflung zu bringen. Andere haben noch Hoffnung auf Befreiung von ihrem Elend; aber ich stecke im Abgrund der Hölle. Es waren ja nicht nur leibliche Übel, die Hiob plagten, sondern seine größte Not bestand darin, dass er fühlte: Gott ist wider mich.
Meine Tage, sagt er dann, fliehen dahin wie ein Weberschifflein, das so geschwind dahin fährt, dass man´s gar nicht merken und feststellen kann. So steht es um mein Leben. Wenn ich aufstehe, bin ich in solcher Angst, dass ich weder Ruhe noch Rast habe bei Tag und Nacht. Aber alle Not ist nichts gegen die Angst derer, die Gottes Zorn und Gericht in ihren Herzen fühlen. Wenn Gott uns zu sich lässt, so können wir in aller unserer Trübsal ihn anrufen in dem Vertrauen, dass er sich unser endlich erbarmen wird, dann können wir alle unsere Nöte und Sorgen auf ihn werfen. Dann sind uns die Trübsale süß und lieblich, wenn wir diesen Weg zu Gott gehen. Geraten wir aber in Misstrauen und in den Zweifel, der uns die Tür verschließt, indem wir uns einbilden, Gott sei unser Feind, er verfolge uns und all unser Beten hülfe uns doch nichts – dann ist´s, als lägen wir schon im Abgrund der Hölle. So weit – oder doch beinahe so weit – ist es auch mit Hiob gekommen. Aber Gott hat seinen Knecht doch nicht versinken lassen, sondern ihn herausgezogen und gnädig erhalten. Wir aber müssen die Augen vor dem Augenschein verschließen und Gott bitten, er wolle uns den Ausgang zeigen, der uns doch nach dem Fleisch und nach unsern Gedanken verborgen ist. Währt aber unsere Trübsal lange und Gott macht keine Miene uns herauszuziehen, dann müssen wir die Augen schließen und sprechen: „Ach Herr, es ist wahr, wie einen armen Blinden hältst du mich in der Finsternis; aber wes soll ich mich trösten? Gib mir Augen, nicht nur das Gegenwärtige zu sehen, sondern im Glauben zu erkennen, was mir jetzt noch verborgen ist!“ Wir dürfen aber nicht wie Hiob sprechen: Ich sehe, es ist kein Rat und Hilfe mehr für mich. Denn so kann nur ein Verzweifelter reden. Wir aber dürfen der Macht Gottes keine Grenzen setzen, ihr ist nichts unmöglich.
Wenn ich mich lege, spreche ich: Wann werde ich aufstehen? Und morgens früh sage ich: Wann wird´s wieder Nacht werden? Ein Gewissen, das unter dem Druck des Gerichtes Gottes steht. lebt allezeit in Angst und Schrecken. So spricht auch Mose von den schrecklichen Strafen Gottes über die, die im mutwilligen Ungehorsam gegen das Gesetz Gottes verharren: „Dein Leben wird vor dir schweben; Nacht und Tag wirst du dich fürchten und deines Lebens nicht sicher sein. Des Morgens wirst du sagen: Ach, das es Abend wäre! Des Abends wirst du sagen: Ach, das es Morgen wäre! – vor Furcht deines Herzens“ (Deut 28, 66.67). Hiob aber redet hier von der Anfechtung, die er erlitten hat; da waren ihm die Nächte zu lang und die Tage zu qualvoll – als wollte er sagen: Ein Tag wird mir länger als ein Jahr, ja als ein Menschenleben; ich tue nichts als mich quälen, nicht mit gewöhnlicher Not, sondern mit schrecklichen Qualen, dass ich unter der Hand Gottes vergehen muss. Die Hilfe besteht in der Gewissheit: Gott ist es, der über alle unsere Trübsale verfügt. Kommt uns die Zeit zu lang vor? Lasst uns Gott bitten, er wolle uns mit allem, was er verordnet, zufrieden machen! Steht es dir denn zu, die Zeit zu begrenzen? Ist das nicht in deines Gottes Hand? Willst du ihm in sein Amt greifen? Was willst du arme Kreatur machen? Wohin kommst du, wenn du dich dessen unterfängst? Wirst du dir nicht den Hals brechen, wenn du ohne Flügel über den Himmel hinauf fliegen willst?
Nun aber scheint Hiob mit selbst in Widerspruch zu geraten: Meine Tage fliehen dahin wie ein Weberschifflein. Zuerst klagt er, sein Leben sei ihm zu lang, und nun erklärt er, seine Tage führen so schnell dahin wie nichts in der Welt! Hat sich Hiob in seiner heftigen Gemütsbewegung hinreißen lassen? Ja, gewiss, aber wenn wir das Gleichnis genau betrachten, so ist in Hiobs Worten doch kein Widerspruch. Es ist dasselbe Gleichnis, das wir im Danklied Hiskias finden: „Meine Zeit ist dahin und von mir weggetan wie eines Hirten Hütte; ich reiße mein Leben ab wie ein Weber. Er bricht mich ab wie einen dünnen Faden. Du machst´s mit mir ein Ende den Tag vor dem Abend“ (Jes 38, 12). Wenn ein Mensch unter dem Druck der Gotteshand steht, so weiß er nicht mehr, wie ihm ist. Wenn auch unsere Anfechtung lange währt, so zählen wir doch immer noch unseres Lebens Tage, aber wenn uns Gott mit Ernst verfolgt, so sind wir ganz verwirrt; wir sind nicht mehr, wie wir vorher waren, wir sind ganz von Sinnen und denken: Wie, ist wirklich die Zeit so schnell verflogen? So meint es auch Hiob. Gottes Hand lastet so schwer auf ihm, dass er nur noch seufzen und wehklagen kann: Wird´s denn gar kein Ende nehmen? Dabei aber war er von solcher Angst umgeben, dass er sich wie im Abgrund vorkam, weil Gott ihn gleichsam auf die Folter spannte und ihn züchtigte ohne Maß und Ziel. So müssen wir dies Gleichnis verstehen.
Dabei müssen wir es uns in unserer Trübsal zur Regel machen, Gott anzurufen, er wolle uns in allen Fällen innerlich in Zucht halten und uns Zeit lassen, an ihn und uns zu denken. An uns müssen wir denken, damit wir unsere Sünden erkennen und merken, wie viel Zeit wir in unserem Leben verloren haben, indem wir nicht damit zurechtkommen konnten, dass Gott uns betrübte und züchtigte. Denn die meiste Zeit unseres Lebens bringen wir im Leichtsinn dahin und in der Auflehnung gegen ihn. Dann aber müssen wir auch an ihn denken; das können wir aber nur, wenn wir etwas Ruhe und Stille haben. Solange wir uns gegen ihn auflehnen und gegen den Stachel löcken, können wir unmöglich zu Gott kommen, um uns seiner Güte zu trösten, die er uns doch so gern schmecken lassen will. Wollen wir mitten im Ungemach ruhig und stille bleiben, so müssen wir Gott bitten, er wolle uns in Zucht nehmen. Und auch das ist nur möglich, wenn wir Jesus Christus haben und wenn er uns nahe ist, damit wir in ihm Erquickung haben, wie er selber sagt: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen“ (Matth 11, 28). Darum müssen wir Gott mit Fleiß anrufen, sooft er uns züchtigt, dass wir Herz und Sinne zu unserm Herrn Jesus Christus wenden können und in ihm die Ruhe finden, von der er redet. Und dann müssen wir auf den Genuss des seligen Trostes warten, den Gott uns anbietet durch sein Wort und den wir dereinst vollkommen erlangen.