2. Mose 20.
V. 4. Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen usw. Im ersten Gebot hatte der wahre Gott sich selbst vorgestellt und für sich allein Anbetung verlangt: nunmehr beschreibt er, wie die rechte Anbetung beschaffen sein soll. So müssen wir also diesen beiden Stücke und demgemäß auch die beiden ersten Gebote unterscheiden. Das Erste ist freilich, dass die Gläubigen mit dem einigen Gott sich begnügen sollen: aber es würde ein solches Gebot doch nicht genügen, wenn wir nicht auch erführen, in welcher Weise er verehrt sein will. Hauptinhalt des zweiten Gebots ist nun der, dass Gott entsprechend seinem Wesen auf geistliche Weise angebetet werden muss. Freilich spricht Mose ausdrücklich nur von Götzenbildern: ohne Zweifel wird aber, wie bei allen Geboten, durch die ausdrücklich genannte Einzelheit eine ganze Sinnesrichtung getroffen, und es wird also hier alle selbst gemachte Anbetung, wie sie Menschen nach ihrem Sinne sich auszudenken pflegen, verworfen. Stammen doch alle fleischlichen Beimischungen, mit welchen man die Anbetung Gottes verfälscht, eben daher, dass man Gott nach seinen eigenen Gedanken misst und ihm dadurch gewissermaßen eine andere Gestalt gibt. So müssen wir vor allem immer im Gedächtnis behalten, wer und wie Gott ist, damit wir nichts Rohes und Irdisches von ihm gedenken. Der nächste Sinn der Worte ist freilich der, dass man die Gegenwart des Gottes, den man mit Augen nicht sehen kann, nicht unter einer sichtbaren Gestalt suchen darf. Dass aber Gott verbietet, ein Gleichnis zu machen, weder des, das oben im Himmel, noch des, das unten auf Erden, oder des, das im Wasser unter der Erde ist, wird im Blick auf die damals geläufigen Formen des Götzendienstes gesagt. Denn wie der Aberglaube niemals ein einfacher ist, sondern in den verschiedensten Formen sich darstellt, so wähnten einige unter dem Bilde eines Menschen, andere unter dem Bilde von Fischen, Vögeln oder wilden Tieren Gott zu finden, und wir wissen aus der Geschichte, in welch beschämend verrückten Götzendienst namentlich die Ägypter verfallen sind. Man erkennt daraus, wie hohl die menschlichen Gedanken sind, die, wohin man auch das Auge wendet, nur Anlass zum Irrtum finden. Und doch strahlt überall Gottes Herrlichkeit, und alles, was wir über und unter uns sehen, will uns zum wahren Gott locken. Da also die Menschen derartig in die Irre gehen, dass sie aus dem Anblick aller Dinge sich nur einen Anlass zum Irrtum entnehmen, so hebt jetzt Mose unsere Sinne über das ganze Weltgebäude und alle irdischen Elemente empor. Denn wir werden alsbald sehen, dass er unter dem, „was im Himmel ist“, nicht die Vögel allein, sondern auch Sonne, Mond und Sterne versteht. Er will sagen, dass man in der ganzen Welt nichts findet, was als ein wahres Abbild Gottes dienen könne, und dass man also seiner Majestät eine Schmach antut und die Wahrheit in Lüge verkehrt, wenn man ihn unter einer sichtbaren Gestalt vor Augen stellt. Das Gebot hat nun zwei Teile: zuerst wird verboten, irgendein Bildnis oder Gleichnis aufzurichten; sodann wird eingeprägt, dass man die Anbetung, die allein dem Herrn gebührt, nicht jenen trügerischen, gleißenden Bildern darbringen darf. Also ist es an sich schon sündhaft, Gott unter irgendeinem Bilde sich vorzustellen: denn dadurch verfälscht man sein majestätisches Wesen und macht ihn sich selbst unähnlich. Das wäre ja freilich töricht und bedarf keiner weiteren Widerlegung, wollte man annehmen, dass hier ein Gesetz wider alle Bilder und Statuen gegeben wäre: es handelt sich allein um Gott und seine Ehre, die gegen jede Verderbnis durch Menschengedichte geschützt werden soll; Gott einem Holz oder Stein gleich zu machen ist doch gar zu unwürdig und abscheulich. Wenn nämlich manche die Worte so auflösen: du sollst dir nicht ein Bildnis machen, um es anzubeten, - wobei es dann erlaubt bliebe, Gott unter sichtbarer Gestalt darzustellen, wenn man nur dem Bilde keine religiöse Verehrung erweist, - so wird sich aus den sonstigen Erläuterungen des Gebots (Abschnitt 57 ff.) leicht ergeben, dass dies ein Irrtum ist. Indessen leugne ich nicht, dass die beiden Verbote zusammenhängend zu lesen sind, wie man sich denn schwerlich ein Bildnis Gottes machen wird, an welches sich nicht sofort eine abergläubische Verehrung hängt; hat man sich einmal dazu verirrt, Gott sich unter der Gestalt eines Bildes vorzustellen, so ist zur sündhaften Anbetung nur ein kleiner Schritt. Wessen Gedanken und Empfindungen über Gott sich in ehrfürchtigen und nüchternen Grenzen halten, wird an solche Torheit gar nicht denken: die Lust und der Übermut, Gott im Bilde dazustellen, wird nur da aufwachsen, wo der Sinn in rohen und fleischlichen Einbildungen gefangen ist. So geschieht es, dass alle Menschen, die aus vergänglichem Stoff sich Götter machen, das Werk ihrer Hände abergläubisch verehren. Ich will also gern zulassen, dass man diese beiden in der Tat unzertrennlichen Verbote zusammenfasse: nur gilt es dabei festzuhalten, dass man Gott schon eine Schmach antut, nicht bloß, wenn man die ihm gebührende Anbetung auf die Götzenbilder überträgt, sondern schon wo man sein Wesen durch irgendein äußeres Gleichnis auszudrücken unternimmt.
5. Mose 5.
V. 9. Du sollst sie nicht anbeten. Dieses zweite Verbot suchen die Götzendiener unter einem leeren Vorwand zu umgehen, wie man denn im Papsttum die kindische Unterscheidung vorwendet, dass man den Bildern nicht Anbetung, sondern Verehrung darbringe. Erstlich aber will Mose sicherlich alle Formen und Weisen der Ehrfurchtsbezeugung verwehren; und insbesondere bezeichnet das alsbald hinzugefügte Wort „dienen “ ganz ausdrücklich eben jene dienstbare Verehrung, die sie den Bildern und Statuen widmen: Gott will überhaupt nicht unter der Gestalt von Holz, Stein usw. verehrt sein. Selbst die Ungläubigen waren nicht so unsinnig, dass sie kurzweg Bildsäulen oder Bilder selbst anbeteten. Sie brauchten denselben Vorwand, der heute unter den Papisten von Mund zu Mund geht, dass die Verehrung nicht dem Bilde selbst, sondern der darin dargestellten Person gelte. Und doch wirft ihnen der heilige Geist allenthalben in der Schrift vor (Jes. 44, 17; Ps. 115, 4 ff.; Röm. 1, 23), dass sie hölzerne und steinerne Götter anbeten; denn Gott verwirft eben jenen Dienst der Ungläubigen vor Holz und Stein. Mögen sie auch auf die Frage, wen sie denn eigentlich verehren wollen, schließlich auf die Gottheit selbst deuten, so zerrinnt doch ihre törichte Entschuldigung in nichts: denn ein Bild aufrichten, vor dem man sich zu Boden wirft, heißt doch den wahren Gott verleugnen. Wenn wir noch einmal wiederholen, dass hier alle Anbetungsweisen verboten werden, die mit der Anbetung Gottes im Geist nicht stimmen, so mag dies genug sein, um derartige Nebeleien zu zerstreuen.
V. 9. Denn Ich, der Herr, dein Gott, usw. Gott droht auf der einen Seite und gibt auf der andern freundliche Versprechungen, um sein Volk in rechter Treue festzuhalten. Indem er zuerst sich selbst Israels Gott nennt, straft er ihre Undankbarkeit: wie durften Leute, die zum heiligen Eigentumsvolk erwählt waren, sich an den Götzendienst wegwerfen! Weiter will er durch Ankündigung einer Strafe ihre Furcht erregen. Endlich lockt er sie, wenn sie gehorsam in seiner reinen Anbetung bleiben, mit der Hoffnung auf Lohn. Dazu sollen seine Strenge sowohl wie seine Wohltaten nicht bloß für den Augenblick gelten, sondern auch für künftige Geschlechter, wenn auch beides in verschiedenem Maße. Die Verheißungen und Drohungen, welche die Autorität des Gesetzes verstärken sollen, möchte ich zwar im allgemeinen für eine spätere Betrachtung aufsparen; was aber hier an dieses besondere Gebot gehängt ist, lässt sich nicht wohl abtrennen. – Absichtlich stellt sich der Herr unter verschiedenen Bezeichnungen vor: dass er sich „Gott“ nennt, deutet auf seine Macht, die man fürchten muss. In dieselbe Richtung weist es auch, dass er ein eifriger, d. h. eifersüchtiger und neidischer Gott ist: er gönnt keinem andern einen Vorzug, insbesondere duldet er als Israels Eheherr keinen Nebenbuhler und behauptet sein alleiniges Recht und seine unvergleichliche Ehre. Wie also im ersten Gebot an den heiligen Bund erinnert wurde, den Gott mit den Juden geschlossen hatte, so warnt unsre Anspielung vor einem Bruch des geistlichen Ehebundes. Steht nun auch die Drohung an erster Stelle, so will doch Gott sein Volk mehr freundlich zum Gehorsam locken, als durch Furcht zwingen; darum stellt er seine Barmherzigkeit als viel größer dar, denn seine Strenge: seine Barmherzigkeit (V. 10) soll in viel tausend Generationen währen, die Strafe sich aber nur ins dritte und vierte Glied erstrecken, d. h. bis auf Enkel und Urenkel. Durch diese erstere freundliche Zusage will Gott seine Anbeter desto mehr zu eifriger Frömmigkeit reizen. Welch unerhörte Freundlichkeit und Herablassung ist es doch, dass Gott gegenüber seinen Knechten, denen er nichts schuldet, sich sogar verpflichtet, ihnen zugute auch ihren Samen als sein Volk anzuerkennen! Aus der hier verheißenen Wiedervergeltung darf man nämlich nicht auf einen verdienten Lohn schließen: denn Gott sagt nicht, dass er denen, die sein Gesetz halten, Treue und Gerechtigkeit, sondern Barmherzigkeit erzeigen will. Nun man selbst der Vollkommenste hintreten: er wird nichts Besseres begehren können, als dass Gott in freier Gnade ihm seine väterliche Gunst, Freundlichkeit und Wohltätigkeit zuwende. Die Wiedervergeltung besteht vornehmlich darin, dass Gott den Seinen Wohltaten aus freier Gnade zuwendet.
Die mich lieben. Dieser Ausdruck deutet auf die Quelle und Wurzel der wahren Gerechtigkeit: eine äußere Erfüllung des Gesetzes, die nicht auf diesem Grunde ruht, ist wertlos. Liebe aber und nicht Furcht wird genannt, weil Gott nur an freiwilligem Gehorsam seine Freude hat, eine gezwungene und knechtische Unterwürfigkeit aber verschmäht. Weil nun aber auch die Heuchler sich rühmen Gott zu lieben, während doch ihr Leben mit diesem Bekenntnis des Mundes nicht zusammenstimmt, so wird ausdrücklich hinzugefügt: und meine Gebote halten. Es gilt also, die Frömmigkeit mit der Tat zu beweisen. – Eine schwierige Frage ergibt sich nun aus der Tatsache, dass nach der Erfahrung aller Jahrhunderte viele von den Nachkommen der Gläubigen dennoch verworfen wurden, und dass Gott gerade über sie die schwersten Strafexempel verhängt hat. Indessen wird ja durch unsere Worte nicht jedem einzelnen, der gläubige Voreltern hat, Gottes Gnade verheißen, so dass Gott immer mit ihm im Bunde stehen müsste. Es hat viele aus der Art geschlagene Kinder Abrahams gegeben, denen die Abstammung von dem heiligen Patriarchen nichts nützte. Es kann sich nicht um eine Verheißung für jeden einzelnen handeln: denn (Röm. 9, 7 f.) nicht alle Kinder nach dem Fleisch sind in Wahrheit Abrahams Same; Gott entscheidet darüber nach freier Wahl und hält seine Gerichte doch in solchen Schranken, dass seine väterliche Gnade niemals vom Geschlecht der Frommen weicht. Zudem zeigen mancherlei zeitliche Wohltaten, dass seine Gnade, die er verheißen hatte, noch gilt. So ist Gott auch gegen das Geschlecht Abrahams gnädig gewesen, solange er es würdigte, das Gesetz, die Propheten, den Tempel und seine heiligen Ordnungen zu besitzen. Und wir müssen doch auch bedenken, wie weit selbst die Heiligsten von ganzer Erfüllung des Gesetzes und vollkommener Liebe zu Gott noch entfernt sind: so dürfen wir uns nicht wundern, wenn sie noch vielfach einen Mangel der hier verheißenen Gnade spüren und oft nur einen geringen Geschmack davon empfinden. In jedem Falle ist Gottes Güte immer noch reich und groß, so dass seine Gnade, wenn nicht in vollem Glanze, so doch in deutlich erkennbaren Funken bis über tausend Generationen leuchtet.
Was nun den Gegensatz angeht (V. 9), dass Gott seine Rache nur bis ins dritte und vierte Glied walten lassen will, so sehen wir daraus, dass er die Menschen viel lieber mit freundlichen Einladungen zu ihrer Pflicht lockt, als mit Drohungen mehr von ihnen erpresst, als sie geben wollen: seine Barmherzigkeit reicht viel weiter, als sein strenges Gericht. Bemerkenswert ist es auch, dass die Übertreter des Gebotes als Leute bezeichnet werden, die Gott hassen. Gott zu hassen ist nun sicherlich ein Zeichen schrecklicher und fast wunderbarer Verworfenheit; auch der schlimmste Verbrecher wird nicht rundweg sich als einen Feind Gottes ausgeben. Und doch hat das harte Urteil, welches Gott mit dieser Bezeichnung über die unfrommen Übertreter spricht, seinen guten Grund. Denn da Er von seiner Gerechtigkeit nicht getrennt werden kann, so ist eine Verachtung des göttlichen Gesetzes ein Zeichen von Hass gegen Gott selbst: wer sich dem Gesetzgeber und Richter nicht beugen mag, hat doch den heimlichen Wunsch, ihn von seinem Thron zu stoßen. Dass Gott die Missetat heimsucht, will besagen, dass er danach fragt und sie zur Kenntnis nimmt, um dem Verbrechen auch seine Strafe zukommen zu lassen. Denn so lange er schonend sein Gericht aufschiebt, scheint er dem Sünder nachzugeben und die Sünde nicht zu bemerken. Wenn also die Menschen meinen, dass ihr Verbrechen bereits begraben sei, so verkündigt Gott hier, dass er desselben schon gedenken werde. – Doch es erhebt sich noch die Frage, wie denn Gott die Missetaten der Väter an Söhnen und Enkeln strafen könne, da doch nicht die gleiche Strafe auf Unschuldige und Verbrecher fallen darf. Sagt doch auch der Prophet (Hes. 18, 20): „Der Sohn soll nicht tragen die Missetat des Vaters, und der Vater soll nicht tragen die Missetat des Sohnes; sondern welche Seele sündigt, die soll sterben.“ Die aus diesen Worten entspringende Schwierigkeit löst sich freilich leicht: Gott tritt dem damals umgehenden Missverständnis entgegen, als würden um der Sünden der Väter willen vollkommen Unschuldige gestraft – nach dem Wort (Hes. 18, 2): „Die Väter haben Herlinge gegessen, aber den Kindern sind die Zähne davon stumpf geworden.“ Gott stellt dem gegenüber fest, dass auch die Kinder, auf selche seine Rache trifft, durchaus nicht frei von Schuld seien. Vielmehr vollzieht der Herr seine Strafe, die der Väter Missetat in den Busen der Kinder vergilt, gewöhnlich so, dass er die Nachkommen der Unfrommen in Blindheit und verkehrten Sinn hineingibt, dass er sie mit einem Geist des Taumels oder des Stumpfsinns erfüllt, so dass sie sich in hässliche Begierden und endlich in völliges Verderben stürzen. Kommen dann noch andere Strafen hinzu, so muss wohl jeder Menschenmund schweigen, damit er nicht vergeblich gegen Gott murre. Sollte es aber noch immer unsern Gedanken nicht eingehen, dass Gott einem jeglichen vergilt, wie er es verdient, und dass er doch zugleich die Missetat der Väter an den Kindern heimsucht, so wollen wir bedenken, dass seine Gerichte ein tiefer Abgrund sind: bleibt uns in seinen Werken etwas unbegreiflich, so haben wir uns eben nüchtern und ehrfürchtig zu beugen. – Es bleibt endlich nur noch die Frage, wieso Paulus (Eph. 6, 2) das fünfte Gebot als das erste bezeichnen kann, welches die Verheißung hat, während doch schon hier an das zweite Gebot eine Verheißung gehängt ist. Bei genauerer Erwägung werden wir doch erkennen, dass die soeben ausgelegte Verheißung nicht ausschließlich zum zweiten Gebot, sondern zur ganzen ersten Gesetzestafel gehört, weil sie sich auf die rechte Verehrung Gottes überhaupt bezieht. Wo es aber heißt: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lange lebest,“ gilt dies eigentlich und allein für den Gehorsam gegen eben dieses Gebot.
2. Mose 34.
V. 17. Du sollst dir keine gegossenen Götter machen. Wenn Skulpturen, Statuen und Bilder ohne weiteres „Götter“ heißen, so erkennt man daraus Absicht und Hauptinhalt des zweiten Gebots. Es soll nämlich eingeprägt werden, dass man Gott verunehrt, wenn man ihn unter irgendeiner körperlichen Gestellt vorstellt. „Götter“ sind ja die Götzen nur nach verkehrter heidnischer Meinung. Freilich wähnten selbst die Ungläubigen die Gottheit nicht in dem vergänglichen Stoff eingeschlossen, aber sie glaubten sich ihr doch näher, wenn sie ein irdisches Symbol ihrer Gegenwart vor Augen hatten. In diesem Sinne wurde dann das Götterbild selbst zu Gott, weil man ohne das irdische Mittel nicht zur Höhe der Gottheit aufzusteigen vermochte. Übrigens will der Ausdruck „gegossene Götter“ gewiss Bilder allerlei Art unter sich begreifen: denn Gott verabscheut Holz und Stein oder irgendeinen anderen Stoff, aus dem Götzen gemacht zu werden pflegen, ebenso wie das Metall. Aber nur das letztere wird hier genannt, weil die törichte Glut des Aberglaubens sich an wertvollen und künstlerisch gegossenen Götzenbildern am heftigsten zu entzünden pflegt.
Jeden Zweifel hebt übrigens
2. Mose 20.
V. 23: silberne und güldene Götter sollt ihr nicht machen ; denn gerade um solch kostbarster Metalle willen, deren äußerer Glanz alle Sinne gefangen nimmt, hält man besonders gern den Götzendienst für erlaubt.
Vollends deutlich erinnert aber
3. Mose 26.
V. 1. nicht bloß an gegossene Bilder, sondern auch an Säulen und Malsteine, also an allerlei Gestaltungen, unter denen die törichten Menschen Gott sichtbar zu besitzen glaubten, und womit also die Anbetung Gottes im Geist untergraben wurde. Darauf, dass Gott seine Herrlichkeit nicht in allerlei solche Gebilde verwandelt sehen will, deutet auch der Gegensatz: denn Ich bin der Herr, euer Gott. Diesem Gott raubt man seine Ehre, wenn man etwas Irdisches und Fleischliches von ihm gedenkt. Da nun Säulen und Malsteine an sich auch harmlose Dinge sein können, so sind offenbar nur solche gemeint, die man als Götzen verehrt. Und die angeführten Stellen zeigen klar, dass man vom wahren Gott sich ganz und gar entfernt, wenn man in der Gottheit eine so rohe und irdische Erscheinung sucht. Darauf deutet auch der Ausdruck „Götzen“, d. h. wörtlich „Nichtse“, mit welchem Schandnamen alle falschen Gebilde bezeichnet werden, welche Gottes Wesen verkehren, von seiner geistigen Anbetung abführen und irgendetwas unterschieben wollen, was mit seiner Natur nicht stimmt. In der vierten Stelle
2. Mose 20.
V. 22. erscheint der Gegensatz, den wir sofort (Abschnitt 58) noch weiter erläutern werden, besonders beachtenswert: die Kinder Israel sollen keine Götter aus vergänglichem Stoff machen, weil Gott mit ihnen vom Himmel geredet hat. Wie töricht also, seine Sinne und Gott selbst an irdische Elemente zu heften, während man sich doch zum Himmel erheben sollte!
5. Mose 4.
V. 12. Der Herr redete mit euch. Dass Gott sich den Kindern Israel durch sein Wort, nicht aber unter körperlicher Gestalt offenbarte, dient zur Bestätigung des zweiten Gebots. Wer also mit seinem Worte sich nicht zufrieden gibt und eine sichtbare Gestalt sucht, setzt an die Stelle Gottes Trugbilder. Doch erhebt sich hier eine schwierige Frage, da doch Gott sich den Vätern auch noch auf andere Weise, außer durch seine Stimme, kundgetan hat. Mose selbst hat ihn inmitten des brennenden Busches gesehen, und auch den Propheten offenbarte er sich unter sichtbaren Gestalten. Es mag genügen, statt vieler Beispiele einfach an die Jes. 6 und Hes. 1 und 10 berichteten Visionen zu erinnern. Nun hat gewiss Gott nicht sich selbst vergessen, wenn er sich in solcher Weise von seinen Knechten sehen ließ. Woran wir aber uns gläubig halten sollen, hat Gott vor allem in der Offenbarung seines Gesetzes kundgetan. Dort empfangen wir einen kurzen Auszug des Wandels in wahrer Frömmigkeit und das beste Heilmittel gegen den Götzendienst. In diesem Zusammenhange prägt denn Mose als festen Grundsatz ein, dass Gott, als er sein Volk sich sammelte und ihm eine gewisse und unverletzliche Regel des frommen Lebens gab, nicht mit irgendeinem Leibe sich umkleidete, sondern den lebendigen Abglanz seiner Herrlichkeit in seiner belehrenden Stimme kundtat. Wenn Gott außerdem den Vätern in sichtbarer Gestalt erschienen ist, so hat er nur ein vorübergehendes Zeichen gegeben, welches mit unserm Gebot in keinem Widerspruch steht. Derselbe Jesaja, der den Herrn Zebaoth auf seinem Throne sitzen sah, ruft doch in Gottes Namen aus (Jes. 40, 25): „Wem wollet ihr denn mich nachbilden, dem ich gleich sei?“ Und er fährt noch heftiger als alle anderen Propheten wider die Torheit, ja Tollheit los, die Götzenbilder fabrizieren (44, 9 ff.). Und wie steht es denn mit seiner Vision selbst? Wenn die Seraphim, die Gottes Thron umstehen, ihr Angesicht mit den Flügeln decken, so ist dies ein deutliches Zeichen dafür, dass vollends kein Sterblicher des Herrn Anblick ertragen kann. Was aber Hesekiel geschaut hat, vermag kein Maler darzustellen: denn Gott erscheint immer unter solchen Zeichen, welche weit über menschliches Begriffsvermögen hinausgehen, ganz anders als eine kreatürliche Gestalt. Es bleibt also der Grundsatz unangetastet, dass ein Bild Gottes niemals zutreffen kann, weil der Herr sich von seinem Volke nur im Worte schauen lassen wollte. Und doch war auch das Feuer ein Zeichen seiner Gegenwart, aber ein solches, welches die Unvergleichlichkeit seiner Majestät bezeugte, und so die Menschen abhielt, Götzenbilder zu machen.
V. 15. So bewahret nun eure Seelen wohl. Aus dieser ängstlichen Mahnung entnehmen wir, wie stark der menschliche Sinn zum Götzendienst neigen muss. Eben darauf deutet die Bezeugung, die ich aus 5. Mose 8 hierher gesetzt habe. Denn Mose begnügt sich nicht mit einfacher Drohung, sondern ruft im Namen Gottes nach feierlicher Gerichtsweise gleichsam Zeugen auf und verkündigt, dass die Götzendiener umkommen werden. Er will ihnen damit einen besonders starken Schrecken einjagen: denn mit gewöhnlichen Mitteln lässt sich diese krankhafte Lust nicht bändigen. Sagt doch auch Paulus (Röm. 1, 25), dass der Götzendienst Gottes Wahrheit in Lüge verkehrt, und Jeremia (10, 15) wie Habakuk (2, 18) bezeichnen die Götzenbilder als verführerisch und falsch. So ist es denn ein gerechter Lohn, dass Menschen, welche die gesunde und reine Erkenntnis Gottes beflecken, dadurch gewissermaßen eine verzehrende Pest auf ihre Seelen ziehen. Damit widerlegt sich auch die dumme Behauptung der Papisten, dass dieses Verbot nur dem Volke des alten Bundes gegeben sei, dass es aber heute freistünde, solche Statuen und Bilder zu machen. Als ob Paulus die Juden anredete, wenn er aus einem ganz allgemeinen Grundsatz den Schluss zieht (Apg. 17, 29): „So wir denn göttliches Geschlechts sind, sollen wir nicht meinen, die Gottheit sei gleich den güldenen, silbernen und steinernen Bildern!“ Und als ob der heilige Geist uns nicht heute genau so, wie ehedem, mahnte (1. Joh. 5, 21): „Hütet euch vor den Abgöttern!“ Es war doch teuflische Verführung, eines von den zehn Geboten abzuschaffen, um die Bahn für die abscheulichste götzendienerische Willkür freizumachen. Freilich sagen sie, dass die Juden eines strafferen Zügels bedurften, weil sie dem Götzendienst gar zu sehr ergeben waren. Als ob sie nicht selbst in diesem Stücke noch viel roher wären! Aber mag dem sein wie ihm wolle, so sieht doch jedermann, dass unser Gebot sich wider das Laster des Aberglaubens richtet, der dem menschlichen Sinne überhaupt eingeboren ist. So wird es den Menschen so lange unentbehrlich bleiben, bis sie einmal ihre Natur ablegen.
V. 19. Dass du auch nicht deine Augen aufhebest usw. Nun greift Mose noch weiter: die Juden sollen auch die Sonne, den Mond und die Sterne nicht als göttliche Wesen ansehen, und zwar nicht bloß im Sinne des unter den Heiden weit verbreiteten Irrtums, dass die Gestirne geradezu lauter Gottheiten wären: sie sollen sich durch ihren Glanz nicht einmal zu dem Aberglauben bringen lassen, dass sie es hier mit Abbildern Gottes zu tun hätten. Darauf deutet der Ausdruck: und lassest dich verführen. Denn Gott will in dem Heer des Himmels seine Herrlichkeit offenbaren; Satan aber führt mit trügerischer Kunst die Menschen irre, sodass sie in jenen Lichtern Gott selbst anbeten und so schon beim ersten Schritt zu Falle kommen. Damit die Kinder Israel noch gewisser erkennen, wie verkehrt es ist, Gott in greifbaren Dingen, irdischen Elementen und vergänglichem Stoffe zu suchen, wird hier noch ausdrücklich eingeprägt, dass man nicht einmal bei den am Himmel befindlichen Kreaturen Halt machen darf: denn Gottes Majestät geht über Sonne, Mond und alle Sterne. Nach unserer Aussage ist es nun besonders töricht, den Gestirnen göttliche Ehre zu erweisen, weil sie ja Gott uns zum Dienste verordnet hat: sie sollten also mit ihren Ordnungen und regelmäßigen Bewegungen, über welchen Gottes Vorsehung waltet, vielmehr unsre Diener sein. Und was ist unwürdiger, als dass Gottes Kinder der Sonne dienen, welche doch selbst allen Völkern unter dem ganzen Himmel zur Dienerin gegeben ward? Wir sehen hier, dass die hässliche Undankbarkeit der Menschen gegen Gott umso verwerflicher ist, je herrlicher und vorzüglicher die betreffenden Kreaturen sind, die lediglich ihrem Nutzen dienen sollten, und auf die man nun die Ehre überträgt, die man dem Herrn geraubt hat.
V. 23. Hütet euch, dass ihr des Bundes des Herrn nicht vergesset. Hier wird vollends deutlich, dass die religiöse Verehrung aller Dinge, die unsre Sinne im irdischen Umkreise festhalten, wider den Bund Gottes streitet. Denn wenn der Herr uns zu sich einladet, erlaubt er uns nicht, anders als geistlich über ihn zu denken; er setzt die Stimme seines Wortes wider alle Truggebilde, durch welche die unreinen Heiden sich täuschen ließen, weil sie eben des Lichtes einer Lehre entbehrten, die sie zur himmlischen Höhe Gottes selbst hätte führen können. Weil aber die Kinder Israel durch Gottes Gesetz darüber belehrt waren, nicht bloß dass man ihn allein anbeten müsse, sondern auch, dass man ihn unter keinem sichtbaren Bilde darstellen dürfe, so heißen sie mit Recht bundesbrüchig, wenn sie sich nicht in diesen Schranken halten: denn sie übertreten diesen zweiten Hauptsatz, welcher durch Verbietung der Bilder, die Gottes Ehre schmähen und beflecken, deutlich einprägt, dass man Gott im Geiste anbeten muss. Mose will nun offenbar sagen, dass man einfach tun soll, wie der Herr geboten hat: man soll nicht disputieren, ob vielleicht erlaubt sei, was er doch untersagte, sondern soll sich einfach bei dem Rechtsgrund beruhigen, dass man seiner Vorschrift zu folgen habe. Mögen denn die Papisten viel darüber disputieren, dass man die Bilder als für das Volk nützliche Unterweisungsmittel ruhig stehen lassen dürfe, - so soll es unsre Weisheit sein, dass wir uns bei dem beruhigen, was Gott nach seinem Willen in diesem Stück verordnet hat.
Zur Bekräftigung dient, was
5. Mose 8.
V. 20 hinzugefügt wird: wenn Gott die Heidenvölker nicht verschont hat, so wird er noch viel weniger seinem Volke eine solche Sünde verzeihen; denn es ist ein viel schwereres Verbrechen und eine viel schlimmere Undankbarkeit, wenn man den einmal erkannten Gott verlässt und die Lehre seines Gesetzes verwirft, als wenn die Heiden einfach in den alt ererbten Irrtümern beharren.
Dass der Herr ein eifriger Gott ist (vgl. zu 5. Mose 5, 9) prägt 2. Mose 34, 14 mit ganz besonderem Nachdruck ein, indem dieser Ausdruck geradezu zum Namen Gottes wird: der Herr heißet ein Eiferer. Er kann so wenig seine Gottheit wegwerfen und sich selbst verleugnen, als einen Genossen oder Nebenbuhler dulden. Ebenfalls soll es Furcht erregen, wenn Gott (5. Mose 4, 24) ein verzehrend Feuer genannt wird. Wissen wir doch, wie frech sich die Welt in ihrem Aberglauben gehen lässt: sie spielt nach Laune mit Gott und gibt ihm jede beliebige Gestalt. So will dieses Bild an Gottes schreckliche Rache erinnern und den menschlichen Sinn zur Ehrfurcht beugen: wer über Gott anders zu denken sich erfrecht, als sich gebührt, wird wie Spreu von seinem Feuer verzehrt werden.
5. Mose 11.
V. 16. Hütet euch. Diese immer wiederholten Mahnungen zur Vorsicht lassen durchblicken, wie stark die Neigung der Menschen zum Aberglauben ist. Eben darauf deutet auch die Wendung: dass sich euer Herz nicht überreden lasse. Wer sich nicht sorgfältig hütet, wird nur zu leicht in den Fallstrick des Satans fallen. Darum sind die Papisten unentschuldbar, wenn sie in unverschämter Gleichgültigkeit sich und anderen einen Nebel vormachen, während doch Gott, der unsre flüchtige und eitle Art am besten kennt, immer wieder zu peinlicher Vorsicht mahnt. Der weitere Ausdruck: dass ihr abweichet – deutet auf das, was wir zuvor schon sagten: wer zu einem verfälschten Gottesdienst sich wendet, fällt von Gott selbst ab. Das wollen freilich die Ungläubigen, die eine Abweichung in diesem Stück besonders leicht nehmen, nicht gelten lassen. Sie würden am liebsten im ihren Menschengedichten Gott selbst irreführen und verlangen, dass er auch das Törichtste annehmen und gutheißen soll. Der Herr aber brandmarkt ganz im Gegenteil jeden, der von der Schlichtheit seines Gesetzes abweicht, als einen Abtrünnigen. So folgt noch einmal die Drohung (V. 17): dass dann der Zorn des Herrn ergrimme über euch. Er wird jede Verfälschung des rechten Gottesdienstes rächen, indem er seinen Fluch auf das Land legt und die Einwohner durch Hunger und Mangel aufreibt: sie müssen umkommen von dem guten Lande, das Gott ihnen doch nur verheißen hatte, damit man ihm daselbst eine reine Anbetung darbringe.
5. Mose 16.
V. 22. Du sollst dir keine Säule aufrichten. Hier wird noch deutlicher, was das zweite Gebot will und worauf es zielt. Anderwärts (5. Mose 27, 2 f.) wird verordnet, dass an den Grenzen des Landes Denksteine aufgerichtet würden, auf die man die Hauptstücke des Gesetzes schreiben sollte. Damit streitet nun das vorliegende Verbot keineswegs: denn hier bezeichnet „Säule“ ein trügerisches Gottesbild, welches die Menschen zu einer falschen körperlichen Vorstellung von Gott anleitet. Darum wird hinzugefügt: welches (nicht bloß „welche“, d. h. die Säule selbst, sondern „welches“, d. h. das ganze Treiben, welches mit Errichtung solcher Säule zusammenhängt) der Herr, dein Gott, hasset. Denn es streitet wider Gottes Herrlichkeit, wollte man ihm, einen Leib andichten oder irgendetwas Leibliches unter sein geistiges Wesen mischen.
2. Mose 23.
V. 24. Du sollst ihre Götter nicht anbeten. Damit prägt Mose noch einmal ein, dass der Gottesdienst Israels sich von dem abergläubischen Kultus der Heiden ganz und gar unterscheiden soll. War doch überall die Verkehrung die eingerissen, dass die Ungläubigen vielmehr Gott auf die Erde herabzogen, als dass sie sich aufwärts geschwungen hätten, ihn zu suchen. In diesem Sinne können dann die Götzenbilder geradezu „Götter“ genannt werden: denn wer seinen Gott in der Gestalt von Holz und Stein darstellen will, muss ihn ja irgendwie an den vergänglichen Stoff gebunden denken. Erfahrungsmäßig sind auch die Ungläubigen trotz aller Ausreden derartig an ihre Bilder gebunden, dass sie in ihrer Rohheit ohne dieses Hilfsmittel gar nicht fertig werden können. Wenn es des Weiteren heißt, dass Israel nicht tun soll, wie sie tun, so sehen wir daraus klar, dass jede verunreinigte Gottesverehrung kurzweg Götzendienst heißt.
V. 4. Ihr sollt dem Herrn, eurem Gott, nicht also tun. Die hier gegebene Verordnung begründet bezüglich der äußeren Übungen der Frömmigkeit einen durchgreifenden Unterschied zwischen der gesetzmäßigen Verehrung Gottes und allen Kultusformen, welche die Heiden sich selbst ausgedacht hatten: Gott wollte nur ein Heiligtum und einen Altar. An diesem Symbol sollte man den einigen Gott von allen Götzen unterscheiden können, und die wahre Religion sollte sich von dem heidnischen Aberglauben handgreiflich abheben. Das alles liegt bereits in diesem Anfangssatz, dass die Kinder Israel mit ihrem Gott nicht tun sollten, wie die Heiden mit ihren Götzen: ein Zaun sollte sie von dem ganzen Erdkreis trennen. Ganz passend werden wir nun alle diese dem Bekenntnis zu Gott dienenden Ordnungen des äußeren Kultus als Anhänge zum zweiten Gebot behandeln: denn sie wollen ja sämtlich nicht anderes, als zu seiner Erfüllung anleiten. Wenn ich mich nun anschicke, über die Stiftshütte, das Priestertum und die Opfer zu reden, so begebe ich mich damit auf ein weites und tiefes Meer, auf dem viele Ausleger, die sich in neugierigen Fragen und hohlen Allegorien gefallen, ihre viel verschlungenen Irrfahrten machen. Ich möchte vor diesem Fehler mich zu hüten suchen, mich in den Schranken der Einfalt halten und in Kürze nur das anrühren, was dem Glauben zu wirklicher Erbauung dient.
V. 5. Sondern den Ort, den der Herr erwählen wird usw. Man fragt sich, warum man dem Herrn nur an einem einzigen Altare Opfer bringen sollte. Außer dem eben angegebenen Grunde hat diese Vorschrift offensichtlich auch den Zweck, dass auf diese Weise die Gläubigen die Zusammenstimmung in der Einheit des Glaubens zum Ausdruck bringen sollten. Die einheitliche Stätte des Gottesdienstes war wie ein Panier, um welches das Volk sich sammeln sollte, damit seine Religion nicht nach verschiedenen Richtungen auseinander ginge und allerlei Verschiedenheit einrisse. Wenn nun Gott das Recht, solchen Ort zu erwählen, sich selbst und seinem freien Belieben vorbehält, so liegt darin für die Seinen ein Wink zum Gehorsam, der für die Reinheit des Gottesdienstes ein ganz wesentliches Stück ist. Allerdings hatte die Bundeslade vor Davids Zeit noch keinen festen Wohnsitz, sondern wanderte gleichsam durch verschiedene Herbergen: wenn also damals erst Gott den Berg Zion erwählte, so durfte das Volk in der Zwischenzeit noch opfern, wo es wollte. Damals erst wurde erfüllt, was der Psalm (122, 1 f.) sagt: „Ich freute mich über die, so mir sagten: Lasset uns ins Haus des Herrn gehen! Unsre Füße stehen in deinen Toren, Jerusalem.“ Gott sagt nun ausdrücklich, dass er einem Stamme vor allen andern das besondere Privilegium der gottesdienstlichen Stätte geben wird: aus allen euren Stämmen usw. In diesem Sinne heißt es Ps. 78, 67 ff.: „Er verwarf die Hütte Josephs und erwählte nicht den Stamm Ephraim; sondern erwählte den Stamm Juda, den Berg Zion, welchen er liebte. Und baute sein Heiligtum hoch, wie die Erde, die ewiglich stehen soll.“ So wünschen sich denn die Gläubigen Glück, nachdem die Bundeslade bei David eine Stätte gefunden (Ps. 99, 5): „Erhebet den Herrn, unsern Gott, betet an zu seinem Fußschemel.“ Dort hat Gott also nunmehr seine Wohnung aufgeschlagen (Ps. 132, 13 vgl. 7): „Der Herr hat Zion erwählt und hat Lust, daselbst zu wohnen.“ Wenn aber Gott bis zu diesem Zeitpunkte die Hoffnung des Volkes auf ein dauerndes Heiligtum in der Schwebe hielt, so folgt daraus doch nicht, dass es bis dahin an jedem beliebigen Orte opfern durfte: es galt eben der Ort, wo die Stiftshütte sich jeweils befand, als der zur Zeit von Gott erwählte. Darum straft Gott durch Jeremia (7, 12) den törichten Eigenwillen, zu dem Israel sich übermütig erhob: „Gehet hin an meinen Ort zu Silo, da vorhin mein Name gewohnet hat, und schauet, was ich daselbst getan habe um der Bosheit willen meines Volks.“ Daraus ergibt sich doch, dass Silo zeitweilig in hohen Ehren stand, dann aber verworfen ward, weil man die Heiligtümer dort schmählich besudelt hatte. So geht unsre weissagende Vorschrift zwar insbesondere auf den Berg Zion und bindet doch in der Zwischenzeit die Kinder Israel an den Ort der Stiftshütte, so dass sich niemand einen Privataltar und keine Stadt einen eigenen Tempel errichten durfte.
Dass er seinen Namen daselbst lässet wohnen. Diese überaus bemerkenswerte Ausdrucksweise wehrt dem abergläubischen Missverständnis, als wohne Gott zwischen Wänden, - wie denn Menschen nur zu gern sein unermessliches Wesen beschränken, aus dem Himmel herabziehen und an irdische Elemente binden möchten. So heißt es denn hier, dass nicht Gottes Wesen, sondern sein Name an dem bestimmten Orte wohne, und auch dies selbstverständlich nur für die Menschen, für deren rohes Begriffsvermögen er ein sichtbares Zeichen seiner Gegenwart hinstellt. In diesem Sinne lesen wir öfter (1. Mose 11, 5; 18, 21), dass Gott herab fahre, nicht als ob er, der Himmel und Erde erfüllt, seinen Ort veränderte, sondern weil sein genauerer Umgang ihn selbst den Menschen näher bringt. Wenn er nun auch auf Erden sich anbeten lässt, so sollen doch der Menschen Gedanken daselbst nicht haften bleiben, sondern vielmehr stufenweise zur Höhe emporsteigen. Darum tadelt Gott durch Jesaja (66, 1) die Kinder Israel aufs heftigste, dass sie trotz ihres sündigen Wandels sich Bunde mit Gott glaubten, weil sein Tempel vor ihren Augen stand. Als ob wir nicht im Glauben und ernster Erhebung des Gemütes ihm wirklich nahen müssten, wo er seine Hand uns entgegenstreckt! So kann denn wohl einmal (vgl. zu V. 7) die Bundeslade gleichsam als Gottes Angesicht bezeichnet werden: aber zugleich wird uns jeder grobe und irdische Gedanke ausgetrieben, wenn das Heiligtum der Schemel seiner Füße heißt (Ps. 132, 7).
V. 6. Des Weiteren werden die verschiedenen Opfergaben aufgezählt, zu deren genauerer Erläuterung wir uns erst später wenden werden. Hier genüge die Erinnerung, dass die Brandopfer als eine besondere Art aus den (andern) Opfern herausgehoben werden. Die Hebe oder das Hebopfer wird darum so genannt, weil man es vor Gott emporhob. Ähnlich geschah es bei den sonst vorkommenden „Webopfern“, die aber nicht zu emporgehoben, sondern auch nach rechts und links bewegt wurden. Gelübde und freiwillige Opfer unterschieden sich so, dass man auch ein Gelübde zunächst ganz freiwillig ablegt, dass man aber außerdem auch etwas darbringen konnte, was man nicht gelobt hatte.
V. 7. Und sollst daselbst vor dem Herrn essen. Genauer ließe sich übersetzen, „vor dem Angesicht des Herrn.“ So wäre denn das Heiligtum, in welchem Gott sich kundtat, gleichsam sein Angesicht. Denn wenn die Gläubigen auch immer und überall (1. Mose 17, 1) vor Gott wandeln sollen, so traten sie doch näher und in eigenartiger Weise vor sein Angesicht, wenn sie zu seinem Heiligtum kamen. So will diese Redeweise das Volk aus seiner trägen Bequemlichkeit aufwecken: es sollte niemandem beschwerlich sein, um des Opfers willen zur Bundeslade zu kommen, weil jenes unvergleichliche Gut alle Mühe und Kosten der Reise aufwog. Eine Mahlzeit „vor Gott“ ist eine heilige, die sich von den gewöhnlichen und täglichen Mahlzeiten abhebt: sie war ein Anhang an das Opfer, indem man den Rest des dargebrachten Tieres verzehrte; so wurden ihre Teilnehmer auch des Opfers teilhaftig. Diese Sitte findet sich unter den Heiden gleicher weise, wenn sie freilich auch in falsche Bahnen geleitet ward. Gott ladet nun sein Volk besonders freundlich ein: Ihr sollt fröhlich sein, ihr und euer Haus über allem, das eure Hand vor sich bringet. Einigermaßen zweifelhaft ist die Übersetzung des Satzes: darinnen dich der Herr gesegnet hat. Man könnte nämlich auch übersetzen: weil dich der Herr gesegnet hat, - sodass sich dieser Segen dann nicht auf den Ertrag der Hände, sondern auf die Personen bezöge. Doch ist ja der Unterschied des Sinnes gering.
V. 8. Ihr sollt der keins tun, das wir heute allhie tun. Den Ritus des Opfers hatten die Israeliten zwar schon von ihren Vorfahren überkommen, aber solange sie noch in der Wüste umherirrten, durfte der Altar hier bald dort aufgerichtet werden. Darauf deutet Mose ausdrücklich, indem er (V. 9) den Grund angibt: denn ihr seid bisher noch nicht zur Ruhe kommen usw. Nach Einnahme des Landes und bei Eintritt ruhiger Verhältnisse wird es sich also nicht mehr entschuldigen lassen, wenn man an jedem beliebigen Orte opfern sollte. Dass ein jeglicher tut, was ihn recht dünket, wird auch jetzt schon nicht heißen, dass man in seinem Gottesdienst sich allerlei willkürliche Gebilde ausdenkt: es wird vielmehr nur die freiere Bewegung in den gottesdienstlichen Formen beschrieben, die unvermeidlich war, solange man noch nicht an einem bestimmten Orte Fuß fassen konnte.
V. 10. Ihr werdet aber über den Jordan gehen usw. In demselben Augenblick, in welchem die Kinder Israel im verheißenen Lande einen festen Wohnsitz gewannen, werden sie auch auf die bestimmte Ordnung verpflichtet. Immerhin lässt unsre Aussage ersehen, dass Gott nicht sofort eine bleibende Stätte für die Bundeslade erwählen wird. Denn Ruhe von allen Feinden umher bekamen die Kinder Israel tatsächlich nicht vor Davids Zeit. Dennoch wollte Gott, dass sie mit der Besitznahme des Landes sich daran gewöhnten, sich von allen Seiten und von den entferntesten Grenzen her zu seinem Heiligtum zu sammeln. Dies wird alsbald (V. 13) ausdrücklich eingeprägt: Hüte dich, dass du nicht opferst an allen Orten, die du siehest. Das „Ansehen“ eines Ortes, der sich etwa durch seine Schönheit als einen besonders geweihten darzutun schien, konnte ja Israels Augen in die Irre führen.
V. 26. Wenn du etwas heiligen willst usw. Damit wird noch einmal deutlich der Zweck angegeben, um dessen willen die heilige Stätte nur eine sein sollte: dort allein war der rechtmäßige Ort des Opfers, damit nicht durch willkürliche Darbringungen der Kultus verfälscht würde, und etwa aus einer Fülle von Altären auch eine Fülle von Göttern entstünde. So musste wenigstens (V. 27) das Blut aller Opfer auf den einen Altar gegossen werden.
V. 23. Und sollst davon essen vor dem Herrn. Sobald Gott einen bestimmten Ort der Ehre würdigen wird, ihn zum bleibenden Wohnsitz seines Namens zu machen, soll man alle Opfer daselbst darbringen. Nun wissen wir, dass als dieser Ort schließlich Jerusalem bestimmt wurde. Diese Verordnung hat den Zweck, dass nicht bei einer Mannigfaltigkeit von Kultusstätten allerlei Verschiedenheiten und Irrungen einrissen, welche die Einheit des Glaubens hätten zerstören müssen. Denn wir haben öfter gesehen, dass jede fremdartige Beimischung den Gottesdienst entweiht. Übrigens wird die hier wie schon 5. Mose 12, 6 gegebene Vorschrift dadurch gemildert, dass bei einem gar zu langen Wege bei den Erstlingen und Zehnten an die Stelle des Getreides auch eine entsprechende Geldgabe treten durfte. Auffällig erscheint freilich, dass alle Zehnten an diesen einen Ort gebracht werden sollten, obgleich sie doch zum Unterhalt der über das ganze Land zerstreuten Leviten dienten. Es wäre doch ein lästiger Umweg gewesen, dass jeder Landmann seine Gaben nach Jerusalem gebracht hätte, von aus dann erst die Verteilung über das ganze Land vorgenommen worden wäre. Es ist mir aber kein Zweifel, dass die Leviten die wirklich für sie bestimmten Zehnten in der Umgegend ihres Wohnsitzes werden eingesammelt haben. Es wird also hier nur der zweite Zehnt (4. Mose 18, 26) gemeint sein, d. h. der zehnte Teil des Gesamtzehnts, der als eine heilige Darbringung für den Kultus bestimmt war und selbstverständlich zum Heiligtum gebracht werden musste. Damit es nun niemand beschwerlich empfinde, die Erstlinge und diesen zweiten Zehnt abzugeben und an die Stätte des Heiligtums zu bringen, wird hier ausdrücklich erinnert, dass ja diese Abgaben der Festfeier des ganzen Volkes dienten: denn eben von ihnen sollte man vor dem Herrn bei den festlichen Versammlungen essen.
V. 24. Wenn aber des Weges dir zu viel ist usw. Dass diese Bestimmung nicht auf sämtliche Zehnten geht, ergibt sich aus der Vorschrift 3. Mose 27, 31: dafür genügte ja nur eine um den fünften Teil erhöhte Geldablösung, von welcher hier nichts zu lesen steht. Dass es sich um die Bedürfnisse der Festfeier handelt, zeigt die ausdrückliche Anweisung (V. 26), dass die Festpilger für das zum Ersatz der Naturalgaben mitgebrachte Geld, Rinder, Schafe, Wein usw. kaufen und davon vor dem Herrn essen sollen. Es sollte also niemand dadurch beschwert werden, dass er die Opfertiere und anderen Darbringungen auf weitem Wege nach Jerusalem hätte führen müssen: er durfte auch dort das Nötige kaufen, und es sollte eben dadurch verhindert werden, dass man etwa anderwärts seine Opfer darbrachte, was durchaus unzulässig war.
2. Mose 20.
V. 24. Einen Altar von Erde mache mir. Ähnlich wie das soeben verhandelte Gebot über eine einheitliche Kultusstätte will auch diese Vorschrift für die Reinheit des Gottesdienstes an dem später zu erwählenden Ort sorgen. Die Altäre, welche das Volk bis dahin in der Wüste und an anderen Orten aufrichten musste, sollten nur aus Erde bestehen, damit sie bald wieder von selbst zusammenfielen und nach dem Wegzug des Volkes keine Spur mehr davon bliebe. Nahm man aber Steine, so durften sie nicht wie für einen bleibenden Bau behauen, sondern nur roh und unbearbeitet auf einen Haufen geschichtet werden, damit nicht etwa ihre schöne Gestalt künftige Geschlechter zu abergläubischem Dienst verführte. Es bedarf also hier durchaus keiner allegorischen Auslegung: die Absicht des Gebots ist lediglich, Verführungen vorzubeugen, durch welche die Kinder Israel von dem einen Heiligtum hätten abgelenkt werden können. Wissen wir doch, wie großen Eindruck das Altertum und das Beispiel der Väter auf das Gemüt des Volkes zu machen pflegt. Wäre irgendein Altar stehen geblieben, so hätte alsbald der fromme Aberglaube behauptet, dass man Gott nirgends heiliger verehren könne, als an dem schon in der Urzeit von den Vätern geweihten Orte. So wären allerlei verfälschte Kultusformen aufgekommen, und man hätte die Würde des einen Heiligtums nicht genügend geschätzt. In dieser Absicht wird auch hinzugefügt: an welchem Ort ich meines Namens Gedächtnis stiften werde, da will ich zu dir kommen. Das Volk sollte keinen Grund zu der verfluchten Zweifelsfrage haben: wird uns denn Gott nicht an der Stelle gnädig begegnen, wo er schon unsre Väter erhört hat? Solcher Frage steht die klare Zusage gegenüber, dass man gut und richtig opfern wird, wenn man nur dem Gebote Gottes gehorcht und keinen andern Ort sucht, als welchen er erwählt hat.
5. Mose, 27.
V. 5. Und sollst auf dem Berge Ebal dem Herrn einen Altar bauen. Sofort beim Betreten des Landes sollte dem Herrn (V. 7) ein Dankopfer gebracht werden. Über die Ausführung dieser Vorschrift lesen wir Josua 8, 30 f.: „Da bauete Josua dem Herrn einen Altar auf dem Berge Ebal, wie Mose geboten hatte, einen Altar von ganzen Steinen, die mit keinem Eisen behauen waren.“ Also auch in diesem besonderen Falle wird jede kunstreiche Ausführung des Altars untersagt: denn wenn gerade dieser Altar stehen geblieben wäre, so hätte er gewiss Anlass zum Aberglauben gegeben, und dieses einzigartige Stück der Erinnerung hätte mehr gewogen als Gottes ewiges Gesetz. Deshalb wurden auch die neun und ein halb Stämme so überaus zornig gegen die Stämme Ruben und Gad und den halten Stamm Manasse, welche am Ufer des Jordan einen großen schönen Altar errichtet hatten (Josua 22, 10 ff.): sie beschlossen, ihre Brüder gänzlich zu vernichten, falls sie sich nicht reinigten, - und doch sollte dieser Altar nur ein Denkmal brüderlicher Gemeinschaft sein und nicht dem Opfer dienen. Jene Stämme hatten Gottes Gesetz ganz richtig verstanden, wenn sie es für ein unsühnbares Verbrechen hielten, den Nachkommen einen Altar zu hinterlassen, der das Volk von dem einigen Heiligtum ablenken und somit die Einheit des Glaubens zerreißen konnte.
2. Mose 25.
V. 2. Sage den Kindern Israel usw. Zunächst will ich Rechenschaft darüber geben, zu welcher Zeit ich die Errichtung der Stiftshütte, von der wir jetzt handeln, ansetzen möchte. Nach meiner Meinung ergibt sich nämlich aus 2. Mose 33, 7 der sichere Schluss, dass die Stiftshütte schon aufgerichtet war, noch bevor Mose die ersten Tafeln vom Berge brachte. Dort wird ja erzählt, dass Mose zum Zeichen des Bruchs mit Gott, und damit das Volk erkenne, wie der Herr es verworfen habe, die Hütte genommen und außen vor dem Lager aufgeschlagen habe, - natürlich nicht für seinen persönlichen Gebrauch, wie er ja auch nicht außerhalb des Lagers wohnte, sondern immer hinausging, wenn er den Herrn fragen wollte. Josua aber wurde zum Hüter und Wächter des Heiligtums bestellt (2. Mose 33, 11). Wenn nun dies alles ohne Zweifel geschehen ist, bevor Mose bei seinem zweiten Aufstieg neue Tafeln von Gott empfing (2. Mose 34), so ist klar, dass die Stiftshütte damals schon vorhanden war. Die Angabe (2. Mose 40, 17), dass sie erst im zweiten Jahr am ersten Tag des ersten Monats aufgerichtet ward, muss dann freilich darauf bezogen werden, dass sie damals wieder auf ihren gewöhnlichen Platz inmitten des ganzen Volkes zurückgebracht wurde, wo sie nun das ganze Heer zum Wächter hatte, und wo sich die zwölf Stämme in ihrer Ordnung um sie lagerten (4. Mose 2, 2). Damals können dann auch erst die Tafeln, in welchen Gott sie offenbarte, in die Bundeslade gelegt sein: ohne sie ist also die Hütte bis dahin gleichsam leer gewesen. Jene Zeitangabe bezieht sich also endlich auch auf die feierliche Einweihung der Stiftshütte, für welche der rechte Zeitpunkt doch erst gekommen war, als zur Bezeugung der Gegenwart Gottes das Zeichen und Unterpfand des Bundes in die Lade gelegt ward. Um aber jeden Zweifel zu heben, will ich eine kurze Berechnung des Zeitverlaufs vorlegen. Im dritten Monat nach dem Auszug kam das Volk zum Berge Sinai (2. Mose 19, 1). An welchem Tage dann das Gesetz gegeben wurde, hören wir nirgends, sondern können nur mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit vermuten, dass dies gegen Ende des Monats der Fall gewesen sein wird. So wären bis zu dem Tage, an welchem man das Zelt weihte und die Tafeln in der Bundeslade niederlegte (2. Mose 40, 17), acht Monate zu zählen. Später hören wir dann (4. Mose 1, 1), dass das Volk im zweiten Monat jenes Jahres aufbrach und die Wanderung fortsetzte. Schon daraus, dass zwischen der Einweihung der Stiftshütte und diesem Aufbruch nur ein Monat liegt, folgt aber, dass der zweimalige Aufstieg des Mose auf den Berg bereits früher stattgefunden haben muss. Und es liegt die Annahme nahe, dass er schon im Anfang des vierten Monats berufen ward, um die ersten Tafeln zu empfangen. Wenn man dies annimmt, so konnte Mose kaum vor Ende des achten Monats die Vorschriften über die Errichtung des Heiligtums geben. Denn dass die Tafeln, die Zeugnisse väterlicher Gunst, zwischen dem ersten und zweiten Aufstieg gegeben worden wären, erscheint doch ungereimt, da die Verbringung des Zelts aus dem Lager vielmehr ein Zeugnis des Bruchs mit Gott war. Ich entscheide mich also dafür, dass man auf das langwierige und schwierige Werk ganze vier Monate zugebracht hat. Müsste man sich doch auch viel eher wundern, dass diese verhältnismäßig geringe Zahl ausreichte, wenn nicht eben ein unglaublicher und jede Erwartung übertreffender Eifer jeden Mitarbeiter beseelt und zur Beschleunigung des Werkes getrieben hätte. Es ist auch durchaus wahrscheinlich, dass Gott in demselben Augenblick, da er seinen Bund schließt, alsbald über die Stiftshütte und deren Ausrüstung Anordnungen traf: dem Volke durften doch die, wie wir sahen, so nötigen äußeren Übungen der Frömmigkeit nicht fehlen. Nachdem aber das Werk vollendet war, rief Gott den Mose mit seinem Bruder Aaron, mit Nadab, Abihu und siebenzig Ältesten wiederum zu sich (2. Mose 24, 1 ff.): es wurde ein Opfer gebracht, und unter der Wolkendecke durfte dann Mose zum näheren Verkehr mit Gott eingehen; und er blieb daselbst 40 Tage. Nach seiner Rückkehr musste er dann den Abfall des Volkes erleben, drei tausend Israeliten wurden niedergeschlagen (2. Mose 32, 28), und Mose sagte nun eine Zeit der Trauer an (2. Mose 33, 6 f.). Wie lange diese gedauert hat, wissen wir nicht: wahrscheinlich ist aber wenigstens ein Monat verflossen, bevor Mose wiederum berufen ward. So haben wir bereits einen Zeitraum von über neun Monaten; rechnen wir nahezu ein und einen halben Monat hinzu, während dessen Mose sich auf dem Berge aufhielt, so sind wir schon nicht mehr weit vom Ende des Jahres entfernt. Danach kehrte sich Gott wieder zu seinem Volke, und so fand denn im zweiten Jahre zu Beginn des ersten Monats die gesetzmäßige Weihe der Stiftshütte statt. Danach feierte man noch das Passah, und dann endlich wurde im zweiten Monat das Zeichen zum Aufbruch gegeben. Wer gegen diese Berechnung noch Zweifel hegen sollte, möge weiter erwägen, dass in der ganzen Ansprache des Mose, in welcher er das Volk zur Errichtung des Heiligtums mahnt, nicht die geringste Hindeutung auf den Götzendienst vorkommt, was doch undenkbar wäre, wenn diese Weisung erst gegeben wäre, nachdem der Abfall des Volkes offenbar geworden. Es deutet vielmehr alles darauf hin, dass das Volk noch von einem unverdorbenen Sinn beseelt war, als es so eifrig seine Arbeit dem Herrn weihte. Entscheidend ist vollends das schon beigebrachte Zeugnis 2. Mose 33, 7: denn wenn Mose die Hütte „nahm“ und aus dem Lager herausbrachte, so muss sie doch schon vorhanden gewesen sein, ehe er mit den ersten Tafeln vom Berge herabkam. Wollte aber jemand einwerfen, dass doch die Stiftshütte nach dem Bilde gemacht ward, welches Mose auf dem Berge sah (2. Mose 25, 9. 40), so lässt sich sehr einfach sagen, dass Mose nicht erst während jener 40 Tage über den rechten Gottesdienst und die himmlischen Geheimnisse Unterricht empfing, sondern bereits vor Erlass des Gesetzes (vgl. etwa 2. Mose 19, 9; 20, 21). Dass eine solche Annahme gemacht werden muss, ergibt sich ganz deutlich in unserm Kapitel aus V. 21: und sollst in die Lade das Zeugnis legen, das ich dir geben werde. Als Mose diese umfassende Anweisung über den Bau des Heiligtums empfing, kann er demgemäß die Gesetzestafeln noch nicht gehabt haben. Wir schließen vielmehr, dass er erst nach Vollendung der Stiftshütte auf den Berg stieg, um die Tafeln zu holen und in die Bundeslade zu legen. – Bevor nun der Bau der Stiftshütte eigentlich beschrieben wird (V. 10 ff.), empfängt das Volk die Ansage einer Beisteuer für diesen Zweck: sowohl für das Heiligtum selbst, als für alle seine Geräte soll jeder nach seinem Vermögen Material liefern. „Hebopfer “ (V. 2) bedeutet hier einfach eine solche Spende, ohne dass wie sonst ein Unterschied vom „Webopfer“ gemacht würde. Die Israeliten werden nun kurzweg angewiesen, dass jeder einzelne von seinem Vorrat und Bestand so viel abliefere, als der Gottesdienst erfordert. Sicherlich gehört unser ganzes Eigentum dem Herrn, und wenn wir das, was er uns schenkt, nicht seiner Ehre weihen, so verunreinigen wir es. Indessen lässt er nach seiner Freundlichkeit uns den freien Gebrauch unsrer Habe, wenn wir nur beweisen, dass wir unter seiner Oberherrschaft bleiben und bereit sind, daran zu geben, was er haben will. So gelten unsre Almosen als Opfer süßen Geruchs, obgleich doch ein Reicher sich dabei nicht bis zur eignen Dürftigkeit auszieht, sondern den Armen unterstützt und im Übrigen den Genuss seiner Güter behält. Alles in allem: was wir dem Herrn darbringen, gleicht den Erstlingsgaben, durch welche man bezeugte, dass man sein ganzes Eigentum der Ehre Gottes weihen wollte. Obgleich nun der Gott, der zum Unterhalt der ganzen Masse täglich Manna vom Himmel regnen ließ, zum Bau und Schmuck des Heiligtums der Hilfe des Volkes nicht bedurfte, so wollte er doch, dass ein jeder vom Kleinsten bis zum Größten, um seine Frömmigkeit zu bezeugen, zu den Erfordernissen des heiligen Werkes beitrüge. Und wie man damals für das sichtbare Heiligtum beisteuern sollte, so fordert Gott heute unsre Opfer für den Bau seines geistlichen Tempels. Im eigentlichen Sinne ist er es ja ganz allein, der seine Kirche baut; aber er braucht dafür den Dienst der Menschen und will unter sich viele andere Baumeister haben, so dass der Bau seiner Kirche zum teil auch durch menschliche Arbeit emporwächst und Menschen für den glücklichen Fortgang Lob empfangen. Dennoch können wir nichts beitragen, was er nicht selbst geschenkt hat, wie auch die Israeliten nichts zu geben vermochten, was ihnen nicht zuvor durch Gottes freie Guttätigkeit zugeflossen war. Darum teilt der Herr einem jeglichen die Gaben seines Geistes nach bestimmtem Maße zu (1. Kor. 12, 7); und je nachdem einer mehr oder weniger empfangen hat, muss er zum Bau der Kirche beitragen. Dabei soll uns der Gedanke zu rechtem Eifer treiben, dass niemand so dürftig und arm ist, dass nicht seine wenn auch geringe und vor Menschenaugen vielleicht fast wertlose Gabe vor Gott angenehm und lieblich erschiene. Übrigens wollen wir darauf achten, dass die Beisteuer nicht zwangsweise eingetrieben, sondern dass ausdrücklich ein jeglicher angewiesen wird, gern und freiwillig zu spenden, was ihn gut dünkt. Denn was Paulus sagt (2. Kor. 9, 7) gilt schon von jeher: „Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb.“ Und die ganze Schrift lehrt, dass dem Herrn nur ein freiwilliger Gehorsam gefällt. Wer also zum Bau des Tempels Gottes in rechter Weise mithelfen will, darf nichts bringen, was er sich nur widerwillig abquält. Die Vorschrift lautet ausdrücklich: Nehmet von jedermann, der es williglich gibt, buchstäblich „den sein Herz treibt.“
V. 3. Das ist aber das Hebopfer usw. Hier wird noch deutlicher, was ich schon sagte, dass um der reichen Gaben der Wohlhabenden willen die geringen Darbringungen der Armen doch nicht verachtet werden. In dem Verzeichnis der heiligen Spenden steht (V. 4) Ziegenhaar neben (V. 3) Gold, Silber und (V. 7) köstlichen Steinen. Durch dieses mannigfaltige und bunte Verzeichnis wollte Gott uns auch wie in einem Spiegel zeigen, dass es zum Bau des geistlichen Tempels mannigfaltiger Gaben bedarf, wie dies auch Paulus mehrfach ausführt (Röm. 12, 4 ff.; 1. Kor. 12, 12 ff.). Mochte die Gabe der Reichen mehr in die Augen fallen, so durften sie es sich doch nicht verdrießen lassen, ihr Gold und Silber, blauen und roten Purpur und Edelstein mit Erz, Eisen und anderen gewöhnlichen Stoffen in eine Reihe gestellt zu sehen. So müssen auch heute Männer, die mit hervorragenden Gaben die Kirche auferbauen, ohne Verachtung und Selbstüberhebung kleinere Geister, die ihnen nicht gleichkommen, als Brüder gelten lassen.
V. 8. Und sie sollen mir ein Heiligtum machen. An dieser Stelle lockt Gott unter dem Versprechen eines unvergleichlichen Lohnes das Volk zu reichlichen Spenden. Denn wenn auch jedermann die Freigebigkeit als eine herrliche Tugend rühmt, so gibt doch niemand gern tatsächlich das Seine für andere hin: denn er würde glauben nur zu verlieren, wenn er nicht anderweitigen Ersatz empfängt. Um also die nötige Freudigkeit zu schaffen, fügt Gott hinzu: dass ich unter ihnen wohne, - und etwas Besseres kann man sich doch nicht wünschen. Dabei dürfen wir freilich keine Einbildung fassen, die mit Gottes Natur nicht zusammenstimmen würde. Denn den, welcher über allen Himmeln thront, und dessen Fußschemel die Erde ist, konnte nicht wohl ein Zelt umschließen; weil aber der Herr der Schwachheit des Volkes entgegenkommen und ein Zeugnis seiner Gnadengegenwart und Hilfe geben wollte, heißt das irdische Heiligtum seine Wohnstätte unter den Menschen: denn nicht vergeblich ließ er sich daselbst anrufen. Dabei dürfen wir doch nicht vergessen, was wir schon sahen (zu 5. Mose 12, 5), dass nicht Gottes unermessliches Wesen, sondern sein Name oder das Gedächtnis seines Namens daselbst wohnte. Unsre Worte wollen also sagen, dass die Kinder Israel bei der Errichtung des Zeltes nicht träge oder saumselig sein dürfen, weil sie sich mit diesem Geschäft ein unschätzbares Gut verschaffen. Zum andern folgt nun die Weisung (V. 9), dass die Künstler sich nach dem Vorbild, welches dem Mose gezeigt ward, richten und nicht wagen sollen, selbst etwas auszudenken: denn es wäre eine Entweihung gewesen, irgendetwas Menschliches unter Gottes Gebote zu mischen. Zunächst wird nun die Gestalt der Bundeslade und ihres Deckels beschrieben: für das Zelt im Ganzen und die Zusammensetzung seiner Teile gibt Mose jetzt nur eine flüchtige Anleitung, um erst im 35. Kapitel ausführlich darauf zurückzukommen. Wenn nun auch die ganze Stiftshütte das Haus Gottes heißt, so war doch die Lade des Bundes (V. 10) das ausdrücklichste Abbild seiner Herrlichkeit: denn in ihr wurde das Gesetz verwahrt, durch welches sich Gott mit dem Volke verbunden hatte. Sie war aus Akazienholz gefertigt und mit Goldblech überzogen. Jedenfalls handelte es sich um ein ausgesuchtes und wertvolles Material; und damit die Würde des Gesetzes umso eindrücklicher sich darstelle, sollte der goldene Überzug nicht bloß der ganzen Oberfläche des Kastens, sondern auch (V. 13) den Tragstangen Glanz verleihen. – Hier lässt sich nun die Frage aufwerfen, die noch manche andere Frage nach sich zieht, was denn dieser kostspielige Glanz der Bundeslade, der Stiftshütte und aller ihrer Geräte der rechten Verehrung Gottes nützen sollte. Sicherlich wollte doch der Herr niemals anders verehrt sein, als es seiner Natur entsprach. Daraus folgt, dass seine rechte Verehrung immer geistlicher Art gewesen ist und darum nicht in äußerem Prunk bestanden haben kann. Ja, eine Häufung der Zeremonien und der ganze äußere Apparat pflegt die Frömmigkeit so wenig zu fördern, dass er vielmehr Anlass zum Aberglauben oder wenigstens zu einer törichten und selbstgefälligen äußeren Zuversicht wird. Der Zeremonienreichtum kann auch kaum anders wirken, als dass er einen unruhigen und neugierigen Sinn nährt. So ist es wohl der Mühe wert, über diese Fragen einiges vorauszuschicken. Es ist nun schwerlich richtig, so solche großartigen Darstellungen etwa die Augen des Volkes fesseln sollten, damit nicht eine gar zu schmucklose und von dem Glanz des heidnischen Götzendienstes gar zu stark abstechende Gottesverehrung sie geringwertig däuchte, als wäre Gott weniger als die Götzen, wenn der Prunk seiner Stifthütte es mit dem heidnischen Wesen nicht wenigstens aufnehmen könne. Ähnlich sagt man auch, dass die Kinder Israel mit vielen religiösen Bräuchen belastet werden musste, damit nicht eine etwaige Dürftigkeit sie verleite, in angeborener Neugier nach profanen Zeremonien zu greifen. Das alles ist zwar nicht ganz unrichtig, aber auch nicht die ganze Wahrheit. Denn wenn man weiter nichts zu sagen wüsste, so hätte Gott in unwürdiger Weise mit seinem Volke gespielt: und wir wissen doch, wie David und die Propheten von jenen gottesdienstlichen Übungen nur mit Ehrfurcht geredet haben. Sie können also nicht bloß Spielereien sein, welche an heidnisches Wesen sich anlehnen; sie behalten ihre Würde nur, wenn man grundsätzlich im Auge behält, worauf ich schon hindeutete, dass alles nach dem geistlichen Vorbild eingerichtet ward, welches Mose auf dem Berge schauen durfte (2. Mose 25, 40). Daran denken ganz richtig auch Stephanus (Apg. 7, 44) und der apostolische Verfasser des Ebräerbriefes (8, 5), wenn sie das Volk, welches an den äußeren Zeremonien hängen blieb und darin das Wesen der Frömmigkeit suchte, über seinen groben Aberglauben hinausführen wollen: Stiftshütte, Altar, Tisch und Bundeslade gewinnen erst dadurch ihre Bedeutung, dass man sie als Schatten und Abbilder des himmlischen Urbildes betrachtet; nur wenn man diese Wesenheit im Auge behält, haben diese Dinge eine Zweck und werden nach Absicht des Gesetzes richtig gebraucht. Dass man einen Stier schlachtet, ist gewiss an sich nutzlos und eine höchst gleichgültige Sache, und so können alle Opfer, wenn sie nicht eben beziehungsreiche Abbilder sind, nichts helfen. So erkennen wir denn den gewaltigen Unterschied zwischen den Zeremonien des Gesetzes und dem eitlen Gottesdienst der Heiden: nicht bloß haben wir es hier mit einer göttlichen Stiftung zu tun, dort aber mit eigenwilligen Menschengedichten, sondern es bestand der heidnische Kultus überhaupt nur in eitlen und leeren pomphaften Äußerlichkeiten. Gott aber wollte durch den Elementarunterricht, durch welchen er sein Volk erzog, fromme Seelen gleichsam stufenweise zur Höhe empor führen. Glaubten die Heiden ein rechtes Opfer zu bringen, wenn sie einfach Tiere schlachteten, so waren in Israel dem Herrn die Opfer nur angenehm, wenn sie als Übungen der Buße und des Glaubens erschienen. So war das Gesetz für die Juden lediglich ein Unterricht für den geistlichen Gottesdienst, der nach Lage der Zeit sich freilich noch in Zeremonien hüllte. Denn vor völliger Offenbarung der Wahrheit musste Gottes Volk in seiner Kindheit noch durch irdischen Elementarunterricht regiert werden. So mag, äußerlich angesehen, zwischen dem Gottesdienst der Juden und der Heiden eine ziemliche Verwandtschaft und Ähnlichkeit bestehen, - der Zweck ist doch ein ganz verschiedener. Wo man übrigens den Körper und das Wesen der alttestamentlichen Schattenbilder und die Wahrheit der figürlichen Hindeutungen suchen soll, das lehren nicht nur die Apostel, sondern bereits die Propheten, die vielfach den Blick der Gläubigen auf das Reich des Messias richten. Freilich lässt sich eine klarere Enthüllung erst aus dem Evangelium entnehmen, wo Christus als die Sonne der Gerechtigkeit aufleuchtet und in sich allein die Erfüllung anbietet. Wenn er nun auch durch seine Ankunft den Gebrauch jener schattenhaften Zeremonien überwunden hat, so lässt und verschafft er ihnen doch ihre Ehre: denn ihr Wert ruht eben darauf, dass sie auf Christum abzielen. Reißt man sie von ihm los, so sinken sie freilich zu Spielereien herab: denn weder Tierblut noch das schönste Fett, weder angenehmer Geruch noch Lichter und ähnliche Dinge werden den Herrn versöhnen können. Dabei dürfen wir durchaus festhalten, dass für die Juden die Übung der gesetzlichen Zeremonien keineswegs fruchtlos war: denn Gott hatte seine Verheißungen daran gehängt. So oft wir also lesen (3. Mose 5, 13; 2. Mose 23, 17; Ps. 3, 5): die Sünde wird gesühnt werden, - ihr sollt vor meinem Angesicht erscheinen, - ich will euch aus meinem Heiligtum erhören, - so werden wir erinnert, dass alle jene alten bildlichen Darstellungen gewisse Zeugnisse der Gnade Gottes und des ewigen Heils waren, dass also Christus in ihnen dargestellt ward, weil ja in ihm alle Verheißungen Gottes Ja und Amen sind (2. Kor. 1, 20). Daraus folgt aber keineswegs, dass hinter jedem einzelnen Stück ein Geheimnis steckte, dass man allegorisch deuten müsste, wie denn hier manche über die Maße der Bundeslade wunderliche Spekulationen anstellen. Eine nüchterne Betrachtung hat daran genug, dass Gott sein Gesetz in ein kostbares Behältnis gelegt wissen wollte, um einen Eindruck von dessen Majestät zu erwecken. Weiter sollte die Lade selbst an Stangen getragen werden: denn wenn die Leviten sie nicht mit den Händen berührten, erschien sie umso heiliger und herrlicher.
V. 16. Und sollst in die Lade das Zeugnis legen. Der ehrende Name „Zeugnis“, der oft dem Gesetz gegeben wird, deutet darauf hin, dass mehr darin enthalten ist als die Regel für ein heiliges und gerechtes Leben: es ist der Bund, durch welchen Gott sich an das Volk und das Volk an sich gebunden hat. Darum heißt das „Zeugnis“ auch (5. Mose 9, 9) die „Tafeln des Bundes“. In diesem Sinne gelten im 119. Psalm (2. 22. 24. 31. usw.) als „Zeugnisse“ nicht bloß die Gebote, sondern überhaupt alles, was Gott zum Heil des Volkes in die Hand Moses gelegt hat. Dagegen ist Ps. 19, 8 „Zeugnis“ einfach eine erläuternde Beschreibung des Gesetzes. Ebenso werden Jes. 8, 20 nicht zwei verschiedene Dinge genannt, wenn es heißt „nach dem Gesetz und Zeugnis,“ – sondern es wird uns damit lediglich die Zuverlässigkeit des Gesetzes ans Herz gelegt, welches alles das in sich enthält, was Gott seinem Volke sicher bezeugt haben wollte.
V. 17. Du sollst auch einen Gnadenstuhl machen. Buchstäblich wäre dies Wort zu übersetzen: „Deckungsmittel“. Es handelt sich dabei um den Deckel der Bundeslade, der aber zugleich in übertragenem Sinne ein Deckungsmittel für diejenigen war, welche das Gesetz übertraten. Wahrscheinlich spielen auch Paulus und Johannes (Röm. 3, 25; 1. Joh. 2, 2) auf diese bildliche Darstellung an, wenn sie Christum als das Deckungsmittel oder die Sühne bezeichnen: erst wenn er das Gesetz zudeckt, wird Gott den Gläubigen gnädig und kann sich ihnen durch Erhörung ihrer Gelübde und Gebete freundlich erweisen. Denn solange das Gesetz offen daliegt und vor Gottes Augen steht, unterwirft es uns dem Zorn und Fluch: es muss also eine Tilgung der Schuld dazwischen kommen, damit Gott sich uns freundlich nahe. Mit gutem Grunde ruft doch David aus, nachdem er die Gerechtigkeit des Gesetzes gerühmt hat (Ps. 19, 13): „Wer kann merken, wie oft er fehlet?“ Daraus sehen wir, dass das Gesetz, wenn es nicht durch Sühne bedeckt wird, uns nicht dem Herrn nahe bringt, sondern vor ihm verklagt. Wenn ich alles genau erwäge, scheint es mir in der Tat flach, dass Mose bloß von dem äußerlichen Deckel reden sollte: will er doch, dass die Cherubim (V. 20) mit ihrem Antlitz auf den Gnadenstuhl sehen, und verheißt doch Gott (V. 22), dass er sich von dem Ort her bezeugen will. Durch diese rühmenden Aussagen wird dem Deckel oder dem Gnadenstuhl noch eine höhere Bedeutung beigemessen, als der Lade selbst.
V. 18. Und sollst zwei Cherubim machen. Über das Wort Cherub ist schon zu 1. Mose 3, 24 genügende Auskunft gegeben: es wird einfach soviel heißen wie „Gestalt“. Hier handelt es sich insbesondere um geflügelte Bildsäulen, welche Engel darstellten. In den Engeln aber, durch welche er seine Herrlichkeit ausübt, und welche Vermittler seiner Wohltaten sind, gibt Gott ein Symbol seiner Gegenwart. Denn so oft der Herr sich den Gläubigen durch Engel offenbarte, streckte er ihnen gleichsam seine Hände entgegen. In diesem Sinne schaffen sich David und andere Propheten die rechte Zuversicht im Gebet, wenn sie öfter den Ausdruck gebrauchen, dass Gott unter den Cherubim wohne (Ps. 80, 2; 99, 1; Jes. 37, 16): sie wollen damit sagen, dass er seinem Volke ganz freundlich nahe komme, da seine kraftvolle Hilfe sich durch die Engel offenbart. Dass die Cherubim (V. 20) mit ausgebreiteten Flügeln den Deckel der Bundeslade bedecken, verstehe ich nicht so, dass irgendetwas sollte verborgen werden, sondern es soll ihre Bereitschaft zum Gehorsam bezeichnen: wenn sie die Flügel schon ausbreiten, so stehen sie gerüstet, um jeden Befehl Gottes sofort auszuführen. Darum richten sie auch ihr Angesicht gegen den Gnadenstuhl, weil sie auf den Wink Gottes aufmerksam warten. Und weil in Christo die Fülle der Gottheit wohnt, so sagt er selbst mir Recht (Joh. 1, 51), dass durch sein Kommen auf die Erde der Himmel geöffnet ward, so dass die Engel auf und nieder steigen. Dass eines jeglichen Cherubs Antlitz gegen dem andern stehe, bedeutet, dass die Engel miteinander Blicke austauschen, um Gottes Befehle recht aufzufassen. Weitere Spitzfindigkeiten, wie dass die beiden Cherubim die beiden Testamente bedeuten sollen, lasse ich auf sich beruhen.
2. Mose 35.
V. 5. Gebt unter euch Hebopfer usw. Damit wird wiederholt, was wir schon im 25. Kapitel lasen, und nur das Verzeichnis der Materialien sowie die Beschreibung der einzelnen Teile der Stiftshütte ist hier ausführlicher. Ausdrücklich wird auch noch einmal (vgl. 25, 2) eingeschärft, dass ein jeglicher williglich bringe, was er beizusteuern hat.
V. 10. Und wer unter euch verständig ist usw. Damit sind Leute gemeint, die sich durch künstlerisches Talent und Geschicklichkeit auszeichneten. Wie alle anderen aus dem in ihrem Hause vorhandenen Besitz Material beisteuerten, so werden sie ermahnt, ihre Kunstfertigkeit zur Verfügung zu stellen, um den Stoff zu bilden und zuzurichten. Über die einzelnen Teile des Zeltes werden wir übrigens nach Kapitel 26 (Abschnitt 68) noch vollständigeren Bericht empfangen. Hier gibt Mose nur eine kurzen Auszug dessen, was er zuvor schon vollständig angeordnet hatte: es wird eben eines neuen Antriebes bedurft haben, um die Arbeit wirklich in Fluss zu bringen; wissen wir doch, dass eine einmalige Aussprache ohne immer neue Mahnungen wenig zu helfen pflegt. Übrigens könnte man sich wundern, wie das so elend ausgeraubte und lange Zeit zum Knechtsdienst gezwungene Volk zu solchen Reichtümern kam. Zur Erklärung lässt sich aber darauf hinweisen, dass die Beute, die Gott ihnen beim Auszug schenkte, sie so überraschend reich gemacht haben wird. Das Königreich Ägypten war ein mit reichen Schätzen angefülltes Land, und das ägyptische Volk lebte bekanntlich in großer Üppigkeit und gewaltigem Luxus. Was sie in ihrer Habgier während vieler Jahre aufgehäuft hatten, das floss ihnen nach Gottes geheimer Einwirkung wieder aus den Händen, indem sie sich plötzlich freigebig zeigen mussten. Und wie Gott die Ägypter verblendete, dass sie ihre Habe sozusagen wegwarfen, so lenkte er auch Herz und Sinn der Seinen, dass sie im Gedanken an diese große Wohltat gern nach seinem Willen verwendeten, was ihnen durch seine freie Gnade zugeflossen war.
V. 23. Du sollst auch einen Tisch machen. Mit Recht pflegt man das Wort eines alten Bischofs lobend anzuführen, welcher in der Hungersnot die heiligen Gefäße verkaufte, um die Not der Armen zu lindern, und sich dann vor der Gemeinde damit entschuldigte: Unser Gott, der nicht isst noch trinkt, bedarf nicht der Schüsseln und Becher. Freilich scheint dies mit unsrer Vorschrift nicht zu stimmen, in welcher Gott die Darbringung von Broten anordnet. Und allerdings, wenn man unter dem Gesetze den heiligen Tisch seines Schmuckes beraubt hätte, so würde eine Entschuldigung, die unter dem Evangelium durchaus fromm und passend ist, nicht gegolten haben: denn erst nach Christi Ankunft sind die Schatten des Gesetzes gewichen. Zuvor aber sollte man dem Herrn auf goldenen Schüsseln und allerlei Geräten und Löffeln die Brote auflegen. Nicht als bedürfte er der Speise und des Trankes, sondern weil er sein Volk dadurch gleichsam an seinen Tisch ziehen und zu einem Maß haltenden Leben anleiten wollte. Denn wenn die Kinder Israel sich von demselben Weizen nährten, aus dem die heiligen Brote hergestellt wurden, so war dies eine Erinnerung, dass man Speise und Trank genießen müsse, als säße man vor Gottes Angesicht und wäre sein Tischgenosse. Auch empfingen die Frommen hier einen Fingerzeig, dass die Nahrung, mit der wir unser Leben erhalten, gleichsam dem Herrn heilig ist: so müssen sie mit einer einfachen und nüchternen Lebensweise sich zufrieden geben und nicht entweihen, was doch auch in den Dienst Gottes hineingezogen war. Mag also diese Darbringung roh und wunderlich erscheinen, so hatte sie doch ihren guten Zweck: die Gläubigen sollten dadurch Gott als ihren Tischherren anerkennen, wenn im Namen des ganzen Volkes vor seinem Angesichte Schaubrote im Tempel aufgelegt wurden. Einen ähnlichen Sinn hatten ja auch die Erstlingsgaben, durch welche der Ertrag eines ganzen Jahres geheiligt wurde: auch bei fröhlichem Mahle sollte man Gottes gedenken, der uns nährt. Buchstäblich heißen die Brote übrigens „Brote des Angesichts,“ weil sie immer vor Gottes Angesicht liegen mussten und man sie niemals wegnehmen durfte, ehe nicht andere an ihre Stelle gelegt waren.
V. 31. Du sollst auch einen Leuchter usw. Sieben Lampen sollten Tag und Nacht in der Stiftshütte leuchten. Dadurch sollte das Volk erstlich erinnert werden, dass es in seinem Gottesdienst unter Gottes Leitung stünde und ein Licht vor Augen habe, welches alle Finsternis des Irrtums verscheucht. Weiter war hier ein Hinweis, dass man die Verehrung Gottes nicht mit rohen eigenen Gebilden verdunkeln dürfe, sondern in rechter Achtsamkeit auf die Lehre des Gesetzes mit reinem und hellem Sinne in allen Zeremonien Gott suchen müsse. So prägen wir uns ein, dass zwischen der Regel wahrer Frömmigkeit und dem heidnischen Aberglauben ein großer Unterschied ist: denn die Heiden ließen sich durch törichte und blinde gottesdienstliche Übungen zu den verworrensten Irrtümern verleiten, bis gar nichts Rechtes mehr übrig blieb. Denn wenn uns die himmlische Lehre nicht vorleuchtet, wird unser Sinn nur lauter Eitelkeit gebären. Freilich hätte es für die Kinder Israel nicht ausgereicht, dass ihnen der Weg gezeigt ward: es mussten auch ihre Augen für Gottes Winke geöffnet werden; denn nur zu oft sind die Menschen mitten im Lichte blind. So war es auch bei den Juden, nicht bloß, wenn sie geradezu zu fremdartigen und verfälschtem Gottesdienst abfielen, sondern auch, wenn sie vielleicht die äußere Form des Gesetzes beibehielten: dann zeigte sich nämlich oft die Entartung darin, dass sie in rohem Aberglauben nach ihrem fleischlichen Sinn das Wesen der Frömmigkeit in den äußeren Zeremonien suchten. Denn es ist doch in der Tat eine Verfälschung des rechten Gottesdienstes, wenn man den Herrn nicht seinem Wesen entsprechend auf geistliche Weise anbetet. Solche Heuchler pflegen sich aber ganz sicher zu fühlen: sie verachten in frechem Hochmut allen Tadel der Propheten, ja sie wenden sich in offener Wut gegen sie, wenn sie etwa den leeren Pomp nicht gelten lassen wollen. So war denn der mit sieben Lampen strahlende Leuchter dem Volke eine Mahnung, dass es in seinem Gottesdienst stets aufmerksam auf das Licht der himmlischen Lehre blicken solle. Übrigens können wir einem Gesicht des Propheten Sacharja (4, 2), in welchem die Wahrheit unsers Zeichens zur Darstellung kommt, eine sehr brauchbare Erläuterung entnehmen. Dort verheißt Gott, dass seine Gemeinde, die sonst aller Hilfsmittel beraubt ist, an der Kraft seines Geistes eine voll genügende Stütze haben solle. Zur Bekräftigung dessen stellt uns der Prophet das hier beschriebene Bild des Leuchters mit geringen Abwandlungen vor Augen. Er will dadurch einprägen, dass jene brennenden Leuchter nicht ein leeres Schauspiel waren, sondern dass sie etwas darstellten, was die Gläubigen als Wahrheit erfahren würden. Damit aber der Vergleich durchsichtig werde, müssen wir eine Deutung des Einzelnen hinzufügen. Der Stoff, aus welchem der Leuchter gemacht wurde, ist reines Gold, was auf den hohen Wert der dargestellten Sache deutet. Aber erst durch die Gestaltung desselben werden wir den vollen Sinn erkennen. Einige Stücke, wie die Blumen und Knäufe, dienten ja lediglich dem Schmuck, damit durch den bloßen Anblick ein würdiger Eindruck erzielt würde. Anderes, wie die Schalen und Näpfe, welche der Verschüttung des heiligen Öles vorbeugen sollten, war für den Gebrauch einfach notwendig. Wenn aber die Lampen hoch oben aufgesetzt wurden, so sollte dies bedeuten, dass die Menschen auf dieser Erde von Finsternis umgeben sind, wenn nicht Gott von oben her seine Gemeinde Tag und Nacht erleuchtet. So sagt Jesaja (60, 2. 20) im Blick auf das Reich Christi, in welchem endlich die Wahrheit des hier gezeichneten Bildes erschien: „Siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber dir gehet auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheinet über dir.“ Und: „deine Sonne wird nicht mehr untergehen, noch dein Mond den Schein verlieren; denn der Herr wird dein ewiges Licht sein.“ Wie nun Gott der Vater der Lichter heißt (Jak. 1, 17), so ist die Kraft der Erleuchtung dem heiligen Geiste eigen. Und da der Geist mannigfache Gaben austeilt, so sollte durch die sieben Lampen dargestellt werden, was Paulus lehrt (1. Kor. 12, 7 ff.): „In einem jeglichen erzeigen sich die Gaben des Geistes zum gemeinen Nutz. Einem wird gegeben durch den Geist zu reden von der Weisheit, dem andern von der Erkenntnis usw. Dies alles aber wirket derselbige einige Geist und teilet einem jeglichen seines zu, nach dem er will.“ Dabei muss man aber nicht etwa in der Siebenzahl ein besonderes Geheimnis suchen; denn weder in der eben beigebrachten Stelle, noch bei Jesaja (11, 2), worauf man sich immer zu berufen pflegt, werden gerade nur sieben Geistesgaben aufgezählt. Die Siebenzahl deutet in gewohnter Weise einfach auf lückenlose Vollständigkeit: Gott will dadurch bezeugen, dass den Gläubigen an der rechten Erleuchtung nichts fehlen werde, wenn sie nur aus dem einigen Quell schöpfen wollen. Weiter sollen wir lernen, dass dem Geist, welcher durch seine Gaben der Gemeinde leuchtet, bei allen heiligen Verrichtungen die Leitung gebührt. Wenn darum der Prophet (Sach. 4, 2) die Vollendung der Gemeinde zeigen will, in welcher sich erfüllt, was hier bildlich dargestellt wird, so fügt er zu den Lampen sieben Zuflussröhren und zwei Ölbäume, aus denen beständig Öl sich ergießt: so braucht man die Mangel zu fürchten. Damit wird uns eingeprägt, dass der Herr reich genug ist an allen Gütern, um seine Gemeinde reich zu machen, dass also zu deren Bewahrung die Kraft, welche vom Himmel herabfließt, vollständig ausreicht. Wie es denn auch dort im Zusammenhang heißt (V. 6): „Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth.“ Denn wenn sich auch Gott, um seine Kirche zu schützen und zu fördern, nach seinem Wohlgefallen des Dienstes der Menschen und irdischer Mittel bedient, so will er doch, wie es billig ist, dass das Lob ihm allein zugeschrieben werde; weiter sollen die Gläubigen sich mit seinem Schutz zufrieden geben und nicht in ihrem Gemüte sich erschüttern lassen, selbst wenn sie in der ganzen Welt keinen Grund mutiger Zuversicht fänden.
V. 40. Siehe zu, dass du es machest nach ihrem Bilde usw. Noch einmal wird eingeprägt, dass sich Mose in allen Stücken genau an das ihm auf dem Berge gezeigte Urbild halten soll. Dabei handelt es sich gewiss nicht um irgendeine gespensterhafte Erscheinung, die er dort anschaulich gesehen hätte, sondern es soll einfach der äußere Schmuck des Heiligtums so gestaltet werden, dass man seinen geistlichen Zweck deutlich erkennen kann. Dass es so gemeint ist, zeigt auch die von Stephanus und dem Apostel gegebene Auslegung (Apg. 7, 44; Ebr. 8, 5). So verstehen wir es, wenn der Prophet sagt, dass in Christi Reich Gott handgreiflich offenbar machen werde, wie er seinem alttestamentlichen Volke unter dem Gesetz kein leeres Schauspiel gegeben habe.
Abschnitt 66. – 2. Mose 27, 20. 21 / 3. Mose 24, 1 – 4. ====
2. Mose 27.
V. 20. Gebeut den Kindern Israel usw. Diese beiden Stellen habe ich hier angefügt, weil sie mit dem gottesdienstlichen Betrieb in der Stiftshütte zusammenhängen. Die Kinder Israel sollen das für die sieben Lampen nötige Öl liefern. Weil aber das himmlische Licht und das Gnadenwirken des heiligen Geistes es ist, welches durch dieses sichtbare Zeichen dargestellt wird, so will Gott reines und unvermischtes, nicht mit Ölhefe versetztes Öl haben: denn jeder Fehler wäre der Würde des Geheimnisses abträglich gewesen. Die Reinheit des Öls lehrt also, dass es auf keine beschmutzte und gemeine Sache hindeutet: so mussten auch die Kinder Israel einen reinen und für die Betrachtung des geistlichen Lichtes wohl gerüsteten Sinn mitbringen. Wiederum wird auch eingeprägt, dass man das Öl rechtzeitig und regelmäßig bringen solle, damit die Lampen ununterbrochen brennen können: daraus sollten die Kinder Israel lernen, dass dem Gottesdienst nichts fremder ist, als Dunkelheit und Finsternis, und dass die himmlische Leitung des Geistes ununterbrochen uns voranleuchten soll. So wird denn (3. Mose 24, 2 ff.) dreimal wiederholt: „täglich “, damit man wisse, dass das wahre Licht niemals und in keiner Weise gedämpft werden darf. Die Bedienung überträgt Gott den Priestern; denn sie müssen Diener des Lichtes sein, wenn sie das Gesetz auslegen sollen, von welchem David sagt (Ps. 119, 105): „Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.“ Was bedeutet es aber, dass dem Volke die Darbringung anbefohlen wird, da doch Menschen nichts besitzen, womit sie ihren Sinn geistliche erleuchten können? Auf diese Frage ist zu antworten, dass man die Auslegung der gesetzlichen Vorbilder nicht bis ins einzelnste übertreiben darf, als müsse jedem äußeren Zeichen eine bestimmte Wahrheit entsprechen. Wenn aber auch die Menschen aus ihrem Eigenen nichts beibringen können, so wird doch mit Recht von ihnen gefordert, dass sie sich und ihr Eigentum dem heiligen Dienste weihen: so sollen sie lernen, sich eifrig in der Verehrung Gottes zu üben.
V. 21. Das soll euch eine ewige Weise sein, - allerdings nur bis auf die Zeit, wo in Wahrheit das erfüllt und gegeben wird, was der Leuchter mit seinen Lampen bildlich darstellt.
V. 2. Wenn du die Lampen aufsetzest. Diese Vorschrift müssen wir, wie so oft, aus einer andersartigen Umgebung in unseren Zusammenhang einfügen. Die Lampen sollen vorwärts dem Leuchter scheinen, d. h. so, dass ihr Glanz sich in dem heiligen Raume verbreitet und doch zugleich auch auf das Gold des Leuchters selbst fällt, welches dadurch in herrlichem Schimmer erstrahlt.
V. 3. Aaron tat also, wie der Herr Mose geboten hatte. Dies wird zu seinem Lobe als eine keineswegs gleichgültige Sache ausdrücklich angemerkt. In derselben Richtung läuft auch die Notiz (V. 4), dass der Leuchter nach dem Gesicht gemacht wurde, das der Herr Mose gezeigt hatte. Das will aber, wie ich schon dargelegt habe, sagen: er diente zum Ausdruck der geoffenbarten Wahrheit, dass Gott der Vater der Lichter ist und durch seinen Geist seine Gemeinde erleuchtet, damit sie nicht in Finsternis irre; mag darum die ganze Welt im Dunkel gefangen liegen, so wird doch der Herr für seine Gläubigen Sonne und Mond und ewiges Licht sein (Jes. 60, 19).
V. 1. Die Wohnung sollst du machen usw. Bei dem ganzen Bau der Stiftshütte müssen wir im Auge behalten, was wir schon sahen, dass die Kinder Israel durch die äußeren Darstellungen darüber belehrt werden sollten, eine wie herrliche Sache der Dienst Gottes sei, und dass sie sich eifrig hüten müssten, ihn durch irgendwelchen Schmutz zu entweihen, mit welchem doch der Glanz des herrlichen Schmucks im Widerstreit stehen müsste. Wollten sie überhaupt als reine Anbeter Gottes gelten, so müssten sie sich für jeglicher Unreinigkeit hüten: denn die Stiftshütte war ein Bild der Gemeinde Gottes. So sind die äußeren Schmuckstücke ohne Zweifel Hindeutungen auf ihre herrlichen geistlichen Gaben. In diesem Sinne beschreibt auch Jesaja (54, 11) die Herrlichkeit der vollendeten Gemeinde, wie sie unter dem Reiche des Messias erscheinen wird: „Siehe, Ich will deine Steine wie einen Schmuck legen, und will deinen Grund mit Saphiren legen; und deine Zinnen aus Kristallen machen und deine Tore von Rubinen und alle deine Grenzen von erwählten Steinen.“ Diese Worte wollen doch ohne Zweifel sagen, dass die Gemeinde voll himmlischen Glanzes sein wird, indem in ihr allerlei Tugenden leuchten. Als ihren höchsten Schmuck müssen wir aber die Lehre betrachten, welche uns nach dem Bilde Gottes neu gestaltet. Wenn darum David die Schönheit des Gotteshauses rühmt, so gibt er die höchste Ehre den Übungen des Glaubens und der Frömmigkeit (Ps. 27, 4): „Eins bitte ich vom Herrn, das hätte ich gerne, dass ich im Hause des Herrn bleiben möge mein Leben lang, zu schauen die schönen Gottesdienste des Herrn und seinen Tempel zu betrachten.“ Will er etwa seine Augen an bloßen Bildern, kostbaren Stoffen und ausgesuchten Kunstleistungen weiden? An solchem Anblick wird er doch schwerlich genug haben, sondern er nimmt nur den Ausgang von dem sichtbaren Kunstwerk, um die darin dargestellte Herrlichkeit Gottes, die herrlicher ist als die ganze Welt, mit den geistlichen Augen des Glaubens zu betrachten. Zudem konnte man ja an der Stiftshütte gar nichts von besonderer Pracht sehen, die Menschenaugen entzückt hätte: war doch die ganze reiche Pracht mit Decken aus Ziegenhaar (V. 7) und gemeinem Leder verdeckt, damit die Gläubigen hinter dieser verborgenen Herrlichkeit etwas ahnen sollten, was alle Sinne des Fleisches übersteigt. – Damit mag es an allgemeinen Bemerkungen genug sein, und wir wenden uns zu den Einzelheiten. Da es aber immer das Beste sein wird, sich in den Grenzen des wahrhaft Erbaulichen zu halten, so wolle der Leser nicht erwarten, dass ich ihm mit scharfsinnigen, allegorischen Spielereien die Ohren kitzele: denn es war gewiss nicht Gottes Absicht, in jedes Häkchen und jede Schlinge ein tiefes Geheimnis zu legen. Mögen wir uns an der Nüchternheit des Ebräerbriefes ein Beispiel nehmen, dessen eigentliche Absicht es doch ist, zwischen den Schattenbildern des Gesetzes und der in Christo geoffenbarten Wahrheit eine Parallele zu ziehen, und der in Einzelausdeutungen doch die größte Zurückhaltung übt. Zunächst (V. 1) sollen nun Teppiche hergestellt werden von gezwirnter, weißer Leinwand, von blauem und rotem Purpur und von Scharlach. Da es zehn Teppiche waren, jeder (V. 2) vier Ellen breit, so ließ sich damit ein Umfang von vierzig Ellen umspannen. Dass diese Teppiche „künstlich “ gemacht werden sollen, deutet nach dem Urteil aller Ausleger auf phrygische Weberei, zumal auch Cherubim hineingewebt sind. Das Letztere wird nicht wie einige wollen, auf irgendwelche Figuren deuten, sondern auf Engel, deren Angesichter also überall auf den Teppichen angebracht waren: dadurch wird, um Daniels (7, 10) Ausdruck zu gebrauchen, lebendig dargestellt, dass tausendmal tausend dem Herrn dienen und zehntausend mal zehntausend vor ihm stehen. Wenn daraus die Papisten schließen, dass Tempel ohne Bilderschmuck hässlich und leer seien, so ist das eine Lächerlichkeit. Wenigstens würde ich empfehlen, die Übereinstimmung vollständig zu machen und die Bilder mit einer dreifachen Decke zu verhüllen, damit sie doch nicht mehr vom Volke gesehen werden können. Freilich wären sie dann auch nicht „der Laien Bücher“, wie die Papisten sagen. Ist es doch durch und durch verkehrt, die elementaren Erziehungsmittel, welche Gott nur bei seinem alttestamentlichen Volke angewandte, auch in die Zeit der Erfüllung herüber zu nehmen, da die Gemeinde herangewachsen ist und die Kindheit überwunden hat. Wie weit aber die Juden davon entfernt waren, den Cherubim religiöse Verehrung darzubringen, wissen auch heidnische Schriftsteller. So behauptet Juvenal1) von den Juden, dass sie nur Wolken und die Gottheit des Himmels anbeten. Dies musste durch Gottes geheimen Antrieb sogar ein unreiner und schmutziger Heide aussprechen, damit jedermann wisse, dass das Gesetz Moses seine Jünger höher empor führt. Es wird nun eine dreifache Decke angeordnet (V. 7, 14), eine innere aus Ziegenhaar, dann eine rötlichen Widderfellen, endlich eine von Dachsfellen. Darunter steht ein Brettergehäuse, welches das ganze Zelt trägt: denn ohne dieses feste Gerüst hätten ja die Decken fortwährend hin und her wehen müssen. Die (V. 15) Bretter wurden aus Akazienholz hergestellt und (V. 29) mit Golde überzogen, sei es nun, dass sie nur mit goldenen Ornamenten versehen oder ganz und gar mit Goldblech überzogen waren. Jedes einzelne hatte (V. 19) zwei Füße oder Ständer von Silber; untereinander waren sie durch Riegel fest verbunden, die in goldenen Ringen liefen. Dieses Gestell umschloss den ganzen heiligen Raum, der in das vordere Heiligtum und das Allerheiligste zerfiel. Dazu kam dann als drittes Stück der Vorhof, in welchem das Volk verweilen musste; denn nur Priester, und zwar nur solche in reinem Zustande, durften die eigentliche Stiftshütte betreten. Wenn darum David seiner Freude an den Wohnungen Gottes Ausdruck gibt (Ps. 84, 2. 11), spricht er: „Meine Seele sehnet sich nach den Vorhöfen des Herrn; denn ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser, denn sonst tausend.“ – Endlich wird noch einmal eingeprägt (V. 30), dass Mose die Wohnung aufrichten soll nach der Weise, wie er sie auf dem Berge gesehen hat: denn die Gedanken des Volkes sollen nicht an dem sichtbaren Zelt hängen bleiben, sondern der Blick des Glaubens soll sich in den Himmel aufschwingen zu dem geistlichen Vorbilde, von dem man auf Erden nur Schattenriss und Abbild sah. Darüber bedarf es keiner weiteren Spekulationen. Denn wenn man sagt, dass z. B. die beiden Ständer die beiden Testamente oder die zwei Naturen Christi bedeuten, so könnte ich ebenso willkürlich behaupten, dass damit die Verheißungen des gegenwärtigen und des zukünftigen Lebens gemeint sind, auf welche der Glaube sich stützen soll, damit er nicht in der Anfechtung auf beiden Seiten hinke. Und so wäre der Spielerei kein Ende. Wenn die Decke des Zeltes aus Widderfellen gemacht ist, so denken natürlich manche an das Blut Christi, des unbefleckten Lammes, durch welches die Gemeinde gedeckt wird. Wenn wir dann aber fragen, was dabei die Dachsfelle sind, so sieht man, dass solch zügelloses Allegorisieren besser unterbleibt.
V. 31. Und sollst einen Vorhang machen. Ein Vorhang schloss das Allerheiligste ab, ein anderer befand sich zwischen dem Heiligen und dem Vorhof. Beide erinnerten das Volk daran, dass man der göttlichen Majestät mit Ehrfurcht begegnen und die Heiligtümer mit heiliger Scheu behandeln müsse: nur mit Furcht sollte man vor Gottes Angesicht treten und nicht frech in seine heiligen Geheimnisse eindringen. Insbesondere sollte aber der über das Schattenwerk des Gesetzes gedeckte Vorhang daran erinnern, dass die Zeit der vollen Offenbarung noch nicht gekommen und die Anbetung Gottes im Geist noch in ein gewisses Dunkel gehüllt sei: so sollte der Glaube auf den verheißenen Messias sich richten, durch dessen Ankunft die reine Wahrheit offenbar werden sollte. Darum ist der Vorhang des Tempels erst zerrissen, als Christus vom Tode auferstand (Mt. 27, 51): da war das Ende für die Zeremonien des Gesetzes gekommen, weil Gott in seinem lebendigen und klaren Bilde sich darstellte und die volle Wahrheit dessen anbot, worauf die Zeremonien deuten. So sehen wir im Lichte des Evangeliums von Angesicht zu Angesicht, was dem alttestamentlichen Volke nur verhüllt und aus der Ferne gezeigt ward. Wenn aber auch jetzt keine Decke mehr hindert, dass uns Christus offen und in vertrautem Umgang erscheine (2. Kor. 3, 13), so können doch auch wir aus jener bildlichen Darstellung lernen, dass es ein verborgenes und unbegreifliches Geheimnis ist: Gott geoffenbart im Fleisch (1. Tim. 3, 16). Christus vergleicht doch nicht ohne Grund seinen Leib mit dem Tempel (Joh. 2, 19), weil in demselben die Fülle der Gottheit wohnt. Wir wissen also gewiss, dass der Vater in dem Sohne und der Sohn im Vater ist (Joh. 17, 5). Fragen wir aber, wie dies zugeht, so bleibt ein unaussprechliches Geheimnis: genug, dass der ewige Sohn Gottes, der vor Erschaffung der Welt die gleiche Herrlichkeit mit dem Vater besaß, jetzt Mensch ist wie wir, als der Erstgeborene unter vielen Brüdern (Röm. 8, 29).
V. 1. Und sollst einen Altar machen usw. Hier wird der Brandopferaltar beschrieben. Wenn auf demselben Opfertiere mit Feuer verbrannt wurden, so war dies eine Erinnerung, dass es einer Reinigung bedürfe, um zu Gott aufzusteigen; zugleich wurde aber eingeprägt, dass alles Verderben, das im Fleisch ist, nicht hindere, dass daraus ein dem Herrn angenehmes Opfer werden könne. Solche Brandopfer hat man seit den Anfängen des Menschengeschlechts dem Herrn dargebracht: ein geheimer Trieb des göttlichen Geistes leitete die Menschen dazu an, noch ehe es ein geschriebenes Gesetz gab. Ohne Zweifel enthielten solche Opfer die Lehre, dass Menschen, die sich recht dem Herrn darbringen wollen, durch den Geist ihr Fleisch ausbrennen müssen: ja, solche bildliche Darstellung gab bereits einen Hinweis, dass das vollkommene Opfer zur Versöhnung Gottes das Fleisch Christi sein werde, welches er in himmlischer Kraft annehmen und dann (Ebr. 9, 14) durch den Geist wiederum darbringen müsse. Doch darüber werden später ausführlich handeln. – Der Altar war nun so angeordnet, dass die Opfertiere auf ein innen angebrachtes (V. 4) netzartiges, ehernes Gitter gelegt wurden und dadurch unter der Oberfläche des Altars verschwanden; die Asche wurde in einem Gefäß aufgefangen, damit sie nicht unordentlich auf die Erde fiele und mit den Füßen zertreten würde: die Heiligkeit des Opfers wurde also auch durch diese Behandlung seiner Überreste eingeprägt. An (V. 2) die vier Hörner, welche aus den vier Ecken hervorragten, wurden die Opfertiere angebunden, wie aus Ps. 118, 27 hervorgeht: „Bindet das Festopfer mit Stricken bis an die Hörner des Altars.“ Ist es doch auch für ein rechtes geistliches Opfer oberstes Erfordernis, dass man alle Regungen des Fleisches anbinde und im Gehorsam gegen Gott gleichsam gefangen nehme. Darum wurde auch Christus, obwohl in ihm keine ungezügelte Regung war, angebunden, damit er seinen Gehorsam beweise, wie er dann selbst gesagt hatte (Mt. 26, 39): „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“ Der Altar wurde (V. 6) an Stangen getragen, damit nicht mehrere Altäre entstünden. Wäre es zu schwer tragbar gewesen, so hätte man ihn eben auf der weiten Wanderung stehen gelassen, und solche hier und dort vorhandenen Altäre hätten dann nur Anlass zum Aberglauben und Verfälschung des Gottesdienstes gegeben.
V. 9. Du sollst auch der Wohnung einen Hof machen. Neben der Stiftshütte waren zwei Höfe vorhanden, einer für die Priester, der andere für das ganze Volk. An den ersteren schlossen sich die Schlafräume für die Leviten an, welche als Wächter des Heiligtums gegenwärtig sein mussten. So ist namentlich in den Psalmen (65, 5; 84, 3; 92, 14; 96, 8) mehrfach von Vorhöfen in der Mehrzahl die Rede. Hier aber wird nur von dem Vorhof des Volkes gehandelt, wo man seine Opfer weihte, Gelübde auf sich nahm und Versöhnung mit Gott fand. In dieser Einrichtung wurde dem Volke Israel die Lage des Menschengeschlechts vor Augen gestellt, indem ihnen ein Betreten des Heiligtums selbst verwehrt werden musste. Zugleich aber empfingen sie dadurch einen Hinweis, dass auch unwürdige und verworfene Menschen sich doch dem Herrn nahen dürfen, wenn sie nur bittend mit der gebührenden Demut und im Gedenken an ihre Unwürdigkeit ihn suchen. Darauf gründet sich denn der Trost, dessen David sich rühmt (Ps. 84, 11): „Ich will lieber der Tür hüten in meines Gottes Hause, als wohnen in den Palästen der Gottlosen.“ – Der Vorhof war nun von vier aus Decken gebildeten Wänden umschlossen: davon war die nördliche und die südliche je hundert Ellen lang und wurde durch je zwanzig Säulen getragen (V. 9, ff.). Die Füße dieser Säulen waren ehern, ihre Querstäbe oder Kapitäle mit den daran befindlichen Haken waren von Silber. Die östliche und westliche Wand waren je fünfzig Ellen lang und wurden von je zehn Säulen gestützt. In der Mitte der Ostwand (V. 13) befand sich ein zwanzig Ellen breiter Eingang, sodass rechts und links noch je fünfzehn Ellen für die Wand übrig blieben. Dieser Eingang war durch einen besonderen Vorhang verdeckt, damit die Kinder Israel bei jedem Besuch des Heiligtums wussten, dass sie nicht eine gemeine und aller Welt offen stehende Stätte beträten; wenn sie aber heilig und rein hinausgingen, sollten sie fest überzeugt sein, dass sie unter Gottes Deckung sicher und geborgen wären. Endlich wurde ihnen durch diese schattenhafte Darstellung auch die Majestät der Heiligtümer eingeprägt, damit sie mit gebührender Scheu zum Gottesdienst nahten: sie wurden an ihre Unwürdigkeit gemahnt, damit sie sich umso tiefer vor Gott demütigten; aus solcher Ehrfurcht sollte dann ein bußfertiger Sinn erwachsen; auch die Gedanken sollten sie in nüchterner Zucht halten und nicht in vorwitzige Neugier verfallen lassen. In ähnlicher Weise pflegten freilich auch die Heiden ihre Heiligtümer in Geheimnis zu hüllen, - aber dies hing doch mit einer dumpfen und stumpfen Religion zusammen, die ihr Ansehen mit Finsternis und Unwissenheit decken musste. Gott aber will auf der einen Seite zwar sein Volk in Bescheidenheit und schlicht-demütigem Sinn erhalten, zugleich aber gibt er ihm sein Gesetz, aus welchem es lernen soll, soviel gut und nützlich ist.
V. 36. Und sollst den Altar entsündigen. Da der Altar ebenso gut wie der Priester ein Vorbild auf Christum war, so erhebt sich die Frage, was denn diese Entsündigung soll, da doch an Christo keine Unreinheit und Befleckung haftet. Da der Altar ebenso gut wie der Priester ein Vorbild auf Christum war, so erhebt sich die Frage, was denn diese Entsündigung soll, da doch an Christo keine Unreinheit und Befleckung haftet. Aber ich habe schon immer gesagt, dass man ein solches Gleichnis nicht bis ins einzelnste durchtreiben soll. Jedenfalls wird dadurch sehr passend dargestellt, dass Gott dem Menschengeschlecht nicht anders versöhnt werden kann, als durch eine blutige Sühne. Unter diesem Gesichtspunkt wird der Altar nicht bloß entsündigt, sondern auch für seinen Gebrauch geweiht, damit nun sühnende Kraft von ihm ausgehe. Das Wort, welches wir durch „weihen “ übersetzen (V. 37) heißt buchstäblich „heiligen“: dadurch wird dann der Altar „ein Allerheiligstes “, und was mit ihm in Berührung kommt, wird dadurch heilig. Andere übersetzen freilich, indem sie an den geweihten Priester denken: „Wer den Altar anrühren will, der soll geweiht sein.“ Aber es wird vielmehr von der Wirkung die Rede sein, die von dem geweihten Altar ausgeht und auch die Opfer heilig macht. Alles in allem: auf dem Leibe Christi, der zum Opfer gebracht und mit Blut geweiht wurde, ruhte Gottes Wohlgefallen, sodass nun seine Heiligkeit allen unsern Schmutz abwäscht und tilgt.
V. 1. Du sollst auch einen Räucheraltar machen. Der Ritus des Räucherns sollte das Volk dessen vergewissern, dass der ganze nach dem Gesetz dargebrachte Kultus ein Opfer von süßem Geruch war. Darum lag ein Hinweis darin, dass man die Opfer nicht irgendwie verunreinigen, sondern rein und lauter vor Gottes Angesicht bringen müsse. Insbesondere deutet David dieses Symbol auf das Gebet (Ps. 141, 2): „Mein Gebet müsse vor dir taugen, wie eine Räucheropfer.“ Wie also auf dem Brandopferaltare die Tiere verbrannt wurden, um Gott zu versöhnen, so ging auch von diesem Räucheropferaltar eine Wirkung auf die Opfer aus: durch seinen Gebrauch wurden sie dem Herrn angenehm. Darum stand er nahe bei der Bundeslade, nur durch den Vorhang von ihr getrennt, damit sein Duft ungehindert zu Gott aufsteige: und (V. 7 f.) an jedem Morgen und jedem Abend wurde das Räucheropfer dargebracht. Weiter (V. 9) wird noch angeordnet, dass man den Altar nicht zu anderen Zwecken verwende und auch nicht fremdartiges Räucherwerk auf ihm anzünde.
V. 10. Und Aaron soll auf seinen Hörnern versöhnen usw. So sind die beiden Altäre in bemerkenswerter Weise auf einander bezogen: einerseits wurden die Israeliten erinnert, dass ihre Opfer nur dann dem Herrn gefielen, wenn alle Unreinigkeit durch reine und heilige Gebete davon entfernt wurde; andrerseits wird nun auch der Räucheropferaltar durch die Besprengung mit Blut gereinigt, damit man wisse, dass die Gebete nur durch das Opfer ihre Kraft bekommen. Geschah dies auch nur einmal im Jahre, so sollte man doch täglich daran denken und sollte durch Glauben und Gebete den Tod Christi als Rauchopfer darbringen; zugleich sollte man aber wissen, dass die Gebete nur dann ein Opfer von süßem Geruch sind, wenn sie durch das Blut des Sühnopfers besprengt wurden.
V. 34. Nimm zu dir Spezerei. Weil hier nicht das Rauchopfer selbst, sondern nur die Bereitung des dafür nötigen Räucherwerks beschrieben wird, setze ich diese Bestimmung hierher. Auf genauere Ausdeutung der einzelnen Substanzen wird zu verzichten sein; genug, dass ein so hergestelltes Rauchwerk offenbar einen besonders angenehmen Geruch gibt. Dies geht auch daraus hervor (V. 37 f.), dass es nötig ist, den Gebrauch derselben Zusammensetzung zu privaten Zwecken zu verbieten. Es sollte allein der Heiligkeit Gottes geweiht sein, und so sollte dadurch ein besonderer Eindruck entstehen: so angenehm, wie uns dieser Gebrauch ist, würden unsre Gebete dem Herrn erscheinen.
V. 18. Du sollst auch ein ehern Handfass machen usw. Diese Abwaschung ließe sich auch im Zusammenhang mit der Heiligung der Priester verhandeln: weil aber das Gefäß, aus welchem man das Wasser entnahm, ein nötiges Ausrüstungsstück des Heiligtums ist, setze ich diese Verordnung hierher. Wenn nun Gott ausdrücklich befiehlt, dass stets in diesem Gefäß Wasser bereit stehen soll, in welchem sich die Priester Hände und Füße zu waschen hatten, so sehen wir daraus, mit welcher Ehrfurcht und Heiligkeit Gott alle Stücke seines heiligen Dienstes behandelt wissen wollte. Zwar war es auch bei den Heiden ein geläufiges Sprichwort, dass es frevelhaft wäre, das Heilige mit ungewaschenen Händen zu berühren; und man übte reichlich bei ihnen Waschungen und Reinigungen im Zusammenhang mit dem Gottesdienst. Auch scheint ein Dichter schon ganz nahe zum Ziel zu treffen, wenn er die Gottlosen und Verbrecher von den heiligen Opfern weichen heißt, damit sie dieselben nicht beflecken. Schließlich war das alles aber ein leeres Spiel, weil man nirgends an die innere Umkehr denkt, in der man doch allein wirklich zu Gott naht. Den Kindern Israel aber wurde vornehmlich eingeprägt, wie unwürdig sie waren, dem Herrn Opfer zu bringen, wenn doch nicht einmal ihre Priester, die zu diesem Amte berufen waren, es tun durften, sie hätten denn zuvor ihre Unreinigkeit mit Wasser abgewaschen. Dass Hände und Füße gewaschen werden sollen, deutet an, dass alle Teile des Körpers unrein sind: denn mit den Händen tut man alle seine Geschäfte, und mit den Füßen vollführt man den ganzen Lauf des Lebens.
Da der gesamte gesetzliche Kultus aus drei Teilen besteht, Stiftshütte, Priesteramt und Opfer, so kommen wir nunmehr zum zweiten Teile. In der Tat wäre der ganze bisher beschriebene Glanz der Stiftshütte ein leerer Prunk, wenn nicht der Priester versöhnend zwischen Gott und den Menschen träte, um gleichsam eine Brücke zwischen Himmel und Erde zu schlagen. Übrigens wurde in den levitischen Priestern ohne Zweifel Christi Person dargestellt: denn in ihrer amtlichen Würde standen sie höher als die Engel, was doch nur deswegen zutrifft, weil sie das Bild dessen trugen, der aller Engel Haupt ist. Freilich hatten auch heidnische Völker ihre Verwalter der Heiligtümer, aber das war eine leere Schauspielerei, weil nirgends eines Mittlers gedacht wird: das Volk wusste nichts davon, dass nur, wenn ein Mittler und Friedensstifter dazwischen tritt, man wirklich zu Gott kommt und Gebetserhörung findet. Ganz anders stand es mit dem levitischen Priestertum: die Israeliten wurden darüber belehrt, dass sie alle in ihrer Unwürdigkeit nicht vor Gott stehen konnten, also eines Mittlers bedürften, der die Versöhnung mit Gott schaffe. Zudem wurde ja immer wieder die Grundregel eingeprägt, dass Gott alles nach dem Vorbilde gemacht wissen wollte, das Mose auf dem Berge gesehen hatte: so musste man seine Sinne höher emporheben, - und darauf deutete doch auch noch mancher andere Grund. Die Kinder Israel sahen einen Menschen, wie sie selbst waren, der in das Heiligtum nicht im Vertrauen auf eigne Unschuld eingehen konnte, und dessen Würde auf äußerlich ihm angehängten Dingen ruhte, nämlich auf Salbung und Kleidung. So leuchtete hier nicht die völlige Wesenheit, sondern man hatte nur ein Bild, das als Wegweiser zur Wahrheit diente: diese selbst durfte man nicht bei irdischen Elementen suchen. Später wurde dann eine entsprechende Auslegung hinzugefügt (Ps. 110, 4): denn, wie der Hebräerbrief (7, 17) trefflich lehrt, die Verheißung von dem Priester, der nach der Ordnung Melchisedeks eingesetzt werden soll, findet ihre Wahrheit nur darin, dass man sie auf Christum deutet. So tritt denn dem levitischen Priestertum eines von anderer Art gegenüber. Und wenn dasselbe als „ewig“ bezeichnet wird, so muss jenes wohl nur ein zeitliches sein; auch dadurch ist es dem levitischen Priestertum überlegen, dass es durch einen Eidschwur bekräftigt wird. Ohne Zweifel hat also David als ein treuer Ausleger des Gesetzes nur deutlicher enthüllt, was dort in dunklem Bilde angedeutet war. – Bis dahin habe ich nur sagen wollen, dass der levitische Priester als ein Schatten und Vorbild des wahren Mittlers aufgestellt war. Nunmehr wird es sich lohnen, vorbehaltlich genauerer Ausführung in Kürze die Unterschiede zwischen dem Sohne Gottes als unserm einigen und ewigen Priester und jenen alttestamentlichen Priestern aufzuzählen. Als erster Unterschied ergab sich schon, dass die vorbildliche Darstellung nur vorübergehend währt, ewige Dauer aber nur bei der wahren Offenbarung zu finden ist. So lernen wir, dass Mose das Priesteramt nicht als eine dauernde Einrichtung, sondern nur als einen Wegweiser aufgerichtet hatte, der das Volk zu besserer Hoffnung leiten sollte. Was aber von der Einrichtung als solcher gilt, trifft auch auf die Personen zu. Unter dem Gesetze gab es jedes Mal einen Hohenpriester, der dann einen Nachfolger aus seinem Geschlecht erhielt, da sie alle sterbliche Menschen waren. Der rechte Priester kann also allein Christus sein: denn niemand außer ihm kann in Ewigkeit bleiben. Damit haben wir schon den zweiten Unterschied. Ein dritter liegt in Christi Gottheit, für welche zum Beweise dient, dass er als Priester nach der Ordnung und Weise Melchisedeks keinen Anfang hat. Denn man wird von einer Ordnung Melchisedeks im Gesetze überhaupt nichts geschrieben finden: dieser Priester tritt unvorbereitet und plötzlich auf, als wäre er vom Himmel gefallen. Der vierte Unterschied besteht in der Verbindung des königlichen Amtes mit dem Priestertum. Unter dem Gesetz mussten nach Gottes Willen beide Ämter säuberlich getrennt bleiben: jetzt aber wird der, der ein Priester nach Melchisedeks Weise sein soll, mit königlichem Titel geschmückt. Fünftens: der Priester des alttestamentlichen Gesetzes erschien vor Gott nur in einem sichtbaren und irdischen Heiligtum, Christus aber ist durch die Himmel gedrungen, um sich dem Vater nicht in dem steinernen Abbilde darzubringen, sondern in Wahrheit: so werden wir denn in ihm als in unsrem Haupte zu Gott versammelt. Ein sechster Unterschied ruht in Christi vollkommener Gerechtigkeit. Denn da der gesetzliche Hohepriester selbst ein Sünder war, musste er auch für sich selbst um Vergebung bitten; Christus aber ist frei von jeglicher Schuld und verschafft uns durch seine Reinheit Gottes Gnade. Siebentens: der Priester entlehnt seine Würde nur von seinem äußeren sinnbildlichen Schmuck; Christus trägt sie in Wahrheit in sich selbst. Die heiligen Gewänder deuteten nur darauf hin, dass es sich hier nicht um eine gewöhnliche menschliche Sache handle, und auch die Salbung war nur ein Symbol des Geistes, der auf Christo ruht: Christus aber wurde nicht mit äußerlichem und vergänglichem Öl gesalbt, sondern mit der Fülle aller Gaben. Der Priester enthielt sich des ehelichen Verkehrs, solange er im Heiligtum zu walten hatte, und er durfte nur eine Jungfrau zum Weibe nehmen: die vollkommene und geistliche Reinheit Christi war dagegen durchaus mit sich selbst begnügt. Der letzte Unterschied liegt in den Opfern selbst: Christus hat die Sünden nicht mit Tierblut, sondern mit seinem eigenen Blute gesühnt. Doch davon werden wir später noch zu handeln haben.
V. 1. Und sollst Aaron zu dir nehmen usw. Hier wird die Bedeutung und Würde des Priestertums auf die göttliche Berufung gegründet, worauf auch die apostolischen Worte ganz richtig deuten (Hebr. 5, 4): „Niemand nimmt ihm selbst die Ehre, sondern er wird berufen von Gott, gleichwie der Aaron.“ Bei den Heiden wurden die Priester gewählt, was nur Anlass zu ehrgeizigen Strebereien bot. Gott aber wollte nur den als einen rechten Priester gelten lassen, den er allein nach seinem Willen erwählt hatte. Und sicherlich hätte es nicht in der Macht des ganzen Menschengeschlechtes gelegen, dem Herrn jemanden aufzudrängen, der vor ihm Vergebung und Frieden erwerben sollte; ja selbst Christus hätte nicht Versöhnung stiften können, hätte der Vater nicht ihm dieses Amt aufgetragen. Darauf deutet jener feierliche Eidschwur (Ps. 110, 4), mit welchem der himmlische Vater selbst seinen Priester aufstellt. Umso hässlicher und schmachvoller war der Handel, den man alsbald im Judentum mit dem priesterlichen Amte trieb, welches die Nachkommen Aarons immer wieder von ihren Vorgängern kaufen mussten. Wenn Menschen einen Priester schaffen könnten, so müssten sie ja auch mit ihren Verdiensten dem Herrn zuvorkommen können, wovon sie doch sehr weit entfernt sind. Mit der Wahl der Pastoren hat es eine andere Bewandtnis: denn nachdem Christus dieses Amt eingesetzt hat, will er, dass die Gemeinde Leute wähle, die durch Lehrhaftigkeit und ein unbescholtenes Leben dafür geeignet sind. Dabei tritt er doch nicht sein Recht und seine Gewalt an Menschen ab: denn er hört nicht auf, durch sei seinen Ruf erschallen zu lassen. Indem nun Gott zeigen will, dass er allein der Urheber des Priesteramts ist, befiehlt er, dass man den Aaron und seine Söhne aus der Volksmenge aussondere. Mose soll dies vollziehen, der doch selbst die gleiche Ehre nicht empfängt: er weiht seinen Bruder, obwohl er selbst niemals durch Salbung und Amtskleidung zum Dienste Gottes geweiht ward. So sehen wir, dass die Sakramente ihre Kraft und Wirkung nicht durch die Fähigkeit dessen empfangen, der sie verwaltet, sondern allein durch Gottes Befehl: denn wenn es dem Herrn nicht also gefallen hätte, hätte Mose nie einem andern verleihen können, was er selbst nicht besaß.
V. 2. Und sollst Aaron heilige Kleider machen. Dieser äußere Schmuck zeigt, dass die wahre und geistliche Kraft noch fehlt. Denn wenn der Priester durchaus vollkommen gewesen wäre, hätte er dieses schattenhaften Anhangs nicht bedurft. Übrigens wollte Gott durch dieses Symbol den alle Engel überstrahlenden Glanz der Kräfte vor Augen stellen, der in Christo erscheinen sollte. Aaron war durch Sündenschmutz befleckt und darum unwürdig, vor Gottes Angesicht zu treten: soll er ein rechter Versöhner zwischen Gott und den Menschen werden, so muss er sein gemeines Gewand ausziehen und als ein neuer Mensch auftreten. Die heilige Gewandung sollte also erstlich die Sünden decken, sodann auch auf den unvergleichlichen Schmuck aller Tugenden deuten. Wenigstens dies letztere lässt sich auf die Hirten der neutestamentlichen Gemeinde anwenden: niemand ist der Ehre dieses herrlichen Amtes würdig, in dem nicht besondere und ungewöhnliche Tüchtigkeit erstrahlt. Vor allen Dingen aber wollen wir uns einprägen, was ich schon sagte, dass diese Kleidung an Christi höchste Reinigkeit und wunderbare Herrlichkeit erinnern soll: es ist, als verspräche Gott einen Mittler, der über alles Menschenmaß erhaben sein werde.
V. 3. Die ich mit dem Geist der Weisheit erfüllet habe usw. Dies gilt für alle, die unter der Anleitung des göttlichen Geistes seit Schöpfung der Welt allerlei dem Menschengeschlecht nützliche Künste erdacht haben, wie denn auch heidnische Schriftsteller notgedrungen von „göttlichen Erfindungen“ sprachen. Aber weil bei diesem göttlichen Werke es einer seltenen und ungewöhnlichen Kunstfertigkeit bedurfte, so wird noch ganz besonders auf die Gabe des Geistes hingewiesen.
V. 4. Das sind aber die Kleider usw. Auch hier will ich erinnern, dass ich auf allegorische Ausdeutungen, mit denen andere ihre Schriften anfüllen, verzichte. Es werden nun sechs Hauptstücke des priesterlichen Schmucks aufgezählt. Das (V. 15 ff.) Amtsschildlein, dessen Name buchstäblich als Schatz oder Schmuck übersetzt werden könnte, war wie ein quadratischer Brustpanzer, der mit Kettchen fest an den Ephod oder Leibrock angebunden wurde. Auf diesem Schilde waren zwölf Steine befestigt zur Bezeichnung der Stämme Israels; angehängt waren auch die Urim und Thummim (V. 30). Es erscheint besonders bemerkenswert, dass der Priester die Kinder Abrahams gleichsam auf dem Herzen trug, nicht bloß um sie vor Gott zu bringen, sondern auch, damit er ihrer gedenke und für ihr Heil Sorge trage. Dass aber zum Symbol der zwölf Stämme zwölf Edelsteine gesetzt wurden, soll keineswegs einen Anlass zum Stolz geben, als gründe sich solcher Wert auf eigne Würdigkeit und Vortrefflichkeit: vielmehr lag darin ein Hinweis, dass aller Wert, mit welchem Gott die Gläubigen einschätzt, sich nur aus der Heiligkeit des Priestertums ergibt. So können auch wir aus dieser bildlichen Darstellung lernen: mögen wir in uns selbst wertlos und verworfen, ja weniger als nichts sein, wenn Christus uns würdigt, uns in seinen Leib einzufügen, so gelten wir durch die Verbindung mit ihm als Edelsteine. Dies scheint auch die kürzlich schon angeführte Stelle Jes. 54, 11 ff. zu meinen: denn kurz nach der Rede von den köstlichen Steinen, aus denen die neue Gemeinde aufgebaut werden soll, lesen wir: „Deine Kinder sollen vom Herrn gelehrt sein.“ Was also in Christo erfüllt werden sollte, wurde schon unter dem Gesetz im äußeren Zeichen dargestellt: wenn wir auch in der Welt wandeln, hängen wir doch durch den Glauben an Christo und sind eins mit ihm; er sorgt für unser Heil, als trüge er uns in seine Brust eingeschlossen, und wenn der himmlische Vater in ihm uns anschaut, so ist das mehr wert, als aller Reichtum und Glanz der Welt.
V. 30. Die Urim und Thummim, oder, wie wir übersetzen „Licht und Recht “ waren vermutlich zwei auffällige Zeichen am Amtsschilde, die irgendwie mit ihrem Namen zusammenstimmten. Was die Juden davon fabeln, dass Gottes unaussprechlicher Name darin verhüllt gewesen wäre, ist ein törichter Aberglaube. Über die Gestalt dieser Stücke wissen wir nichts Genaueres, müssen uns also an ihre Bedeutung halten. Die Urim oder „Lichtstrahlen“ bedeuteten ohne Zweifel das Licht des Evangeliums, durch welches unser wahrer Hoherpriester alle Gläubigen bestrahlt: denn er allein ist das Licht der Welt (Joh. 8, 12; 9, 5), und außer ihm ist nur Finsternis; weiter sind in ihm alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis beschlossen (Kol. 2, 3). Darum rühmt Paulus mit Recht 1. Kor. 2, 2, dass er nichts wisse, außer Christum: denn aus seinem Priestertum fließt uns reichlich Licht zu. Wie nun das alttestamentliche Volk seine Augen auf den Glanz des Priesters richten sollte, so haben wir heute ins Herz zu fassen, was Christus selbst lehrt (Joh. 8, 12): „Wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in Finsternis.“ Daneben bedeuteten die Thummim „vollkommenes Recht und Gerechtigkeit“, sie waren ein Symbol der vollen und klaren Reinheit, die man nur in Christo findet. Konnte er doch nur ein rechter Priester sein, weil er von jedem Flecken frei und rein war, und weil ihm an der vollen Heiligkeit nichts fehlte. So ergibt sich eine ganz brauchbare Unterscheidung: die Urim deuten auf das Licht der Lehre, die Thummim auf die Gerechtigkeit des Lebens. Nun trifft es ja ganz allgemein für die Hirten der Gemeinde zu, dass sie den Glanz gesunder Lehre und unbescholtenen Lebens an sich tragen müssen. Recht eigentlich aber wollte Gott zeigen, dass man beides allein bei Christo suchen müsse: aus ihm fließt uns Licht und Reinheit zu, wenn er uns dessen nach dem Maße seiner Gnade teilhaftig zu machen würdigt. Wer also außerhalb Christo nur den geringsten Lichtfunken oder auch nur einen Tropfen von Reinheit sucht, begibt sich in ein Labyrinth, wo er in tödlicher Finsternis herumirren und den mörderischen Nebeldunst falscher Tugenden zu seinem Verderben einatmen muss. Wenn aber die Schrift einige Male berichtet (4. Mose 27, 21; 1. Sam. 28, 6), dass man die Urim und Thummim als Orakel benützt habe, so hat Gott dies der niedrigen Stufe des alttestamentlichen Volkes zugestanden. War doch der wahre Priester noch nicht erschienen, der Engel des großen Rats, durch dessen Geist alle Propheten geredet haben, der Quell aller Offenbarungen und das ausgedrückte Bild des Vaters. Sollte also der schattenhafte Priester des alten Bundes ein Vermittler zwischen Gott und den Menschen sein, so musste er mit Christi Zeichen bekleidet werden. So empfingen denn die Gläubigen schon damals eine bildliche Belehrung, dass Christus der Weg zum Vater ist, und dass er aus tiefster Vertrautheit mit dem Vater uns alles offenbart, was für das Heil zu wissen nötig ist. Dass in ihm alle Weisheit und Reinigkeit zusammengefasst ist, sollte man also von dem Brustschild des Priesters ablesen. Wörtlich heißt aber dieses Schmuckstück „der Schmuck des Rechts“, d. h. der lückenlosen Vollkommenheit. Andere denken freilich daran, dass Gott durch den Brustschild des Hohenpriesters Recht spricht und Entscheidungen trifft, wenn man ihn dadurch befragt. Aber das ist zu enge, und es bleibt im Allgemeinen dabei, dass damit dem Volke vielmehr eine rechte und von aller Verirrung freie Haltung ans Herz gelegt wurde. Weil übrigens das Brustschild ein Teil des Leibrocks war, so kann unter Umständen nur der Leibrock genannt und doch eigentlich das Schild mit den Urim und Thummim gemeint sein (1. Sam. 23, 9; 30, 7). Auch wollen wir bemerken, dass der Leibrock des Hohenpriesters sich noch von den feierlichen Gewändern unterschied, welche die übrigen Priester bei ihrem Dienst zu tragen pflegten (1. Sam. 14, 3; 23, 6).
V. 9. Und sollst zwei Onyxsteine nehmen usw. Um die Verbindung des Priesters mit dem Volke noch deutlicher einzuprägen, sollte derselbe nicht bloß auf seiner Brust die zwölf Steine befestigt haben, welche an die zwölf Stämme erinnerten, sondern sollte auch die Namen der Kinder Israel auf seinen (V. 12) Schultern tragen. So musste jeder Anlass zum Neid schwinden: denn das Volk sah, dass dieser eine Mann nicht um seines persönlichen Vorteils willen über die Masse herausgehoben wurde, sondern dass sie alle in seiner Person zum priesterlichen Königtum wurden. Das hat sich dann, wie Petrus lehrt (1. Petr. 2, 5), in Christo wahrhaft erfüllt, wie auch Jesaja (66, 21) vorausgesagt hatte, dass die aus den Heiden zu gewinnenden Gläubigen Priester und Leviten sein sollten. Darauf spielt auch Johannes in der Offenbarung an (1, 6), wenn er sagt, dass Christus uns zu Königen und Priestern gemacht hat. Aber wir haben dem noch genauer nachzudenken, warum es heißt, dass unser Priester uns auf den Schultern trage. Wir kriechen auf der Erde, ja noch mehr, wir sind in den tiefen Schlund des Todes versenkt; wie dürften wir also in den Himmel aufsteigen, wenn uns nicht der Sohn Gottes mit sich empor nähme? Wir haben keine Kraft zum himmlischen Leben, ja alle unsere Kräfte Leibes und der Seele liegen tief darnieder: so muss seine Kraft allein uns halten. Darauf also gründet sich die Zuversicht unsrer Himmelfahrt, dass uns Christus mit sich hinauf genommen hat, wie Paulus sagt (Eph. 2, 6), dass wir in Christo in das himmlische Wesen gesetzt sind. Mögen wir also in uns selbst schwach sein, so haben wir doch Mut, weil Christus uns trägt. So wurde also in jener alten bildlichen Darstellung schattenhaft ausgedrückt, was Paulus (Eph. 1, 23) lehrt, dass die Gemeinde Christi Leib ist und die Stätte, die er ganz und gar erfüllt. So braucht jeder unter uns sich im Bewusstsein der eigenen Schwachheit nur auf Christum zu lehnen; wer freilich in stolzer Überhebung sich aufbläht, lässt sich nicht von ihm heben und tragen und durch seine Kraft stützen. Lassen wir aber die Stolzen in ihrem Übermut in die Tiefe stürzen, - uns trägt Christus auf seinen Schultern. Die Steine heißen nun (V. 12) Steine zum Gedächtnis, weil sie an das gegenseitige Einverständnis zwischen Gott und seinem Volke erinnern. Durch dies sichtbare Zeichen prägt Gott ein, dass er der Seinen gedenkt und sie in sein Heiligtum aufnimmt, so oft sie ihm auf diese Weise dargebracht werden.
V. 31. Das Obergewand für den Leibrock bedeckte diesen bis zur reichlichen Hälfte, und an seinem (V. 33) unteren Saum befanden sich umschichtig Granatäpfel und güldene Schellen. Die ersteren hatten nun zwar keinen wirklichen Geruch, aber sie deuteten doch darauf hin, dass der Hohepriester gleichsam mit einem Kleide von gutem Geruch vor Gott trat: und sicherlich können wir mit unserem Sündenschmutz vor Gott ein angenehmer Geruch nur werden, wenn Christi Gewand uns deckt. Die Schellen sollten ihren Ton geben, weil Christi Gewand uns nur durch den Schall des Evangeliums unter die Gnade Gottes bringt: dieser Schall ist es, der des Hauptes Duft über alle Glieder ausgießt. Zunächst zwar sollte das Klingen der Schellen die Aufmerksamkeit des Volkes erregen und auf die heilige Handlung richten. Bemerkenswerter Weise wird auch scharf eingeprägt (V. 35), dass Aaron, wenn er in das Heilige eingehet, diesen Klang hören lassen soll, auf dass er nicht sterbe. Dabei denken wir im Allgemeinen daran, dass bis zum Erscheinen der Erfüllung und Wahrheit die äußeren Übungen der Frömmigkeit überhaupt peinlich eingehalten werden mussten. Insbesondere lässt sich aber hier eine Mahnung für die Diener der Kirche finden: schon ein Kirchenvater sagt, dass ein Priester, von dem man nicht die Stimme der Predigt hört, des Todes schuldig sei, und Jesaja (56, 10) flucht den stummen Hunden. Hauptsächlich aber wollen wir uns einprägen, dass von Christi Gewand ein Klang ausgeht, weil allein der Glaube, der aus dem Schall der Predigt erwächst, uns mit seiner Gerechtigkeit bekleidet.
V. 36. Das Stirnblatt des Hohenpriesters trug die weithin sichtbare Inschrift: Heilig dem Herrn. Dadurch bezeugte Gott, dass ihm das gesetzliche Priestertum, wie er es selbst durch sein Wort verordnet hatte, wohlgefällig sei, - außerdem aber, dass man nur dort Heiligkeit finden könne. Diese zwei Stücke wollen wir uns also einprägen: wenn der Herr an dem Priestertum Wohlgefallen hat, das er selbst einsetzte, so muss wohl alles andere vor ihm schmutzig und verwerflich sein, wie hoch man es auch rühme. Weiter: ohne Christum sind wir befleckt und all unser Gottesdienst verworfen; unser Tun, wie herrlich es auch scheine, ist unrein und verderbt. Darum müssen wir alle unsre Gedanken fest auf die Stirn unseres einigen und ewigen Hohenpriesters richten und sollen wissen, dass von ihm allein Reinigkeit auf die ganze Gemeinde fließt, wie er selbst sagt (Joh. 17, 19): „Ich heilige mich selbst für sie, auf dass auch sie geheiligt seien in der Wahrheit.“ Darauf deuten auch hier (V. 38) die Worte, dass Aaron die Missetat des Heiligen trage, das die Kinder Israel heiligen in allen Gaben ihrer Heiligung. Das ist eine sehr bemerkenswerte Aussage, die uns lehrt, dass von uns nichts dem Herrn Wohlgefälliges ausgeht, wenn nicht die Gnade des Mittlers dazwischentritt. Denn hier ist nicht von offenbaren und groben Sünden die Rede, für welche wir selbstverständlich nur durch Christum Vergebung erlangen können, - es musste der Priester auch für die Verkehrtheit und Mangelhaftigkeit der heiligen Gaben noch reinigend eintreten. Die Meinung ist nicht, dass ein etwaiges besonderes Versehen in den äußeren Zeremonien durch die Bitte des Priesters Vergebung finde. Der Gedanke ist viel tiefer: der Priester deckt die Unvollkommenheit jeder Gabe, weil keine Darbringung, sofern sie von Menschen kommt, wirklich fehlerfrei ist. Die Rede ist ja hart, aber doch wahr: selbst unsre Heiligkeit ist unrein und der Vergebung bedürftig; nichts ist so rein, dass sich nicht unser Schmutz daran heftete. So mag man das Wasser rein aus reiner Quelle schöpfen, - wenn es aber über die schmutzige Erde fließt, wird es unrein. Nichts ist nun reiner und herrlicher als der Dienst Gottes, und doch konnte das Volk, auch wenn es sich genau an die Vorschrift des Gesetzes hielt, nichts darbringen, wofür es nicht erst Vergebung durch den Priester empfangen musste. Und niemals hat man Gott ein angenehmeres Opfer bringen können, als indem man seinen Namen anrief, wie er selbst verkündigt (Ps. 50, 15): „Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, so sollst du mich preisen.“ Dennoch lehrt der Apostel (Hebr. 13, 15), dass die Opfer des Lobes dem Herrn erst dann gefallen, wenn sie in Christo dargebracht werden. Wir wollen also merken, dass in Gottes Augen selbst unser Gehorsam mit Sünde versetzt ist, die uns vor Gottes Gericht schuldig macht, wenn Christus nicht heiligend dazwischentritt. Alles in allem lehrt unsre Stelle: was wir auch immer von guten Werken dem Herrn darbringen, verdient so wenig Lohn, dass es uns vielmehr schuldig machen würde, wenn nicht die Heiligkeit Christi, durch welche Gott versöhnt wird, uns Vergebung verschaffte, - Über den hohenpriesterlichen (V. 37) Hut selbst habe ich weiter nichts zu sagen, wie denn auch (V. 39) der Gürtel keine besonderen Geheimnisse in sich bergen wird.
V. 40. Und den Söhnen Aarons usw. Auch sie werden nicht bloß über das Volk, sondern auch über die Leviten erhoben. So war die ganze Familie, auch welcher auch der Nachfolger genommen werden musste, mit eigenartiger Würde ausgestattet. Und weil nicht einer alles tun konnte, so hatte schon jetzt jeder unter Aarons Söhnen seinen eignen Dienst: darum werden auch sie mit Röcken, Gürteln und Hauben geschmückt, dass sie herrlich und schön seien. Von der Salbung (V. 41) werden wir im nächsten Kapitel Genaueres hören. Dass Mose ihre Hände füllen soll, bedeutet, dass diese Hände jetzt zur Darbringung von Opfern geschickt werden. Ungeweihte Hände erscheinen vor Gott leer, auch wenn die größte Fülle in ihnen liegt: nur durch das Recht des Priestertums wird jede Gabe vor Gott angenehm. So kommt die Fülle aus der Weihe, die da macht, dass die nach gesetzlicher Ordnung dargebrachten Gaben wirklich Gottes Angesicht erreichen. Bemerkenswert erscheint, dass nicht Aaron als Vater die Weihe vornimmt, sondern Mose. So bleibt die Kraft und Wirksamkeit der Weihe bei Gott beruhen, und er überträgt sie nicht ohne weiteres den bis dahin geweihten Priestern. Vielleicht wollte Gott auch im Voraus der böswilligen Rede begegnen, dass Aaron mit Betrug und üblen Künsten das Priestertum seiner Familie zugewandt habe. Und umso gewisser mussten die Nachkommen Moses bescheiden und neidlos zurückstehen, weil ihr Vater selbst die Söhne Aarons geweiht hatte.
V. 42. Und sollst ihm leinene Niederkleider machen usw. Weil die Menschen in angeborenem Leichtsinn und Frechheit um des geringsten Anstoßes willen das Heilige lächerlich machen, wodurch die Religion leicht Schaden leidet, so beugt Gott vor und verordnet hier den Priestern weiße Unterkleider, damit bei dem heiligen Dienst alles ehrbar, züchtig und würdig erscheine. Dabei wird (V. 43) wiederum strenge Strafe angedroht, da jede Gleichgültigkeit in diesem Stück zur Verachtung Gottes und zur Unfrömmigkeit führen müsste. Übrigens geht der letzte Satz: das soll eine ewige Weise sein, nicht bloß auf diese letzte Vorschrift, sondern auf den gesamten priesterlichen Dienst. Dabei gilt doch der Grundsatz, dass die schattenhaften Zeremonien des Gesetzes mit Christi Ankunft ein Ende gewinnen. Darin besteht dann ihre Ewigkeit, dass in Christo ihr wahrer und wesenhafter Sinn für immer in die Erscheinung tritt, wobei ihr äußerlicher Gebrauch freilich aufhört. Das hat schon David vorausgesagt (Ps. 110, 4), wenn er an die Stelle des levitischen Priestertums ein Priestertum nach der Ordnung Melchisedeks setzt. Wird aber die Würde des Priestertums verändert, so muss notwendig, wie der Apostel trefflich lehrt (Hebr. 7, 12), auch mit den gesetzlichen Zeremonien ein Wandel vorgenommen werden. Welch ungeheurer Frevel ist es also, wenn man unter dem Papsttum auf Grund von Erfindungen sterblicher Menschen und in übler Nachahmung jüdischer Gebräuche noch ein drittes Priestertum aufgerichtet und Zeremonien gehäuft hat, welche wider das Wesen des Priestertums Christi offensichtlich streiten! Alle Ausflüchte helfen hier nichts. Durfte schon an dem levitischen Priestertum nichts willkürlich geändert werden, wie darf man vollends wagen, das Priestertum Christi, welches der Vater mit unverletzlichem Eide bekräftigt hat, durch angehängte Menschengedichte zu verderben! Hat der Vater zum Sohne gesprochen: „Du bist ein Priester ewiglich“, so scheut man sich nicht, außerdem noch einen ganzen Schwarm von Priestern zu schaffen! Hat Jesus mit einem Opfer in Ewigkeit alle Gerechtigkeit vollendet, so gibt man vor, dass man ihn täglich in der Messe zum Opfer bringe! So wird denn die Klarheit des Evangeliums mit einem neuen jüdischen Wesen überschüttet, und die ungeheure Masse der Zeremonien muss zur Decke der Hohlheit und Eitelkeit dienen, gleichwie der Nebel die Sonne verfinstert. Wir aber wollen uns hüten, dass wir die Gläubigen, die sich doch nach Christo als dem einigen und ewigen Mittler sehnen, nicht von seinen unverfälschten Anordnungen abführen.
Abschnitt 76. – 2. Mose 29, 1 – 35.
V. 1. Das ist´s auch usw. Da dieses Stück in dem Bericht über die Einweihung der Stiftshütte noch einmal vorkommt, will ich es hier nur kurz erwähnen und erst später (3. Mose 9) ausführlich erörtern. Geheimnisvolle Spekulationen, die nicht zu wirklicher Erbauung dienen, will ich aber jedenfalls meiden. Weil das Menschengeschlecht unrein und mit vielerlei Schmutz behaftet ist, so kann niemand in diesem Zustande zu Gott nahen: darum hebt Mose die Priester aus der gemeinen Masse heraus und wäscht sie (V. 4) mit Wasser, ehe er ihnen die Weihe erteilt. Daraus entnehmen wir, dass die im Gesetz nur schattenhaft dargestellt Reinheit und Unschuld allein in Christo wirklich vorhanden ist. So sagt auch der Hebräerbrief (7, 26): „Einen solchen Hohenpriester sollten wir haben, der da wäre unschuldig und unbefleckt, damit er sich für die Sünder vor Gott darstelle.“ Nachdem sie nun abgewaschen sind, sollen die Priester, ein jeder nach seinem Range, mit dem Ornat bekleidet werden: nur der Hohepriester trägt einen Leibrock mit den Urim und Thummim und den Hut mit dem goldenen Schild, auf dem Heiligkeit Jehovahs leuchtet. Drittens folgt dann die Salbung. Sie bereitete den eigentlichen Amtsantritt vor und ging dem ersten Opfer, welches die Priester selbst darbringen durften, noch voran. Dabei ist aber bemerkenswert, dass bei dem Weiheakt selbst noch Mose das Amt verwalten soll, welches dann auf Aaron übergeht. Was Mose über die Teilung des Opfertieres einschaltet, gedenke ich später im Zusammenhang mit den Opfern zu erörtern.
V. 16. Dann sollst du ihn schlachten usw. Zuvor wurde Mose angewiesen (V. 11), die Stücke des Opfertieres aus den Händen Aarons zu nehmen, um ihn, der mit seinen Nachkommen alsbald des Priesteramts walten sollte, mit Gott zu versöhnen. Nun (V. 20) folgt die Beschreibung einer eigenartigen Zeremonie: Mose soll den rechten Ohrknorpel Aarons und seiner Söhne, den Daumen ihrer rechten Hand und den großen Zehen ihres rechten Fußes mit dem Blut des Widders bestreichen; sodann (V. 21) soll er von dem Blut, das auf dem Altar sich befindet, etwas auf sie und ihre Kleider sprengen. Daraus entnehmen wir, dass ein Priester nur durch Besprengung mit Blut fähig wird, vor Gott für die Menschen einzutreten. So ward auch Christi Opfer mit Blut geweiht, um unsere Versöhnung mit Gott bewirken zu können. Dass aber nur das rechte Ohr mit Blut berührt wird, bedeutet nicht etwa nur eine halbe Weihe: vielmehr wird unter der einen Seite die andere mit begriffen sein, weil ja beide Ohren, Hände und Füße denselben Dienst verrichten. Weiter ließe sich fragen, warum das Ohr, der Fuß und die Hand, nicht aber Brust und Zunge bestrichen ward. Sicherlich ist aber bei dem Ohr an den Gehorsam zu denken, bei Händen und Füßen an alles Tun und Treiben und den ganzen Lebenswandel. Redet doch die Schrift sehr häufig von reinen Händen, wenn sie ein reines Leben meint, und vom Wandel der Füße, wenn sie die Richtung des ganzen Lebens beschreiben will. So passt es ganz vortrefflich, dass das Leben des Menschen durch Blut geheiligt wird. Weil aber der Gehorsam, der besser ist als Opfer, den Anfang alles richtigen Handelns ausmacht, soll Mose mit dem Bestreichen des Ohrs beginnen. Wissen wir doch, dass gerade Christi Gehorsam seinem Opfer den vor Gott angenehmen Geruch verlieh, wie David in prophetischem Geiste den Herrn redend einführt (Ps. 40, 7): „Die Ohren hast du mir aufgetan.“ Wollte nun jemand sagen, dass für den Priester, der ein Bote des Herrn der Heerscharen ist, die Zunge eine nicht mindere Bedeutung hat, so antworte ich, dass hier nicht vom Lehramte die Rede ist, sondern allein davon, dass er für die Menschen eintreten solle. Dass der Priester für diesen Zweck entsündigt und geweiht werden müsse, wird in der Behandlung dieser drei Körperteile dargestellt. Übrigens wollen wir daran gedenken, dass, was von der Weihe Christi gesagt wird, nicht in seiner Person beschlossen bleibt, sondern in Beziehung zum Heil der ganzen Gemeinde steht. Denn er ist weder um seinetwillen gesalbt worden, noch hatte er nötig, dass ihm erst das Blut Gnade verschaffe: vielmehr sah er seine Glieder an und weihte sich ganz ihrem Heil, wie er selbst bezeugt (Joh. 17, 19): „Ich heilige mich selbst für sie.“
V. 28. Und soll Aarons und seiner Söhne sein. Damit nicht die Würde der heiligen Opfergabe, welche doch ein Heiligtum Jehovahs ist, leide, war es jedem Unbefugten verwehrt, davon zu essen. Denn hätte jedermann sie anrühren und sich davon sättigen dürfen, so wäre der Unterschied zwischen ihnen und gemeiner Speise dahin gefallen. Von dem Anteil der Priester gehörte nun vieles deren ganzer Familie, ausgenommen aber waren die eigentlich heiligen Stücke, damit man daran lerne, das Ganze mit Ehrfurcht zu behandeln. Ebendahin zielt die Anordnung, dass diese heiligen Stücke nicht im eigenen Hause des Priesters verzehrt werden durften: so hoben sie sich aus der Reihe gemeiner und gewöhnlicher Lebensmittel heraus. Aus demselben Grunde mussten auch alle Reste verbrannt werden: denn wenn das Fleisch etwa ranzig und das Brot schimmelig wurde, so hätte dies der Würde der heiligen Opfer Eintrag getan. Solcher kindlichen Erziehungsmittel, die doch zugleich die Sinne der Frommen höher empor führen sollten, bedurfte die Unreife des alttestamentlichen Volkes. Sie alle aber zielten dahin, dass keine Verderbnis sich in den Dienst Gottes einschleiche und ihn verächtlich mache.
Bekanntlich wurden zu den Schlachtopfern gewöhnlich noch Speisopfer gefügt, die aber außerdem auch als gesonderte Gabe vorkommen. Man durfte auch ohne Schlachtopfer reines Mehl darbringen, Trankopfer oder mit Öl bestrichene Kuchen. So wird denn hier außer dem eigentlichen Weiheopfer, von dem wir im vorigen Abschnitt hörten, noch eine zweite Gabe vom Priester gefordert: er soll in der Pfanne gerösteten und in Stücke gebrochenen Kuchen für seine Weihe darbringen. Dadurch erst scheint er ein rechter Vermittler für das ganze Volk geworden zu sein und konnte nun im Namen anderer darbringen, was er für sich selbst bereits abgemacht hatte. Übrigens besteht ein Unterschied zwischen der Gabe des Priesters und des Volkes: jene musste (V. 16) ganz verbrannt werden. Wahrscheinlich wollte Gott verhindern, dass aus dieser Darbringung ein leeres Schaustück würde, was nur zu leicht geschehen konnte, wenn der Priester doch zuletzt den größeren Teil davon hätte behalten dürfen. Dies war allerdings bei den Gaben des Volkes, wie wir später genauer sehen werden, der Fall (3. Mose 2, 3).
V. 5. Und der Herr redete mit Mose usw. Obgleich die Leviten die Stiftshütte selbst nicht betreten durften, sondern nur Diener der Priester waren, die sogar ziemlich niedrige Knechtsdienste tun mussten, wollte sie Gott doch in feierlicher Weise geweiht wissen, da sie ja mit den heiligen Gefäßen auch heilige Dinge trugen, die Opfertiere zurüsteten, die Asche hinwegräumten und überhaupt den Altar reinigten. Wie also das ganze Israel im Unterschied von den Heiden Gottes Eigentumsvolk war, so wurde aus ihm der Stamm Levi zum besonderen Eigentum erwählt. Damit aber die Leviten nicht über ihr Maß hinausgriffen, kommt Gott aller Selbstüberhebung zuvor: erstlich lässt er sie erst nach den Priestern geweiht werden; sodann nimmt nicht Mose, sondern Aaron ihre Weihe vor; endlich ist auch die Zeremonie eine andere. Ohne solche Unterschiede hätten sie vielleicht sich den Priestern gleich gedünkt: diese aber sind ganz und gar aus der Volksmasse herausgehoben, und ihnen gegenüber, deren Amt sie zu verehren haben, bleiben auch die Leviten gewöhnliche Laien. Sie sollen unter Aarons Autorität sich beugen, werden zwar durch Wasser und Opfer gereinigt, aber nicht mit Öl gesalbt.
V. 6. Nimm die Leviten aus den Kindern Israel, d. h. erhebe sie über das gewöhnliche Volk und mache sie zu einem besonderen Stamm. Diese Absonderung ließ dann die Leviten für den Dienst am Heiligtum bereit stehen. Wenn sich darauf der päpstliche Klerus beruft und behauptet, dass er durch und durch rein und von allen Gesetzen entbunden sei, um nach seiner eigenen Willkür zu leben, so ist das nicht bloß ein faules, sondern ein gottloses Geschwätz. Denn Christus hat dem alten Priestertum ein Ende gesetzt: und wenn jemand behauptet, ein Nachfolger jener Priester zu sein, so raubt er dem Herrn Christus sein Recht und tut so, als wäre in ihm noch nicht die volle Wahrheit erschienen.
V. 7. Also sollst du aber mit ihnen tun usw. Zuerst soll Aaron über die Leviten Sündwasser, d. h. das früher (Abschnitt 42) beschriebene Reinigungswasser sprengen, um sie von allem Schmutz zu reinigen. Außerdem aber sollen auch sie selbst ihre Kleider waschen, womit ihnen eingeprägt wird, dass sie sich um und um von jeder Befleckung, die sie unrein machen könnte, zu hüten haben. Drittens sollen sie alle ihre Haare rein abscheren, d. h. mit einem Schermesser über die ganze Haut fahren: so ziehen sie gleichsam ihr ganzes Fleisch aus und werden neue Menschen. Dazu wird dann das doppelte Opfer gefügt, um sie damit zu sühnen (V. 8). Denselben Sinn hat (V. 10) die Handauflegung. Nachdem dies alles geschehen, soll Aaron sie nach dem Rechte seiner Priesterwürde vor dem Herrn weben, d. h. ähnlich wie Brot und Weihrauch zum Opfer bringen. Damit sollte ihnen eingeprägt werden, dass sie nun nicht mehr sich selbst, sondern dem Herrn gehören, und dass sie ihre Dienste dem Heiligtum zu weihen hätten. Dass auch einige aus dem Volke (V. 10) den Leviten die Hände auflegen sollen, geschieht zum Zeichen der Rechtsübertragung: durch diese Zeremonie sollen alle Stämme ihre Zustimmung dazu ausdrücken, dass die Leviten in Gottes Eigentum übergehen und gleichsam ein Stück und Zubehör des Heiligtums werden. So werden wir alsbald sehen, dass die Leute aus dem Volke auch den Opfertieren die Hände auflegten, was freilich bei ihnen einen etwas anderen Sinn hatte als bei den Priestern.
V. 16. Sie sind mein Geschenk von den Kindern Israel usw. Damit die anderen Stämme sich nicht beklagten, dass der Volkskörper vermindert würde, verkündet Gott feierlich, dass er gegenüber dem Geschlechte Abrahams auf diese Leute einen Anspruch gewonnen: er erwarb sie sich (V. 17 f.), als er alle Erstgeburt in Ägyptenland schlug. Denn es war doch gewiss ein Wunder, dass in jenem allgemeinen Sterben die Erstgeburt der Kinder Israel und ihres Viehes verschont blieb. Gott rettete sie in besonderer Gnade, und so wurden sie durch diese Wohltat sein Eigentum. Allerdings scheint die Sache nicht mehr zu stimmen, und eine Überforderung einzutreten, da doch Gott für die Lösung der Erstgeburt schon einen Preis empfing (Abschnitt 34). Doch es bietet sich eine Lösung: bei der ersten Volkszählung (4. Mose 3, 39 ff.) wies die Zahl der Erstgeborenen in allen zwölf Stämmen einen kleinen Überschuss über die Zahl der Leviten auf. So wurde denn ein Umtausch vorgenommen: an Stelle von 22 000 Erstgeborenen nahm Gott ebenso viele Leviten als seine Diener an; nur der Rest von 273 Erstgeborenen musste gelöst werden. So ging alles nach voller Gerechtigkeit zu, und Gott legte dem Volke keine ungerechte Last auf. Aber um dieses ersten Austausches willen blieben doch nicht alle späteren Erstgeburten ein Eigentum des Volkes, sondern Gott behielt seinen Anspruch auf sie: und wenn er an ihrer Statt in alle Zukunft die Leviten annahm, so war dadurch das Volk nicht geschädigt.
V. 19. Und gab sie zum Geschenke Aaron und seinen Söhnen usw. Jetzt erklärt Gott, zu welchem Zweck er die Leviten haben will: sie sollen dem Aaron unterstellt werden und seinen Anordnungen sich fügen. Dabei wird ausdrücklich gesagt, dass dies zum Nutzen des ganzen Volkes dienen wird. So kann kein Neid aufkommen, da doch das Volk es schwerlich beklagen wird, dass Gott so freundlich für sein Wohlergehen sorgt. Der Nutzen ist nun ein doppelter: erstlich sollen die Leviten die Kinder Israel versöhnen, was entweder heißt, dass sie an ihrer Statt eintreten, oder dass sie bei dem priesterlichen Versöhnungswerk als Diener walten. Zweitens sollen sie als Wächter des Heiligtums verhindern, dass nicht die Kinder Israel in verwegenem Übermut herannahen, wodurch sie sich nur eine Plage, d. h. Strafe, zuziehen würden.
V. 24 f. Das ist´ s, das den Leviten gebührt. Hier werden die Lebensjahre festgesetzt, während deren die Leviten ihren Dienst zu verrichten hatten. Sie sollten mit fünfundzwanzig Jahren anfangen: denn hätte man noch jüngere Leute zugelassen, so hätte die Würde des Heiligtums leiden müssen. Leute, welche die volle Mannesreife noch nicht erlangt haben, sind ja nur zu oft ungezügelt und übermütig, oder leichtsinnig und gedankenlos und jedenfalls unerfahren, so dass sie vielerlei Verwirrung im Gottesdienst anrichten würden. Andrerseits musste der schwierige und körperliche Kraft erfordernde Dienst mit dem fünfzigsten Jahr aufhören. Will man aus alledem für das Hirtenamt der Gemeinde einen Schluss ziehen, so wird im Allgemeinen festzuhalten sein, dass man nicht jeden Beliebigen wählen soll, sondern nur Leute, die sich schon als gesetzt und maßvoll bewiesen haben, dass man aber auch anderseits niemanden über Gebühr ausnützen und mehr von ihm fordern soll, als er zu leisten vermag. An die genaue Angabe des Lebensalters sind wir freilich nicht gebunden.
In dieser Stelle wird ein doppeltes angeordnet: die Leviten sollen für den Dienst des Heiligtums und des Altars ausgesondert werden; dabei unterstehen sie aber den eigentlichen Priestern aus der Familie Aarons und dürfen ohne deren Ermächtigung oder Auftrag nichts tun. Wir haben nun schon gesagt, dass diese Erwählung des Stammes Levi dem Volke einprägen sollte, dass niemand ein so ehrenhaftes Amt verdient, sondern dass die Berufung von der Gnade des Gottes abhängt, der alles aus nichts schaffen kann. Dadurch wurde nicht nu der zudringlichen Frechheit gewehrt, sondern auch das ganze Volk darüber unterrichtet, dass man zum rechten Gottesdienst besonderer Gnadengaben bedarf. Sollten nur die Leviten zwischen Gott und das Volk treten, jeder andere aber nach dem Gesetze ausgeschlossen bleiben, so bedeutete dies einen Urteilsspruch über die Befleckung des ganzen Menschengeschlechts. Damit aber die Gedanken umso gewisser sich auf den einen Mittler richteten, behielt das Priestertum noch seine besondere Stelle, und hoch darüber erhob sich der Hohepriester. Dieses Gesetz diente zwar auch der Ordnung: denn wenn nicht die Masse von besonderen Führern regiert wird, ist sie immer unruhig und unbrauchbar. Vor allem aber sollte, wie wir nicht zweifeln, in Aarons Person Christi oberste Gewalt dargestellt werden. Wenn dies aber die Papisten als Vorbild auf die christliche Kirche ziehen und behaupten, dass nach göttlicher Ordnung die Bischöfe ein höheres Recht hätten als die einfachen Priester, und wenn sie vollends darauf die Obergewalt des römischen Stuhls gründen, so ist das eine Torheit. Denn die Wahrheit jener bildlichen Darstellung besteht doch einfach darin, dass alle Hirten der Gemeinde, die man heute aufstellt, dem Herrn Christus unter die Hand gegeben werden, und dass niemand sich eine Herrschaft anmaßen, sondern jedermann sich bescheiden halten und der Rechenschaft gewärtig sein soll, die er dem einigen Erzhirten wird geben müssen (1. Petr. 5, 4). So schließen wir, dass das Papsttum auf einem verbrecherischen Raub am Heiligen gegründet ist: denn man raubt Christo sein Recht, wenn man einen andern Nachfolger Aarons erdichtet. Einen Unterschied in der äußeren Stellung mag es um eines ordentlichen Regiments willen immerhin geben: aber er soll sich in mäßigen Grenzen halten, Christi Ruhm nicht verdunkeln, dem Ehrgeiz und der Tyrannei keinen Vorschub leisten und die brüderliche Gemeinschaft unter den Pastoren, die grundsätzlich gleiches Recht und gleiche Freiheit haben, nicht hindern. In diesem Zusammenhang erinnere ich an das apostolische Wort (Hebr. 5, 4): „Niemand nimmt ihm selbst die Ehre.“ Die rechten Diener der Gemeinde müssen ordentlich berufen sein.
V. 23. Nimm zu dir die beste Spezerei usw. Obgleich das hier beschriebene Öl nicht bloß zur Salbung der Priester, sondern auch der Stiftshütte, der Bundeslade, der Altäre und aller Geräte diente, so bietet sich doch hier der geeignetste Ort, die heilige Salbung als Anhang zum Priestertum zu behandeln. Zuerst wird die Bereitung des durch Kostbarkeit der Substanzen und Wohlgeruch ausgezeichneten Salböls beschrieben: die Kostbarkeit desselben sollte daran erinnern, dass es eine wahrlich nicht geringe Sache bedeutete. So wurden überhaupt dem rohen Volke glanzvolle und sinnberückende Symbole vor Augen gestellt, die es gleichsam stufenweise zur Betrachtung der geistlichen Wesenheit empor führen sollen. Warum nun der Priester sowie alle Geräte und manche Teile der Stiftshütte der Salbung bedurften, begreift sich leicht. Ohne Zweifel war das mit kostbaren Gerüchen durchtränkte Salböl ein Abbild des heiligen Geistes. Denn dieses Bild der Salbung begegnet uns häufig, wenn die Propheten Kraft, Wirkung und Gaben des Geistes rühmen. Und wenn Gott die Könige salben hieß, so wollte er damit ohne Zweifel bezeugen, dass er ihnen den Geist der Weisheit, Tapferkeit, Barmherzigkeit und Billigkeit schenke. So ergibt sich, dass aus der Salbung der Stiftshütte mit Öl die Kinder Israel lernen sollten, dass ohne das verborgene Wirken des heiligen Geistes alle Übungen der Frömmigkeit vergeblich sind. Vornehmlich aber wurde darin dargestellt, dass man die Kraft und Gnadenwirkung des Geistes werde greifen können, wenn die Wahrheit dessen offenbar würde, was die schattenhaften Zeremonien nur bedeuteten, und dass die dann erscheinenden Heilsgüter durch die Gabe des Geistes den Gläubigen würden angeeignet werden. Am Altar sollte man Versöhnung und Gottes Gnade suchen. Nun war aber, wie der Apostel bezeugt (Hebr. 9, 14), das Opfer des Todes Christi nur dadurch für die Versöhnung Gottes wirksam, dass Jesus durch den Geist gelitten hat. Und wie sollte die Frucht davon zu uns gelangen, wenn nicht der Geist mit dem einmal vergossenen Blut unsere Seelen besprengt (1. Petr. 1, 2)? Wer heiligt unsere Gebete, wenn nicht der Geist, der uns unaussprechliche Seufzer eingibt, und durch den wir rufen: Abba, lieber Vater (Röm. 8, 15)? Ja, woher kommt der Glaube, der uns der Güter Christi teilhaftig macht, wenn nicht aus demselben Geist? Vornehmlich müssen wir aber ins Auge fassen, dass der Priester selbst gesalbt wurde: so wird Christus zu seinem Amte durch Gottes Geist gesalbt, wie Jesaja (61, 1) sagt: „Der Geist des Herrn hat mich gesalbet.“ Weiter wird aber auch die Stiftshütte, das Abbild der Gemeinde, gesalbt: denn wir können der Heiligkeit Christi nicht anders teilhaftig werden, als durch die Gabe und das Wirken seines Geistes. Übrigens liegt (V. 29) wiederum eine verschiedene Übersetzung vor. Manche übersetzen: „Wer sie anrühren will, der soll geweihet sein.“ Es wird aber vielmehr (siehe zu 29, 37) gemeint sein, dass die Stiftshütte mit ihren Geräten den Opfergaben ebenfalls Heiligkeit mitteilt.
V. 25. Ein heiliges Salböl, buchstäblich „ein Salböl der Heiligkeit“, welches Heiligkeit mitteilt. So heiligt uns der Geist Gottes mit unserm ganzen Wesen, und außer ihm sind wir unheilig und verderbt. Diese Zeremonie soll nun (V. 31) bei den Nachkommen Israels gelten, also (wie man wohl zwischen den Zeilen lesen darf) nicht mehr bei der Gemeinde des neuen Bundes, welche statt des Schattenbildes das Wesen selbst besitzt. Und weil der Sohn Gottes durch sein Kommen jene Schattenbilder beseitigt hat, heißt er mit Recht Christus, d. h. der Gesalbte. Wenn man also im Papsttum noch immer Priester und Altäre salbt, so ist dies soviel, als wollte man Christum mit solchen törichten Salbereien wiederum begraben, - Damit nun dem heiligen Salböl die gebührende Ehre bleibe, soll eine gleiche Zusammensetzung nicht für profane Zwecke z. B. für üppige Gastmähler verwendet werden (V. 32): denn es ist heilig, darum soll´ s euch heilig sein. Wenn auch die von Gott verordneten heiligen Dinge immer ihre Natur behalten, die kein Fehler von unsrer Seite beflecken oder austilgen kann, so beflecken wir uns doch, so viel an uns ist, durch unreinen Missbrauch und Gleichgültigkeit.
Die Weihe und Einkleidung der Priester wird hier noch durch eine Bestimmung über den Ort und die bei zu ziehenden Zeugen genauer beschrieben. Die ganze Gemeine (V. 3) soll zur Stiftshütte entboten werden. Dann soll man Aaron mit seinen Söhnen vor sie stellen, damit Gott sie in ihr Amt einsetze, zugleich aber das Volk anerkenne, dass es also geschehen sei. Wenn sie daran (V. 4 ff.) sofort die Mitteilung schließt, dass Mose nach diesem Befehl des Herrn getan habe, so deutet dies doch ohne Zweifel auf einen späteren Zeitpunkt, da zuvor die Stiftshütte schon feierlich eingeweiht sein musste. Ich werde also in diesem Zusammenhange der Geschichte später darauf zurückkommen.
V. 1. Sage den Priestern usw. Was hier verordnet wird, zielt alles darauf, dass die Priester, die doch über die gemeine Masse erhoben waren, sich auch durch offenkundige Zeichen vom Volke wirklich abheben sollten. Wenn sie Christi Person darstellten, so ziemte ihnen eine einzigartige Reinigkeit. Freilich scheint die Verordnung sich mit gar zu gleichgültigen Dingen zu beschäftigen: aber alle solche gesetzliche Vorschriften sollten eben Stufen sein, auf denen die Kinder Israel zur Betrachtung der wahren Heiligkeit emporstiegen. Hat es auch von je her seine Wahrheit, dass die leibliche Übung nicht viel nütze ist (1. Tim. 4, 8), so gewinnen doch die Schattenbilder des Gesetzes ihren Nutzen von dem Zweck, auf den sie gerichtet sind. Darum sollte man es auch mit Kleinigkeiten, an denen sonst dem Herrn gewiss nicht viel gelegen war, genau nehmen. Und hier empfingen die Priester eine Erinnerung, dass sie, wollten sie anders gewissenhaft ihr Amt verwalten, in ganz besonderer Weise nach Heiligkeit streben müssten. Insbesondere aber wollte Gott an ihnen seinem Volke ein Bild der vollkommenen Heiligkeit vor Augen stellen, welche endlich in Christo offenbar geworden ist. Die erste Vorschrift verwehrt den Priestern die Trauer über einen Toten, und zwar dem obersten Priester (V. 11) ganz allgemein, den Söhnen Aarons erlaubt Gott sie wenigstens nur in sehr engen Grenzen: ein Priester soll sich an keinem Toten seines Volkes verunreinigen, d. h. er soll nicht die Trauergebräuche auf sich nehmen, noch das Leichenbegängnis mitmachen. Denn im Tode eines Menschen offenbart sich Gottes Fluch, so dass die Berührung eines Leichnams unrein macht. Zudem führt ein immer wieder aufgestachelter Schmerz nur zu leicht zu sündhaften Gemütsbewegungen. Wenn nun Gott bei dem Volke im Allgemeinen sich mit der Warnung begnügt, dass es nicht in die verkehrten heidnischen Trauergebräuche verfallen soll, so wird von den Priestern noch mehr verlangt: sie sollen sich auch der Trauer enthalten, die anderen erlaubt war. Dieses Gebot ist alsbald aus Anlass eines bestimmten Falles wiederum eingeschärft worden. Als nämlich Nadab und Abihu, welche ein Räucheropfer mit fremdem Feuer dargebracht hatten, durch das Feuer des Himmels verzehrt wurden, erlaubte Gott dem ganzen Volke, nicht aber den Priestern, sie zu beklagen (3. Mose 10, 2. 7). So wurde denn von neuem festgestellt, dass Priester nicht durch Totentrauer sich verunreinigen sollen. Im Allgemeinen galten für den gewöhnlichen Priester allerdings gewisse Ausnahmen (V. 2 f.): an seinem Blutsfreunde, der ihm am nächsten angehört, als an seiner Mutter, an seinem Vater, an seinem Sohne, an seiner Tochter, an seinem Bruder und an seiner Schwester, die noch eine Jungfrau und noch bei ihm ist, … mag er sich verunreinigen, d. h. der Trauer sich hingeben. Damit kam Gott der menschlichen Schwachheit entgegen, die sonst vielleicht zu einem ganz maßlosen Ausbruch geführt hätte, und unterschied die Priester doch von dem gemeinen Volke. Nur in jenem besonderen Falle durften sie nicht einmal ihre Brüder betrauern, sondern mussten ihre Zustimmung zu Gottes schrecklichem Urteil bezeugen. Die ganze Vorschrift hat nun den Sinn, dass die Priester nicht von ihrem Amte abgehalten werden sollten: denn mit Totentrauer durften sie das Heiligtum nicht betreten. Darum droht ihnen Gott den Tod an, wenn sie nicht auch bei der Trauer um die nächsten Verwandten Maß zu halten wissen. Freilich ist es eine seltene Tugend, seine Gefühle so im Zaum zu halten, dass auch der Schmerz um Brüder und Freunde nicht das Gleichgewicht der Seele stört: aber darin sollten eben die Priester ihre besondere Frömmigkeit beweisen. Enthielten sie sich der Trauer, so gaben sie zudem ein Zeugnis für die Hoffnung auf fröhliche Auferstehung, und das Volk fand bei ihnen einen Trost in seiner Traurigkeit. Dies ist in Christo in voller Wahrheit erfüllt worden, der nicht bloß Traurigkeit, sondern den äußersten Schrecken des Todes ertragen hat, aber alle Anfechtung überwand und herrlich über den Tod triumphierte: so verscheucht das bloße Gedenken an sein Kreuz alle Trauer und macht uns fröhlich. – Wenn es heißt (V. 6): die Priester sollen nicht entheiligen den Namen ihres Gottes, und vom Hohenpriester (V. 12): aus dem Heiligtum soll er nicht gehen, so sehen wir daraus ganz deutlich, dass die Totentrauer den Priestern eben deshalb untersagt wurde, damit sie nicht von ihrem Amte fern bleiben müssten. Denn die Entstellung des Angesichts und der Kleidung, die dabei üblich war, hätte Gottes Heiligtum, in welchem nichts Hässliches sich sehen lassen durfte, in der schändlichsten Weise verunreinigt, und Leute in solchem befleckten Zustande hätten nicht Gebete für das Volk darbringen können. Sie mussten also rein sein, um allezeit ihres Amtes warten und bei dem Heiligtum weilen zu können, zu dessen Wächtern sie bestellt waren. Dass dieses Schattenbild in Christo erfüllt wurde, geht aus der Begründung hervor, welche unser Text gibt: denn die Weihe des Salböls seines Gottes ist auf ihm. Damit will Gott sagen, dass die Herrlichkeit und der Glanz seines Hohenpriesters durch keinen Schatten getrübt und entweiht werden darf.
V. 5. Sie sollen auch keine Platte machen auf ihrem Haupt. Was schon allen Volksgliedern verboten war, verwehrt Gott den Priestern noch ausdrücklich, um sie in ganz strenger Zucht zu halten. Für den Hohenpriester lautet es noch ganz eigenartig (V. 10): der soll sein Haupt nicht blößen und seine Kleider nicht zerreißen, was doch den Söhnen Aarons an andern Stellen erlaubt wird. Sicherlich ziemte es sich, dass der Hohepriester ein besonderes Zeichen von Mäßigung und Würde gab: so wird ihm die Unvergleichlichkeit seines erhabenen Amtes und seine Pflicht eingeprägt. Alles in allem: weil das Priestertum ein Heiligtum Gottes ist, darf es mit verunreinigenden Dingen sich nirgends berühren.
V. 9. Und Mose schrieb dies Gesetz usw. Ohne Zweifel hat Mose das Gesetzbuch den Leviten in Verwahrung gegeben, um sie mit dem Lehramt zu betrauen. Lautete die ausdrückliche Vorschrift auch nur (V. 10 ff.), dass sie in jedem siebenten Jahre das Gesetz dem Volke vorlesen sollten, so müssen wir doch annehmen, dass ihnen auch dessen regelmäßige Verkündigung oblag. Denn es wäre doch töricht gewesen, in der Zwischenzeit das Gesetz gleichsam zu begraben, und es hätte auch nicht viel geholfen, es vor der ungeheuren Volksmasse im siebenten Jahre zu lesen: man hätte nichts davon gehört und noch weniger behalten. Vielmehr sollte jene feierliche Verlesung, die in jedem Erlassjahr geschah, dem Volke ein Zeichen sein, dass es die Weisungen für die Verehrung Gottes überhaupt bei den Leviten holen sollte, die zu Hütern des Gesetzes bestimmt waren und jederzeit daraus mitzuteilen hatten, was gerade zu wissen nötig war. So wird uns hier gleichsam in einem Spiegel vor Augen gestellt, was Paulus sagt (1. Tim. 3, 15): „Die Gemeinde Gottes ist die Säule und Grundfeste der Wahrheit.“ Denn durch den Dienst der Hirten geht die reine Lehre in der Welt im Schwange und wird fortgepflanzt; und umgekehrt wäre es mit aller Religion bald am Ende, wenn die lebendige Predigt der Lehre aufhörte. Darum weist derselbe Paulus (2. Tim. 2, 2) den Timotheus an, dass er die gesunde Lehre, deren Diener er war, treuen Menschen befehlen solle, die da tüchtig wären, auch andere zu lehren. Dass aber nicht bloß die Leviten, sondern auch die Ältesten Israels das Gesetz bewahren sollten, hat seinen guten Sinn. Überkamen sie auch kein Lehramt, so waren sie doch den Leviten als Gehilfen beigegeben, damit sie die Lehre des Gesetzes schirmten und nicht zum Spott werden ließen. Wissen wir doch, wie frech das Volk fromme Lehrer verwirft, wenn seine Führer es nicht in Schranken halten: und sicherlich erfüllt die Obrigkeit nicht ihre Pflicht, wenn sie nicht die Untertanen, die sonst nur zu leicht der Gottlosigkeit sich ergeben, zum Eifer in der Frömmigkeit anhält. Übrigens versteht hier unter dem „Gesetz“ Mose nicht die in zwei Tafeln verfassten zehn Worte, sondern deren in vier Büchern niedergelegte Auslegung, die neununddreißig Jahre nach der Offenbarung Gottes auf Sinai niedergeschrieben wurde. Nun folgt die schon früher (Abschnitt 11) ausgelegte Weisung (V. 10), dass am Ende jedes Erlassjahres das Gesetz öffentlich verlesen werden sollte. Es wird nützlich sein, darüber noch einiges zu bemerken. Dieses siebente Jahr wurde für diesen Zweck bestimmt, weil in demselben Männer und Weiber ohne Schädigung ihres Hauswesens nach Jerusalem zusammenströmen konnten: denn es gab keine besondere Arbeit, da man weder säte noch erntete, und die gesamte Landwirtschaft still stand. So war freie Zeit für eine Feier des Laubhüttenfestes, in welcher Gott lebendig seinem Volke vor Augen stellte, wie wunderbar er die Väter in der Wüste behütet hatte. Zum Gedächtnis dieser Wohltat sollte man freilich in jedem Jahre feiern, indem man eine ganze Woche außerhalb der Häuser unter Baumzweigen weilte. Aber im Sabbatjahr, wenn zu Hause nichts zu tun war, konnte man am leichtesten von allen Seiten nach Jerusalem kommen, um in der Versammlung großer Scharen seine Dankbarkeit noch besser zu bezeugen. Darum wird hinzugefügt (V. 11): wenn das ganze Israel kommt. In solcher Versammlung musste der Vortrag des Gesetzes einen besonderen Eindruck hinterlassen: es wurde einer des anderen Zeuge, falls jemand von dem jetzt öffentlich erneuerten Bunde abfiel. Darum heißt es nachdrücklich (V. 12), dass das Gesetz gelesen werden solle vor der Versammlung des Volks, der Männer und Weiber, Kinder usw. Und zwar soll es so gelesen werden, dass sie es hören, d. h. verstehen und einen Nutzen davon haben. Denn freilich handelt es sich nicht um ein hohles und trügerisches Schauspiel, wie man im Papsttum mit voller Kehle Bibelabschnitte in unbekannter Sprache herunter schreit, womit man den Namen Gottes nur entweiht. Der Herr aber will seine Lehre darum erschallen lassen, damit er sich Jünger gewinne, wie es heißt: und lernen den Herrn, euren Gott, fürchten. Diese Furcht Gottes birgt dann ohne Zweifel auch Glauben in sich, ja sie entspringt erst aus rechtem Glauben. Mit diesem Wort will also Mose sagen, dass das Gesetz gegeben sei, um die Menschen zur Frömmigkeit und wahren Anbetung Gottes zu erziehen. Denn die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang, und man kann Gott nur dann recht verehren, wenn man zuvor sein Wort vernommen hat. – Wenn es sich um die Teilnahme an den Heiligtümern Israels handelt, so ist unter einem Fremdling nicht jeder beliebige Heide zu verstehen, sondern nur ein solcher, der sich zum Herrn bekannt hatte und durch die Beschneidung in die Gemeinde aufgenommen war. Denn ohne dies hätte er nicht in die Versammlung der Gläubigen kommen dürfen. Darum heißt es auch: der in deinem Tor ist, d. h. der in deiner Stadt wohnt und sich ganz deinem Volke angeschlossen hat. Wenn endlich noch (V. 13) an die Kinder erinnert wird, so will Gott damit für die Fortpflanzung der gesunden Lehre und seiner reinen Verehrung sorgen. Und in der Tat müssen alle Anbeter Gottes besondere Sorgfalt darauf wenden, auf die Nachkommenschaft fortzupflanzen, was sie empfangen haben. Das ist freilich nicht so zu verstehen, als solle unterschiedslos jede von den Vätern überkommene Lehre weitergegeben werden: vielmehr sollen die Nachkommen lernen den Herrn fürchten, der die alleinige Autorität über Väter wie Kinder behauptet.
V. 9. Jetzt wird ein zweites Stück der priesterlichen Reinigkeit eingeschärft: Aaron und seine Söhne sollen keinen Wein noch starke Getränke trinken. Darunter werden in erster Linie alle berauschenden Getränke zu verstehen sein, des weiteren aber auch alle süßen und üppigen Fruchtsäfte, die bei den Morgenländern fast ebenso verlockend wirkten. In diesem Stück mussten also die Priester während ihres Dienstes die gleiche Regel auf sich nehmen, wie die Nasiräer. Während sie unbedenklich sich von den besten Speisen nähren durften, sollte als Trank ihnen das Wasser genügen: dies war die beste Anleitung zur Mäßigung überhaupt; denn wer im Essen unmäßig ist, begehrt auch reichlich Wein. Und während ein übermäßiges Trinken immer neue Begier erregt, muss man mit dem Essen in der Regel aufhören, wenn man eben satt ist. Darum wurde den Priestern die Enthaltsamkeit von starken Getränken anbefohlen, nicht bloß um der Trunkenheit vorzubeugen, sondern um sie in jeder Hinsicht in maßvollen und einfachen Schranken zu halten. Insbesondere allerdings mussten sie durch und durch nüchtern sein: denn der Trunk schwächt die Schärfe des Geistes und die Richtigkeit des Urteils und drückt den Menschen überhaupt auf eine niedrigere Stufe. Man sieht an ihm, wie stark die Menschen zu allerlei Verkehrtheiten neigen. An sich ist der Wein eines der allergesündesten Nahrungsmittel: aber viele schwächen durch das Übermaß seines Genusses ihre Kraft und ihren Verstand, werden dadurch trägen Geistes und schlaff; so entsteht entweder ein fast tierischer Stumpfsinn oder unsinnige Rasereien. Es wird also den Priestern ein Genuss, für den sie Gott hätten danken können, um des sündhaften Missbrauchs willen untersagt. Darin liegt ein Misstrauen gegen ihre Fähigkeit, die Wohltaten Gottes maßvoll zu gebrauchen. Allerdings galt das Verbot nur, wenn sie in die Hütte des Stifts gingen: dabei (V. 10) sollten sie unterscheiden können, was heilig und unheilig usw. Um des willen sollten ja die Lehrer des Volkes allezeit nüchtern sein; indessen begnügte sich Gott, um sie nicht durch Überforderung unlustig zu ihrem Amte zu machen, mit der Vorschrift zeit weiser Enthaltsamkeit. Darin lag dann die Mahnung, dass sie auch in der übrigen Zeit Maß halten sollten: denn wer gegen die Gesundheit und Klarheit seines Geistes sündigt, kann nie ein rechter Lehrer sein; wer in Schlemmerei seinen Leib mästet, verliert die für das Lehramt unerlässliche Beweglichkeit des Geistes. Übrigens ersehen wir auch aus unserer Stelle, was Maleachi (2, 7) sagt, dass die Priester Ausleger des Gesetzes und Engel oder Boten des Herrn Zebaoth waren, nicht aber stumme Larven. War auch das geschriebene Gesetz vorhanden, so sollte doch nach Gottes Willen in seiner Gemeinde ununterbrochen auch die lebendige Verkündigung erschallen, gleichwie heute heilige Schrift und Predigt untrennbar zusammengehören.
V. 7. Sie sollen keine Hure nehmen usw. In dem Ehestande des Priesters wird uns jetzt ein drittes Stück seiner Reinigkeit vor Augen gestellt: sein Haus soll ehrbar und frei von allem Schimpf sein. So verordnet Gott auch heute durch den Mund des Paulus (1. Tim. 3, 2; Tit. 1, 6), dass die Hirten ihr Haus gut regieren und züchtige und bescheidene Weiber, sowie wohl erzogene Kinder haben sollen. Der Grund ist einleuchtend: durch Anstöße in ihrem Hause würden die Leiter der Gemeinde selbst verächtlich werden und ihren Einfluss verlieren. Insbesondere aber wurde die alttestamentliche Vorschrift im Vorausblick auf Christi Priestertum gegeben, welches keiner Verachtung verfallen durfte. Das Gesetz strafte es zwar nicht, wenn jemand eine von ihrem Manne verstoßene Frau ehelichte: aber vor Gott war solche Ehe unerlaubt. Eine geschwächte, d. h. geschändete Frau zu heiraten, war einem Privatmann unverwehrt: aber was dem Volke erlaubt war, machte Gott den Priestern zur Sünde, um sie über jede Berührung mit der Schande zu erheben. Denn ein Priester ist heilig seinem Gott, der ihn sich erwählt hat. Hätte er nicht als eine durchaus ehrwürdige Persönlichkeit vor dem Volke stehen können, so wäre die ganze Religion in Verachtung geraten. In diesem Sinne prägt Gott ein, dass die sittliche Unantastbarkeit des heiligen Amtes auf die Heiligkeit des ganzen Volkes zielt (V. 8): Ich bin heilig, der Herr, der euch heiligt. Aus diesen Worten ersehen wir, dass die Gnadengabe der Annahme zur Kindschaft, durch welche das Volk Gottes Eigentum wurde, auf das Priestertum gegründet war.
V. 13. Vom Hohenpriester wird noch mehr verlangt: er soll eine Jungfrau zum Weibe nehmen, nicht eine Witwe, und auch nur (V. 14) eine Jungfrau aus seinen Leuten, d. h. aus seinem Stamme. Allerdings lässt sich zweifeln, ob unter seinen Leuten nicht überhaupt seine Volksgenossen zu verstehen sind. Aber wenn lediglich verordnet werden sollte, dass er seine Frau aus den Kindern Abrahams zu nehmen hätte, so würde ja von dem Hohenpriester nichts Besonderes gefordert sein. Mögen darum selbst die Priester der ersten Ordnung ihre Frauen aus dem ganzen Volke gewählt haben, wie Zacharias die Elisabeth aus dem Stamme Juda heiratete, so dürfte doch der Hohepriester noch an ein besonderes Gesetz gebunden gewesen sein, welches allen Nachfolgern Aarons gelten sollte. Mag dem aber sein, wie ihm wolle, so musste man an dem Hohenpriester jedenfalls eine ganz besondere und vollkommene Heiligkeit sehen, da er in besonderem Grade ein Abbild Christi war. Darauf deutet die Beschränkung, dass er nur eine Jungfrau heiraten durfte, die noch nie einem andern Manne gehört hatte: sie allein besaß die ihrem Stande und ihrer Umgebung geziemende Würde. Freilich war nicht gemeint, dass ein vielleicht schon alter und schwacher Hohepriester eine Jungfrau zartesten Alters ehelichen dürfe, woraus nur Eifersucht und allerlei verkehrtes Wesen hätte entstehen müssen. Aus dem Geiste des ganzen Gesetzes versteht sich von selbst, dass er sich ganz besonders an die natürlichen Regeln des Anstandes und der Würde halten und nur eine im Alter einigermaßen entsprechende Jungfrau zum Weibe nehmen sollte. Fand er eine solche nicht, so sollte er gewiss nach dem Geiste dieses Gesetzes lieber im ehelosen Stande bleiben, als sich dem allgemeinen Gespött aussetzen.
V. 9. Wenn eines Priesters Tochter usw. Auch die Töchter des Priesters sollen ehrbar und züchtig leben; und der einzelne Fall, der hier verzeichnet wird, soll doch gewiss eine allgemeine Mahnung sein, dass ein Priester seine Kinder in rechter Zucht zu allen Tugenden und ehrbaren Sitten anhalten soll. Falls die Tochter eines Priesters sich Ausschweifungen ergibt, wird ihr eine besonders schwere Strafe verordnet: denn sie hat nicht bloß der Lust gefrönt, sondern auch das Heiligtum Gottes geschändet. Ein Priester, der an seiner Tochter dergleichen duldete, wäre gewiss nicht der rechte Mann gewesen, ein hässliches Leben anderer zu strafen. Wenn er nicht in seinem eigenen Hause den Anfang machte, das Verbrechen zu strafen, waren seine Hände gebunden.
V. 17. Rede mit Aaron usw. Priester, die ein offensichtliches körperliches Gebrechen hatten, durften nicht am Altar dienen. Auf eine genauere Besprechung der von Mose aufgezählten Gebrechen können wir verzichten, - genug, dass hier dieselbe Regel gegeben wird, wie alsbald bei den Opfern, die durch und durch tadellos sein mussten. Alles Gebrechliche oder Verstümmelte wies Gott zurück, um den Kindern Israels einzuprägen, dass kein Opfer zur Sühne der Sünden ausreichte, bei dem sich nicht die höchste Vollkommenheit fand. Solche Vollkommenheit wird nun mit Recht auch vom Priester verlangt, der zwischen Gott und Menschen doch nur vermitteln kann, wenn er von jeglichem Gebrechen frei ist. Dabei soll man von dieser äußerlichen Verordnung einen Schluss auf die geistliche Vollkommenheit ziehen, die allein in Christo war. Konnte Gott an seinen Priestern keinen Mangel dulden, so musste man schließen, dass ein Mensch von engelhafter Reinheit zu erwarten war, der Gott mit der Welt versöhnen würde. Es gilt also, die hier verzeichneten körperlichen Fehler auf die Seele zu übertragen. Dass ein gebrechlicher Priester nicht das Brot seines Gottes opfere, wird nur beispielsweise gesagt: tatsächlich bezieht sich das Verbot auf alle priesterlichen Funktionen des gesetzlichen Kultus, wie ja (V. 21) einem mit Gebrechen behafteten Priester überhaupt verwehrt wird, zu opfern die Opfer des Herrn. Früher sahen wir bereits (Abschnitt 41), dass Leute mit gewissen Fehlern nicht einmal den Vorhof des Heiligtums betreten durften, wie viel weniger durften dann Priester mit ihren Gebrechen das Heiligtum beflecken! So wird es deutlich, wie unerlässlich Christi Eintreten für uns ist: wüsche nicht seine vollkommene Reinheit unsern Schmutz ab, so könnten alle unsre Opfer nur unrein und hässlich sein. Wenn jeder Fehler befleckend auf Gottes Heiligtum wirkt, so versteht sich von selbst, dass Gott alles als unheilig von sich weist, was die Menschen ihm von sich aus bringen. Wie viel weniger können sie vollends durch irgendein Verdienst seine Gunst gewinnen!
V. 22. Doch soll er das Brot seines Gottes essen. Von ihrem Anteil am Opfer sich zu nähren bleibt gebrechlichen Priestern unverwehrt: eigentlich unrein, so dass sie an den heiligen Mahlzeiten nicht hätten teilnehmen dürfen, waren sie nicht; nur als Mittler und Versöhner durften sie nicht vor Gottes Angesicht treten. Darin verrät sich die Unvollkommenheit des Gesetzes, in welchem der volle Ausdruck der Wahrheit noch nicht vorliegt. Wenn hier Gabe und Aufgabe um der Fehler der Menschen willen noch auseinander gerissen werden kann, so ist dies eine Erinnerung, dass man noch eines anderen Priesters warten sollte, der alle Tugend und Vollkommenheit in sich vereinigte. Endlich (V. 24) merkt Mose an, dass er solches nicht bloß zu Aaron und zu seinen Söhnen redete, sondern zu allen Kindern Israel : auch der Geringste sollte beurteilen können, ob ein Priester einen Fehl hatte.
V. 1. Und der Herr redete mit Mose usw. Hier ist von äußeren Zufällen die Rede, durch welche von Natur reine und unversehrte Leute unrein werden können. Auch wer davon betroffen wird, soll von seinem priesterlichen Walten abstehen, bis er wieder gereinigt ist. Freilich scheint solche besondere Vorschrift für die Priester überflüssig, wenn doch schon für das ganze Volk verordnet war (Abschnitt 42), dass kein Unreiner die andern anstecken solle. Weil aber Menschen, die einen Ehrenposten inne haben, nur zu leicht die Gnadengabe Gottes missbrauchen, um desto unbedenklicher zu sündigen, so beugt Gott durch ein ausdrückliches Gesetz vor: die Priesterwürde sollte nicht zum Deckmantel von Verbrechen werden, und kein Priester sollte sich den Vorzug anmaßen, im unreinen Zustande von den Opfern zu essen, die doch nur reine Volksglieder darbringen durften. Und um den Frevel desto abscheulicher erscheinen zu lassen (V. 3), droht Gott einem Priester, der sich mit einer Befleckung an die heiligen Handlungen heranmacht, den Tod. Wer sich nicht gescheut hätte, den Dienst Gottes der Verachtung preiszugeben, sollte also wenigstens durch Furcht vor Strafe aufgeweckt und mit Gewalt zu seiner Pflicht angehalten werden. Damit sie ja nicht glauben, sie dürften sich mehr erlauben als das gemeine Volk, schärft Gott den Priestern mit aller Klarheit ein (V. 9): sie sollen meine Sätze halten. Je höherer Ehre Gott sie gewürdigt hat, desto eifriger müssen sie sich in den Übungen der Frömmigkeit zeigen: die priesterliche Würde macht die Schuld nicht leichter, sondern verpflichtet nur zu umso genauerer Beobachtung des Gesetzes.
V. 10. Kein andrer soll von dem Heiligen essen usw. Auch diese Verordnung muss die Majestät der Heiligtümer gegen Verachtung schützen. Hätte jedermann von dem Brote und den anderen Opfergaben essen dürfen, so wäre für das Bewusstsein des Volkes jeder Unterschied von gemeiner Speise geschwunden. Und wäre der Habsucht der Priester nicht ein Riegel vorgeschoben worden, so wäre sicherlich ein schmählicher Handel eingerissen: man hätte die heiligen Speisen zum Verkauf ausgeboten, und das Haus des Priesters wäre zum Delikatessladen geworden. Denn das Fremde nicht von den Opfergaben essen sollen, wird nicht sowohl um ihretwillen, als um der Priester willen verboten, die sonst vielleicht einen Handel angefangen oder wenigstens aus Gefälligkeit gegen ihre Gastfreunde den heiligen Dienst Gottes gedankenlos der Verachtung preisgegeben hätten. Darum verwehrt das Gesetz, dass des Priesters Beisaß, oder Tagelöhner von den heiligen Gaben esse: Haussklaven, die ganz und gar zur Familie gehörten, hatten aber daran Anteil. Dagegen wurden selbst Töchter von Priestern (V. 12), die in einen anderen Stamm heirateten, zu den Fremden gerechnet. Alles in allem: was mit dem Gottesdienst zusammenhing, sollte mit Ehrfurcht behandelt werden; dazu gehörte aber auch, dass man die in den Tempel gebrachten Gaben von gemeiner Speise unterschied. Gewiss durften die Priester, wie alle Menschen, essen, was man überhaupt aß. In diesem Stück aber mussten sie sich besonders halten, um Christi Heiligkeit darzustellen.
V. 14. Wer sonst aus Versehen von dem Heiligen isset usw. Es könnte auffällig erscheinen, dass jemand, der von den Opfergaben aß, dem Priester noch Ersatz leisten sollte. Denn ein Priester, der die heiligen Spenden gleichgültig behandelte, verdiente doch eher Strafe als Lohn. Aber es handelt sich um eine Strafbestimmung für diejenigen, welche dem Priester nicht seinen gesetzlichen Anteil gelassen hatten. Wir werden sehen, dass demselben ein bestimmter Anteil von Gott zugesprochen war, den man beiseite legen musste, ehe man selbst vom Opfertier etwas aß. Wer hierin etwas versehen hatte, soll dem Priester entsprechenden Ersatz leisten und das fünfte Teil dazutun. Der Zweck ist deutlich: hätte man die dem Herrn gebrachten Gaben wiederum dem gemeinen Gebrauch überlassen, so hätte die Religion ihre Würde verloren. Was dann folgt (V. 15): auf dass sie nicht entheiligen das Heilige der Kinder Israel, das sie dem Herrn heben, bezieht sich auf die Priester. Dies wird auch durch eine richtige Übersetzung des nächsten Verses bestätigt (V. 16): auf dass sie (d. h. die Priester) nicht die Missetat und Schuld auf sie (d. h. auf das Volk) laden, wenn sie ihr Geheiligtes essen. Das will sagen, dass unachtsame Priester nicht etwa die Schuld auf das Volk schieben sollen, wenn ein Unreiner an die dem Herrn geweihten Speisen gerät. Denn wie der Priester als Friedensstifter zwischen Gott und Menschen stehen kann, so ist anderseits ein unfrommes Verhalten, das er sich zu Schulden kommen lässt, ein Schandfleck, der auch andere ansteckt. Darum prägt Gott wiederum ein: denn Ich bin der Herr, der sie heiliget. Je höher die Ehre ist, deren Gott die Priester würdigte, desto schwerer und unentschuldbarer ist ihr Vergehen, wenn sie ihrem Beruf nicht entsprechen.
Wenn der Priester in seinem ganzen Leben würdig und ehrbar wandeln soll, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn Gott bei den heiligen Verrichtungen noch eine besondere Achtsamkeit fordert. So lernten wir bereits die Verordnung kennen, dass die Priester beim Betreten der Stiftshütte Unterkleider tragen sollten, um den Anstand zu wahren. Außerdem aber sollen sie auch nicht auf Stufen zum Altar emporsteigen, damit man diese Unterkleider nicht sehe, durch deren Anblick die Würde der heiligen Handlungen hätte leiden müssen. So leitet Gott die Kinder Israel auf alle Weise an, sich bei seinem heiligen Kultus tadellos und züchtig zu halten.
V. 22. Und der Herr redete mit Mose usw. Hier wird ein Stück des priesterlichen Dienstes beschrieben, dessen im Gesetz öfter Erwähnung geschieht. Gott sagt, dass er Priester geschaffen habe, die das Volk segnen sollen. Darauf scheint auch David anzuspielen (Ps. 118, 26): „Wir segnen euch, die ihr vom Hause des Herrn seid.“ Diese Lehre ist den Gläubigen besonders nützlich: nun dürfen sie sicher wissen, dass der Gott, der Zeugen und Herolde seiner väterlichen Gesinnung aufstellt, ihnen gnädig ist.
Das Wort „segnen “ bedeutet oft ebenso viel wie Gutes wünschen und bezeichnet dann eine allen Frommen gemeinsame Pflicht. Der hier gemeinte Ritus war aber ein wirksames Zeugnis der Gnade Gottes: es sollte sein, als redete aus dem segnenden Munde der Priester Gott selbst. Das ist aber in Christo wahrhaftig erfüllt worden, als er (Lk. 24, 50) nach der feierlichen Weise der gesetzlichen Vorschrift seine Hände aufhob, um die Jünger zu segnen. Unsere Vorschrift gibt also den Priestern einen Auftrag Gottes, ihn mit dem Volke zu versöhnen: sie stellen Christi Person dar, welcher allein der rechte Bürge des göttlichen Segens du der göttlichen Gnade ist. Bemerkenswert ist übrigens, dass die Priester (V. 23) den Segen Gottes zu den Kindern Israel mit vernehmlicher Stimme sagen, nicht aber halblaut hermurmeln sollen. Es handelt sich also um eine klare Predigt der göttlichen Gnade, welche das Volk im Glauben auffassen sollte.
V. 24. Der Herr segne dich. Der Segen Gottes ist seine tätige Güte: denn seine Gnade ist der Quell, aus dem uns die Fülle aller Güter zufließt. Wenn es dann weiter heißt: und behüte dich, so lernen wir, dass Gott allein seine Gemeinde hüten und unter seinem Schutze bergen kann. Weil man aber von Gottes Gnade erst wirklich etwas hat, wenn man sie empfindet und erfährt, wird hinzugefügt (V. 25): der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir. Denn ein größeres Glück gibt es nicht, als Gottes freundliches Angesicht zu sehen, wie es im Psalm (4, 7) heißt: „Viele sagen: wer wird uns Gutes sehen lassen? Aber, Herr, erhebe über uns das Licht deines Antlitzes!“ Ich verstehe also diesen Segensspruch so, dass das Volk die Süßigkeit der göttlichen Güte fühlen und schmecken möge, die es fröhlich macht, wie der Glanz der Sonne, der bei heiterem Himmel über die Erde strahlt. Sofort aber werden wir wiederum an die eigentliche Quelle geführt: und sei dir gnädig. Allein Gottes freie Barmherzigkeit kann uns Frieden mit ihm schaffen: ginge es nach unserm Verdienst, so müssten wir vor dem Herrn verhasst und verworfen sein.
Die folgenden Worte (V. 26): der Herr hebe sein Angesicht über dich, besagen nach dem Sprachgebrauch der Schrift, dass Gott seines Volkes gedenken möge. Freilich gibt es ja bei ihm kein Vergessen: aber wir meinen nur zu leicht, dass er sich nicht um uns kümmere, wenn er nicht fortwährend mit handgreiflicher Tat seine Fürsorge für unser Wohlergehen zeigt. Der Segen schließt mit dem Wunsche: und gebe dir Frieden, d. h. nicht bloß einen ruhigen und sicheren Stand, sondern auch fröhlichen Fortschritt.
V. 27. Denn ihr sollt meinen Namen auf die Kinder Israel legen. Das heißt ja schließlich, dass die Priester Gottes Namen über das Volk anrufen sollen. Aber die eigentümliche hebräische Ausdrucksweise hat doch eine besondere Kraft. Gott hat seinen Namen bei den Priestern niedergelegt, damit sie ihn täglich als ein Unterpfand seines Wohlwollens und alles daraus entspringenden Heils sehen lassen. Denn die angeführte Verheißung: dass ich sie segne, zeigt klar, dass die Zeremonie des Segnens nicht ein leeres Schaustück war. Freilich müssen wir dem Ausdruck auch entnehmen, dass nur Gott selbst durch wirklichen Erfolg bekräftigen kann, was die Diener seiner Gemeinde in seinem Auftrag handeln. Aber wir dürfen auch gewiss sein, dass er selbst leisten und durch die Kraft seines Geistes erfüllen will, was er durch seine Diener verheißt. Niemals aber verzichtet er auf sein eigenes Recht, wenn er den Priestern das Amt, zu segnen, aufträgt: die wirkliche Gabe kommt stets allein von Gott.
V. 1. Und der Herr redete mit Mose usw. Wenn auch der Stamm Levi kein Erbe besaß, sollten ihm doch Wohnsitze angewiesen werden. Freilich empfingen die Leviten keinen Acker, auf dem sie säen und ernten konnten: aber zum Ersatz dienten ihnen die Zehntgaben des ganzen Volkes, von denen nur der zehnte Teil zum Besten der Armen abgezogen wurde. Nun galt es noch, für ihren Wohnsitz zu sorgen. Dabei ist bemerkenswert, dass sie als Wächter über das ganze Land verteilt wurden: dies geschah zum Schutze des Gottesdienstes, damit nicht Aberglaube einreiße, oder aber das Volk in grobe Verachtung Gottes falle. Denn die Leviten waren von Gott erwählt, nicht bloß um heilige Zeremonien zu vollziehen, sondern auch um dem Volke das Gesetz zu vermitteln und dadurch eine wohl gegründete Frömmigkeit zu pflegen. Hätten sie nun alle an einem Platze gewohnt, so wäre an andern Orten die Lehre des Gesetzes leicht in Vergessenheit geraten und das Volk unheilig geworden. Es gab aber Gott ein Zeichen seiner unvergleichlichen Güte, indem er eine Strafe gleichsam in einen Tugendlohn, eine Schande in Ehre verwandelte. Denn diese Zerstreuung des levitischen Stammes hatte der heilige Erzvater Jakob geweissagt (1. Mose 49, 7): Levis Nachkommen sollten über das Land zerstreut werden, das er selbst durch grauenhaften Mord und verbrecherische Treulosigkeit entweiht hatte (1. Mose 34, 25). Indem diese Weissagung eintraf, konnte man erkennen, dass sie wirklich von Gott gekommen war. So wäre den Leviten recht geschehen, wenn sie einfach ihre Verbannung und Zerstreuung hätten tragen müssen: sie wurden aber gleichsam über die einzelnen Landesteile gesetzt, um die andern Stämme unter dem Joch des Gesetzes zu halten. So wollte es Gottes Vorsehung, - nicht als wäre ihnen Freiheit gegeben, sich nach Belieben unter dem übrigen Volke anzusiedeln: vielmehr wurden ihnen eigene und feste Wohnsitze angewiesen. Die Städte, wo Gott sie ansiedelte, waren ebenso viele Schulen, in denen sie sich besser und ungehinderter dem Studium des Gesetzes widmen und für ihr Lehramt vorbilden konnten. Hätten sie zerstreut unter dem gesamten Volke gewohnt, so hätten sie sich leicht allerlei Laster angewöhnen und das Studium des Gesetzes vernachlässigen können. Waren sie aber in Gruppen vereinigt, so bedeutete schon dies gemeinsame Wohnen eine Erinnerung daran, dass sie vom Volke ausgesondert waren, um sich ganz dem Herrn zu weihen. Dazu waren ihre Städte wie Leuchten, die ihren Schein bis in die entferntesten Winkel warfen. So waren die Leviten gleichsam in Festungen geborgen, an deren Mauern das sonst durch das ganze Volk flutende Verderben abprallen musste, und ihre Gemeinschaft musste sie anleiten, dass sie einander zur Mäßigkeit und ehrbaren und züchtigen Sitten und allen Tugenden ermahnten, wie sie Knechten Gottes ziemen. So waren ihre Städte wie Warttürme, auf denen sie Wache hielten, aller Unfrömmigkeit den Eintritt in das heilige Land zu verwehren: von hier aus ergoss sich das Licht der himmlischen Lehre, von hier wurde der Same des Lebens ausgestreut, hier fand man allerlei Beispiele eines heiligen Wandels.
V. 4. Die Welt der Vorstädte, welche den Orten der Leviten beigegeben werden sollten, scheint verschieden angegeben: einmal sollen sie tausend Ellen außer der Stadtmauer umher haben, dann aber wieder (V. 5) zweitausend Ellen. Man hat die künstlichsten Lösungen des Widerspruchs versucht. Es wird aber alles glatt, wenn wir uns erinnern, dass der vierte Teil des Kreisumfanges etwa ein und ein halb mal so lang ist, als der Halbmesser, und wenn man die zweite Angabe, dass außen an der Stadt von der Ecke gegen Morgen bis zur Ecke gegen Mittag usw. 2 000 Ellen sein sollen, eben auf den vierten Teil des Kreisumfangs bezieht. Rechnet man auf die Stadt selbst etwa 1 000 Ellen Durchmesser und fügt dann auf die Feldmark auf jeder Seite 1 000 Ellen hinzu, so wird die Außenlinie des Viertelkreises ziemlich genau 2 000 Ellen lang sein. – Dass (V. 8) jeder Stamm seinem Vermögen entsprechend den Leviten mehr oder weniger Städte überlassen soll, ist nur recht und billig und wird ja bei jeder Steuer ähnlich gehandhabt. Über die (V. 6) Freistädte handeln wir erste zum sechsten Gebot. Hier genüge die Bemerkung, dass die armen Flüchtlinge der Obhut der Leviten überlassen wurden, damit sie in desto heiligerem Schutze stünden. Zudem durfte man erwarten, dass die Verwalter des Heiligtums sich als treue und zuverlässige Richter erweisen, nicht leichtsinnig und willkürlich jedermann zulassen, sondern nach gründlicher Untersuchung nur Unschuldige schützen würden.
V. 1. Und der Herr sprach zu Aaron: Du und deine Söhne usw. Dies nachdrückliche Zeugnis Gottes soll eine Mahnung für die Priester sein, sich mit Eifer und größter Treue ihrer Pflicht zu widmen. Sollen sie doch die Missetat des Heiligtums tragen, d. h. für jedes Versehen, jede Unterlassung und Verunreinigung verantwortlich sein. Wie nun Gott das Heiligtum von jedem Flecken und Makel rein gehalten wissen wollte, so sollte auch die Würde des Priestertums rein und klar bleiben. Damit war den Priestern eine schwere Last auferlegt, indem sie persönlich schuldig wurden, wenn irgendwo ein Missgriff geschah: dadurch wollte sie Gott auch vor der leichtesten Nachlässigkeit warnen, die schon ein Verbrechen gegen das Heiligtum war. So musste aller Neid gegen die Priester schwinden, deren Ehrestellung mit solcher Schwierigkeit und Gefahr belastet war. Wird jede Verletzung der gesetzlichen Zeremonien so schwer gestraft, so liegt darin übrigens auch ein Hinweis, dass dieselben von keiner geringen Bedeutung sind, und wir schließen daraus, dass man in jenen irdischen Elementen etwas weit Besseres und wahrhaft Himmlisches suchen muss. Bei alledem können wir auch an die gegenwärtigen Pastoren denken: ihnen fällt es zur Last, wenn die Religion und die Heiligkeit der Verehrung Gottes verfälscht, die reine Lehre verderbt und so das Volk um sein Heil betrogen wird; denn die Sorge für dies alles ist ihnen aufgetragen.
V. 2. Aber deine Brüder des Stammes Levi usw. Hier empfangen auch die Leviten ihre Weisung: sie sollen ihren Dienst unter der Aufsicht der Priester tun und sich deren Befehlen unterstellen. So bleibt die eigentliche Autorität den Priestern, die Leviten sind nur ihre Gehilfen, die weder dem Altar nahen noch das Allerheiligste betreten dürfen, die überhaupt eine Zwischenstellung zwischen Priestern und Volk einnehmen sollten. Auch aus dieser Verordnung konnte das ganze Volk ersehen, mit welcher Ehrfurcht man der Majestät des Herrn begegnen müsse. Wenn auch Gott das ganze Volk zu seinem Eigentum genommen, so durfte doch nicht jedermann aus diesem Volke zu seinem Altar vordringen, ja selbst den Leviten, die doch Gottes besondere Diener waren, wurde dies durch das Gesetz verwehrt. In dieser bildlichen Darstellung erkennen auch wir, wie notwendig wir einen Mittler brauchen, der uns Gnade bei Gott verschafft. Durfte der heilige und auserwählte Same Abrahams nicht dem schattenhaften Heiligtum nahen, wie sollten wir, die wir Fremde waren, heute in den Himmel dringen, hätte Christus uns nicht den Zugang erschlossen? Dass (V. 4) kein Fremder mit dem Heiligtum in Berührung kommen soll, deutet nicht etwa auf Nichtisraeliten, sondern auf jedermann aus dem Volke, der nicht ein Levit ist: es schwebt also nicht der Unterschied zwischen der Gemeinde Gottes und den unreinen Heiden vor, sondern zwischen den Dienern des Heiligtums und dem übrigen Volke.
V. 5. So wartet nun des Dienstes usw. Noch einmal werden die Priester zu eifriger Ausrichtung ihres Dienstes ermahnt, und es wird eine schwere Drohung hinzugefügt: dass nicht ein Wüten komme über die Kinder Israel. Wird solche Strafe schon dem unschuldigen Volk gedroht, um wie viel mehr müsste sie die Priester selbst treffen, durch deren Nachlässigkeit etwa das unheilige Volk an die Heiligtümer rührte! Ihre Aufgabe war es, jede Entweihung zu verhüten. Um sie aus ihrer Gleichgültigkeit aufzurütteln, prägt ihnen Gott ein, wie gnädig er sie mit dem Priestertum betraute (V. 7): euer Priestertum gebe ich euch zum Amt, zum Geschenke, d. h. ich habe in freier Gnade euch geschenkt, was ihr ohnedies nie besessen hättet.
V. 22. Dass hinfort die Kinder Israel nicht zur Hütte des Stifts sich tun usw. Noch einmal wird eingeprägt, was wir schon hörten, dass die Leviten zum Dienst des Heiligtums erwählt waren; denn jetzt wollte es Gott nicht mehr unterschiedslos zulassen, was vor der Offenbarung des Gesetzes geschah, dass jedermann aus dem Volke Opfer bringen konnte. Würden die Leviten ihr Amt vernachlässigen, so sollten sie (V. 23) jener Missetat tragen, die etwa durch das Verschulden dem Heiligtum nahe kamen, d. h. sie mussten (V. 22) sterben wie jene.
V. 4. Das soll das Amt der Kinder Kahat sein usw. Jetzt werden die Ämter unter den Leviten verteilt, damit nicht ein ungeordneter Eifer Verwirrung anrichte, und nicht der Ehrgeiz manchen aufstifte sich vorzudrängen, was nur Eifersucht und Streit erregt hätte. Wissen wir doch, in welche unnütze Unruhe und Hast die Menschen geraten, wenn nicht eine ganz feste Ordnung besteht. Darum tritt Gott in die Mitte und weist mit seiner Autorität jeden in seine Grenze, wobei alle törichte Begehrlichkeit schweigen muss. Dass aber den Kindern Kahat ein ehrenvollerer Dienst aufgetragen wird als den andern, fließt aus Gottes freier Gnade: so wird jeder Stolz gebeugt, und niemand darf seine Geschicklichkeit, Fleiß oder andere Gaben rühmen. Den Kindern Kahat wird nämlich die Sorge für das Allerheiligste aufgetragen: freilich durften sie kein Stück desselben anrühren, sondern hatten nur die Geräte, welche die Priester verpackt hatten, auf dem Wege zu tragen. Denn Gott ordnete an (V. 5), dass Aaron und seine Söhne das Allerheiligste abbrechen und den Vorhang, den Altar und die anderen heiligen Stücke mit den dafür bestimmten Decken sorgfältig umhüllen sollen, bevor die Kinder Kahat Hand anlegten: so musste die Verehrung des Volkes für das Heiligtum noch gesteigert werden; und wenn die anderen Stämme sahen dass selbst die Leviten das Allerheiligste nicht berühren durften, so mussten sie vollends der eigenen Unwürdigkeit gedenken und fühlten sich tief gedemütigt. Es durfte auch niemand mehr die Kinder Kahat beneiden, wenn er erfuhr, dass das ihnen aufgetragene Amt ein höchst gefährliches war: denn Gott (V. 15) droht ihnen für den Fall, dass sie etwas Verbotenes anrühren, den Tod an. Er ermahnt auch (V. 7 ff.) die Priester, dass sie nicht durch Sorglosigkeit ihre levitischen Brüder ins Verderben stürzen: denn wenn sie etwas von den Heiligtümern unvollkommen bedeckten, würden sie ihres Todes schuldig werden.
V. 24. Das soll aber der Geschlechter der Gersoniter Amt sein usw. Es waren scheinbar geringe und beschwerliche Dienste, welche Gott den Kindern Gerson und Merari (V. 31 ff.) aufträgt. Sie sollen nämlich die Teppiche, Vorhänge und das Zelt selbst mit seinen Decken tragen, ferner die Bretter, Riegel und Säulen. War dies auch eine harte und knechtische Arbeit, so können wir doch daraus lernen, dass es im Dienste des Herrn kein wirklich verächtliches Stück gibt. Vielmehr sollen wir jede uns zugewiesene Aufgabe eifrig ausführen und genug daran haben, dass Gott uns überhaupt des Dienstes an seinem Heiligtum würdigt; weder Überdruss noch Stolz darf uns an unsrer Pflicht hindern.
V. 1. Der Herr redete mit Mose usw. Hier und an ähnlichen Stellen verordnet Gott, dass die Priester die Darbringung der Opfer zu leisten haben. Waren auch die Opfer Gaben des ganzen Volkes, so wollte sie Gott doch nur durch die Hand des Priesters und an dem bestimmten Orte in Empfang nehmen. Denn erstlich wäre der reine und echte Gottesdienst verfälscht worden, wenn man an jedem beliebigen Orte allerlei Altäre hätte aufrichten dürfen. Sodann sollten die Sinne des Volkes auf den Mittler gerichtet und der Grundsatz eingeprägt werden, dass jegliche Darbringung nur durch Gottes Gnade angenehm werden könne. Dazu war es besonders geeignet, dass kein Laie etwas opfern durfte, sondern dies dem beamteten Priester überlassen musste. Da aber in diesem Stück die Menschen nur zu gern sich von ihrem Ehrgeiz treiben lassen, droht Gott jedem, der hier mit Unrecht etwas angreifen würde, seine strenge Rache an. Warum Gott nur ein Heiligtum erwählt hat, haben wir bereits gesehen (Abschnitt 60). Jetzt erklärt der Herr, dass wenn man sein Opfer nicht dorthin bringt, man ein Verbrechen begeht (V. 4), das dem Mord gleich steht: der soll des Bluts schuldig sein, als der Blut vergossen hat. Mögen die Spender von Opfern noch so weit entfernt wohnen, so haben sie dieselben sämtlich vor den Altar zu stellen. So soll es mit allem geschehen (V. 5), das man sonst etwa auf dem freien Feld schlachten wollte: niemand durfte sich damit entschuldigen, dass ihm der Weg zu beschwerlich wäre. Besonders genannt werden die Dankopfer, weil gerade damit Privatleute gewöhnlich ihre Frömmigkeit zu bezeugen pflegten. Gott erklärt also, dass die kultische Darbringung ihm nur dann angenehm sein werde, wenn der Priester dazwischentritt und sie nach seinem Amte vollzieht. Damit aber dieses Gesetz niemals abkomme, wird noch besonders eingeprägt (V. 7): Das soll ihnen ein ewiges Recht sein usw. Es wird auch der Grund angegeben, weshalb nur eine einzige gottesdienstliche Stätte verordnet und Priester eingesetzt werden, die auf die gesetzlichen Zeremonien zu halten haben: mitnichten sollen sie ihre Opfer den Feldteufeln opfern. Nur eine feste, von Gott gegebene Ordnung konnte ja schaffen, dass das Volk in festen Schranken blieb und nicht dem Dienst der Götzen und Dämonen verfiel.
V. 8. Die gleiche Ordnung gilt auch dem Fremdling, d. h. dem Proselyten, der sich dem Gottesdienst Israels anschloss. Hätte man ihm etwa eine größere Freiheit belassen, so hätte dies nur zur Verführung und Verwirrung des Volkes dienen können. Übrigens zeigt der Ausdruck „der ein Opfer oder Brandopfer tut “, dass ebenfalls an das Opfer gedacht war, als wir (V. 3) einfach vom „Schlachten“ hörten: denn ohne Zusammenhang mit einem Opfer Tiere zu schlachten, war dem Volke selbstverständlich in allen seinen Dörfern und Städten erlaubt, und nur der Blutgenuss war untersagt.
V. 8. Wenn eine Sache vor Gericht usw. Hier wird an einem besonders hervorstechenden Beispiel das wichtigste Amt der Priester beschrieben, dass sie nämlich in zweifelhaften und dunkeln Sachen aus dem Gesetz Gottes Antwort darüber geben sollen, was recht ist. Werden nun auch ausdrücklich nur bürgerliche Rechtsstreitigkeiten genannt, so wird Gott die Priester doch überhaupt als Ausleger der Lehre des Gesetzes aufstellen. Um ihre Autorität eben in allen Stücken zu befestigen, heißt Gott das Volk auch in Streitsachen sich bei ihrem Urteil zu beruhigen. Denn wenn ihre Entscheidung in Sachen des menschlichen Lebens zu gelten hat, wie viel mehr muss man sich dann an ihre Lehren bezüglich des Gottesdienstes halten! Übrigens werden die Priester nicht allein zu Richtern bestellt, sondern es werden ihnen bürgerliche Richter beigegeben: und doch dient das Ganze zur Hebung des priesterlichen Ansehens. Dass (V. 9) der Richter nicht, wie einige wollen, der Hohepriester ist, geht ohne weiteres daraus hervor, dass ihn Mose neben den Priestern und Leviten als besondere Persönlichkeit aufzählt. Der nachdrückliche Singular schließt dabei nicht aus, dass tatsächlich mehrere bürgerliche Richter aufgestellt waren, wie dies aus dem Bericht hervorgeht (2. Chron. 19, 8 ff.), wonach Josaphat aus den Priestern und Leviten und den Obersten der Vaterhäuser einen Gerichtshof in Jerusalem einsetzte. Damit wollte der fromme König gewiss nicht im Geringsten von der gesetzlichen Vorschrift abweichen, und der heilige Geist lobt ja auch seinen Eifer. Es zeigt aber dieser Bericht (V. 11), dass der Hohepriester „in allen Sachen des Herrn“ die oberste Instanz war, während als solche in allen königlichen und bürgerlichen Angelegenheiten der vom König eingesetzte „Fürst im Hause Judas“ in Betracht kam. Dadurch findet eine Bestätigung, was ich schon sagte, dass die Priester das Lehramt hatten und in zweifelhaften Fragen Entscheid geben mussten. Damit stimmen auch die Worte des Josaphat (V. 10): „In allen Sachen, die zu euch kommen, zwischen Blut und Blut, zwischen Gesetz und Gebot, zwischen Sitten und Rechten, sollt ihr eure Brüder unterrichten, dass sie sich nicht verschuldigen am Herrn.“ Dabei fiel sicherlich der Urteilsspruch über wichtige Rechtssachen den Richtern aus den andern Stämmen zu, die Unterscheidung aber zwischen Gesetz und Gebot und überhaupt die Auslegung des Gesetzes war das Ressort der Priester. Darauf gründet sich auch das Wort des Maleachi (2, 7): „Des Priesters Lippen sollen die Lehre bewahren, dass man aus seinem Munde das Gesetz suche, denn er ist ein Engel des Herrn Zebaoth.“ Alles in allem: Gott verordnet hier als Sitz des obersten Gerichtshofes die Stätte des Heiligtums. Scheint es dabei auch zunächst (V. 8), als sollten Priester und Richter unterschiedslos bürgerliche Streitigkeiten entscheiden, so wird doch alsbald (V. 11) klar, dass die Priester ein besonderes Amt haben, nämlich dass sie das Volk in der gesunden und reinen Lehre erhalten und als Lehrer der Gemeinde Weisung darüber erteilen sollen, was recht ist. Dass aber das Volk angewiesen wird, sich nach dem Recht zu halten, welches die Priester ihm sagen, und nicht abzuweichen weder zur Rechten noch zur Linken, bedeutet nicht eine Willkürherrschaft für die Priester, der man sich hätte beugen müssen, auch wenn sie nach Belieben das Licht in Finsternis verkehrt hätten. Gewiss sollte ihre Entscheidung gelten: aber für sie galt doch die Regel, dass sie eben Gottes Wort reden mussten. Darauf deutet der Ausdruck: nach dem Gesetz. Es musste sich also die Lehre oder das Gesetz, welches die Priester erteilten, auf das göttliche Gesetz gründen. Ohne Zweifel wird aber Gott die Priester, denen er eine solche Würde übertrug, zugleich mit dem Geist der Weisheit und Gerechtigkeit ausgerüstet haben, damit sie nicht verkehrte Entscheidungen trafen. Denn es wäre doch ungereimt gewesen, wenn der Gehorsam gegen die Vertreter Gottes dem Volk hätte zum Verderben ausschlagen müssen. Uns ist nun als einiger Priester und Lehrer Christus gesetzt. Wehe uns also, wenn wir uns nicht einfach seinem Worte unterwerfen und in rechter Bescheidenheit und Gelehrigkeit zum Gehorsam bereit stehen!
Bis dahin habe ich Verordnungen über die Pflichten der Priester zusammengestellt und kurz erläutert: jetzt wende ich mich zu ihren Rechten, d. h. zu der Ehre, deren Gott sie würdigte, um sie zu ihrem Dienst würdig und bereit zu machen. Unsere Stelle ordnet nur kurz an, was anderwärts ausführlicher dargelegt wird, dass nämlich alle heiligen Opfergaben, von deren Arten wir alsbald Genaueres hören werden, den Priestern gehören sollen. Diese Vorschrift hatte einen dreifachen Grund. Erstlich sollte, was dem Herrn geweiht war, nicht durch Rückkehr in den gewöhnlichen Gebrauch wiederum gemein werden: sollten die Opfer ihre Würde behalten, so musste ein Unterschied zwischen heiliger und gemeiner Speise bleiben. Zweitens wirkte diese Ordnung einem prunksüchtigen Ehrgeiz entgegen. Denn wenn jedermann sein Opfer schlachten und dann das Fleisch hätte an sich nehmen dürfen, so wäre dies für eitle Menschen ein Antrieb zum Großtun gewesen: um die Wette wären die Reichen gekommen, um sich dem beifallssüchtigen Volke zu zeigen; sie hätten üppig getafelt und was übrig blieb verkaufen lassen. So wäre der Gottesdienst zum eitlen Vorwand für menschlichen Prunk geworden. Der dritte Grund ist der, den Paulus anrührt (1. Kor. 9, 13), dass die Diener des Altars vom Altar auch leben sollen. Sicherlich soll für Diener Gottes der Lohn nicht das entscheidende Lockmittel sein, aber Gott wollte doch auch nicht die Priester, die willig ihre Arbeit in den Dienst des Heiligtums stellten, dem Hunger überlassen: ihre Freudigkeit durfte nicht gemindert werden. Sollten sie ihr Amt recht versehen, so mussten sie für den Dienst des Herrn ganz frei sein und mit Sorgen für ihren Unterhalt nichts zu schaffen haben. Sollte aber jemand sagen, dass darin doch ein Anreiz zur Habsucht lag, und dass den Priestern hier ein reichliches und fettes Einkommen zugewiesen sei, so ist zu antworten, dass tatsächlich ihr Lohn ein bescheidener war: es war auch nur für die Lebensmittel gesorgt, mit denen sie nicht etwa durch Verkauf, der ja verboten war, ein weiteres Geschäft machen konnten. Wie unbefangen und gerecht Mose in dieser Bestimmung verfuhr, sieht man auch daraus, dass er an seine eignen Kinder nicht dachte: denn was er den Priestern zuspricht, entzieht er doch seinen Söhnen und deren Nachkommen. Die ganze Bestimmung steht nicht unter dem Gesichtspunkt, die Priester reich zu machen, sondern die Würde des heiligen Dienstes zu wahren.
4. Mose 18.
V. 8. Und der Herr sagte zu Aaron usw. Das Anrecht der Priester an den heiligen Opfergaben wird nun genauer erörtert. Dabei müssen wir den Unterschied zwischen den eigentlichen Priestern und den Leviten im Auge behalten: das Haus Aarons empfängt seine besondere Ehre, die übrigen Familien des Stammes Levi stehen dahinter zurück. Allein den Priestern, die eine höhere Weihe oder „ein Allerheiligstes “ (V. 9) besaßen, spricht Gott die sämtlichen Opfergaben zu. Von einer Ausnahme werden wir insofern hören, als um der Ehre willen alles bei den Priestern niedergelegt ward, welche den beim Heiligtum beschäftigten Leviten ihren Anteil zu überweisen hatten. Damit die Priester aber nicht übermütig würden, prägt ihnen Gott ein, dass sie die betreffenden Gaben als „Salbungsteil “, d. h. lediglich im ihrer Salbung willen empfingen: so musste ihnen der Hinweis auf Gottes freie und gnädige Schenkung eine Mahnung zur Bescheidenheit und Demut werden. In diesem Sinne schlägt auch Paulus (1. Kor. 4, 7) alles verkehrte Rühmen zu Boden: „Was hast du, das du nicht empfangen hast?“ Auf die freie Schenkung deutet auch der Ausdruck: Ich habe dir gegeben, d. h. geschenkt, meine Hebopfer. Zugleich empfing freilich das Volk dadurch eine Mahnung, dass es um solch geschenktes Gut mit den Priestern nicht streiten und rechten dürfe.
V. 9. Das sollst du haben von dem Allerheiligsten. Nunmehr werden die verschiedenen Arten von Opfergaben aufgezählt, welche den Priestern zufallen sollten, nämlich was nicht angezündet wird, d. h. alles was von den Brandopfern übrig blieb, ferner alle Speisopfer, endlich alle Sündopfer, und alle Schuldopfer. Allerdings könnte der Satz vom Schuldopfer, das sie mir erstatten, vielleicht eine Beschränkung auf diejenigen Opfer enthalten, mit denen man sich von der Schuld des Diebstahls reinigte (3. Mose 5, 21. 25). Man könnte den Satz aber auch so verstehen, dass an alle Sünd- und Schuldopfer noch ein weiteres Stück gefügt wird, nämlich die Gaben, durch welche das Volk fremdes Gut zurückerstattete, um nicht des Diebstahls schuldig zu bleiben. Alsdann werden auch die freiwilligen Gaben hinzugefügt (V. 11 f.), welche die Kinder Israel etwa infolge eines Gelübdes darbrachten, ferner die Erstlingsgaben von Öl, Wein und Getreide. Dieser Unterschied wird eingeprägt, damit desto weniger Neid und Missgunst aufkäme: denn wäre bezüglich dieser letzten Stücke ein Zweifel geblieben, so hätte sich zum Schaden der Heiligkeit des Kultus sofort allerlei Streit erhoben. Sofort verordnet Gott aber für die Priester (V. 10), dass von den Resten der Brandopfer nur männliche Wesen essen sollen, und zwar nur im Heiligtum. Denn, wie wir sagten, es bestand Gefahr, dass die Würde dieser allerheiligsten Gaben Schaden litt, wenn man sie in Privathäuser gebracht und unter gewöhnliche Speise gemengt hätte. Zugleich will Gott der Üppigkeit im Priesterstand wehren: angesichts des Heiligtums konnten sie keine üppigen und ausschweifenden Gelage halten, zumal sie von Frau und Familie fern waren. Was aber auf Grund von Gelübden dargebracht wurde, sowie die Erstlinge von den Früchten, durften auch die Weiber mitessen und zwar im eignen Hause (V. 11): lediglich die Unreinen waren von der Berührung der heiligen Gaben ausgeschlossen.
V. 15. Alles, das seine Mutter bricht usw. Auch die Erstgeburten sollten den Priestern gehören, wobei die menschliche Erstgeburt gelöst werden musste. Unreine Tiere durfte der Besitzer entweder loskaufen oder töten. Aber weil davon jetzt nicht die Rede ist, so verkündigt Gott hier nur in Kürze, dass aller wirkliche Nutzen aus den Erstgeburten den Priestern zufließen soll. Wenn die menschliche Erstgeburt (V. 16) nach Schätzung der Priester freigegeben werden soll, so wird damit nicht etwa eine völlige Willkür eröffnet, sondern es ist nur eine solche Schätzung gemeint, bei der sie an Gottes Gebot gebunden waren: wird doch auch sofort der Preis angegeben, den Gott festsetzt. Über die Erstgeburt reiner Tiere wird ein besonderes Gesetz gegeben (V. 17): Ihr Blut sollst du sprengen auf den Altar, und ihr Fett sollst du anzünden zum Opfer; das (V. 18) Fleisch aber soll den Priestern gehören, wie auch die Brust und die rechte Schulter bei den Brandopfern ihnen zukam. Damit aber niemand von den Leviten oder aus dem Volke nach menschlichem Vorwitz dieses Gesetz zu übertreten wage, hebt Gott für alle Zukunft jeden Zweifel, indem er (V. 19) dem Aaron zuspricht: es soll dir und deinem Samen samt dir auf diese Weise ewig gehalten werden. Dabei heißt es zuerst, dass dies ein „Recht “ sein solle; danach ist von einem Bund die Rede, damit man die Verordnung umso heiliger halte und niemals dem Streit und Neid aussetze. Denn mit den Priestern um ihre Privilegien zu streiten, wäre ein Unrecht gewesen. Gott prägt also ein, dass man ihm selbst zu nahe tritt, wenn man etwa den Priestern Schwierigkeiten macht. „Salzbund “ ist ein bildlicher Ausdruck für einen allezeit geltenden Bund. Es wird zugleich eine Anspielung an die Opfer darin liegen, die allezeit mit Salz gewürzt sein mussten, damit die Kinder Israel in ihnen etwas Größeres sehen lernten, als nur irdische und vergängliche Dinge. Wissen wir doch, dass gesalzenes Fleisch nicht leicht in Fäulnis übergeht. So deutet dieses Bild auf eine unverletzliche Festigkeit des Bundes.
3. Mose 6.
V. 9. Was übrig ist usw. Hier wird lediglich wiederholt, dass die Überreste der besonders heiligen Opfer den Priestern gehören, die sie jedoch nur an heiliger Stätte verzehren dürfen. Bezüglich des Speisopfers folgt (V. 10) die besondere Vorschrift, dass man es nicht zur Herstellung von gesäuertem Brot verwenden dürfe: denn dadurch wäre das schon dem Herrn geweihte Mehl wieder in gewöhnliche Speise übergegangen, was doch eine Entweihung gewesen wäre. Wenn also Gott die Priester gleichsam an seinen Tisch zieht, so wird durch diesen Vorzug die Würde des Amtes nicht wenig erhöht, zugleich aber wird jeder Zügellosigkeit gewehrt, unter welcher die Ehrfurcht vor dem Gottesdienst hätte leiden müssen. Gleichsam in Gottes Gegenwart mussten seine Diener alle unmäßige Üppigkeit fernhalten und die ihnen geziemende Nüchternheit beweisen; zugleich mussten sie sich von allen gemeinen Menschen geschieden und zur höchsten Reinigkeit erhoben fühlen, wenn sie ihre Mahlzeit im Vorhof des Heiligtums einnehmen. Zu Ende des elften Verses ist (anders wie 2. Mose 30, 29) zu übersetzen: es soll sie, d. h. die Opfergabe, niemand anrühren, er sei den geweiht. Es wird dadurch das gemeine Volk von der Berührung der heiligen Dinge, denen die gebührende Ehrfurcht bleiben sollte, ausgeschlossen. Die andere mögliche Übersetzung: „Alles, was mit dem Fleisch in Berührung kommt, wird heilig“, könnte sich allerdings um des folgenden Satzes willen zu empfehlen scheinen: Wer von seinem Blut ein Kleid besprengt, der soll das besprengte Stück waschen an heiliger Stätte. Doch lässt sich der Gedankenzusammenhang leicht herstellen: wenn man nicht einmal ein mit Opferblut bespritztes Kleid oder (V. 21) einen Topf, in welchem Opferfleisch gekocht wurde, aus dem Bereicht des Heiligtums hinaustragen darf, man hätte denn das Kleid gewaschen oder die Töpfe teils zerbrochen, teils gescheuert, so muss man noch viel mehr verhüten, dass ein ungeweihter Mensch aus dem Volke an die Stücke des heiligen Opfers rühre. Alles in allem: diese hochheiligen Stücke sollen niemals mit unheiligen Dingen in Berührung kommen.
Diese Verfügung habe ich aus ihrem andersartigen Zusammenhange losgelöst, weil sie doch auch mit dem Recht der Priester zusammenhängt. Mose handelt darin von dem Sühnopfer für den Diebstahl, das wir soeben schon (zu 4. Mose 15, 9) streiften. Gewiss wollte Gott nicht die Priester zum Schaden anderer reich machen, und sicherlich sollte auch nicht jeder Dieb einfach dadurch schuldfrei werden, dass er das geraubte Gut den Priestern brachte. Sondern nur wenn niemand da war, dem man es bezahlen sollte oder konnte, so sollte doch das verlassene Haus gegen jeden Schaden geschützt sein. Solche Fürsorge war nötig, weil sonst jeder schlechte Mensch das hinterlassene Gut eines einsam sterbenden Menschen unbedenklich an sich gerissen hätte. Die Verordnung geht also dahin, dass gestohlenes Gut in erster Linie an den rechtmäßigen Besitzer zurückerstattet werden soll; nur wenn derselbe gestorben ist, tritt an seine Stelle der Blutsverwandte, „dem man es bezahlen sollte.“ Der hebräische Text nennt ihn den „Goel“, d. h. den Löser; denn, wie wir sehen werden, hatte Gott den Verwandten das Recht der Lösung zugestanden; auch sollte der nächste Blutsverwandte die Witwe dessen, der ohne Nachkommen gestorben war, heiraten. Nach alledem kam der Fall, dass geraubtes Gut dem Priester zufiel, nur selten vor: gewöhnlich wird man einen rechtmäßigen Nachfolger des Verstorbenen gefunden haben.
Diese Stellen bestätigen lediglich das Recht der Priester auf Anteil an den Opfergaben, und es wird nur, um aller Eifersucht unter ihnen zu wehren, die besondere Bestimmung hinzugefügt, dass gewisse Stücke demjenigen Priester gehören sollen, der das betreffende Opfer darbringt. Gewiss sollten die Priester freiwillig und gern ihr Amt verwalten und nicht lediglich durch den Gewinn sich locken lassen: und doch spricht Gott der Arbeit und dem Fleiß seinen Lohn zu, damit jeder einzelne noch eifriger seine Pflicht erfülle. Er verordnet, dass die Überreste des Kuchens (V. 14) bei dem Dankopfer, sowie (V. 32) die rechte Schulter des Opfertiers, bei dem Schuldopfer aber das übrig bleibende Fleisch (V. 7) dem Priester zufallen soll, der das Amt der Sühne und Blutbesprengung versieht. Allerdings darf man nicht zweifeln, dass viele, die sonst ihre Pflicht vernachlässigt hätten, durch diesen Lohn sich locken ließen: aber es war doch ein Zeichen väterlicher Freundlichkeit, dass Gott der menschlichen Schwachheit entgegenkam und durch den Lohn noch einen besonderen Antrieb zum Fleiß gab.
4. Mose 18. V. 20. Und der Herr sprach zu Aaron usw. Dieses Gesetz handelt ganz allgemein von den Zehnten, welche sämtlichen Leviten, einschließlich der Priester zustanden. Besondere Bestimmungen werden wir im nächsten Abschnitt behandeln. Den Zehnt zu geben war nun schon bei den Vätern eine allgemeine Gewohnheit (1. Mose 14, 20; 28, 22). Und der Apostel gründet den Vorzug von Melchisedeks Priestertum vor dem levitischen eben darauf, dass in Abraham auch Levi ihm den Zehnten gegeben hat (Ebr. 7, 9). Dieser Zehnte aber, den Gott hier durch Mose verordnet, hat einen besonderen und zwar einen doppelten Grund. Erstlich hätten die Leviten den Anspruch auf den zwölften Teil des Landes gehabt, welches allen Kindern Abrahams verheißen war. Sie wurden aber übergangen, und an ihre Stelle traten in zwei Stämmen die Nachkommen Josephs. So musste um der Gerechtigkeit willen in anderer Weise für die Leviten gesorgt werden. Eigentlich gehören dem Herrn, als dem Könige des Volkes, die Zehnten, aber er überlässt das Anrecht auf sie den Leviten. Zweitens hatten die Leviten ja ihren Dienst am Heiligtum und mussten dafür entlohnt werden: wenn sie die Opfer vollzogen und das Volk lehrten, so war es billig, dass man ihnen dafür den Lebensunterhalt gab. Aus alledem sieht man, wie töricht es ist, wenn die päpstlichen Priester für sich das Zehntrecht in Anspruch nehmen. Freilich berufen sie sich auf das Wort (Hebr. 7, 12), dass bei einer Übertragung des Priestertums auch das Recht desselben übertragen werden müsse: aber sie sind leere Schwätzer, wenn sie vorgeben, das levitische Priestertum überkommen zu haben; vielmehr ist alle Ehre des Priestertums auf Christus übergegangen, und man raubt sie ihm, wenn man sie für sich in Anspruch nimmt. Allerdings: würden sie ihre Pflicht erfüllen, sich von irdischen Geschäften freihalten und sich eifrig der Belehrung des Volkes widmen, kurz alles tun, was guten und treuen Hirten obliegt, so müssten sie ohne Zweifel aus öffentlichen Mitteln unterhalten werden. So schließt Paulus (1. Kor. 9, 14) mit Recht, dass man heute den Dienern des Evangeliums ganz ebenso ihren Unterhalt geben soll, wie einst den Dienern des Altars. Aber ein Zehntrecht kann man darauf doch nur gründen, wenn man sich als ein Herr des Landes gebärdet. Oder hätten die römischen Priester wirklich wie die Leviten einen Rechtsanspruch auf den zwölften Teil des Landes? Wahrscheinlich haben die römischen Kaiser, als sie Christen wurden, sei es nun in rechter und guter Fürsorge, sei es in einem gewissen Aberglauben den Zehnten zum Unterhalt der Geistlichkeit angewiesen, damit es der Kirche nie an Dienern fehle. Dies durften sie gewiss tun, so gewiss ihnen das Recht zustand, Steuern zu erheben und zu verwenden. Aber soll das nun ein unantastbares Recht bleiben, auch wenn unnütze Mönche und Äbte einen guten Teil davon verschlingen, und die Kirche auch sonst ausgedehnte Ländereien besitzt? Wo aber die Zehnten rechtmäßige öffentliche Abgaben sind, muss der Privatmann sie freilich zahlen oder rechtmäßig ablösen, wenn er nicht zum Umsturz der öffentlichen Ordnung beitragen will. Fromme Fürsten aber mögen Sorge tragen, dass Missbräuche abgeschafft werden, und dass nicht faule Bäuche die öffentlichen Einkünfte verzehren, die man der Kirche zuweist.
Ich bin dein Teil und dein Erbgut. Was dieses Satzglied bedeutet, hörten wir schon: da die Leviten von dem Erbe des Volkes ausgeschlossen waren, will Gott aus seinem Eigentum Ersatz schaffen; was ihnen aus seiner Hand zufließt, soll sie reichlich nähren. Freilich bedeuten die Worte auch eine Erinnerung für sie, dass sie mit Gott allein zufrieden sein müssen. Eine Anspielung an unsre Stelle wird Davids Wort sein (Ps. 16, 3 f.): „Der Herr ist mein Gut und mein Teil; das Los ist mir gefallen aufs Liebliche.“ Darin liegt doch nicht nur, dass Gott mehr ist, als alle Schätze der Erde, sondern dass vor ihm auch erbleichen muss, was andern herrlich und begehrenswert scheint. Da wir nun alle in Christo Priester geworden sind, befinden wir uns in der gleichen Lage und dürfen kein besseres Los begehren: nicht als müssten wir schlechthin alle irdischen Güter wegwerfen, aber wir sollen den festen Grund unseres Glückes in Gott suchen, mit ihm zufrieden sein und darum geduldig, wenn es sein muss, allen Mangel tragen; wer aber etwas besitzt, soll davon innerlich so los und frei sein, als besäße er es nicht.
3. Mose 27.
V. 30. Alle Zehnten im Lande sind des Herrn. Wenn also Gott auf dieses sein königliches Recht zu Gunsten der Leviten verzichtet, so müssen alle Klagen schweigen, und die anderen Stämme dürfen nicht mehr sagen, dass sie übermäßig beschwert sind. Wenn also die Priester den Zehnten eintreiben, so tun sie es in Gottes Namen: wer sich dagegen auflehnt, begeht einen Raub an Gottes Eigentum. Dass aber Leute (V. 31), die den Zehnten lösen wollen, den Fürsten drüber geben müssen, will nicht den Leviten zum Schaden anderer einen Gewinn zuschieben, sondern nur dem Betrug vorbeugen, der bei Verwandlung von Naturalgaben in Geld die Leviten nur zu leicht schädigen konnte. Denselben Grund hat es (V. 32), dass alle Zehnten von Rindern und Schafen überhaupt nicht abgelöst werden durften: denn wenn die Leute darin die freie Auswahl gehabt hätten, so hätten die Leviten niemals ein fettes oder wenigstens wohl genährtes Tier zu sehen bekommen. Es musste eben dem schmutzigen Geiz ein Riegel vorgeschoben und das zähe und böswillige Volk mit aller Strenge zu seiner Pflicht angehalten werden, wie ein Sprichwort ganz richtig sagt: Böse Sitten gebären gute Gesetze. Trotz aller Fürsorge hat es aber kaum je eine Zeit gegeben, da die Leviten nicht hungrig und durstig hätten im Lande umherziehen müssen. Sogar nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft hat das Gedächtnis einer solchen Wohltat, wie Gott bei Maleachi (3, 8) klagt, die Kinder Israel nicht abgehalten, einen Teil der Zehnten trügerisch zu hinterziehen. Wir sehen also, dass Strenge durchaus am Platze war.
5. Mose 14. V. 22. Du sollst alle Jahre den Zehnten absondern. Hier wiederholt Mose das vorher schon dargelegte Gesetz, sagt aber zunächst (V. 23. ff.) noch nicht, wem der Zehnte gehören soll, sondern schiebt einige Bestimmungen über andere Gaben ein, die wir früher schon ausgelegt haben (Abschnitt 61). Dass die eigentlichen Empfänger des Zehnts die Leviten sind, ersieht man dann erst aus dem 27. Verse, der dem Volke nahe legt, wie grausam es sein würde, sie um ihr erbliches Recht zu betrügen: haben sie doch kein Erbe unter den übrigen Stämmen.
V. 28. Über drei Jahre usw. Diese Bestimmung bezieht sich nicht, wie viele Ausleger annehmen, auf eine weitere Art des Zehnts, der ja dann in jedem dritten Jahre doppelt erhoben worden wäre. Sie ist vielmehr eine Auslegung oder Beschränkung des allgemeinen Zehntgesetzes: der Zehnt soll nicht ganz ausschließlich den Priestern und Leviten gehören, sondern zum Teil auch zur Unterstützung der Armen, Fremdlinge und Witwen dienen (V. 29). Wir werden nämlich anzunehmen haben, dass nicht jedes dritte Jahr gemeint ist, sondern immer nur das dritte nach dem Sabbatjahr, wenn die Erde geruht und man weder gesät noch geerntet hatte. Diese Annahme ist schon deshalb nötig, weil, wenn es sich um jedes dritte Jahr gehandelt hätte, dasselbe oft mit dem Sabbatjahre, in dem aller Ackerbau ruhte, zusammengefallen wäre. Es wurde also in durchaus gerechter Weise angeordnet, dass Priester und Leviten, die schon in zwei Jahren ihren reichen Anteil empfangen hatten, im dritten auch ihren armen Brüdern und den Fremdlingen etwas überlassen sollten. So wurde aller Üppigkeit gewehrt, und es wird, aufs Ganze gerechnet, den Leviten wirklich der zwölfte Teil des Gesamtertrages des Landes zugefallen sein, den sie beanspruchen konnten. Wenn es heißt, dass die Leviten, Armen usw. essen und sich sättigen sollen, auf dass dich der Herr dein Gott segne usw., so will diese Verheißung zur Freigebigkeit locken.
5. Mose 26.
V. 12. Wenn du alle Zehnten zusammengebracht hast usw. Hier wird mit besonderem Nachdruck eingeprägt, dass man den Zehnten gern und pünktlich geben soll, da Gott es ist, dem man ihn eigentlich entrichtet. Es wird (V. 13 ff.) eine feierliche Formel vorgeschrieben, in welcher die Kinder Israels sich dem Herrn schuldig bekennen, wenn sie die aufgelegte Steuer etwa nicht treulich leisten, ihn aber um Frieden und Gnade bitten, wenn sie sich richtig nach ihrer Pflicht gehalten haben. Wenn man Gott als gegenwärtigen Richter aufruft, muss doch jedes Gewissen erwachen. Dies ist der Grund, weshalb die Israeliten vor dem Herrn ihre Formel sprechen sollen. Können sie mit Wahrheit sagen: Ich habe gebracht, das geheiliget ist, aus meinem Hause usw., haben sie wirklich nichts von der heiligen Gabe für den eigenen Bedarf verwendet, dann erst sind sie rein vom Gottesraub. Was dann folgt: Ich habe deine Gebote nicht übertreten noch vergessen, bezieht sich nur auf den gegenwärtigen Fall: es im Allgemeinen und bedingungslos zu behaupten, wäre doch törichte Frechheit und Übermut. Auch so noch lässt die Ausdrucksweise ersehen, dass nicht gerade eine völlige Erfüllung, sondern nur ein aufrichtiger Eifer behauptet werden soll: sie sind sich nicht bewusst, absichtlich von der Vorschrift abgewichen zu sein, dürfen also mit vertrauendem Herzen Gott als Zeugen ihrer Frömmigkeit aufrufen. Wäre es anders gemeint, und von ganzer Vollkommenheit die Rede, so bliebe ja für Opfer und andere Reinigungen kein Raum.
V. 14. Ich habe nicht davon gegessen in meinem Leide usw. Weil Leid und Mange am ehesten verleiten konnte, von dem schuldigen Zehnt etwas zu veruntreuen und selbst zu genießen, soll das Volk ausdrücklich versichern, dass auch in solch versuchlicher Lage das heilige Teil unangetastet geblieben ist. War dies der Fall, dann durfte man sagen: und habe nicht davon getan, sodass ich durch Untreue in Unreinigkeit gekommen wäre. Am schwierigsten ist der dritte Satz zu verstehen: Ich habe nicht zu den Toten davon gegeben. Wahrscheinlich ist daran zu denken, dass nicht etwa bei einem Leichenmahl etwas von den heiligen Gaben verzehrt worden ist, was doch verunreinigend hätte wirken müssen, wie die Berührung mit einem Leichnam.
V. 15. Siehe herab von deiner heiligen Wohnung und segne das Land. Wenn Gott dies unter der Bedingung tun soll, dass man sich nicht durch Raub an seinem Eigentum befleckt hat, so ist dies eine eindrückliche Erinnerung, dass man auf keine andere Weise Segen vom Herrn erwarten darf. Bemerkenswert ist die Ausdrucksweise: das du uns gegeben hast, ein Land, da Milch und Honig innen fließt. Das Land war also nicht von Natur fruchtbar, sondern Gott machte es erst durch den Segen, den er täglich herabträufen ließ, ertragreich.
V. 25. Der Herr redete mit Mose usw. Hier wird ein zweiter Zehnt angeordnet, den die Leviten von dem Zehnt aussondern sollten, den sie selbst empfangen hatten. Er kam (V. 28) dem Priester Aaron, d. h. den Priester überhaupt zu Gute. Es war dies ein wohl verhältnismäßig großer Anteil. Aber so ziemte es sich für die Würde des Priesterstandes, bei dem man auch am ehesten eine gewissenhafte Verwendung erwarten konnte, und der viele außerordentliche Ausgaben zu machen hatte. Damit nun die Leviten in der Abgabe dieses Zehnts sich nicht engherzig und schmutzig erweisen möchten, verkündigt Gott, dass ein solcher Diebstahl an den Priestern genau ebenso frevelhaft sein würde, als wenn das Volk den rechtmäßigen Anteil der Leviten schmälerte. Darauf zielen die Worte (V. 27): und sollt solch euer Hebopfer achten, als gäbet ihr Korn aus der Scheune. Ganz ebenso wie das Volk zur Gabe des ersten Zehnts verpflichtet ist, sind die Leviten an die ihnen aufgelegte Verzehntung gebunden. Es wird auch ganz allgemein verordnet (V. 29): von allem, das euch gegeben wird, sollt ihr dem Herrn allerlei Hebopfer geben; und zwar nicht das Schlechte und Minderwertige, sondern von allem Besten sollen sie auf das Teil der Priester legen.
V. 31. Und möget´s essen an allen Stätten usw. Gemeint sind die neun Zehntteile, die den Leviten übrig bleiben: sie gehen wieder in den Gebrauch als gewöhnliche Speise über, und der Levit kann davon essen wie jedermann von dem Ertrag seines Ackers. Allerdings könnte man meinen, dass heilige Gaben, wie es doch die Zehnten waren, nur an heiliger Stätte verzehrt werden dürften; und dafür könnte auch der nächste Satz sprechen: denn es ist euer Lohn für euer Amt in der Hütte des Stifts. Daraus ließe sich etwa schließen, dass dieser Lohn zum Unterhalt für die Leviten bestimmt war, während sie ihr Amt verrichteten, das Heiligtum bewachten, oder am Altar Opfer schlachteten. Weil sie aber nach Gottes Verordnung über das ganze Land zerstreut waren, und dabei doch Diener des Heiligtums blieben, wurde ihnen mit Recht erlaubt, sich an jedem Orte von dem Lebensunterhalte zu nähren, den Gott ihnen zugewiesen hatte. Endlich (V. 32) wird bestätigt, dass die Leviten nur dann keine Sünde auf sich laden, wenn sie den Priestern ihr ungeschmälertes Recht zukommen lassen. Ergeben sie sich aber dem Raub und Betrug, so wartet ihrer eine schwere Strafe: sie müssen sterben. Würden sie doch dadurch das Geheiligte der Kinder Israel, d. h. das was im Namen des ganzen Volkes für heiligen Zweck dargebracht war, entweihen.
V. 1. Die Priester, die Leviten, sollen nicht Teil noch Erbe haben. Dieser Abschnitt enthält wesentlich drei Bestimmungen. Zuerst zeigt Gott, weshalb sich die Kinder Israel durch den an die Leviten zu gebenden Zehnt nicht beschwert fühlen dürfen: hat doch dieser Stamm kein Erbe empfangen. Sodann beugt der Herr aller Auflehnung, dem Betrug und hässlichem Raub vor und sichert den Leviten und Priestern ihren Teil. Drittens wird festgelegt, wie die Gaben genauer verteilt werden sollen, und welche Teile von den Opfertieren die Priester zu beanspruchen haben. Bezüglich der beiden ersten Stücke wird nachdrücklich eingeprägt (V. 5), dass es sich um eine göttliche Ordnung handelt: wer die Leviten schmälern will, streitet also mit Gott. Doch hören wir hier nichts Neues, das uns nicht aus den letzten Abschnitten schon geläufig wäre.
V. 3. Das soll aber das Recht der Priester sein usw. Nicht bloß den Priestern zugute stellt Gott deren Anteil an den Opfergaben usw. fest, damit sie ohne Murren und Klagen annehmen, was ihnen zukommt; auch dem Volk ist es nützlich, wie die Geschichte von den Söhnen Eli zeigt (1. Sam. 2, 22), zu wissen, was dem Priester gehört, damit es nicht übervorteilt werde. Gott setzt aller Willkür eine Schranke: wenn ein Priester sich räuberische Übergriffe erlaubte, durfte jedermann aus dem Volke ihn der Habsucht zeihen.
V. 6. Wenn ein Levit kommt usw. Was Gott den Priestern zuwies, schien er den Leviten entzogen zu haben. Darum wird jetzt genauer dargelegt, wie die Priester erster Ordnung den übrigen Leviten den ihrer Arbeit entsprechenden Teil von den Opfergaben usw. zu überlassen haben. Vornehmlich steht nun fest, dass Leviten, die in ihren Häusern blieben, mit dem Zehnt zufrieden sein mussten und nichts von den übrigen Darbringungen anrühren durften. Die aber aus irgendeinem Teil des Landes zum Heiligtum kamen, sollten in gehöriger Ordnung auch als Diener desselben behandelt werden. Dieses Gesetz wehrte also dem Missbrauch, dass nicht etwa jemand von dem Dienst und seinem Lohn ganz ausgeschlossen blieb, oder die auswärtigen hinter den in Jerusalem ansässigen Leviten zurückstehen mussten. Hatten doch auch diejenigen, die in anderen Städten wohnten, ihren Beruf, der sich ja keineswegs in Schlachtung der Opfertiere erschöpfte. Die aber dem Heiligtum ganz und gar ihre Dienste weihten, wollte Gott doppelt geehrt wissen. Es hätte sich nicht geziemt, solche Leute, die sich ihres Hauses nicht annehmen konnten, weil ihre Zeit ganz mit heiligen Geschäften erfüllt war, zeigt der Bericht des jüdischen Schriftstellers Josephus, der davon zu sagen weiß, dass die Priester mit Waffengewalt den Leviten zuweilen die Zehnten entrissen haben.
Nunmehr kommen wir zu dem dritten und letzten Stück des gesetzlichen Kultus, zu den heiligen Opfergaben. Unter ihnen verrechnen wir als erstes Stück die Schaubrote, für die, wie wir bei der Beschreibung der Stiftshütte sahen, ein eigener Tisch, nördlich des Leuchters, vorhanden war. Sie gehören in der Tat zu den Opfern, da sie als eine heilige Gabe gleichsam vor Gottes Angesicht vor die Bundeslade gelegt wurden. Ich habe schon früher erinnert, dass es ein besonderes Zeichen der Gnade Gottes war, wenn er sich so freundlich zu seinen Kindern herabließ und gleichsam ihr Tischgenosse wurde (Abschnitt 64). Zwölf „Brote des Angesichts“ sollten aber offenbar im Hinblick auf die zwölf Stämme aufgelegt werden, deren jeder gleichsam seinen Beitrag an Speise zum Tisch des Herrn leistete. Zwei Zehntel sind der fünfte Teil eines Epha. Gott gab diese bestimmte Vorschrift über den Umfang der Brotkuchen, um bei dieser so überaus heiligen Zeremonie allen ärgerlichen Schwankungen vorzubeugen. Das Zehntel erinnert offenbar, um die Heiligkeit der Brote noch tiefer einzuprägen, an den Zehnt, der dem Volke auferlegt war; warum es aber gerade verdoppelt wird, weiß ich nicht, ist auch genauer zu untersuchen überflüssig. Dass (V. 7) der Weihrauch bei den Broten zum Gedächtnis dienen soll, will besagen, dass das durch den angezündeten Weihrauch gewissermaßen in ein Brandopfer verwandelte Brot das Gedenken Gottes auf die Kinder Israel wenden werde, die ihm nun ein süßer Geruch.
Die Sitte zu opfern, die allezeit und bei allen Völkern in Übung war, hat ohne Zweifel bei den heiligen Vätern ihren Ursprung genommen. Nachdem aber die ganze Menschheit in abergläubisches Wesen hinab gesunken war, verwilderte auch der Opferritus: jedermann dachte sich etwas Neues aus, und was von dem Alten übrig blieb, wurde in gedankenloser Nachahmung vollzogen, da niemand an den wahren Zweck des Opfers dachte. Warum Gott mit Blut versöhnt werden musste, war der ganzen Heidenwelt unbekannt. Man vergoss das Blut der Opfertiere ohne Zweck und Ziel, weil man nicht bedachte, dass man dem Urteil Gottes verfallen war und ihn inständigst um Vergebung hätte bitten müssen; noch viel weniger erhob man seine Gedanken zu der Sühne, die Gott doch nicht bloß in seinem geheimen Rat zuvor bestimmt, sondern dem Menschengeschlecht auch verheißen hatte. Aus alledem schließen wir, dass der heidnische Kultus vor dem Herrn verworfen war, weil er sich nicht auf Gottes Wort gründete. Nur soviel bleibt bestehen, dass bei aller Verfälschung die Sitte des Opfers doch die Menschen von ihrer eignen Unwürdigkeit überführte und sie zu der Anerkennung zwang, dass Gott dem Menschengeschlecht nur durch das Mittel einer Versöhnung gnädig werden könne. Es war darum töricht, wenn die Pythagoräer2) behaupteten, dass man mit Opfern den Namen Gottes schmähe. Diese Philosophen stießen sich daran, dass man um der Schuld des Menschen willen ein unschuldiges Tier schlachtete. Sie hätten aber vielmehr bedenken sollen, wie schmählich gefühllos und gleichgültig, ja frech und unverschämt die Menschen hätten sein müssen, wären sie ohne alles Weitere vor das Angesicht des Gottes getreten, der mit Recht ihr Feind war, und wenn sie seine Vergebung als eine selbstverständliche Sache angenommen hätten. Es hat also einen sehr guten Sinn, dass den Sündern das Gericht des Todes, dem sie verfallen sind, im Opfer vor Augen gestellt wird: so muss der Mensch in sich schlagen und muss die Sünde, in der er sich sonst schmeichelte, zu verabscheuen anfangen. Allerdings konnte Pythagoras in diesem Stück leicht fehl greifen, weil er noch nicht wusste, dass Gott ohne Sühne nicht versöhnt werden kann. Wir aber wollen uns, da diese Sache alles menschliche Begreifen übersteigt, der Führung der heiligen Schrift anvertrauen: aus ihr ersehen wir, dass alle Menschen, die Gott aufrichtig gesucht haben, von jeher blutige Opfer darbrachten, und dass schon vor Erlass des Gesetzes die Opfer ein unerlässlicher Bestandteil der Religion waren. Und ohne Zweifel wurden die Blicke der heiligen Väter durch geheimen Trieb des Geistes auf den Mittler gerichtet, durch dessen Tod Gott endlich versöhnt wurde. Eine genauere Erklärung gab freilich erst das Gesetz. Und da die Heiden mannigfache Gestalten des Opfers aufgehäuft hatten, so bot auch Gott seinen Gläubigen allerlei Opfer an, in denen sie sich üben konnten, sei es, dass sie ihre Frömmigkeit bezeugten oder Dank sagten, sei es, dass sie die Kraft ihrer Gebete damit unterstützten, Reinigung suchten oder ihre Sünden sühnen wollten. Es wird am übersichtlichsten sein, wenn wir alle diese Opfer in zwei Hauptteile scheiden: die einen dienen der Sühne, die andern der Bezeugung des Danks. Dabei begreifen wir unter dem ersten Stück auch die Weihe der Priester, in der die Reinigung eine hervorragende Rolle spielte. Weil aber ohne Christi Eintreten Gott sicherlich keine Gebete erhört, wurde das ständige Morgen- und Abendopfer eingerichtet, das die Gebete der Gemeinde weihen sollte. Ja, selbst wenn man nur Gottes Wohltaten feierte, wurde Blut vergossen: so lernte das Volk, dass ohne eine vermittelndes Opfer selbst seine Dankbarkeit dem Herrn nicht gefallen konnte, dass überhaupt nichts Reines von dem Menschen ausgeht, sondern alles mit Blut gereinigt werden muss.
V. 38. Und das sollst du mit dem Altar tun usw. Unter den Opfern geben wir dem täglichen oder ständigen Opfer die erste Stelle. Täglich sollte man dem Herrn zwei Lämmer darbringen, das eine am Morgen, das andere am Abend, damit man sich ständig im Gedenken an die künftige Versöhnung übe. Überhaupt wurden unter dem Gesetze die Opfer häufiger wiederholt, weil ja ihre Darbringung zur Sühne der Sünden nicht wahrhaft wirksam war (Hebr. 10, 1 f.). Darum ging der Hohepriester in jedem Jahre wieder von neuem mit dem Blut in das Allerheiligste; darum war es auch nützlich, täglich zweimal dem Volk ein Opfer vor Augen zu stellen: so wurde ihm eingeprägt, wie nötig eine immer wiederholte Versöhnung mit Gott ist. Immer wieder wurden die Kinder Israel an ihre Schuld und Verdammlichkeit erinnert, damit sie vom Anfang bis zum Schluss des Tages ihre Zuflucht zu Gottes Erbarmen nehmen lernten. Dass zu diesem Opfer jährige Lämmer bestimmt waren, deutet darauf, dass die betreffenden Tiere vollkommen und unversehrt sein sollen. Hinzugefügt wurde noch (V. 40 f.) ein Speisopfer von mit Öl gewürzten Semmelkuchen und ein Trankopfer von Wein. Ohne Zweifel sollte diese symbolische Darstellung daran erinnern, dass, was man dem Herrn darbringen wollte, seinen Wohlgeschmack haben müsse. Davon schmeckte Gott selbst gewisslich nichts, auch wollte er nicht die Priester an Leckereien gewöhnen und sie unter dem Deckmantel der Religion zu Schlemmern machen, - aber für das Volk hatten diese Beigaben den Sinn, dass es nicht bei der bloßen äußeren Darstellung stehen blieb, sondern erkennen musste, dass noch etwas Besseres und Höheres im Hintergrunde sei. Der Geschmack des Weins und des Öls deutete auf die geistliche Wahrheit, dass das Volk seinerseits Glauben und Buße zu den Opfern beibringen müsse: die äußere Zeremonie ohne solchen Inhalt wäre hohl und töricht gewesen. Der äußere Ritus ist vielfach auch bei den unreinen Heiden nachgeahmt worden: aber das war ein ganz blindes Spiel, weil man einfach glaubte, dass Gott wie ein Mensch an süßen und wohlschmeckenden Speisen Gefallen habe. Gott aber wollte die Gedanken seines Volkes höher empor führen. Der äußere Geschmack sollte das Volk erwecken, dass es im ernsten Gefühl der Buße und im reinen Glauben die Sühne für seine Sünden suchte, nicht in jenen Lämmern, die vor seinen Augen geschlachtet wurden, sondern in dem verheißenen Opfer. Pflegt man dies tägliche Opfer auch das „ständige“ zu nennen, weil es allewege dargebracht wird, so ist doch klar, dass es in Christo sein Ziel und Ende gewonnen hat: auf ihn sollten die Gedanken des alttestamentlichen Volkes durch die äußere Zeremonie gerichtet werden. Heute aber haben wir den Nutzen davon, dass wir wissen, wie in Christo vollendet ward, was die bildliche Darstellung nur aus der Ferne zeigte.
V. 41. In süßem Geruch, buchstäblich zum Geruch der Beruhigung. So dürfen wir nicht zweifeln, dass Gottes Zorn durch das Opfer seines eingebornen Sohnes beruhigt ist, und er uns nun die Sünden vergibt. Allerdings wurde Christus nur einmal geopfert, um durch diese Sühne uns für immer dem Vater zu weihen: wir lernen aber aus dem täglichen Opfer, das unter dem Gesetze geschah, dass in der Wohltat seines Todes allezeit Vergebung für uns bereit liegt, wie auch Paulus sagt, dass Gott sich noch immer mit seiner Gemeinde versöhne, wenn er ihr Christi Opfer im Evangelium anbietet (2. Kor. 5, 18). – Das Wort, welches wir durch „Speisopfer “ übersetzen, heißt genauer Darbringung oder Gabe und wird besonders häufig von dieser Speisengabe gebraucht, die ein Anhang des täglichen Opfers war.
V. 42. Vor der Tür der Hütte des Stifts, da ich mit euch zusammentreffen will. Aus diesem Satz lässt sich ersehen, warum das heilige Zelt seinen Namen trägt: es ist das „Zelt des Zusammentreffens“, oder der Vereinigung3); denn Gott hat seinem Volke diese Stätte bestimmt, um mit ihm daselbst zu verhandeln und Frieden zu stiften. Andere übersetzen freilich „Zelt des Zeugnisses“ oder ähnlich; doch passt sowohl nach dem Wortlaut als nach dem Gedanken unsere Übersetzung besser. Gott hatte die Absicht, durch dieses Zelt der Zusammenkunft, da er sein Volk zu freundlicher Begegnung einlud, die Gläubigen in ehrfürchtiger Abhängigkeit von dem Priestertum zu halten. Wer ein rechter Israelit sein wollte, durfte von ihm nicht weichen noch andere Orte suchen: denn das Gesetz gebietet (V. 43) den Kindern Israel, dort ihren Gott zu suchen. Darum sagt er auch: daselbst will ich geheiligt werden in meiner Herrlichkeit. Dort will Gott also seine Ehre herrlich offenbaren: so wird der Ort heilig, und das Volk ist ganz und gar an den levitischen Priesterstand gebunden, der daselbst waltet. Dabei wollen wir uns aber einprägen, dass es Gott allein ist, der den Ort und die Priester (V. 44) sich heiligen und weihen kann. Wer eine priesterliche Weihe zu besitzen vorgibt und nicht zeigen kann, dass Gott sie ihm gegeben, ist ein unverschämter Schwätzer: darum mögen wir die Anmaßung der päpstlichen Priester mit ruhigem Gewissen verlachen.
V. 46. Dass sie wissen sollen, Ich sei der Herr. Mit diesen Worten erinnert Gott, dass er das Volk nicht bloß einmal erlöst, sondern dass er dies darum getan habe, um bleibend für sein Heil zu sorgen und mit der Tat zu zeigen, dass er unter ihm wohne. Übrigens richtet er als Zeichen und Unterpfand seiner Gegenwart das Heiligtum auf, wo er seinen Anbetern Weisungen zum frommen Wandel geben wollte, die sie auch dort allein zu holen hatten.
V. 1. Und der Herr redete mit Mose usw. Indem Mose noch einmal auf das tägliche Opfer zurückkommt, prägt er zunächst im Allgemeinen ein, dass das Volk genau das halten (V. 2) soll, was Gott vorgeschrieben hat. Darin liegt ein Hinweis nicht nur auf den willigen Eifer, sondern auch auf den Gehorsam bis ins kleinste. Damit man sich aber umso peinlicher vor jedem Versehen hüte, sagt Gott: mein Brot. Er meint damit die Brotkuchen, wie sie täglich auf den Tisch gelegt oder auch zu den feurigen Opfern gefügt wurden, - gleich als esse er sein Brot wie ein Mensch. Diese fast anstößige Redeweise war für das rohe Begriffvermögen des alttestamentlichen Volkes nötig, einerseits damit es wissen sollte, dass dem Herrn diese Ordnung ebenso angenehm war, wie einem Menschen seine Speise, anderseits damit sie desto reiner und eifriger ihre Opfer brächten.
V. 3. Und sprich zu ihnen usw. Damit wird einfach wiederholt, was wir schon aus dem zweiten Buch wissen, dass an jedem Tage je abends und morgens ein Lamm geopfert werden soll; nur die Beigaben (V. 5 ff.) von Semmelmehl und Wein werden hier ausführlicher beschrieben. Übrigens wird diese Art des Opfers durch ihr Alter empfohlen (V. 6): so hatte man schon am Berge Sinai geopfert, und es war dem Herrn zum süßen Geruch. Das Trankopfer von Wein (V. 7), dessen hier Erwähnung geschieht, war auch bei den Heiden in Gebrauch: aber weil man es dort ohne Gottes Befehl und Verheißung darbrachte, war es nur eine fade Sache, - wie denn überhaupt die Heiden mancherlei Riten den heiligen Vätern entlehnt und äußerlich nachgeahmt haben, die sie aber ohne Sinn und Verstand nur als einen leeren Pomp vollzogen. In Israel aber waren solche Speis- und Trankopfer eine Erinnerung, dass man auch bei seiner täglichen Nahrung Gott immer vor Augen haben solle: so wurden die Gläubigen auf allerlei Weise zu einem Wandel in der Heiligkeit erzogen.
V. 9. Am Sabbattag aber usw. Jetzt wird angeordnet, was an der früheren Stelle noch übergangen war, dass am Sabbat das tägliche Opfer verdoppelt und statt je eines Lammes je zwei dargebracht werden sollten. Denn es war billig, dass auch darin der siebente Tag, den Gott sich besonders geheiligt hatte, durch ein unterscheidendes Merkmal über die andern Tage herausgehoben wurde. Auch am Neumond (V. 11 ff.) sollte das Opfer vergrößert werden: es wurden zwei junge Farren und ein Widder dargebracht, dazu ein Ziegenbock als Sündopfer. Diese Heraushebung des ersten Monatstages war für das Volk eine Erinnerung, dass es seinen Gott immer wieder zu verehren habe; und bei dem zugefügten Sündopfer musste man bedenken, dass man mit jedem neuen Monat nur mit der Bitte um Vergebung vor Gottes Angesicht erscheinen könne.
V. 16. Aber am vierzehnten Tag des ersten Monats usw. Diese Verordnung steht zwar im Zusammenhang mit dem Passah : weil sie aber insbesondere von den Opfern handelt und die übrigen Zeremonien nur im Zusammenhang mit ihnen streift, müssen wir sie als einen Anhang oder einen Teil der Vorschriften über das tägliche Opfer behandeln. Was uns schon bekannt ist, dass das Volk in den sieben Festtagen keinen Sauerteig essen, sondern sich von ungesäuertem Brot nähren soll (V. 17), rührt Mose oberflächlich an, ums ich dann zu dem Stück zu wenden, worauf es ihm jetzt eigentlich ankommt (V. 19 ff.): man soll als Brandopfer zwei junge Farren, einen Widder, sieben Lämmer darbringen, dazu (V. 22) einen Bock zum Sündopfer, und soll dies Opfer während der ganzen Woche wiederholen. Um also die Würde des Passahfestes besonders herauszuheben, wird mit dem täglichen Opfer noch dies außerordentliche verbunden, teils um das Volk zu treiben, sich noch völliger dem Herrn zu weihen, teils um es zu erinnern, wie freundlich er sie in seine Gnade aufgenommen hatte, indem er von ihren Herden und Zugtieren Opfer annahm und auch aus ihren Vorratskammern und Scheuern heilige Speise empfangen wollte. Endlich sollten die Kinder Israel durch diese Opfer sich des ewigen Todes schuldig bekennen, Zuflucht zur Vergebung suchen und zugleich inne werden, dass der einzige Weg zur Versöhnung der sei, dass man dem Herrn das schuldige Opfer brachte.
V. 26. Und der Tag der Erstlinge usw. Genau die gleiche Vorschrift folgt nun für ein anderes Fest, nämlich für den Tag, an welchem die Kinder Israel ihre Erstlinge darzubringen pflegten. Hier erhebt sich aber ein schwieriger Anstoß: während hier zwei junge Farren und ein Widder gefordert werden, ist 3. Mose 23, 18 dagegen von zwei Widdern und einem Farren die Rede. Manche Ausleger glauben, dass den Priestern in diesem Stück Freiheit gelassen werden sollte. Doch ist dies nicht ganz wahrscheinlich, da sonst überall die genauesten Bestimmungen gegeben werden, man müsste denn etwa sagen, dass eben nur durch die Freiheit in diesem einen Punkte, während alle anderen unbedingt festgelegt waren, Gott daran erinnern wollte, dass es ihm auf den größeren oder geringeren Umfang der Gabe als solcher nicht ankomme. Man wird aber auch dem Glauben nicht zu nahe treten, wenn man annimmt, dass durch Nachlässigkeit der Schreiber in solch kleinen Dingen einmal ein Irrtum untergelaufen ist. Dieses ist mir hier wenigstens das wahrscheinlichste. Sachlich richtig dürfte aber die Lesart an unsrer Stelle sein.
V. 1. Und der erste Tag des siebenten Monats usw. Ich habe schon erinnert, dass hier nicht eigentlich von den Festen selbst, sondern nur von den Opfern die Rede ist, durch welche sie ausgezeichnet werden sollten. Am Anfang des siebenten Monats war ein Gedenktag, den man den Trompetentag nannte. Weil es aber nicht von besonderer Bedeutung war, ordnet Mose (V. 2) nur die Darbringung eines Farren usw. an. Aber um einer anderen Rücksicht willen wuchs die Zahl: denn wir sahen soeben, dass an jedem Neumond zwei Farren geschlachtet wurden. So wurden an diesem Tage drei größere Opfertiere dargebracht, die Zahl der kleineren aber wurde verdoppelt: zwei Widder, vierzehn Lämmer und zwei Ziegenböcke. Auf diese Weise weihte sich Gott diesen Tag doppelt, damit der eine Anlass besonderer Heiligkeit nicht den andern erdrücke, wodurch der Schein hätte aufkommen können, dass Gott eine einmal gegebene Verordnung im bestimmten Falle aufhöbe. Der Trompetentag bedeutete also keine Abschaffung des Neumondes, sondern man hielt beide Tage zugleich.
V. 7. Der zehnte Tag dieses siebenten Monats usw. Dies war der Versöhnungstag. Wenn die Kinder Israel auch niemals ohne Gebet um Vergebung vor Gott traten, so bekannten sie doch an diesem Tage ihre Sünden noch in besonders eindrücklicher Weise: es war zum Zeichen des Schuldbekenntnisses ein Fasten angesagt. Denn so lesen wir 3. Mose 23, 29: „Wer seinen Leib nicht kasteit an diesem Tag, der soll aus seinem Volk ausgerottet werden.“ Was nun die Opfer anbelangt, so wird nur ein Farre gefordert; alles andere stimmt mit den Verfügungen für die übrigen Feste zusammen: indessen wird außer dem Ziegenbock noch eine andere Weise der Versöhnung angeordnet, wie es sich für diesen Tag besonderer Beugung ziemte. Denn die Erkenntnis der Schuld hätte für die Gewissen zur schweren Folter werden müssen, wäre nicht die Hoffnung auf Versöhnung klar vor Augen gestellt worden. Mit diesem eigenartigen Opfer beschäftigen wir uns erst im nächsten Abschnitt.
V. 12. Der fünfzehnte Tag des siebenten Monats war einer der wichtigsten Festtage: an ihm begann die siebentägige Feier der Laubhütten. Diente das Passahfest zur Erinnerung an die Nacht, in welcher die Kinder Israel den Anfechtungen der Ägypter glücklich entronnen waren, so gedachte man in den Tagen der Laubhütten an die ganzen vierzig Jahre der Wüstenwanderung, während der die Väter ununterbrochen die ausgesuchtesten Wohltaten Gottes erfahren hatten. Zugleich beging man das Dankfest nach vollendeter Ernte. So wurden an jedem Tage zahlreiche Opfer dargebracht: am ersten Tage dreizehn Farren, zwei Widder, vierzehn Lämmer, am zweiten Tage zwölf Farren, am dritten elf, des weiteren jeden Tag ein Tier weniger, bis für den siebenten Tag (V. 32) nur noch sieben Farren verordnet waren. Die wortreiche Darstellung hat ihren guten Zweck. Erstlich sollte nicht das Geringste ohne göttliche Vorschrift geschehen; sodann sollte ein so ungeheurer Aufwand nicht als beschwerlich und lästig empfunden werden: weil man ihn freilich lieber vermieden hätte, prägt Gott die Opfer für jeden einzelnen Tag aufs ernstlichste ein. Was die verschiedenen Zahlen etwa bedeuten sollen, weiß ich nicht, ich enthalte mich auch aller Fantasien darüber. Nur dies eine wird man sagen dürfen, dass nicht ohne Absicht am siebenten Tage gerade die Siebenzahl erreicht wurde, das Zeichen der Vollkommenheit. Der achte Tag (V. 35) war dann nur noch ein Anhang. Zum Schluss wird noch einmal eingeprägt (V. 39), dass man sich beim täglichen wie bei allen außerordentlichen Opfern genau an die vom Herrn erlassenen Vorschriften halten und nichts nach menschlicher Willkür ändern soll. Die Opfer, welche mit den Geboten der zweiten Tafel zusammenhängen, wollen wir erst im Zusammenhang mit diesen verhandeln.
V. 1. Und der Herr redete mit Mose. Von der feierlichen Versöhnung, die jährlich im siebenten Monat stattfand, war soeben nur im Vorübergehen die Rede: jetzt wird sie ausführlich beschrieben. Gab es nun auch zu anderen Zeiten des Jahres öffentliche und private Opfer, welche zur Sündensühne dienten, zu denen auch die täglichen Darbringungen gehörten, so sollte doch diese besondere Feier die Gemüter noch besonders erwecken, damit man sich umso eifriger das ganze Jahr hindurch übe, Vergebung zu suchen: diese eine große Sühne war gleichsam das Siegel unter alle andern Opfer und sollte zu besonderem Ernst anleiten, damit man sich wiederum mit Gott versöhne. Um aber den Eifer zur Beobachtung dieses Gesetzes noch zu mehren, erinnert Mose an den besonderen Zeitumstand, da es gegeben war: nachdem die zwei Söhne Aarons Nadab und Abihu, die leichtsinnig Gottes Altar befleckt hatten, gestorben waren (3. Mose 10, 1 f.).
V. 2. Sage deinem Bruder Aaron usw. Der Hauptinhalt dieses Gesetzes ist, dass der Hohepriester nicht zu aller Zeit in das inwendige Heiligtum gehe, sondern nur am Versöhnungstage am Ende des Monats September. Dies hat den Sinn, dass nicht eine zu häufige Wiederholung Gleichgültigkeit erzeugen möchte: denn hätte der Priester bei jedem Opfer das Allerheiligste betreten, so hätte der Akt alsbald an Würde und Ansehen verloren. Zum Zeugnis der Versöhnung genügte die regelmäßige Besprengung des Altars: die nur einmal im Jahre wiederkehrende Zeremonie musste dagegen einen besonderen Eindruck auf das Gemüt des Volkes machen. Dies Opfer, das man nur einmal am Schlusse des Jahres verrichten sah, war auch ein deutlicherer Fingerzeig auf das einige und bleibende Opfer, welches der Sohn Gottes darbringen sollte. Darum spielt der Apostel mit knappem und gewichtigem Wort gerade an diese Zeremonie an (Hebr. 9, 8; 10, 12), wenn er sagt, dass durch den jährlich nur einmaligen Eingang des Hohenpriesters in das Allerheiligste der heilige Geist bezeugt habe, dass der Weg ins Heiligtum noch nicht erschlossen war, solange das alttestamentliche Zelt stand: erst unser wahrer Hohepriester Christus ist ein für allemal in das Heiligtum eingegangen und hat eine ewige Erlösung erfunden. So deutete gerade der Umstand, dass der Versöhnungstag nur einmal im Jahr wiederkehrte, abbildlich darauf hin, dass das Opfer, durch welches Gott dereinst versöhnt werden sollte, keiner Wiederholung bedürfen würde. – Damit nun die Priester nicht gleichgültig, sondern in rechter Furcht die heilige Handlung verrichteten, verkündigt Gott ausdrücklich: ich will in einer Wolke erscheinen auf dem Gnadenstuhl. Von dieser Stätte aus wurde ja auch den Israeliten das Zeichen gegeben, wann das Lager aufbrechen, und wann es noch verweilen sollte. Auch wir wollen heute lernen, dass je näher Gottes Majestät sich zeigt, desto eifriger wir uns hüten müssen, durch Gedankenlosigkeit etwa ein Zeichen der Verachtung an den Tag zu legen: wir sollen vielmehr durch rechte Demut und bescheidene Sammlung unsern völligen Gehorsam bezeugen.
V. 3. Sondern damit soll er hingehen usw. Jetzt wird er Ritus der Feier beschrieben: Aaron soll seine heiligen Gewänder anziehen und seinen Leib waschen; sodann soll er einen jungen Farren mit einem Widder zum Brandopfer darbringen; endlich soll er vom Volk (V. 7) zwei Böcke nehmen, deren einer legend losgelassen, deren anderer als Opfer geschlachtet wird. Weshalb die Priester eine besondere und feierliche Kleidung trugen, haben wir früher schon erörtert (Abschnitt 75): wer zwischen Gott und Menschen vermitteln sollte, musste von Unreinigkeit und Flecken frei sein. Da nun bei keinem Sterblichen dies in Wirklichkeit der Fall sein konnte, so wurde die Sache selbst durch eine bildliche Darstellung ersetzt, aus welcher die Gläubigen lernen sollten, dass man einen andern Mittler noch zu erwarten habe: besaßen doch Aarons Söhne nur eine schattenhafte, nicht eine wahre und wesenhafte Würde. So oft also der Priester seine täglichen Kleider anzog und die feierlichen Gewänder anlegte, wie sie im gewöhnlichen Leben niemand trug, war dies ein Zeugnis, dass er eine andere Person darstellte. Und hätte dieses Zeichen etwa noch nicht genügt, so konnte man doch einmal aus der Waschung ersehen, dass keiner von den Kindern Aarons der rechte und wahre Versöhner sein könne. Denn wie sollte ein Mann, der selbst der Reinigung bedurfte und seine Unreinigkeit bekennen musste, andere reinigen? Und noch ein drittes Symbol redete seine Sprache (V. 6): sollte ein Mann, der mit einem eigenen Sündopfer sich und sein Haus sühnen musste, die Fähigkeit besitzen, anderen Gnade bei Gott zu erwerben? Durch alles dies wurden die heiligen Väter erinnert, dass durch diese Gestalt eines sterblichen Menschen ihnen ein anderer Mittler verheißen wurde, der zur Versöhnung des Menschengeschlechtes mit vollkommener und mehr als engelhafter Reinheit vor Gott treten sollte. Zudem wurde dem Volk in der Person des Priesters ein Bild der Verderbnis vor Augen gestellt, die das ganze menschliche Geschlecht beherrscht und vor Gott schmutzig erscheinen lässt. Denn wenn der von Gott erwählte und mit heiligem Öl gesalbte Priester um seines Schmutzes willen nicht würdig war zum Altar zu treten, wie musste es dann erst mit der Würdigkeit der großen Masse stehen! Daraus entnehmen auch wir die Lehre, dass, wenn es sich um die Versöhnung mit Gott handelt, wir weder rechts noch links, sondern allein auf Christum blicken müssen, der allein die Reinheit und Unschuld besitzt, die vor Gottes Gericht bestehen kann.
V. 7. Und danach die zwei Böcke nehmen usw. Hier haben wir es mit einer doppelten Form der Sühne zu tun. Denn von den beiden Böcken wird der eine nach der sonst unter dem Gesetz üblichen Weise zum Opfer gebracht, der andere aber hinausgetrieben, damit er ein „Auskehricht“ oder „Fegopfer“ werde. Beides ist in Christus erfüllt: er war das Lamm Gottes, dessen Opferung die Sünden der Welt getilgt hat, und zugleich das Fegopfer, an dem keine Gestalt noch Schöne war, und den die Menschen von sich stießen. Wollte man sich in weitere Spielereien einlassen, so könnte man vielleicht auch sagen, dass der lebendig bleibende Bock ein Abbild des auferstandenen Christus war, der nicht untergehen konnte, nachdem er für die Sünden geopfert war, und nachdem er den Fluch der Menschheit getragen hatte. Ich begnüge mich aber lieber mit der einfacheren und gewisseren Auslegung: der Bock, der lebendig und frei ausging, war ein Sühnemittel, aus dessen Weggang und Flucht das Volk die Gewissheit schöpfen sollte, dass seine Sünden weit weggebracht und verschwunden seien. Es war dies aber im ganzen Gesetz das einzige unblutige Sühnopfer. Darum bleibt doch das apostolische Wort wahr (Hebr. 9, 22), dass ohne Blutvergießen keine Vergebung geschieht: denn da beide Böcke zugleich dargebracht, vor die Tür der Stiftshütte gestellt und ausgelost wurden, so wurde Gott doch nicht ohne Blut versöhnt, wenn auch das eine Tier am Leben blieb; die Kraft der Sühne hing an der Aufopferung des anderen. Über die Bedeutung des Wortes (V. 8) Asasel ist man nicht einig: jedenfalls wird so der Ort genannt, zu dem man den losgelassenen Sühnebock hintrieb. Möglicherweise lässt sich übersetzen: „Weggang der Ziege“; andere ziehen vor „Vertreiber des Bösen“, womit dann irgendwie der Bock selbst gemeint wäre, sodass man etwa lesen müsste (V. 10): und lasse den Bock als Asasel in die Wüste. Doch passt das erstere weit besser. Wenn übrigens die Juden behaupten, dass der betreffende Ort nahe beim Berge Sinai gelegen habe, so kann dies nicht zutreffen: hat man doch alljährlich, als das Volk auch schon sehr weit von dort entfernt war, das Los für Asasel geworfen. Es mag uns also genügen, dass man eine einsame und unwirkliche Gegend wählte, wohin man den Bock trieb, damit nicht der Fluch Gottes im Volk bliebe.
V. 12. Und soll einen Napf voll Blut vom Altar nehmen usw. Bevor der Hohepriester das Blut in das Allerheiligste hineinträgt, soll er Weihrauch darbringen. Wir wissen ja, dass der Räucheraltar vor dem Vorhang stand. Dort wurde regelmäßig geräuchert: jetzt aber soll der Priester hinter den Vorhang treten und also im Allerheiligsten selbst räuchern. Sehr bemerkenswert ist aber, dass (V. 13) der Nebel vom Räucherwerk den Gnadenstuhl bedecken soll, damit der Priester nicht sterbe. Durch dieses Zeichen sollte eindrücklich werden, wie schrecklich Gottes Majestät ist, deren Anblick auch dem Priester tödlich war: so sollte jedermann erzittern und sich demütig vor Gott niederwerfen; alle Verwegenheit und Frechheit wurde zu Boden geschlagen.
V. 15. Danach soll er den Bock, des Volks Sündopfer, schlachten. Wörtlich: „und“ er soll den Bock schlachten. Man weiß also nicht genau, ob wirklich dieser Bock besonders dargebracht wurde, nachdem der Priester für sich selbst und seine Sünde den Farren geopfert hatte, oder ob man nicht alles in einen Akt zusammenfasste. Indessen wird wohl das erstere der Fall gewesen sein, und wir tun recht zu übersetzen: „danach“.
V. 16. Und soll also versöhnen das Heiligtum. Dass die Stiftshütte entsündigt werden soll, scheint unpassend, als stünde es in der Menschen Macht, das zu verunreinigen, was Gott selbst geweihet hat. Freilich wissen wir, dass Gott wahrhaftig bleibt, wenn auch die ganze Welt gottlos ist: somit kann gewiss keine menschliche Sünde Gottes Einsetzungen aus ihrem Wesen rücken. Wenn aber trotzdem das Heiligtum entsündigt werden soll, so muss es unter einem gewissen Gesichtspunkt doch befleckt gewesen sein: es gilt im Hinblick auf die Sünde und Schuld des Volkes mit Recht als unrein. Wie schwer diese Sünde ist, lässt sich auch daraus abnehmen, dass Menschen auch bei dem besten Vorsatz, den Herrn zu verehren, nur zu oft durch Nachlässigkeit und mangelnde Ehrfurcht seinen Namen entweihen. Dieses Tempelraubes erklärt Mose die Kinder Israel schuldig, wenn er ausdrücklich eine Reinigung des Heiligtums anordnet. Dabei sollen wir freilich wissen, dass durch der Menschen Schuld dem Wesen und der Würde der heiligen Dinge an sich kein Eintrag geschehen kann. Eben deswegen sagt auch Mose: er soll das Heiligtum versöhnen von der Unreinigkeit der Kinder Israel, nicht von seiner eignen. Nunmehr wollen wir diese bildliche Darstellung auf unsre Verhältnisse anwenden. Durch Taufe und heiliges Abendmahl erscheint uns Gott heute in seinem eingebornen Sohn: sie sind die Unterpfänder unserer Heiligung; aber verderbt, wie wir sind, beflecken wir, soviel an uns ist, unaufhörlich diese Mittel des Geistes, durch welche Gott uns heiligen will. Da nun heute keine Opfer mehr geschlachtet werden, so müssen wir unsre Seufzer opfern und müssen inständigst bitten, dass Christus durch die Besprengung seines Blutes unsern Schmutz, durch welchen Taufe und heiliges Abendmahl befleckt werden, tilge und reinige. Bemerkenswert ist der Grund, weshalb die Stiftshütte der Reinigung bedarf: denn sie sind unrein, die umher lagern. Die Menschen sind also dermaßen von Befleckung und Verderbnis voll, dass sie alles Heilige verunreinigen: nur eine besondere Reinigung kann dem abhelfen. Was nun für das Allerheiligste in dieser Hinsicht verordnet war, soll auch (V. 16, 18) ausdrücklich für die ganze Stiftshütte und für den Altar gelten.
V. 17. Kein Mensch soll in der Hütte des Stifts sein usw. Dass während des Sühnaktes jedem Israeliten der Zutritt zum Heiligtum verwehrt wird, ist gleichsam eine Strafe zeitweiliger Verbannung: die Kinder Israel sollen wissen, dass Gott sie so lange von seinem Angesichte verstößt, bis die Stätte, die sie mit ihren Sünden befleckt haben, wiederum gereinigt ist. Welch trauriges Schauspiel, dass alle, um deren willen die Stiftshütte errichtet war, sie nun verlassen mussten! Aber auf diese Weise wurde ihnen eingeprägt, dass ihr ganzes Heil durchaus an Gottes Erbarmen hing: selbst von dem Mittel, welches ihnen die Vergebung verschaffen sollte, blieben sie ausgeschlossen, und es musste noch eine neue Vergebung hierfür eröffnet werden; so weit hatten sie sich von der Hoffnung auf Versöhnung entfernt.
V. 20. So soll er den lebendigen Bock herzu bringen usw. Jetzt wird das Verfahren mit dem anderen Bock genauer beschrieben: derselbe soll als ein Mittel der Sühne vor Gott gestellt werden, der Priester soll ihm die Hand aufs Haupt legen und damit die Sünden des Volkes bekennen; so wird der Fluch auf den Bock gelegt. Dies ist das einzige unblutige Sühnopfer; aber wir sahen schon, dass dasselbe auf die blutige Opferung des ersten Bockes sich zurück bezieht, und dass es ohne diesen Zusammenhang nichts wirken könnte. Übrigens scheint es ungereimt, an Stelle der Menschen auf ein unschuldiges Tier den Fluch Gottes zu legen: aber die Gläubigen sollten daraus lernen, dass sie selbst das Gericht Gottes nicht würden ertragen können, und dass nur die Übertragung der Schuld auf einen anderen sie frei macht. Denn weil die Menschen fühlen, dass der auf ihnen allen lastende Zorn Gottes sie völlig zu Boden drückt, so versuchen sie, auf allerlei Weisen diese unerträgliche Last wegzuwälzen und abzuschütteln, jedoch vergeblich: denn ohne Genugtuung ist auf keine Erlösung zu hoffen, - diese können die Menschen aber nicht nach eigenem Gutdünken dem Herrn aufdrängen, und es ist törichte Überhebung, in sich selbst das Lösegeld zu suchen, welches die Sünden aufwiegt. Eine andere Weise zur Versöhnung Gottes wurde beschafft, als Christus ein Fluch ward und die Sünden auf sich nahm, welche die Menschen von Gott trennten (2. Kor. 5, 19; Gal. 3, 13). Das Sündenbekenntnis aber diente zur Demütigung des Volkes und war ein Antrieb zu eifriger Buße: denn das Opfer, das Gott gefällt, ist ein geängsteter Geist (Ps. 51, 19). Und es ist billig, dass Gottes Barmherzigkeit nur gebeugte Menschen aufrichtet und nur freispricht, die sich selbst verdammen. Darauf deutet (V. 21) die Wortfülle, dass Aaron bekennen soll alle Missetat der Kinder Israel und alle ihre Übertretung in allen ihren Sünden. Die Gläubigen sollen sich nicht bloß obenhin und geschäftsmäßig vor Gott als schuldig bekennen, sondern vielmehr unter der Last ihrer Sünden seufzen. Da nun in Christo nicht mehr ein bestimmter Tag im Jahre verordnet ist, an welchem die Gemeinde feierlich ihre Sünden bekennen soll, so mögen die Gläubigen sich gewöhnen, allemal, wenn sie in Gottes Namen zusammenkommen, ihn mit zerknirschtem Geist um seine Vergebung anzuflehen und sich willig unter sein Urteil zu beugen. Auch persönlich halte sich ein jeder nach der gleichen Regel.
V. 26. Der aber den Bock für Asasel hat ausgeführt usw. Da dieser Bock ein Fegopfer des göttlichen Zornes und dem Fluch geweiht war, soll der Mann, der ihn herausgeführt hat, seinen Leib und seine Kleider waschen, als wäre auch er angesteckt worden. Dieses Zeichen sollte den Gläubigen einprägen, wie hässlich ihr sündhaftes Wesen wäre: so sollten sie mehr und mehr erschrecken, so oft sie bedachten, was sie eigentlich verdienten. Sollte der Mann, der sich durch die bloße Berührung mit dem Bock verunreinigt hatte, aus dem Lager ausgeschlossen werden, so mussten sie sich sagen, dass eine noch viel tiefere Kluft zwischen Gott und ihnen befestigt war, die nicht bloß mit einer von außen gekommenen Unreinigkeit, sondern mit eigenster Schuld behaftet waren. Ebenso (V. 28) soll der Mann behandelt werden, der Haut, Fleisch und Mist des Farren und des ersten Bockes verbrannt hatte. Anderwärts (3. Mose 4, 12; 6, 4) haben wir gesehen, dass man jene Reste zum Zeichen des Abscheus aus dem Lager herausbrachte. Und darin leuchtet Christi unermessliche Liebe gegen uns besonders hell, dass er sich nicht geweigert hat, aus der Stadt herauszugehen, um für uns ein Verstoßener zu werden und den Fluch, dessen wir schuldig waren, auf sich zu nehmen (Hebr. 13, 13).
V. 29. Das soll euch ein ewiges Recht sein usw. Jetzt erst hören wir, dass im Zusammenhang mit dem Versöhnungsopfer ein eigentlicher öffentlicher Bußtag gefeiert wurde. Die Kasteiung, die wir anderwärts (3. Mose 23, 29) ausführlicher beschrieben finden, wird hier wenigstens kurz angerührt. So sollte sich das Volk desto fleißiger im ernsten Streben nach Buße üben und zugleich nicht zweifeln, dass es jetzt wahrhaft vor Gott gereinigt werde, wenn auch auf sakramentliche Weise, d. h. aber so, dass die äußere Zeremonie ein zuverlässiges Zeichen der Sühne war, durch welche sie in der Fülle der Zeiten mit Gott versöhnt werden sollten. Darum prägt Mose mit ausführlichen Worten ein (V. 32), dass das Amt der Versöhnung dem Priester zusteht, den man geweiht hat usw.: damit deutet er auf die Gnade des zukünftigen Mittlers, um die Gedanken der Gläubigen auf ihn allein zu richten.
V. 1. Und der Herr rief Mose usw. In diesen sieben Kapiteln handelt Mose im Allgemeinen von den Opfern. Ist darin auch vieles, was wir flüchtig übergehen können, so haben doch diese bildlichen Darstellungen des Gesetzes auch für uns noch einen brauchbaren Sinn. Allerdings muss man auf eine gar zu feine allegorische Ausdeutung verzichten. Unser Kapitel handelt insbesondere (V. 3) vom Brandopfer, enthält dabei aber auch manche für das Opfer im Allgemeinen geltende Gesichtspunkte: so z. B. wenn Mose lehrt, welche Tiere der Herr als Opfer annehmen will, durch wen und mit welchem Ritus sie dargebracht werden sollen. Es werden nun drei Arten von Opfern aufgezählt, durch welche Privatleute ihre Sünden zu sühnen oder ihre Frömmigkeit zu bezeugen pflegten (V. 3, 10, 14): Opfer von Großvieh, Kleinvieh oder Vögeln. Dargebracht werden sollen männliche Tiere, also Ochsen und Böcke; dazu sollen dieselben unversehrt und ohne Fehl sein. Weiter sehen wir, dass nur reine Tiere zum Opfer taugten, übrigens auch nicht alle, sondern nur Haustiere, die unter der Gewalt des Menschen stehen. Zähmt man auch zuweilen Damhirsche und Rehe, so lässt Gott diese doch nicht zu seinem Altare zu. So ist ein wichtiger Grundsatz des Gehorsams, dass man nicht ohne Wahl allerlei beliebige Opfer bringen sollte, sondern aus dem Großvieh Rinder, aus dem Herdenvieh Schafe und Ziegen. Dass die Opfertiere rein sein sollen, hat einen doppelten Grund: erstlich waren die Opfer Darstellungen Christi, sodass in ihnen seine ganze Vollkommenheit, die den Vater versöhnen sollte, zur Erscheinung kommen musste. Sodann sollten die Kinder Israel erinnert werden, dass Gott alle Unreinigkeit verwirft, und dass man seinen Dienst nicht mit schmutzigem Geiz beflecken darf. An sich war freilich die Reinheit eines unvernünftigen Tieres keine Sühne vor Gott, aber sie bedeutete etwas Größeres und richtete den Glauben auf Christum. Weiter wird verordnet (V. 4), dass, der das Opfer darbringt, seine Hand demselben auf das Haupt legen soll, was nicht bloß ein Zeichen der Weihe, sondern auch der Sühne war: so trat das Tier an die Stelle des Menschen. Darauf deuten auch die Worte: so wird es angenehm sein und ihn versöhnen. Ohne Zweifel übertrug man also seine Schuld und was man an Strafen verdient hatte auf die Opfertiere, um wiederum zum Frieden mit Gott zu kommen. Da nun diese Verheißung nicht trügen konnte, müssen wir annehmen, dass die alttestamentlichen Opfer tatsächlich der Preis und die Genugtuung waren, die Gott annahm und um derentwillen er die Kinder Israel in seinem Gericht von Schuld und Haft freiließ. Freilich konnten unvernünftige Tiere nur insofern eine Sühne bedeuten, als sie Zeugnisse der durch Christum zu beschaffenden Gnade waren. Darum wurden die Alten durch die Opfer auf sakramentliche Weise mit Gott versöhnt, genau so, wie wir heute durch die Taufe abgewaschen werden. Daraus folgt, dass jene Symbole nur insoweit von Nutzen waren, als sie Übungen in der Buße und im Glauben waren: durch sie sollte der Sünder Gottes Zorn fürchten und in Christo Vergebung suchen lernen.
V. 5. Und soll das junge Rind schlachten usw. Für die Opferung wird nun angeordnet, dass der Priester das Opfertier zurüsten und sein Blut auf den Altar sprengen soll: einem Privatmann steht es nicht zu, mit eigenen Händen sein Tier zu opfern, und wenn es doch von ihm heißt, dass er damit dies oder das tun soll, so ist darunter nur zu verstehen, dass es der Priester in seinem Namen tut. Es ist sehr bemerkenswert, dass der Israelit zwar das Pfand seiner Versöhnung von Hause mitbringen, aber die Versöhnung nicht selbst vollziehen durfte: zu diesem herrlichen Amte war nur der berufen, den Gott durch seine heilige Weihe dazu gerüstet hatte. Dadurch wurde öffentlich gezeigt, dass kein Sterblicher würdig ist, sich Gott behufs der Sühne zu nahen, und dass alle Hände befleckt und unrein sind, wenn nicht Gott sie reinigt. Die Würde und Fähigkeit zum Opferdienst fließt nur aus der Gnadengabe des Geistes, deren Unterpfand die äußere Salbung war. Der Altar wurde besprengt, damit das Volk wisse, dass das vergossene Blut des Opfertieres nicht auf die Erde falle, sondern dem Herrn geweiht werde und vor ihm gleichsam einen angenehmen Geruch ausströme, so wie heute Christi Blut vor Gottes Angesicht für uns erscheint. – Übrigens ist zu merken, dass Mose hier nur von den Brandopfern handelt, die ganz und gar verbrannt wurden; dass dies nicht immer der Fall war, werden wir später (Abschnitt 110) sehen. Wenn wir also zweimal (V. 8, 12) lesen, dass der Priester die Stücke, den Kopf und das Fett auf das Feuer legen soll, so ist dies nicht so zu verstehen, als sollten nur gewisse Stücke verbrannt werden: vielmehr sollte nichts übrig bleiben außer dem Fell. Was aber an dem Opfertier schmutzig war (V. 9, 13), soll gewaschen werden, damit es nicht befleckend wirke. Endlich haben wir noch zu fragen, warum die ganze oder teilweise Verbrennung stattfand. Ich glaube, dass das Feuer die Kraft des Geistes darstellen soll, von welcher aller Nutzen der Opfer abhängt: denn wenn Christus nicht im Geiste gelitten hätte, wäre er kein wahres Sühnopfer gewesen (Hebr. 9, 14). Das Feuer war also gleichsam die Würze, welche den Opfern erst ihren wahren Duft und Geschmack verlieh: durch den Geist musste Christi Blut geweiht werden, damit es uns von allen Flecken der Sünde abwaschen könne. Dies wollte Gott besonders nachdrücklich in den Ganzopfern darstellen: im Übrigen wurde aber niemals ein Tier geopfert, von dem man nicht wenigstens einen Teil mit Feuer verbrannte.
V. 1. Wenn eine Seele dem Herrn ein Speisopfer tun will usw. Die „Mincha“ oder das Speisopfer, wörtlich „die Darbringung“, von der dieses Kapitel handelt, war kein blutiges Opfer, überhaupt keine Darbringung von Tieren, sondern nur von Mehl und Öl. Wollte jemand (V. 2) rohes Mehl darbringen, so soll er es mit Weihrauch und Öl würzen; sodann soll er Semmelmehl aussuchen, damit die Darbringung nicht durch die Kleie entweiht werde. So haben wir auch hier die für den ganzen Gottesdienst immer wiederkehrende Vorschrift, dass nur reine Gaben dargebracht werden dürfen. Das Öl deutet darauf, dass das Opfer vor Gott einen guten Geschmack, der Weihrauch, dass es einen guten Geruch haben soll. Freilich wissen wir, dass weder süßer Geschmack noch lieblicher Geruch dem Herrn wirklich angelegen ist: aber diese Zeichen bedeuteten für das rohe Volk einen ganz nützlichen Unterricht, dass man den Dienst Gottes nicht mit geschmacklosen Erdichtungen verderben dürfe. Des weiteren ordnet Mose an, dass was man dem Herrn weiht, in die Hand des Priesters übergeben werden soll: so wurden ja auch für das Brandopfer Privatleute von dem Opferdienst ausgeschlossen, damit Christo seine Würde bleibe, und man allein durch ihn den Zugang zu Gott suche; überhaupt sollen alle Sterblichen wissen, dass dem Herrn nur ein Dienst gefällt, den er selbst sich heiligt. Die Wahrheit dieser bildlichen Darstellung kommt in dem apostolischen Wort (Hebr. 13, 15) zum Ausdruck, dass wir heute durch Christum das Lobopfer dem Herrn darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen. Nachdem nun der Priester eine Hand voll Mehl mit Öl und Weihrauch angezündet hat, wird das Übrige (V. 3) ihm zum persönlichen Gebrauch überlassen. Wir haben schon anderwärts gesehen, dass auch das Allerheiligste von den Brandopfern dem Priester zufiel. Mit umständlicher Genauigkeit verzeichnet Mose noch eine ganze Reihe von Speisopfern (V. 4, 5, 7), von Gebackenem im Ofen, oder in der Pfanne, ferner etwas auf dem Rost Geröstetes. Von allen diesen Arten sollte je ein Stück oder Kuchen als eigentliches Opfer dienen, und die Kinder Israel sollten lernen, bei aller ihrer Nahrung auf Gott zu schauen, durch dessen Segen allein alle unsre Speise rein wird.
V. 11. Alle Speisopfer, die ihr dem Herrn opfern wollt usw. Hier verbietet Gott die Darbringung von gesäuerten Broten. Diese Bestimmung will lehren, dass der Dienst Gottes durch fremdartige Beimischungen verunreinigt werde. Ohne Zweifel spielt darauf auch Christi Wort an (Mt. 16, 11), welches die Junger ermahnt, sich vor dem Sauerteig der Pharisäer, d. h. vor allen verunreinigenden Beisätzen zur Frömmigkeit zu hüten. Wenn beim Passah der Gebrauch des Sauerteigs verboten war, so hatte dies einen andern Sinn: es sollte an die plötzliche Flucht erinnern, bei der man die Speise nicht besonders hatte vorbereiten können. Doch gibt Paulus (1. Kor. 5, 7) diesem Gebrauch auch die weitere Deutung, dass die Gläubigen sich von allem Sauerteig der Bosheit und Schalkheit hüten sollen. Was den Honig angeht, so ist seine Fernhaltung schwerer zu verstehen. Wahrscheinlich liegt der Grund darin, dass Honig, der gekocht wird, sofort einen säuerlichen Geschmack annimmt, also auch das Brot, welchem man ihn beimischt, säuert. Darum lesen wir in unmittelbarem Zusammenhang, dass „kein Sauerteig noch Honig“ als Opfer angezündet werden soll. Die folgenden Worte (V. 12): unter den Erstlingen sollt ihr sie dem Herrn bringen beziehen sich streng genommen nur auf den Honig, der dem Herrn als Erstlingsgabe angenehm sein wird, der aber ein auf dem Altar dargebrachtes Opfer verunreinigt. Der Sinn der ganzen Vorschrift, wie ihn die Alten wohl verstehen konnten, ist offenbar, dass im heiligen Dienste Gottes nur das zu Recht besteht, was der Herr selbst verordnet hat. Ist nun für uns die Zeremonie auch hingefallen, so lernen wir doch daraus, dass wir nicht unsere Erdichtungen und Einbildungen in den Gottesdienst mischen, sondern treulich die vom Herrn gegebene Regel befolgen sollen.
V. 13. Alle deine Speisopfer sollst du salzen. Auch dies hat den Sinn, dass der Gottesdienst gleichsam einen Wohlgeschmack haben soll. Es wird aber die wahre Würze, welche die Opfer angenehm macht, allein in Gottes Wort gefunden. Daher sind alle menschlich erdachten Kultusformen ungesalzen und ungenießbar: mögen die Leute, die mit ihrem Aberglauben Gottes Dienst entweihen, sich noch so geistreich vorkommen, so ist, was ihnen Weisheit deucht, doch lauter Albernheit. Übrigens entnimmt Christus der hier verordneten Zeremonie noch die andere Mahnung, dass die Gläubigen, wenn sie dem Herrn zu gefallen wünschen, sich mit folgsamem Gemüte ausläutern und reinigen lassen sollen (Mk. 9, 49): „Es muss ein jeglicher mit Feuer gesalzen werden, und alles Opfer wird mit Salz gesalzen.“ Diese Worte besagen doch, dass wir nur durch Prüfung im Feuer ein dem Herrn angenehmes Opfer werden, und eben dies sei eine Würze mit Salz, wenn wir unser Fleisch mit seinen Begierden ernstlich aufopfern. – Salz des Bundes (nicht zu verwechseln mit dem umgekehrten Ausdruck 4. Mose 18, 19) heißt das Salz, weil es nach Gottes unverletzlicher Bundesordnung bei allen heiligen Opfern angewendet wird. So prägt auch dieser Ausdruck ein, dass es im Kultus auf die genaue Beobachtung des göttlichen Bundes vor allem ankommt.
V. 14. Ein Speisopfer von den ersten Früchten ist von den Erstlingen wohl zu unterscheiden: diese waren eine gesetzliche Zwangsgabe; darüber hinaus konnte man aber auch ein freiwilliges Opfer bringen. Wer dies tun wollte, musste Ähren, am Feuer gedörrt und somit leichter zu zerkleinern, klein zerstoßen und dann, mit Öl und Weihrauch gewürzt, anzünden lassen. Dass ganze Ähren gefordert werden, soll zum Zeichen dienen, dass man nichts Verstümmeltes und Minderwertiges, sondern nur auserwählte Gaben darbringen darf.
V. 1. Ist aber sein Opfer ein Dankopfer usw. Bei diesen Opfern, mit denen man für göttliche Wohltaten feierlich seinen Dank bezeugte, wurde ein Teil mit Feuer verbrannt, auf einen anderen Teil hatten die Priester Anspruch, der Rest verblieb dem Opfernden selbst. Das betreffende hebräische Wort wird nicht, wie manche wollen, zu übersetzen sein: „Opfer der Friedensstifter“, sondern einfach „Opfer des Friedens“. Da nun aber die Hebräer mit dem Wort „Friede“ alles Heil und Wohlergehen bezeichnen, und das Wort zudem hier in der Mehrzahl steht, so ließe sich noch genauer sagen „Opfer der Glücksfälle“. Ähnlich redet auch David, indem er an die mit dem Dankopfer verbundene Weinspende denkt (Ps. 116, 13): „Ich will den Kelch des Heils (buchstäblich „der Heilstaten“) erheben.“ Allerdings wurde dieses Opfer „der Glücksfälle“ nicht bloß dargebracht, wenn man schon danksagen, sondern auch wenn man noch Heil und glücklichen Erfolg von Gott erbitten wollte. Trotzdem können wir es kurzweg als Dankopfer bezeichnen, weil man sich damit zu Gott als dem Geber aller guten Gaben bekannte und alles Glück auf seine Rechnung setzte. Alle diese Opfer sollen nun zunächst (V. 1, 7, 12) vor den Herrn gestellt, d. h. zur Stiftshütte gebracht werden. Wir haben schon öfter dargelegt, dass diese Bindung an den einen von Gott erwählten Altar den Gottesdienst gegen heidnische Beeinflussung und Verkehrung schützen sollte. Weiter wird über die Weise des Opfers, es sei nun von großem oder von kleinem Vieh genommen, Anordnung getroffen. Die peinliche Umständlichkeit, mit der dies geschieht, hat ihren guten Zweck: das Volk soll ahnen, dass hinter diesen äußeren Formen eine viel höhere geistliche Wahrheit steht, und es soll angeleitet werden, sich selbst zu bescheiden und aufs Genaueste an Gottes Ordnung zu halten. Hat nun auch heute der Brauch des Opfers aufgehört, so können doch auch wir daraus noch lernen: erstlich wird uns eingeprägt, dass wir Gottes Wohltaten entweihen würden, wollten wir uns nicht so eifrig, wie er es mit seiner unermesslichen und unermüdlichen Güte um uns verdient hat, in der Frömmigkeit üben. Sodann: wenn sich diese Frömmigkeit nicht an die unwandelbaren Gebote Gottes bindet, raubt sie ihm sein Recht. Drittens: wie wir in Christi Namen bitten, so haben wir auch durch seine Vermittlung unsere Gelübde zu bezahlen und unsern Dank darzubringen. Endlich: für Gottes Guttätigkeit soll man nicht obenhin und geschäftsmäßig danken, sondern soll sich mit allem Ernst und völliger Anspannung darein versenken.
V. 16. Und der Priester soll´ s anzünden usw. Der eigentliche Vollzug des Opfers wird mit Recht dem Priester vorbehalten, der für diesen Zweck geweiht war. Der Ausdruck, dass das Opfer dem Herrn zur Speise dienen soll, hat etwas Anstößiges; aber der heilige Geist will damit sagen, dass Gott an dem gesetzlichen Opferdienst das gleiche Wohlgefallen hat, wie ein Mensch an seiner Nahrung. Zugleich wird damit auf den freundlichen Verkehr Gottes mit seinem Volke gedeutet, welches er gleichsam an seinen Tisch zieht. Wir haben hier jedenfalls zu lernen, dass wir nicht den Herrn um seine Freude und seinen Genuss betrügen dürfen, indem wir etwa die Übungen der Frömmigkeit lässig treiben.
Alles Fett ist des Herrn. Warum Gott alles Fett für sich beansprucht, weiß ich nicht mit völliger Bestimmtheit zu erklären. Jedenfalls ist „das Fette“ überall das Beste und Schmackhafteste (vgl. auch Ps. 65, 12). So wird durch diese Verordnung wohl eingeprägt, dass man dem Herrn das Beste zu geben hat. Zugleich wird darin ein Hinweis liegen, dass man im Dienst Gottes sich selbst verleugnen und mäßig halten soll, indem eben die Stücke, die einen Feinschmecker am meisten reizen konnten, dem Feuer übergeben werden. – Neben dem Genuss des Fettes wird an anderer Stelle (V. 17), wie überhaupt, auch das Essen von Blut untersagt. Das hat hier den Grund, dass das Blut als Sühnemittel dem Herrn geweiht war; von einem andern und noch wesentlicheren Grunde hörten wir schon zu 1. Mose 9, 4 und wir werden in der Auslegung des sechsten Gebots darauf zurückzukommen haben.
3. Mose 4.
Nachdem Mose von allerlei Darbringungen und Opfern gehandelt, durch man seinen Dank bezeugte oder sich überhaupt in der Frömmigkeit übte, wendet er sich zu den besonders wichtigen Opfern, welche der Sühne begangener Sünden dienten. Diese Opfer bilden insofern die Grundlage aller anderen, weil ohne Versöhnung die Menschen mit Gott überhaupt keinen Umgang haben können. Wegen der natürlichen Verderbnis hat sich Gott mit Recht vom ganzen Menschengeschlecht abgekehrt, und jeder einzelne reizt ständig seinen Zorn noch in besonderer Weise: darum muss sich alle unsere Heilshoffnung auf die Mittel der Sühne gründen, die allein die Schuld tilgen können. So gibt denn Mose hier Weisung, wie jemand, der in Unwissenheit oder Unbesonnenheit gesündigt hat, seinen Gott wiederum versöhnen könne. Dabei gelten für verschiedene Stände verschiedene Opfer, ein anderes für den König, ein anderes für den Priester, ein anderes wiederum für das Volk, wobei auch die nötige Rücksicht auf die Armen obwaltet, die nicht in gleicher Weise wie die Reichen belastet werden durften. Die Opfer werden verordnet für Leute, die (V. 2) aus Versehen gesündigt haben. Gemeint ist aber mehr Unbesonnenheit als wirkliche Unwissenheit. Mose denkt nicht an unbewusste Verfehlungen, bei denen wir uns gar keiner Schuld bewusst sind, weil wir das Richtige entweder überhaupt nicht kannten; er meint vielmehr Sünden, die in einer gewissen Leichtfertigkeit und Gleichgültigkeit geschehen, etwa plötzliche Sündenfälle, bei denen die Schwachheit des Fleisches die Vernunft und das Urteil des Sünders verdunkelt und ihn gleichsam blind macht. Von solchen Sünden spricht Paulus (Gal. 6, 1), wenn er eine sanftmütige Zurechtweisung eines Menschen anrät, der etwa von einem Fehler übereilt wurde. Gemeint sind also nicht Menschen, die etwa, wie man zu sagen pflegt, in guter, tatsächlich in törichter Meinung gefehlt haben, ohne sich einer Sünde überhaupt bewusst zu sein, sondern Leute, die in fleischlicher Schwachheit zu Falle kamen, die sich unvorsichtig nicht vor den Schlingen Satans hüteten und ihren Schwachheiten nicht in genügender Weise vorbeugten. Um diesen Unterschied handelt es sich ganz klar auch Ps. 19, 13 f., wo David zuerst für solche „Irrtumssünden“ um Verzeihung bittet, dann aber hinzufügt: „Bewahre auch deinen Knecht vor den Stolzen“, d. h. vor in stolzem Frevel begangenen Sünden.
V. 3. Der Priester, der gesalbet ist, ist wahrscheinlich der durch eine besondere Salbung ausgezeichnete Hohepriester; es könnte aber auch der gesamte bevorzugte Priesterstand gemeint sein. Je höher die Würde, desto ernster auch die Verpflichtung zu einem heiligen und vorbildlichen Leben. Wer Christi Abbild und ein Ausleger des göttlichen Gesetzes sein sollte, bei dem wurde als schwere Sünde getadelt, was bei anderen vielleicht erträgliche Schwachheit gewesen wäre. Darum muss der Priester ein größeres Opfertier zur Sühne darbringen. Der angegebene Gesichtspunkt galt übrigens irgendwie für alle Leviten, die Gott sich als einen heiligen Stand erwählt hatte. Heute denken wir dabei an alle Diener und Hirten der Kirche, die sich freilich nicht mehr mit einem Farren loszukaufen haben, die sich aber vor aller Sünde besonders ernstlich hüten und mit angespanntem Eifer in der Frömmigkeit wandeln sollen. Dass der Priester sündigt nach der Sünde des Volkes, soll besagen, dass er eine Sünde begeht, die im Volke vielleicht ganz geläufig ist, die ihm aber in Rücksicht auf sein Amt höher und strafwürdiger angerechnet werden muss. Allerdings lässt sich auch übersetzen: „zur Sünde des Volks“, d. h. in einer solchen Weise, dass es auch auf das Volk Sünde und Schuld bringt. Denn wie das Leben des Priesters ein gutes und frommes Vorbild sein kann, so führen seine Laster das Volk in die Irre.
V. 5. Der Priester soll von des Farren Blut nehmen usw. Die Einzelbestimmungen erinnern vielfach an die uns schon bekannten Opfer, wie auch einmal (V. 10) ausdrücklich angemerkt wird. Und eben darum wird alles einzelne so genau vorgeschrieben, um dem Zweifel zu begegnen, ob denn wirklich ein schuldbeladener Priester vor Gott treten und solche Sühne vornehmen dürfe. Denn freilich war er dessen unwürdig: da aber das Recht des Priestertums unverletzlich war, so wird er doch zu dieser seiner Verrichtung zugelassen; sonst hätte man ja auch noch neue Mittler beschaffen müssen. Damit also die gesetzlichen Zeremonien ihre ungeschmälerte Achtung behielten und man nicht eine andere Weise der Versöhnung suche, lässt Gott seine Gnade mehr gelten, als die Schuld der Priesters. Wenn das Blut (V. 5 ff.) vor den Herrn gesprengt wurde, so sollte das Volk daraus entnehmen, dass durch den Anblick der Opferung die Sünden bedeckt und begraben wurden und ihrer nun nicht mehr bei Gott gedacht wurde. Was aber vom Blute übrig blieb, wurde (V. 7) an den Boden des Brandopferaltars gegossen, denn es war heilig und durfte nicht wie ein gemeiner Gegenstand irgendwohin getan werden.
V. 13. Wenn die ganze Gemeine Israel etwas versehen würde usw. Ein gleiches Opfer wie dem Priester wird der ganzen Volksgemeinde auferlegt: galt es doch, wenn der Priester im Namen aller im Heiligtum vor Gott trat, soviel, als erschienen alle zwölf Stämme. Übrigens könnte der Ausdruck, dass die Tat vor ihren Augen verborgen wäre, auf wirkliche Unwissenheitssünde zu deuten scheinen. Ich glaube aber auch hier, dass Schwachheitssünden gemeint sind, bei denen die Menschen nur zu oft wie in Blindheit wandeln. Dass nämlich viele in ihren Sünden gleichsam einschlafen, kommt daher, dass sie sich nicht in sich selbst versenken: würden sie ihre Taten gründlich prüfen, so müssten sie sich gleich im Gewissen getroffen fühlen. Es kann auch geschehen, dass das ganze Volk, wenn es sich gar zu sehr gehen lässt und in Selbstgefälligkeit wandelt, seine Sünden übersieht. Wenn aber nach solcher Zeit der Unbußfertigkeit das Bewusstsein der Schuld aufwacht, dann soll man Gott mit Opfern versöhnen und soll sich nicht mit dem Nichtwissen entschuldigen.
V. 22. Wenn aber ein Fürst sündigt usw. Gemeint ist hier nicht der König, der damals noch nicht eingesetzt war, sondern die Häupter und Führer des Volkes, die mit einem schlechten Beispiel viel mehr Schaden anrichten als Privatleute. Hat einer von den Richtern und Obersten gesündigt, so konnte er durch ein geringeres Opfer losgekauft werden als der Priester oder das ganze Volk; aber es wurde ihm doch eingeprägt, dass Männer in führender Stellung, die vielleicht glauben könnten, dass sie sich gehen lassen dürften, sich vielmehr mit besonderem Ernste von allem Anstoß freihalten sollten. – Wenn Mose öfter wiederholt (V. 26, 31, 35), dass wenn der Priester die Sünde versöhnt, sie vergeben wird, so bezieht sich dies keineswegs bloß auf die äußerliche und bürgerliche Reinigkeit, als sollte nun vor Menschen von der Schuld keine Rede mehr sein: vielmehr bietet Gott den Sündern Verzeihung an; er will ihnen seine Gunst wiederum zuwenden, sodass sie keine Furcht noch Zweifel mehr an zuversichtlichem Gebet hindern soll. Es ist also eine entscheidende Erkenntnis, dass die Zeremonien des Gesetzes Sakramente waren, an welchen eine geistliche Verheißung hing. Die verheißene Vergebung wurde den Vätern wirklich mitgeteilt, wenn sie sich der vorgeschriebenen Opfer zur Versöhnung mit Gott bedienten, - nicht als ob die Schlachtung von Tieren Sünden sühnen könnte, sondern wie dieselbe ein nicht trügendes Zeichen war, auf dem fromme Seelen ausruhen konnten, sodass sie mit ruhiger Zuversicht vor Gott erscheinen durften. Alles in allem: wie jetzt durch die Taufe auf sakramentliche Weise die Sünden abgewaschen werden, so hatten auch unter dem Gesetze die Opfer sühnende Kraft, allerdings in etwas abweichender Weise; denn uns bietet die Taufe den gegenwärtigen Christus an, der unter dem Gesetze nur dunkel und schattenhaft gezeigt wurde. Freilich ist es eine übertragene Rede, wenn man von den Zeichen aussagt, was doch streng genommen Christo allein zukommt, in dem uns das Wesen aller geistlichen Güter wahrhaft angeboten wird, und der die Sünden endgültig mit seinem einigen und bleibenden Opfer getilgt hat. Aber weil hier nicht die Frage ist, was etwa die gesetzlichen Zeremonien an sich leisten konnten, so genüge es zu sagen, dass sie wahre und zuverlässige Zeugnisse der göttlichen Gnade waren, die in ihnen zur Darstellung kam.
4. Mose 15.
V. 22. Wenn ihr aus Versehen usw. Hier wird die gleiche Vorschrift im Allgemeinen kürzer wiederholt. Dass aber unter der Sünde aus Versehen eine in leichtsinniger Gedankenlosigkeit sich einstellende Sünde gemeint ist, zeigt (V. 30) der Gegensatz: „wenn aber eine Seele aus Frevel etwas tut.“ Damit ist freilich nicht gesagt, dass solche Sünde aus Versehen von Verachtung Gottes ganz frei ist: eine solche offenbart sich vielmehr in der Sorglosigkeit, in der ein Mensch sich einfach von seinen Begierden treiben lässt. Viel schlimmer aber noch ist die absichtliche Auflehnung, in der ein Mensch mit völliger Frechheit Gottes Gesetz bricht. Und weil der Mensch nur zu leicht von Schwachheitssünden überrascht wird, war es nötig, ein Heilmittel zu bieten, damit er nach seiner Sünde nicht völlig den Mut verlöre. Denn wenn das Volk oder ein einzelner Mensch seine Schuld erkannte und alle Hoffnung auf Vergebung dabei hätte aufgeben müssen, dann hätte man jedes Streben nach einem frommen Wandel überhaupt aufgegeben. Darum beugt Gott vor, dass nicht die Sünde den Verkehr mit ihm völlig abbreche, und zeigt einen Weg der Versöhnung. – Im Einzelnen trägt Mose hier nur nach (V. 24), dass außer dem schon an der anderen Stelle genannten Farren bei einer Versündigung des ganzen Volkes auch ein Ziegenbock zum Sündopfer gebracht werden solle. Endlich kommt hier (V. 30) zu ganz klarem Ausdruck, dass das Gesetz in gleicher Weise für Einheimische und Fremde gelten sollte: denn eine Verschiedenheit hätte nur Verwirrung stiften können.
V. 1. Wenn jemand sündigen würde, dass er die Beschwörung aussprechen hört usw. Dabei schwebt das Verfahren in einer richterlichen Untersuchung vor: jemand, der als Zeuge etwas gehört oder gesehen haben könnte, wird befragt, und es wird ihm der Eidschwur im Namen Gottes zugeschoben, dass er wahrhaftig und ohne etwas zu verschweigen Auskunft geben soll. Wenn er nun aus Gunst oder Neigung oder sonst unter einem verführerischen Vorwand sich selbst in Irrtum wiegt und Dinge, deren er sich bei aufmerksamer Selbstprüfung recht wohl erinnern könnte, verschweigt, so lädt er eine Schuld auf sich. Allerdings könnte man fragen, ob dabei noch wirklich von einer versehentlichen Sünde die Rede sein könne. Es lässt sich aber dies wohl behaupten, wenn man bedenkt, wie die Menschen sich nur zu leicht durch Scham, Furcht oder persönliche Zuneigung eine Wolke von Finsternis schaffen, die ihnen schließlich den klaren Tatbestand verdeckt. – Die an zweiter und dritter Stelle genannten Vergehen scheinen zusammenhanglos angefügt: indessen haben alle diese drei Stücke das Gemeinsame, dass sie von Sünden handeln, die man durch Berührung mit fremdem Schmutz sich zuzieht. Hat Mose im vorigen Kapitel nur im Allgemeinen von der Sühne der Irrtumssünden gehandelt, so fügt er jetzt hinzu, was noch nicht ohne weiteres deutlich war, dass sich dieser Sühne auch zu bedienen hätten, die an fremder Sünde mitschuldig geworden waren: dies ist doch auch bei einem solchen Meineid der Fall, von dem hier die Rede ist. Darauf deutet die Wendung: der ist einer Missetat (mit) schuldig.
V. 2. Wenn eine Seele etwas Unreines anrührt usw. Dieses Gebot scheint überflüssig und sogar wunderlich. Hat doch Mose längst für Befleckungen, die man sich durch Berührung eines Leichnams oder sonst einer unreinen Sache zuzog, eine Reinigung angeordnet, und zwar eine viel leichtere und weniger kostspielige. Wie soll man es denn nun verstehen, dass eine versehentliche Verunreinigung jetzt viel schwerer gestraft werden soll als die Verunreinigung überhaupt? Es erklärt sich dies jedoch so, dass hier die sträfliche Gleichgültigkeit getroffen werden soll, in der jemand, der sich verunreinigt hatte, die nötige Reinigung unterließ. Denn solche Leute, die ihre Unreinigkeit gar nicht mehr anfocht, konnten den ganzen Gottesdienst auf lange Zeit hinaus entweihen. So dürfen wir uns nicht wundern, dass eine härtere Strafe verhängt wird, da doch ein Versehen, welches aus dieser hochmütigen und groben Nachlässigkeit entspringt, allerlei weitere Fehler nach sich zieht; es sollte eben den Gläubigen die ernsteste Achtsamkeit ans Herz gelegt werden. Wer ernstlich auf das Gesetz Gottes bedacht ist, kann nicht leicht in eine solche Unaufmerksamkeit verfallen, die jede Grenze zwischen Recht und Unrecht verwischt. Den gleichen Grund hat (V. 3) das nächste Gebot, wo dieselbe Strafe über denjenigen verhängt wird, der einen unreinen Menschen anrührt, - wie z. B. ein Weib, das ihren monatlichen Blutgang hat, durch bloße Berührung verunreinigend wirkte.
V. 4. Oder wenn jemand schwört usw. Auch dies wird unter die versehentlichen Sünden gerechnet, wenn jemand ohne weitere Überlegung tut, was er doch nicht zu tun eidlich versprochen hatte: dies war nicht allein eine schuldhafte Verletzung des Eides, sondern auch die Gedankenlosigkeit wiegt schon an sich schwer, da ja ein gewissenhaftes Nachdenken den Betreffenden an sein Gelübde hätte erinnern müssen. Wo man so gleichgültig ist, kann von einem wirklich ernsten Vorsatz, das Gelübde zu halten, überhaupt keine Rede sein. Dies Gebot war aber notwendig, weil Menschen, die sich durch ein Gelübde gebunden haben und dasselbe nun gedankenlos brechen, nur zu leicht damit überhaupt frei geworden zu sein wähnen und sich nun ganz und gar gehen lassen: wer aber einmal bei dieser Leichtfertigkeit anlangt, verhärtet sich mehr und mehr, bis er endlich alle Schau vor Gott abwirft. Hatte also jemand seines Gelübdes vergessen, so wurde er an sein Unrecht erinnert, indem ihm ein Schuldopfer auferlegt ward. Die Sünde, die damit gesühnt werden soll, war aber nicht, wie manche Ausleger annehmen, etwa der Leichtsinn bei Aussprache des Eids, sondern die Nachlässigkeit, die sich des übernommenen Gelübdes nicht zu rechter Zeit erinnerte. Wenn übrigens die Papisten sich in ihrer gewöhnlichen Ungereimtheit auf diese Stelle berufen, um die Menschen bei jedem beliebigen Gelübde festzuhalten, so ist zu sagen, dass Gott ein unbedingtes Verharren nur für solche Gelübde fordert, die man in Übereinstimmung mit seinem Gesetz und Willen auf sich genommen hat. Gelübde, durch die man Gottes Namen entweihen würde, soll man unter keinen Umständen halten: hätte man auch durch das Gelübde selbst den ersten Schritt zum Bösen getan, so wäre die beharrliche Fortsetzung dieses Weges doch doppelte Sünde. Wenn also hier davon die Rede ist, dass jemand gelobt hat, Schaden zu tun, so ist dabei nicht an etwas Sündhaftes zu denken, sondern allein an ein Versprechen, durch dessen Ausführung er sich selbst am Vermögen schädigen, um manche Bequemlichkeit bringen oder seinem Fleische irgendeine Beschwerde oder Last machen würde.
V. 6. So soll er für seine Schuld usw. Dies bezieht sich nicht mehr ausschließlich auf die Sühne der zuletzt besprochenen besonderen Sünden oder Verunreinigungen, sondern auf das Schuldopfer überhaupt, für welches Mose jetzt nachträgt, dass die Armen nicht über Vermögen beschwert werden sollen: wer nicht einmal zwei Turteltauben oder zwei junge Tauben darbringen kann (V. 7), mag sich (V. 11) auch mit einem geringen Maß Semmelmehl loskaufen; dies wird auf Gott die gleiche sühnende Wirkung ausüben, als wenn die Reichen ihre Gaben darbringen. Die Kraft des Opfers liegt nicht in der Quantität, und doch sollte das Volk durch die Opfergaben erinnert werden, dass ein Preis der Versöhnung nötig ist.
V. 14. Und der Herr redete mit Mose usw. Der Unterschied in der Opfergabe zeigt klar, dass es sich jetzt auch um eine andere Art der Sünde handelt. In der vorigen Anordnung begnügte sich Gott mit einer „Schaf- oder Ziegenmutter zum Sündopfer“ (V. 6), jetzt aber wird für ein schwereres Vergehen ein wertvolleres Tier, ein Widder des Schuldopfers (V. 16) gefordert. Die Schuld steigert sich nach der Bedeutung dessen, gegen den sie sich richtet: hier handelt es sich nicht um eine Schuld gegen einen sterblichen Menschen, sondern gegen Gott selbst; auch wurde nicht bloß ein beliebiges Gebot der ersten Tafel übertreten, sondern es wird an Fälle gedacht, da jemand dem Herrn sein Gelübde nicht bezahlte, ein fehlerhaftes Tier zum Opfer brachte, oder sonst bei Gelegenheit der heiligen Gaben Gott um sein Recht betrog. Darauf deutet der Ausdruck (V. 15), dass er sich versündigt hat an dem, das dem Herrn geweiht ist, also etwa bei den gesetzlichen Darbringungen, wie beim Opfer der Zehnten, Erstlinge und der Erstgeburt, aber auch bei freiwilligen Gelübden: in allen diesen Stücken waren ja die Kinder Israel gehalten, dem Herrn gewissenhaft das Schuldige zu leisten. Hatte jemanden etwa der Geiz verblendet, dass er um des eigenen Gewinns willen den Herrn verkürzte, so wurde solche Gleichgültigkeit mit Recht schwer gestraft. Immerhin ist hier nicht von einer Sünde die Rede, die sich geradezu als böswilliger Betrug darstellt: wo dergleichen handgreifliche Frechheit vorliegt, würde die verordnete Strafe noch nicht genügen. Es geschieht ja aber oft, dass Menschen in Geiz und Eigensucht sich derartig gehen lassen, dass sie ohne viele Gedanken die Pflichten der Frömmigkeit hinter ihren privaten Nutzen zurückdrängen: ihnen wird hier das Schuldopfer auferlegt. – Wenn Gott dem Mose sagt, dass der Widder „nach deiner Schätzung “ zwei Silberlinge wert sein soll, so pflegen die Ausleger darüber zu streiten, ob es Mose oder der Priester ist, dem die Schätzung obliegt. Ich glaube vielmehr, dass zu umschreiben ist: nach deiner, d. h. nach der dir hier vorgeschriebenen Wertschätzung. Man sollte sich also bei dem hier in Moses Hand gelegten göttlichen Gebot beruhigen und den Wert nicht willkürlich ändern.
V. 16. Dazu was er gesündigt hat an dem Geweihten usw. Hier wird vollends klar, dass es sich um eine Verkürzung der dem Herrn geweihten Gaben handelt: dieselben sollen unter Vermehrung um den fünften Teil wiedererstattet werden. Dabei will ich aber noch einmal erinnern, dass dies Gesetz nicht für Betrüger gilt, sondern für Leute, die in halber Selbsttäuschung und ohne viel Schuldbewusstsein die Gaben unterboten hatten, und denen dann vielleicht später das Gewissen schlug. Der Zweck dieses Opfers war also, das Volk zur höchsten Achtsamkeit anzuleiten, damit es sich niemals durch privaten Vorteil hindern ließ, dem Herrn willig das Schuldige zu zahlen.
V. 17. Wenn eine Seele sündigt usw. Dieser Satz samt der Verordnung eines Widders zum Schuldopfer (V. 18) lautet zwar allgemein, bezieht sich aber wohl auf die eben besprochene Verkürzung der dem Herrn zu weihenden Gaben. Eine solche Wiederholung darf uns nicht befremden: sie wollte den sonst unfügsamen Leuten jeden Vorwand und jede Ausflucht nehmen. Wenn der Betreffende sich damit entschuldigen wollte, dass er es nicht gewusst habe, so passt dies allerdings für alle hier verhandelten Unwissenheitssünden. Es soll eben eingeprägt werden, dass solche Entschuldigung nicht gilt. Niemand soll sagen, dass er ja nicht absichtlich habe sündigen wollen: er hat trotzdem das Schuldopfer zu bringen, denn (V. 19) verschuldet hat er sich an dem Herrn.
V. 20. Und der Herr redete mit Mose usw. Jetzt handelt es sich nicht mehr um die Sühne von Irrtumssünden und unbewussten Übertretungen, sondern es wird eine Weise der Versöhnung auch für den Fall verordnet, dass jemand willentlich und absichtlich Gott beleidigt hätte. Das ist ein sehr bemerkenswerter Umstand: so dürfen auch Leute, die in vorsätzliche Sünde gefallen sind, noch mit gewissem Glauben auf Gottes Gnade trauen, wenn sie sich nur an das einige Opfer Christi, welches die Erfüllung des gesetzlichen Schattenwerks ist, klammern. Gewiss ist äußerste Vorsicht am Platze, dass wir nicht um der Gnade und Freundlichkeit Gottes willen gegen unsere Sünden gleichgültig werden, wie denn die sündige Neigung unseres Fleisches uns nur zu gern auch mit solchem Vorwand lockt. Ohne Zweifel steckt etwas von frevelhafter Verachtung Gottes darin, wenn man aus der Bereitschaft Gottes, immer wieder zu vergeben, die Folgerung zieht, dass man nun wohl freier sündigen dürfe. Die Furcht Gottes soll in uns regieren und als ein starker Zügel unsere verkehrten Begierden bändigen, damit wir uns nicht mutwillig verschulden. Gottes Erbarmen soll vielmehr Hass und Abscheu gegen die Sünde in unserm Herzen hervorrufen, als uns zur Frechheit verleiten. Doch gilt es auch die andere Gefahr zu meiden: wenn wir das Bild Gottes gar zu strenge malen, als lasse er bei vorsätzlichen Sünden gar keine Gnade mehr walten, so muss auch dem Heiligsten alle Hoffnung auf Seligkeit schwinden. Immer wieder sind in der Christenheit solche überstrengen Irrlehrer und Schwärmer aufgetaucht, die sich mit ihrem überspannten Verfahren das Lob besonderer Heiligkeit erwerben wollten, die aber doch grobe Heuchler sind. Wenn diese Leute ohne Selbstüberhebung ihr Leben prüfen wollten, würden sie denn wirklich noch mit gutem Gewissen sagen können, dass sie von böser Lust ganz frei wären? Es ist doch eine ans Unglaubliche grenzende Blindheit, von einer solchen Vollkommenheit es im sterblichen Fleische steckenden Menschen zu träumen, dass ihn das Gewissen gar keiner Sünde und Schuld mehr zeihen wollte! Einen verderblicheren Betrug des Satans kann es gar nicht geben, als wenn man Menschen die mit Wissen und Willen gesündigt haben, die Hoffnung auf Vergebung abschneidet: denn auch unter den besten Knechten Gottes ist keiner, in dem nicht zuweilen sündhafte Neigungen des Fleisches die Oberhand gewönnen. Mögen sie auch keine Ehebrecher, Diebe oder Mörder sein, so wird doch eines jeden Gewissen sich durch das letzte Gebot getroffen fühlen: „Lass dich nicht gelüsten.“ Ja je weiter wir im Streben der Heiligung fortfahren, desto tiefer werden wir unsern Abstand von ihrem letzten Ziel empfinden und erkennen. Wollen wir also uns nicht mutwillig die Tür zur Seligkeit verschließen, so müssen wir festhalten, dass Gott allen sich gnädig erweisen wird, die darauf vertrauen, dass Christi Opfer ihre Schuld zudeckt. Denn weder ist Gott ein anderer geworden, noch sind wir schlechter daran, als die Väter im alten Bunde: und der Herr hat doch unter dem Gesetze Opfer verordnet, durch die auch vorsätzliche Sünden gesühnt werden konnten. So folgt, dass wenn wir uns auch boshafter Sünden zeihen müssten, uns das Evangelium doch einen Weg zur Vergebung auftut. Wäre es nicht so, so wären ja die bildlichen Darstellungen des alten Bundes ein täuschender Schein: sie sind doch aber dazu geordnet, damit sie uns die Gnade, die endlich in Christo erscheinen sollte, bezeugten und vor Augen malten. Wenn doch die äußere Darstellung der Gnade unter dem Gesetze und ihre wirkliche Anerbietung in Christo zusammenstimmen müssen, so versteht sich von selbst, dass uns heute nicht minder Vergebung bereit liegt, als dem Volke des alten Bundes. So ist dies alttestamentliche Zeichen den Gläubigen eine Zusage, dass sie nicht an ihrer Versöhnung mit Gott zweifeln dürfen, wenn sie sich auch in ihren Sünden missfallen, dass sie vielmehr ohne Furcht Vergebung in dem ewigen Opfer suchen sollen, um dessen willen Gott immer wieder allen Frommen gnädig wird. Und wenn Buße und Glaube gewisser Unterpfänder der väterlichen Gnade sind, so muss ohne Zweifel jeder in der Gnade stehen, der dieses doppelte Geschenk empfangen hat. Ist doch die Vergebung der Sünden der unvergleichliche Schatz, den Gott als eine besondere Gnadengabe für seine Kinder in seiner Kirche niedergelegt hat, wie es auch im Glaubensbekenntnis heißt: „Ich glaube eine allgemeine Kirche, die Vergebung der Sünden.“ Wenn nicht Gott täglich den Gläubigen durch Christi Genugtuung wiederum versöhnt würde, könnte auch Paulus nicht mit Recht sagen, dass er das Amt empfangen, solche Versöhnung anzubieten (2. Kor. 5, 20). Zudem ist hier nicht von einem leichten Vergehen die Rede, sondern von einer Veruntreuung, die durch Zutritt eines Meineides zu doppelter Schuld wird. So schwer die Untreue, Hinterlist oder Gewalt ist, von denen wir zunächst hören, so bezieht sich das sühnende Opfer doch nicht darauf, sondern auf die Entweihung des Namens Gottes durch den hinzutretenden falschen Schwur. So liegt also selbst für solche Leute Vergebung bereit, die nicht nur ihren Bruder übel betrogen, sondern die ihr Verbrechen dadurch auf die höchste Spitze getrieben haben, dass sie geradezu Gottes heiligen Namen schmähten: so gnädig ist Gott. Übrigens hat schon der Ausdruck (V. 21) sein besonderes Gewicht, dass jemand auch mit der bloßen Sünde des Diebstahls oder der Veruntreuung sich an dem Herrn vergreifen würde. Wenn man Menschen Unrecht tut, so beleidigt man damit auch die Person Gottes selbst: denn jede Übertretung des Gesetzes ist ein Bruch und eine Verkehrung der Gerechtigkeit. Über die Wiedererstattung gestohlenen Gutes, namentlich in dem Falle, dass jemand des Diebstahls überführt wird, werden wir später im Zusammenhange mit dem achten Gebot Genaueres hören (Abschnitt 196). Hier handelt es sich aber um die Eigentümlichkeit, dass jemand sein Vergehen noch mit fälschlicher Anrufung des Namens Gottes zu decken gesucht und dann vielleicht diese Gottlosigkeit selbst zu beklagen begonnen hatte. Dabei genügt nicht die bloße Wiedererstattung an die Menschen: es muss ein Opfer an Gott hinzukommen. Es wird aber mit gutem Grunde angeordnet (V. 24), dass die Wiedererstattung des Tages stattfinden soll, wenn er sein Schuldopfer gibt. Ohne diese Bestimmung hätten Heuchler sich vielleicht mit fremdem Gute bereichert und dann mit einem Opfer ihr Gewissen gestillt. Die Meinung ist nun gewiss nicht, dass nicht jemand auch vor dem Opfer schon das gestohlene Gut zurückgeben dürfe: Gott will einfach seinen Altar nicht dadurch beflecken lassen, dass Diebe und Räuber ihm gestohlene Opfer bringen; Hände, die da opfern, müssen von aller Befleckung rein sein. Wer aus seinem Raube dem Herrn einen Anteil zum Opfer bieten würde, machte ihn zum Mitschuldigen. Wir entnehmen hier die nützliche Lehre, dass alle heuchlerischen Bemühungen zur Versöhnung Gottes vergeblich sind, wenn man nicht redlich wiedergibt, was man sich widerrechtlich angeeignet. Solche Wiedererstattung ist nicht, wie die Papisten vorgeben, eine genugtuende Leistung oder gar ein verdienstliches Werk, auf welches die Vergebung mit begründet wäre. Wenn wir vielmehr alles genau erwägen, was über die Weise der Versöhnung mit Gott im Gesetze angeordnet ist, so werden wir finden, dass die Kinder Israel überall auf das Opfer gewiesen werden: was aber das Opfer leistet, kann doch nicht auf eigene menschliche Werke gestützt werden. Und wenn Gott sein alttestamentliches Volk gewiss nicht an bloße äußere Zeremonien binden wollte, so folgt, dass die Menschen nur durch den einigen Mittler und die Vergießung seines Bluts von aller Schuld und Strafe frei werden und nun der Gnade Gottes sich getrösten dürfen. Die Schrift weiß nichts von der päpstlichen Unterscheidung, dass zwar die Schuld durch Christi Opfer vergeben werde, die zeitliche Sündenstrafe aber durch eigene Leistungen vielleicht bis ins Fegfeuer hinein abgebüßt werden müsste.
V. 26. So soll ihn der Priester versöhnen. Aus dieser immer wiederkehrenden Formel lässt sich entnehmen, dass das Opfer an sich nicht ein genügender Kaufpreis war, mit welchem man die Versöhnung hätte erwerben können, sondern dass die Sühne sich allein auf die Stiftung des Priestertums gründete. Die Rede nämlich, dass die Menschen selbst in den Sakramenten etwas leisten, ist töricht und verkehrt: deren Kraft und Wirkung fließt aus einer ganz anderen Quelle. Mögen die Menschen auch etwas darbringen und damit selbst etwas zu leisten scheinen, so handelt es sich doch nicht um eine produzierende, sondern um eine aufnehmende Tat. Damit also das Volk nicht wähne, dass es selbst den Kaufpreis der Versöhnung aus seinen Häusern mitbringe, gibt Mose zu verstehen, dass es reicht eigentlich ein Werk des Priesters ist, Gott zu versöhnen und durch Sühne die Sünde zu tilgen. Bemerkenswert ist auch der Beisatz, dass der Priester den Schuldigen vor dem Herrn versöhnt. Damit fällt der profane Gedanke, als hätten die Opfer unter dem Gesetze nur zur bürgerlichen Wiederherstellung der Sünder gedient, aber keine geistliche und göttliche Verheißung in sich geschlossen. Dann hätten ja die äußeren Zeichen den Vätern nicht zur Bekräftigung ihres Glaubens an die Vergebung dienen können. Dass man eine solche Torheit aber nicht behaupten darf, zeigt das Wort „vor dem Herrn“ ganz zweifellos.
V. 2. Gebeut Aaron usw. Mose setzt jetzt genauer auseinander, was vorher übergangen schien, und beschäftigt sich nicht ohne Grund auch mit den geringsten Kleinigkeiten. Da der Herr den Gehorsam höher einschätzt als alle Opfer, so wollte er auch im äußeren Ritus Dinge nicht unbestimmt lassen, die man an sich für bedeutungslos halten konnte. Wenn so dem eignen Urteil des Volkes auch nicht das Geringste überlassen blieb, wurde ihm eingeprägt, dass Gottes Gesetz peinlichen Gehorsam fordert, dass man dem Herrn nichts Eignes aufdrängen darf, und dass die Reinheit seiner Heiligtümer auch durch die geringsten menschlichen Beisätze befleckt wird. Über die Brandopfer wird nun angeordnet, dass sie nicht eher vom Altar genommen werden dürfen, als bis sie ganz vom Feuer verzehrt sind: sie werden durch eine ganze Nacht bis zum folgenden Tage in ständig unterhaltenem Feuer zu Asche verbrannt. Dann (V. 3) soll der Priester in der für alle heiligen Verrichtungen vorgeschriebenen Kleidung zum Altar treten, die Asche von demselben entfernen und sie zur Seite aufhäufen. Verlässt er dann den Altar (V. 4), so soll er die heiligen Gewänder ausziehen und die Asche an einen reinen Ort außerhalb des Lagers bringen. Was bisher über das fortwährende Nachlegen von Holz nur eben angedeutet war, wird nunmehr (V. 5 f.) ausführlicher verordnet: das Feuer soll niemals erlöschen, und der Priester hat die Aufgabe, am Morgen jedes Tages das Holz zuzurichten. In demselben ununterbrochenen Feuer soll dann auch das Fett der Brandopfer, welches bei dieser Opferart ja allein in Betracht kam, verbrannt werden. Dass dies Feuer stets unterhalten wurde, hatte den Sinn, dass die Opfer in himmlischem Feuer verzehrt werden sollten: denn an dem Tage, da Aaron zum Priester geweiht ward, gab Gott ein Zeichen seiner Zustimmung und ließ das Opfer nicht durch menschliche Bemühung, sondern durch ein Wunder vom Himmel her zu Asche werden (3. Mose 9, 24). Dergleichen sollte sich freilich nicht täglich wiederholen: aber die nun einsetzende Arbeit von Menschenhänden führte doch nur fort, was ursprünglich einen himmlischen Anfang genommen hatte. Das Wunder wiederholte sich aber bei Salomos Tempelweihe (2. Chron. 7, 1) und wurde auch dem Elias geschenkt (1. Kön. 18, 38). Solcher Bestätigung bedurfte es, als der Glanz des Tempels an die Stelle der Stiftshütte trat und dann später der unterdrückte gesetzliche Kultus wiederhergestellt wurde. Außerdem sollte aber das von Gott angezündete und nun ständig unterhaltene Feuer ein Zeugnis wider allen verfälschten und entarteten Kultus ablegen. Hatte man dergleichen heiliges Feuer auch bei den Persern und in Rom unter der Obhut der vestalischen Jungfrauen, so war dies doch nur eine unverstandene und sinnlose Nachäffung. Bei den Juden aber sollte das göttliche Feuer auf dem Altar daran erinnern, dass Gott alles fremde Feuer verschmäht (3. Mose 10, 1), d. h. dass die Menschen nichts Eigenes zur reinen Lehre seines Gesetzes fügen noch von seiner Regel irgend abweichen dürfen.
V. 7. Das ist das Gesetz des Speisopfers usw. Von den verschiedenen Arten des Speisopfers hörten wir schon (Abschnitt 109): hier ist allein von der Darbringung rohen Mehls die Rede, von welchem der Priester eine Handvoll nehmen und auf dem Altar anzünden sollte. Diese Bestimmung war aber nötig, um die Gläubigen darüber zu vergewissern, dass jener kleine Teil dem Herrn ein angenehmes Opfer war. Es durfte nun auch niemand sich darüber beklagen, dass der größere Teil dem Priester verblieb. Dass derselbe (V. 9) daraus aber nur ungesäuerte Brote machen durfte, die im Heiligtum verzehrt werden mussten, haben wir auch anderwärts gesehen: es diente diese Vorschrift dazu, die Würde der Opfer zu wahren. – Eine besondere Bewandtnis hatte es (V. 16) mit dem Speisopfer eines Priesters. Der Grund lag einerseits in der besonderen Würde des priesterlichen Amtes: wenn der Priester sein Speisopfer ganz verbrannte, so war ihm dies eine ernste Mahnung, dass er nicht bloß geschäftsmäßig und nach Weise des gemeinen Volkes seinen Dienst zu verrichten habe. Anderseits wurde durch diese Vorschrift auch gar zu häufigen Opfern, wie sie wohl aus Ehrgeiz entspringen konnten, ein Riegel vorgeschoben. Hätte der Priester auch für sich nur immer eine Hand voll Mehl zu opfern brauchen, so hätte ihn dies zu eitler Prahlerei verleitet; er hätte unaufhörlich sein Opfer gebracht und dabei noch weitaus das Meiste für sich behalten. Vielleicht hätte sich gar noch allerlei Gewinn daran gehängt, wie wir denn bei den päpstlichen Priestern sehen, dass sie mit dem Prunk selbst gemachten Gottesdienstes das einfache Volk anlocken und zu kostspieligen Stiftungen verleiten. So will die Bestimmung, dass das Opfer des Priesters immer wirklich und ganz verbrannt werden soll, sowohl der Prahlerei als der Habsucht wehren.
V. 18. Sage Aaron und seinen Söhnen usw. Immer wieder sehen wir, wie ernstlich Gott sorgt, dass das Volk in keinem Punkte irgendwelchen Zweifel behält. Ist es doch der Hauptunterschied der wahren Religion von allen Wahngebilden, dass Gott in ihr selbst vorschreibt, was man tun soll: Gewissheit kann man allein aus seinem Munde empfangen; und ohne solche Gewissheit kann doch keine Frömmigkeit bestehen. An sich hätte man wohl denken können, dass die so verschiedenen Brandopfer und Sündopfer auch an verschiedenen Orten dargebracht werden dürften. Aber Gott schneidet alle eigenen Gedanken ab, indem er einfach einen einzigen Ort verordnet. Daraus schließen wir auch, dass für den Dienst Gottes das einzige Gesetz vollständig genügt, dass Menschen nicht bei sich selbst weise sein, sondern sich ganz an Gottes Mund hängen sollen. Wenn hier einfach entscheidet, dass es Gott eben so geordnet hat, so lernen wir, dass man allem, was das Wort Gottes offenbart, sich nüchtern und bescheiden unterwerfen soll. Immerhin hören wir auch noch einen Grund, weshalb das Sündopfer an dem heiligen Brandopferaltar dargebracht werden soll: es ist ein Allerheiligstes.
V. 23. Aber all das Sündopfer usw. Bezüglich der im vierten Kapitel verordneten Opfer, sowie bezüglich des feierlichen jährlichen Versöhnungsopfers wird hier die Besonderheit vorgeschrieben, dass sie – im Unterschied von den viel weniger kostbaren privaten Sühnopfern, deren Blut nur an den Brandopferaltar gesprengt wurde – ganz und gar zu verbrennen seien. Es handelt sich hier also um die besonders feierlichen Opfer, deren Blut in die Hütte des Stifts gebracht wurde, bezüglich deren also lediglich eine uns schon bekannte Vorschrift bestätigt wird. Daran spielt der Apostel an (Hebr. 13, 10), wenn er die Folgerung zieht, dass heute der Unterschied der Speisen überwunden ist: denn er sagt, dass uns jetzt der Zutritt zu dem inneren Altar offen steht, der unter dem Gesetze vor dem Volke verborgen war, dass wir uns also nicht mehr mit den gesetzlichen Opfern nähren; vielmehr weil unser einiger Hohepriester mit seinem Blute in das Heilige eingegangen ist, bleibt uns nur übrig, dass wir mit ihm aus dem Lager herausgehen.
Wie das Schuldopfer sich von dem soeben genannten Sündopfer (3. Mose 6, 18) unterscheidet, bekenne ich nicht zu wissen; was andere darüber sagen, leuchtet mir nicht ein. Mose gebraucht auch sonst die beiden Worte wechselweise. Auch hier haben wir es beiderseits mit dem gleichen Ritus zu tun, und es wird an unsrer Stelle nur einiges hinzugefügt, was kurz zuvor noch übergangen war: dass das Blut auf den Altar umhergesprengt, dass das Fett und die Nieren angezündet werden sollen usw. Alles in allem: mit demselben Ritus und auf die gleiche Weise sollte man ein Opfer sowohl für die Sünde als für die Schuld darbringen und nicht im geringsten von der vorgeschriebenen Regel abweichen.
3. Mose 7.
V. 11. Dies ist das Gesetz des Dankopfers. Den Sinn dieser Bezeichnung haben wir schon früher erläutert (zu 3. Mose 3, 1): man brachte Dankopfer nicht bloß als unmittelbaren Ausdruck des Dankes, sondern auch, wenn man den Herrn um seine Hilfe anflehte. Hier werden nun verschiedene Formen solcher Opfer genannt, mit denen man für eine besondere Gnadenerfahrung seinen Dank erstattete oder in Gefahren zu Gottes Schutz seine Zuflucht nahm, mit denen man im Allgemeinen seine Frömmigkeit bezeugte oder seine Gelübde freiwillig darbrachte oder bezahlte. Darum trugen diese Opfer ihren allgemeinen Namen „Opfer der Glücksfälle“ oder „Heilsopfer“ mit Recht: denn sie bezogen sich sämtlich auf die Anerkennung der Tatsache, dass der Mensch allein bei Gott Glück und Heil findet. Als eine besondere Art gilt zunächst das Dankopfer im engeren Sinne, oder (V. 12) das Lobopfer, mit welchem man, was doch keineswegs immer geschah, für eine außerordentliche Durchhilfe ausdrücklichen Dank erstattete. Bei diesen Lob- und Dankopfern sollte man ungesäuerte Kuchen, mit Öl gewürzte Fladen und geröstete Semmelkuchen, zugleich aber gesäuertes Brot darbringen; ferner (V. 15) sollte das Opferfleisch am selben Tage gegessen werden und nichts übrig bleiben. Bei den Gelübden und freiwilligen Opfern (V. 16) wird eine größere Freiheit zugestanden: man darf noch am nächsten, jedoch nicht mehr am dritten Tage davon essen. – In der aus 3. Mose 22, 29 beigebrachten Stelle ist die Übersetzung zweifelhaft. Entweder: „Wenn ihr wollt dem Herrn ein Lobopfer tun, das zu einem Wohlgefallen an euch diene, so sollt ihr“ usw. Oder: Wenn ihr wollt dem Herrn ein Lobopfer tun, so mögt ihr es tun nach eurem Wohlgefallen.“ Die erstere Übersetzung ist sicher vorzuziehen, da es sich in diesem Zusammenhange immer um die Frage handelt, wie man durch die Opfer Gottes Wohlgefallen erwirbt oder wie ein Opfer von uns ihm angenehm ist. – Warum übrigens die verschiedenen Opferarten etwas abweichend behandelt werden, warum Gott bei dem einen strenger, bei dem andern weniger streng verfährt, weiß ich nicht, und eine genauere Untersuchung würde auch nicht zur Erbauung beitragen.
V. 16. Ein Gelübde oder freiwillig Opfer. Dies beides wird auf gleiche Stufe gestellt, offenbar weil nicht ein bedingtes Gelübde vorschwebt, das nur bei Eintritt eines bestimmten Falles eingelöst werden soll, sondern ein unbedingtes: ein solches war aber ein für die Zukunft zugesagtes freiwilliges Opfer. Dass die längere Aufbewahrung des Opferfleisches untersagt war, weil das Ansehen des Kultus hätte leiden müssen, wenn es stinkend geworden wäre, haben wir schon gehört. Vielleicht will aber diese Vorschrift auch dem ehrgeizigen Prunk wehren: denn wenn man das Opferfleisch für längeren Gebrauch hätte einsalzen dürfen, so hätte mancher mit ungeheuren Opfergaben grossgetan. Darum legt Gott einen Zügel an, damit man mit Maßen und mit ehrfürchtigem Sinn opfere. Es wird auch eine Strafe verordnet (V. 18): wenn man noch an einem späteren Tage von dem geopferten Fleisch isst, wird das Dankopfer nicht angenehm, sondern ein Gräuel sein. Wenn in diesem Zusammenhange Mose sagt, dass solch beflecktes Opfer nicht zugerechnet werden wird, so schließen wir daraus, dass Gott richtige Opfer den Kindern Israel anrechnete und zugute schrieb. Trotzdem darf man nicht wähnen, dass sie als verdienstliche Werke, durch die man Gott sich wirklich verpflichtete, in Betracht gekommen wären: weil aber der Herr mit seinem Volk überaus gnädig handelt, lässt er keinen ihm geleisteten Dienst ohne Frucht und Segen bleiben.
V. 19. Das Fleisch, das etwas Unreines anrühret, soll nicht gegessen werden. Galt es schon im Allgemeinen, dass man verunreinigtes Fleisch nicht essen durfte, so kam bei den Opfern als besonderer Grund hinzu, dass hier die Verunreinigung geradezu ein Frevel am Heiligtum gewesen wäre. Es musste also verunreinigtes Fleisch ganz ebenso verbrannt werden, wie die innerhalb der gesetzlichen Frist nicht aufgezehrten Reste. Die Strafbestimmung, dass die Frevler wider dieses Gebot (V. 20) ausgerottet werden sollen von ihrem Volk, scheint übermäßig hart, so dass manche Ausleger nur an eine zeitweilige Aussonderung aus dem Lager denken. Indessen dürfen wir uns nicht wundern, dass Gott so heftig gegen Leute vorgeht, die mit Wissen und Willen das Heilige befleckten: denn freilich wurde von solcher Strafe nicht betroffen, der ein Versehen begangen, sondern nur, der durch gottlose Entweihung des Heiligen eine offene Verachtung des Herrn an den Tag gelegt hatte.
V. 23. Rede mit den Kindern Israel usw. Da in allen Opfern das Fett dem Herrn geheiligt war und auf dem Altar angezündet wurde, so untersagte Gott seinem Volke den Genuss desselben, und zwar auch für seine gewöhnliche Nahrung, damit es sich selbst in den Häusern in den Schranken gottesdienstlicher Zucht hielte. Denn es war ohne Zweifel eine Übung der Frömmigkeit, dass man sich, auch wenn man fern vom Tempel war, in seinen täglichen Lebensgewohnheiten dem Gottesdienst anpasste. Übrigens durfte man das Fett von einem Aas oder von einem Tier, das wilde Tiere zerrissen hatten, gebrauchen: nur das Fett von Tieren, die man auch hätte opfern dürfen, war verwehrt.
V. 37. Dies ist das Gesetz des Brandopfers usw. Mit diesem Schlusssatz prägt Mose ein, dass für irgendwelche menschlichen Beifügungen, die das Opfer nur verfälschen könnten, kein Raum sei. Des Tages, da er ihm auf dem Berge Sinai (V. 38) seine Befehle gab, hat der Herr nichts irgend Wichtiges übergangen; und Menschen sollen sich nicht unterfangen, ohne Gottes Gebot irgendetwas anzugreifen. Als Warnung vor solcher Frechheit sollte schon der Umstand dienen, dass Mose alle Zeremonien mit größtem Eifer bis ins Kleinste beschreibt, um das Volk in den von Gott gesetzten Schranken festzuhalten.
V. 1. Und der Herr redete mit Mose usw. Hier rührt Mose teils nur kurz an, was er in seinem dritten Buche ausführlicher erörtert hatte, teils trägt er an einen Ort zusammen, was er dort nur zerstreut gesagt und oft dunkel angedeutet hatte. Insbesondere fehlte es noch an einer bestimmten Regel über die Speisopfer von Öl und Wein als Beigaben anderer Opfer. Wären hier nicht ganz klare Bestimmungen gegeben worden, die jede Willkür ausschlossen, so hätte sich leicht hohler und überflüssiger Pomp eingestellt, wie wir denn beobachten, dass die Heiden bei ihren Opfermahlzeiten niemals Maß zu halten wissen, gleich als hätte Gott Freude an üppiger Schlemmerei. So wird hier eingeprägt, dass man sowohl bei den feierlichen vom Gesetz verordneten Opfern, als auch bei freiwilligen Darbringungen sich entsprechenden Schranken zu halten habe. Wird dabei auch manches wiederholt, was wir schon anderwärts lasen, so wird Mose es eben nötig gefunden haben, dem Gedächtnis diese Dinge einzuprägen.
V. 14. Ein Fremdling ist, wie wir öfter bemerkt haben, ein Mensch heidnischer Herkunft, der sich zum Herrn bekannt hatte und in die Gemeinde eingegliedert worden war. Andere, die ihre Vorhaut behielten, hätten um ihrer Unreinigkeit willen am gesetzlichen Kultus ja nicht teilnehmen dürfen. Dass die Israeliten und diese Fremdlinge (V. 15 f.) eine und dieselbe Satzung halten sollen, hat einen doppelten Grund. Hörte der Fremdling von diesem Gebot Gottes, so musste es ihm ein Antrieb zu desto eifrigerer Übung der Frömmigkeit werden: sah er doch, dass er, den man erst vor kurzem aufgenommen hatte, auf dieselbe Stufe wie die Kinder Abrahams erhoben wurde. Des Weiteren aber wurde jedem Unterschied gewehrt, weil sich daran allerlei Willkür und Verkehrung des Gottesdienstes fast notwendig hätte hängen müssen.
3. Mose 22.
V. 17. Und der Herr redete mit Mose usw. Jetzt lehrt Mose noch deutlicher und ausführlicher, was er schon einige Male angerührt hatte, dass man dem Herrn kein verstümmeltes, gebrechliches oder sonst fehlerhaftes Tier als Opfer anbieten dürfe. Durch dieses Gesetz wurde das alttestamentliche Volk erinnert, dass man Gott nicht mit halben Werken richtig verehren kann, weil ihm ein verkehrtes und schwankendes Herz ein Gräuel ist (Spr. 11, 20). Zugleich deutete diese bildliche Darstellung auf die vollkommene Reinheit des Opfers, durch welches Gott endlich versöhnt werden sollte. Wir wissen, wie frech und gleichgültig die Welt sich bei ihrer angeblichen Verehrung Gottes oft gehen lässt: man glaubt seine religiöse Pflicht getan und sich den Herrn gleichsam verpflichtet zu haben, wenn man ihm, wie einem unverständigen Kinde, allerlei Tand und Spielerei anbietet. Ein Beispiel solch hochmütiger Sicherheit haben wir im Papsttum vor Augen, wo man mit Gott spielt, als hätte man es mit einem hölzernen Klotz zu tun. Um von vielem nur eins zu nennen: was ist es doch für eine erstaunliche Frechheit, dass man seine Gebote hermurmelt, dabei seine eitlen Gedanken zu allerhand irdischen Geschäften und Freuden umherschweifen lässt und sich doch rühmt, dem Herrn den schuldigen Dienst geleistet zu haben, wenn man nur sein Pensum absolviert hat! Um solchen Verirrungen zu begegnen, prägt Gott ein, dass die Opfer, die man ihm bringt, von allem Makel rein sein sollen. Darum schilt er auch die Juden so heftig (Mal. 1, 13), dass sie seinen Altar befleckten und seinen Tisch verächtlich hielten, indem sie blinde, lahme und kranke Opfertiere noch für hinreichend gut erklärten. „Bringe“, so heißt es (Mal. 1, 8) „dergleichen deinem Fürsten; was gilts, ob du ihm gefallen werdest?“ Gewiss liegt dem Herrn an sich nichts an fetten, wohl gemästeten und stattlichen Opfertieren: wenn man ihm aber gebrechliche Tiere bringt, so ist dies ein Zeichen, dass man wahre Frömmigkeit gering schätzt, ja ganz und gar verachtet. Zu einem rechten Opfer gehört zweierlei: der da zu Gott naht, muss von allen Flecken gereinigt sein, und er darf auch nichts anderes darbringen, als was rein und vollkommen ist. Im Hinblick auf das erste Erfordernis sagt Salomo (Spr. 15, 8): „Der Gottlosen Opfer ist dem Herrn ein Gräuel.“ Und dies gilt, wenn auch das Opfer fett und reichlich sein sollte. Damit aber anderseits unsere Opfer dem Herrn wirklich gefallen, dürfen sie nicht widerwillig, geizig und verkürzt dargebracht werden. Dies erinnert uns denn noch einmal daran, dass die ganze Vollkommenheit, die dem Herrn wirklich Genüge leistet, allein in Christo sich findet.
V. 20. Es wird von euch nicht angenehm sein, wörtlich: es wird euch nicht zum gnädigen Wohlgefallen dienen. Wir mögen diesem Ausdruck entnehmen, dass es nur Gottes gnädiges Wohlgefallen ist, das unsern Opfern mit väterlicher Nachsicht einen Wert beilegt, den sie in sich durchaus nicht haben. Vor allen Dingen aber sollen wir lernen, dass man mit dem Herrn nicht spielen darf, sondern dass man ihn mit aufrichtigem und lauterem Gemüte so verehren soll, wie er es nun einmal nach seinem Wohlgefallen verordnet hat. Alle gleichgültige Entweihung des Gottesdienstes kommt daher, dass man sich nicht mit hinreichender Ehrfurcht vor Augen stellt, was Gottes Vollkommenheit zu fordern berechtigt ist. Freilich können wir dem Herrn keine in jeder Hinsicht reine Gabe bringen: aber wir sollen uns doch wenigstens der Vollkommenheit entgegenstrecken und sollen es beklagen, dass unser Wille noch längst das Ziel nicht erreicht, damit Christus mit seiner Gnade ergänze, was bei uns noch fehlt; denn ohne Zweifel wird er die Flecken, die unsern Opfern noch anhaften, mit seinem Blute abwaschen, wenn dieselben nur Früchte einer wahren Erneuerung sind.
V. 23. Einen Ochsen oder Schaf, das zu lange oder zu kurze Glieder hat, magst du opfern. Diese Ausnahme gilt aber nur für ein Opfer von freiem Willen. Und in der Tat war eine größere Freiheit am Platze, wo der betreffende weder durch ein Gelübde, noch durch eine zwingende Vorschrift zum Opfer verpflichtet war. Aber auch in diesem Falle nahm Gott ein mit einem erheblicheren Fehler behaftetes Opfertier nicht an.
V. 25. Du sollst auch solcher keins von eines Fremdlings Hand opfern. Es hätte erträglich scheinen können, dass jemand ein verstümmeltes Tier opferte, das er von einem Fremden um Geld gekauft hatte: aber Gott erklärt, dass ein solches Stück, das man nicht aus seiner eignen Herde darbringen durfte, ihm um nichts angenehmer würde, wenn man es gekauft hatte, da eben der Fehler immer sein Missfallen erregt. Um dem Verbot nun desto mehr Gewicht zu geben, werden die Opfer das Brot Gottes genannt. Nicht als bedürfe Gott, der selbst die Quelle des Lebens ist, der Speise, oder als nähre er, der ewiger Geist ist, sich mit vergänglichem Fleisch, - aber der Ausdruck sollte die Kinder Israel zu desto größerem Fleiß im Betriebe des heiligen Dienstes anspornen, wobei sie so nahe mit Gott verkehrten. Wenn nun niemand wagen würde, einem irdischen Fürsten hässliche und verdorbene Speise anzubieten, so ist es noch viel weniger erträglich, dass man den Tisch Gottes in solcher Weise verunreinigt.
Diese Anordnung ist der soeben besprochenen sehr nahe verwandt: wenn Gott ein Opfer „verschmäht, welches ihm aus sündhaftem und schändlichem Erwerb angeboten wird, so zeigt er auch damit, dass es bei seinem heiligen Dienste durchaus rein und lauter zugehen soll. Er verwirft aber um der Heiligkeit seines Tempels und Altars willen nicht bloß den Hurenlohn, sondern auch den Kaufpreis, den jemand für einen Hund erhalten hat. So erscheint der Hund von allen Tieren als das verachtetste: denn ein Schwein zu opfern war freilich ebenfalls Frevel, aber man durfte doch den für ein Schwein erhaltenen Preis darbringen. Der Hund kommt also hier nicht bloß als ein unreines, sondern als ein gemeines und verworfenes Tier in Betracht.
3. Mose 22.
V. 27. Wenn ein Ochs, Lamm oder Ziege geboren ist usw. Gott will nicht, dass man soeben geborene Tiere vom Mutterleibe zu seinem Altar bringt: denn wenn dergleichen erlaubt gewesen wäre, hätte man sich auch gewöhnt, solche Tiere im gewöhnlichen Leben zu essen. Die Vorschrift entspringt also einer gewissen Schonung und will der Rohheit wehren. Zugleich aber wäre die Darbringung eines neugeborenen Tieres ein Betrug gegen Gott gewesen, mit dem man ihm gleichgültige Verachtung bewiesen hätte. Dass das Tier sieben Tage bei seiner Mutter bleiben sollte, wird sich nicht daran erinnern, dass Gott sieben Tage brauchte, um die Welt zu schaffen, was noch nicht einmal ganz stimmt, sondern will nur im Allgemeinen bedeuten, dass das Tier schon eine gewisse Lebenszeit hinter sich haben soll, wie denn auch die Kinder am achten Tage beschnitten wurden.
V. 28. So soll mans nicht mit seinem Jungen auf einen Tag schlachten. So allgemein diese Vorschrift lautet, so wird sie sich in unserm Zusammenhange doch nur auf das Opfer beziehen, da sie ganz und gar von darauf bezüglichen Vorschriften umgeben ist. Nimmt man das Gebot allgemeiner, so würde es auch als Anhang zum sechsten Gebot gelten können. Bemerkenswert ist jedenfalls, dass Gott von seinem Opferdienst alle Rohheit und Grausamkeit fernhalten will und damit ein Vorbild auch für das tägliche Leben gibt. Für ein zartes Gemüt ist es sicher ein anstößiges Schauspiel, wenn man das Muttertier samt seinem Jungen schlachtet: und wenn dergleichen einriss, musste das Volk roh werden und sich an ein unbedenkliches Morden gewöhnen. Nach Gottes Willen aber soll die Übung der Frömmigkeit im engsten Bunde mit den Pflichten menschlichen Verhaltens stehen.
2. Mose 23.
V. 19. Wenn das Gebot, dass man das Böcklein nicht in seiner Mutter Milch kochen soll, dreimal wiederholt wird, so ist dies ein Zeichen seiner Wichtigkeit. Darum ist es ganz oberflächlich, wenn einige Ausleger hier eine gesundheitliche Maßregel finden wollen. Und wenn die Juden, die überhaupt gern die Heiligkeit in kindischen Dingen suchen, nicht wagen, nach dem Genuss von Hammel- oder Ziegenfleisch Käse zu essen, sie hätten sich denn zuvor die Zähne gründlich gereinigt, so verkennen sie sicherlich den Zweck des Gebots. Ohne Zweifel bezieht sich das Verbot auf die Opfer: denn an allen drei Stellen kommt es im Zusammenhange mit heiligen Darbringungen vor. Die Meinung wird also sein, dass, wer das Tier in der Milch seiner Mutter kocht, es gleichsam in seinem eigenen Blute zurichtet: und dergleichen wäre doch beim Opfer vor Gott ein Gräuel gewesen. Zugleich wird man freilich dem Verbot entnehmen dürfen, dass solch grausames Verfahren schon für die gewöhnliche Nahrung unzulässig war: wäre es doch gewesen, als hätte man in Blut getauchtes Fleisch genossen.
2. Mose 23.
V. 24. Du sollst ihre Götzen umreißen usw. Nunmehr wenden wir uns zu Sprüchen, die in der öffentlichen, politischen Ordnung der Aufrechterhaltung des zweiten Gebots dienen wollen. Manche derselben hätten sich auch als Anhang zum ersten Gebot behandeln lassen. Doch sie stehen an unserm Platze noch richtiger: die Stellen, die wir als einen öffentlich-rechtlichen Anhang zum ersten Gebot fügten, verdammen ein abergläubisches Wesen, das unter allen Umständen sündhaft ist, sollen also bis zum Ende der Welt gelten; jetzt aber handelt es sich nur um zeitlich begrenzte Ordnungen, welche das alttestamentliche Volk auf der rechten Bahn erhalten sollten. Wir machen uns heute kein Gewissen daraus, Tempel, die durch Götzenbilder entweiht waren, beizubehalten und für einen besseren Gebrauch einzurichten: denn uns bindet nicht mehr, was nur in entfernter Konsequenz an das Gesetz angehängt war. Gewiss soll auch bei uns aus dem Wege geräumt werden, was zur Förderung des Aberglaubens dienen müsste: aber wir dürfen doch nicht durch übertriebene Strenge wieder nach entgegen gesetzter Richtung abergläubisch werden, indem wir in gesetzlicher Weise unter allen Umständen Dinge ausschließen, die als so genannte „Mitteldinge“ an sich sittlich gleichgültig sind. Der Zweck des Gebots für Israel war nun der: um mit voller Deutlichkeit zu zeigen, wie sehr ihm der Götzendienst verhasst war, wollte Gott das Gedächtnis aller Gegenstände ausgerottet wissen, die irgendeinmal dem Götzendienst geweiht gewesen waren. Dabei führt die zweite Stelle (5. Mose 12, 3) genauer alle Formen und Gegenstände des sündhaften Kultus an, welche die erste Stelle unter dem Namen „Götzen“ kurz zusammenfasst: von alledem sollte das Land so gründlich gereinigt werden, dass keine Spur davon übrig blieb. Wenn es aber heißt, dass man so verfahren soll (5. Mose 12, 1) im Lande, das der Herr seinem Volke gegeben hat, so hat Augustinus mit Recht daraus geschlossen, dass jeder nicht jeder Privatmann ermächtigt werden soll, die Mittel des Götzendienstes zu zerstören, sondern dass dafür allein das Volk zuständig war, das in dem ihm geschenkten Lande die öffentliche Ordnung entsprechend zu gestalten hatte. Wenn nach 4. Mose 33, 52 auch die Säulen zerstört werden sollen, so erinnern wir uns, dass es freilich auch harmlose Säulen und Denksteine gibt, wie Jakob einen solchen aufrichtete (1. Mose 28, 18): es werden also hier nur solche Darstellungen gemeint sein, in denen man Gott selbst zu greifen wähnte. Bezüglich der Bilder gilt das gleiche: sie sind gewiss nicht unter allen Umständen sündhaft, wie es denn heißt, dass der Mensch Gottes Bild ist. Sie werden aber verwerflich, wenn man sie mit der Anbetung Gottes zusammenbringt. Das hieße doch seine Herrlichkeit verderben und verzerren. Wenn übrigens ausdrücklich nur von gegossenen Bildern die Rede ist, so sollen darum götzendienerische Skulpturen und Malereien gewiss nicht zugelassen werden; es werden aber die aus kostbaren Metallen hergestellten Statuen besonders herausgehoben, weil sonst das Volk die goldenen und silbernen Götzen nur zu leicht als Schmuckstücke beibehalten hätte.
5. Mose 16.
V. 21. Du sollst keinen Hain pflanzen usw. Dass auch dies Verbot zur Sicherung des zweiten Gebots dient, ergibt sich aus seinem Zweck. Bekanntlich hatten die alten Heiden vielfach heilige Haine, und der Schatten der Bäume musste allen religiösen Übungen erst eine geheimnisvolle Weihe geben. Gott aber will für seinen Dienst auch einen äußeren Abstand schaffen: wenn Israel sich vor fremden Kultusformen hüten sollte, so war es das Beste, dass es sich auch in sonst wohl erträglichen Dingen möglichst von ihnen abhob. Wie nötig es war, hier eine Schranke zu ziehen, zeigen die immer wiederholten Berichte der heiligen Schrift. Israel hatte eine förmliche Sucht, den heidnischen Kultus nachzuahmen, und es gab fast keine Zeit, da nicht die Höhendienst im Schwange gewesen wäre. Nicht umsonst haben die Propheten darüber geklagt, dass das Volk unter allen schattigen Bäumen fremden Göttern nachhurte (Jes. 57, 5; Jer. 2, 20; 3, 6).
2. Mose 34.
V. 11. Halt, was Ich dir heute gebiete usw. Auch diese Anhänge gelten gleicher weise dem ersten wie dem zweiten Gebot; sie werden aber am besten hier verhandelt, weil Gott dadurch einem handgreiflich abergläubischen äußeren Kult wehren will, der nur zu leicht sich hätte einschleichen können. Schon ohne besonderen Anreiz greifen die Menschen begierig nach jeglichem Götzendienst: wenn aber die Heiden solche Neigung noch anfachen, was doch bei einem näheren Verkehr mit ihnen unvermeidlich ist, nimmt die Krankheit vollends überhand. Jede engere Freundschaft mit Götzendienern wird ein Joch, vermittels dessen sie andere in ihre Bahn hineinziehen. Sollte also das Volk nach Besitznahme des Landes rein und unverfälscht bei seinem Gott bleiben, so musste aller ansteckenden Berührung mit den Resten der heidnischen Bewohnerschaft gewehrt werden: Gott wollte also alle Einwohner des Landes Kanaan gänzlich ausgerottet wissen, damit sie nicht das auserwählte Volk in ihre Irrtümer und ihre Anbetung falscher Götter hineinzögen. Die Kinder Israel sollen weder öffentlich noch persönlich sich mit ihnen verbünden, sollen sie vielmehr sämtlich schonungslos niedermachen. Ein öffentliches Bündnis wäre es gewesen, wenn die Kinder Abrahams (V. 16) mit diesem verworfenen Geschlecht sich durch Eheschließungen vermischt hätten: damit hätten sie sich des rechtmäßigen Erbes beraubt, das ihnen von Gottes Seite zugedacht war, und trotz Austilgung der Götzen wären die Zustände im Lande niemals wirklich erneuert worden. Hatte also Gott schon vorzeiten beschlossen, jene Heiden in gerechtem Gericht zu verderben, so durften die Kinder Abrahams diesem himmlischen Beschluss nichts abbrechen noch etwas daran verändern. Trotzdem wäre es ein Fehlschluss, wenn man heute jedes Bündnis mit Ungläubigen rundweg für unerlaubt erklären würde, weil Gott es einst verboten habe: denn uns hat heute der Herr nicht ein solches Strafgericht aufgetragen, alle Gottlosen zum Tode zu befördern, wie denn auch seiner Gemeinde nicht mehr ein bestimmtes Land angewiesen ist, in dem sie besonders wohnen und herrschen soll. Indessen leugne ich nicht, dass das dem alttestamentlichen Volke gegebene Gebot in einem gewissen Betracht auch uns angeht. Wir wollen uns wohl einprägen, dass Leute, die mutwillig sich mit gottlosen Menschen zusammenschließen, sich ein Joch überwerfen, an dem sie ins Verderben gezogen werden müssen. Indem Paulus (2. Kor. 6, 14) dies Bild gebraucht, denkt er sicherlich an allerlei Weisen, wie die Ungläubigen sich zu vertrautem Verkehr an uns heranmachen, um uns für ihr verderbtes Wesen einzufangen. So viel möglich sollen wir also lieber jedes Band des Verkehrs zerreißen, als etwa eine Annäherung an die Feinde Gottes suchen, die uns nur zur Lockung und Verführung dienen könnte: denn sie werden allerlei Künste anwenden, um eine Trennung zwischen uns und unserm Gott herbeizuführen. Wollen wir unserm Gott treulich dienen, so müssen wir uns für immer von ihnen scheiden. Demgemäß will uns Gott nicht bloß von offenbarem Einverständnis mit ihnen zurückhalten, sondern er will uns wegen unserer verderbten Neigung auch vor allerhand Lockungen warnen, die uns allmählich in die Gemeinschaft der Sünde hineingleiten lassen. Allerdings sagt Paulus mit Recht (1. Kor. 5, 10), dass, wenn man allem Verkehr mit Ungläubigen aus dem Wege gehen wolle, man die Welt räumen müsse. Darum müssen wir zwischen Verbindungen, die uns fesseln und verpflichten würden, und zwischen anderen, bei denen unserer Freiheit kein Abbruch geschieht, wohl unterscheiden. So lange wir unser Leben unter ungläubigen Menschen zubringen müssen, kann man sich des Handels und Wandels mit ihnen im gemeinen Leben gar nicht entschlagen; kommen wir aber in einen näheren und schließlich vertrauten Verkehr, so öffnen wir schon dem Satan eine Tür. So steht es mit Bündnissen zwischen Königen und Völkern, und bei Privatleuten mit Eheschließungen, weshalb auch Mose gerade über diese beiden Stücke dem alttestamentlichen Volk ein Gesetz gab. Bindet uns dasselbe auch nicht mehr buchstäblich, so kann es uns doch zur Warnung dienen. Wie oft lassen sich Männer durch das schmeichlerische Wesen der Weiber verführen, und wiederum müssen sich die Frauen der Obmacht des Mannes nur zu oft fügen! Wer sich also hier an Götzendiener bindet, weiht sich mit Wissen und Willen den Götzen. Ebenso geht es bei politischen Bündnissen, bei denen man sich doch verpflichtet fühlt, den Bundesgenossen irgendein Zeichen der Gemeinschaft sehen zu lassen. So errichtete Ahas dem Könige von Syrien zu Liebe im Tempel einen Altar nach damascenischem Vorbild (2. Kön. 16, 10); und als die Juden sich den Assyrern angenehm machen wollten, ahmten sie deren abergläubische Gebräuche nach. Es ist eine überaus seltene Ausnahme, dass Leute ihren Glauben unbefleckt behalten, wenn sie der Gunst der Ungläubigen nachlaufen. Um nun das Volk in der rechten Bahn zu erhalten, erinnert Gott mit großem Nachdruck an die von den Ungläubigen drohende Gefahr (V. 12): dass sie dir nicht ein Ärgernis unter dir werden. Wie leicht hätte man sich sonst entschuldigt: wenn auch mein Weib vom wahren Glauben durchaus nichts wissen will, werde ich doch standhaft bleiben; wenn auch mein Mann dem Herrn sich nicht unterwirft, werde ich doch auf rechtem Wege verharren; wenn auch unsre Bundesgenossen sich um die Religion nicht kümmern, so werden wir sie doch immer pflegen. Gott aber sagt, dass niemand, der einmal dem Bösen das Fenster geöffnet hat, stark genug sein wird, es auf die Dauer abzuwehren. Er kündigt auch an, dass man auf diese Weise das heilige Land entweihen wird. Machten die Kinder Israel das gottlose Wesen der Heiden auch nicht ohne weiteres mit, so wäre es doch unentschuldbar (V. 13), ihre Altäre in einem Lande stehen zu lassen, das Gott sich zu seinem heiligen Wohnsitz erwählt hatte. Auch deutet Mose an (V. 15), dass die Kinder Israel schon nach und nach in den Götzendienst verwickelt werden würden: die Heiden huren ihren Götzen nach, und wenn sie dann opfern, werden sie in nachbarlicher Freundschaft auch Israel laden, damit es von ihrem Opfer esse. Es würden also die Kinder Israel wie Kuppler dastehen, wenn sie unter dem Vorwande eines Bündnisses und in freundlicher Schonung dieses Treiben gewähren lassen wollten. – Um sie aber zu pflichtmäßigem und freudigem Gehorsam anzufeuern, wird die ganze Aussprache mit der Zusage eröffnet (V. 11): Siehe, ich will vor dir her ausstoßen die Amoriter usw. Es war fast unglaublich, dass ein ausgestoßenes und herumirrendes Volk sich all dieser Landstriche so leicht und schnell sollte bemächtigen können. Darum hebt Gott diesen Zweifel, befiehlt dann aber auch, dass die Kinder Israel beim Ausgang dieses Krieges sich seinem Befehl unterwerfen sollen, da er es ja war, von dem sie solche glückliche Durchhilfe erfuhren. Würden sie von der geforderten Strenge etwas nachzulassen wagen, so würden sie sich der Undankbarkeit schuldig machen. Es ist, als riefe Gott seinem Volke zu: Da jene Heiden euch an Zahl, Kraft und kriegerischer Rüstung weit überlegen sind, so wird man es mit Händen greifen können, dass ihr nicht aus eigener Kraft gesiegt habt; wie unbillig wäre es also, einen Krieg, der doch allein durch meine Führung und Kraft gewonnen ward, nicht auch nach meiner Vorschrift zu Ende zu führen, - als hättet ihr selbst über den Sieg, den ich euch geschenkt habe, zu verfügen!
5. Mose 7.
V. 2. So sollst du sie verbannen, d. h. gänzlich vernichten. Wer diese Vorschrift für unmenschlich erklärt, wirft sich zum Richter über den auf, der doch aller Menschen Richter ist. Es klingt zwar ganz gut, wenn man sagt, dass das Volk Gottes doch zu einer schrecklichen Grausamkeit angeleitet würde, wenn es ohne Rücksicht auf Geschlecht und Alter alles niedermetzeln sollte. Erstlich aber müssen wir festhalten: wenn Gott seinem Volk ein Land zugedacht hatte, so musste es ihm auch frei stehen, die früheren Einwohner völlig auszurotten, um den Besitz für sein Volk frei zu machen. Dringen wir tiefer ein, so wird sich zudem ergeben, dass es sich um eine gerechte Strafe für jene Stämme handelte. Schon vierhundert Jahre früher hätte Gott ihre zahllosen Schandtaten mit Recht strafen können: er hatte aber sein Gericht aufgeschoben und sie mit Geduld getragen, ob sie vielleicht Buße täten. Kennen wir doch den Spruch (1. Mose 15, 16): „Die Missetat der Amoriter ist noch nicht voll.“ Nachdem Gott ihnen also vier Jahrhunderte lang verziehen und durch diese Milde nur ihre Frechheit und Wut gemehrt hatte, so dass sie unaufhörlich seinen Zorn reizten, so war es sicherlich keine Grausamkeit, wenn dieser Verzug durch die Wucht der Strafe jetzt aufgewogen wurde. Aber hier können wir sehen, wie abscheulich verkehrt der Menschengeist sich gebärdet. Wenn Gott nicht sofort seinen Blitz zückt, entrüsten wir uns; wenn er seine Strafen aufschiebt, so zeiht ihn unsere Ungeduld der Gleichgültigkeit oder Saumsal. Tritt er aber als Rächer von Schandtaten in die Mitte, so heißen wir ihn grausam oder murren wenigstens wider seine Strenge. Er aber in seiner Gerechtigkeit wird immer Recht behalten, unsere Lästerungen aber werden auf unser Haupt zurückfallen. Sieben Völker weiht er dem Untergang, nachdem sie während vier Jahrhunderte Sünde auf Sünde gehäuft und sich dadurch als gänzlich widerspenstig und unheilbar gezeigt hatten. Darum heißt es auch (3. Mose 18, 28), dass das Land diese Heiden ausgespieen und sich gleichsam von ihrem Unflat befreit habe. Konnte schon das tote Element die Gottlosigkeit nicht ertragen, wollen wir uns wundern, dass Gott nach seinem richterlichen Amte die äußerste Strenge walten ließ? War aber Gottes Zorn ein gerechter, so konnte er gewiss nach seinem Wohlgefallen auch Diener und Vollstrecker desselben suchen. Und wenn er seinem Volke dies Amt übertrug, so untersagte er mit Recht, sich derer zu erbarmen, die er doch dem Untergang geweiht hatte. Oder kann es etwas Verkehrteres geben, als dass Menschen barmherziger sein wollen wie Gott? Sollte der Sklave das Recht zu verzeihen sich anmaßen, wenn es dem Herrn beliebt, streng zu sein? So wirft Gott den Kindern Israel häufiger vor, dass sie ein solches Mitleid walten ließen, in welchem sie Völker, die sie hätten vernichten sollen, sich zu Stacheln und Dornen machten, an denen sie sich nun selbst stechen mussten (Jos. 23, 13; Richter 2, 3). Wir wollen also von der Anmaßung ablassen, die missgünstig des Herrn Macht nach unseren winzigen Maßstäben misst. Verstehen wir den Grund nicht, warum Gott also handelt, so wollen wir lieber ehrfürchtig sein Tun annehmen, und in bescheidener Demut seine Beschlüsse und Gerichte unterschreiben, als zu unserem eigenen Verderben und vergeblich widersprechen.
V. 16. Du wirst alle Völker verzehren. Der Grund dieser Vorschrift liegt darin, dass die Heiden, wie die nächsten Worte zeigen, Israel andernfalls zu ihrem Götzendienst verführt hätten. Gott aber wollte das Land, in welchem man seinen Namen anrufen sollte, von aller Verunreinigung gesäubert wissen. Darum durfte keiner von den früheren Einwohnern, die das ohnehin zum Götzendienst geneigte Volk hätten verführen können, übrig bleiben; man durfte ihnen keine Freundlichkeit noch Schonung angedeihen lassen: denn das würde dir ein Strick sein.
V. 17. Wirst du aber in deinem Herzen sagen usw. Weil es eine mehr als schwierige Aufgabe war, eine solche Menschenmenge zu vertilgen, und gerade die Verzweiflung diese Leute zu wütendem Widerstande treiben konnte, so dass es für die Kinder Israel selbst gefährlich wurde, ihnen in keinem Falle Schonung gewähren zu dürfen, so begegnet Gott von vornherein solcher Furcht und mahnt, sein Gericht rücksichtslos durchzuführen. Daraus entnehmen wir eine sehr nützliche Lehre: wenn Gott uns etwas aufträgt, was unsere Kräfte übersteigt, sollen wir nichtsdestoweniger gehorchen und durch allen Widerstand, der uns hemmen will, kühnlich hindurch brechen. Bei jedem schwierigen Geschäft möge uns die Überzeugung stärken, dass Gottes unermüdliche Macht spielend bei Seite schieben kann, was seinem Willen sich entgegenstellt. Weil aber ein Schrecken, der einmal in unsre Sinne gefallen ist, uns ganz und gar gefangen nimmt und lahm legt, ruft Gott den Kindern Israel ins Gedächtnis, wie vielfältigen Grund zu guter Zuversicht er ihnen gegeben hatte (V. 18 f.). Soviel Wunder er getan hatte, soviel Zeugnisse seiner unbesieglichen Kraft hatte er ihnen geschenkt. So mussten sie mit Gewissheit schließen, dass nichts zu fürchten sei, wenn nur Gott voranging: und in völliger Zuversicht des Sieges konnten sie jedes Bündnis verschmähen.
V. 20. Dazu wird der Herr Hornissen unter sie senden. Erschien der Kampf durch Menschenhand und mit Menschenwaffen zu lang ausgedehnt, war auch kaum zu erwarten, dass die Heiden ohne Gegenwehr sich freiwillig beugen würden, so verheißt Gott, dass er noch auf eine ganz andere Weise sie niederschlagen wolle. Sahen die Israeliten, wie die Feinde zu tapferem Widerstand bereitstanden, so brauchten sie doch nicht zu zittern und zu zagen, da Gott ihnen noch andere Krieger zur Verfügung stellte: Hornissen und andere wütende Tiere sollten die Feinde in die Flucht schlagen. Dieselbe Verheißung lesen wir auch 2. Mose 23, 28, und wir wissen, dass Gott sie zu Josuas Zeiten erfüllt hat (Jos. 24, 12). Weil übrigens jene Völkerschaften nicht in einem Augenblick ausgerottet werden sollten, also zu befürchten stand, dass der Eifer des Volkes im Laufe der Zeit nachließ, beugt Gott vor und erinnert daran, dass die allmähliche Ausrottung ihren Nutzen habe (V. 22): du kannst sie nicht eilend vertilgen, auf dass sich nicht wider dich mehren die Tiere auf dem Felde. So durfte das Volk sich nicht über die lange Ausdehnung des Krieges beklagen, weil eine Verkürzung desselben nur einen anderen Kampf mit wilden Tieren nötig gemacht hätte.
V. 25. Die Bilder ihrer Götter sollst du mit Feuer verbrennen usw. Der Grund, weshalb die Heiden ausgetilgt werden sollten, wird noch einmal eingeprägt. Es wird aber auch noch ein weiteres gefordert. Nicht genug, dass man den Götzendienst zu meiden hatte, man sollte auch die Götzenbilder durch Feuer vertilgen: denn bei der Neigung des Volkes zum Aberglauben hätten sie Lockmittel werden können, die von der reinen Anbetung Gottes abführten. Es soll das Gold oder Silber auch nicht bloß umgeschmolzen werden, sondern man soll sich seiner überhaupt nicht mehr bedienen, als säße darin eine ansteckende Pest. Durch diese Verordnung wird eingeprägt, dass der Herr die Götzenbilder ganz und gar verabscheut. Es scheint zwar eine übertriebene Strenge, das Metall, das doch für menschlichen Gebrauch geschaffen ward, als unrein zu verdammen, als ob Menschen mit ihrer Sündhaftigkeit die reine Natur tatsächlich anstecken könnten, - und als ob man nicht gleicher weise sagen müsse, dass die Götzendiener mit ihrer sündhaften Anbetung auch Sonne und Mond unrein und unbrauchbar machten. Darauf ist zu antworten, dass das Gold oder Silber selbst durch götzendienerischen Gebrauch freilich nicht böse werden konnte, dass aber die Befleckung in Rücksicht auf das Volk daran haftete. Ebenso stand es ja mit der Unreinheit gewisser Tiere, die freilich in sich selbst nicht vergiftet waren, deren Gebrauch aber Gott untersagt hatte. So hatte Gott auch bezüglich der Materialien des Götzendienstes solches Verbot erlassen, weil das rohe Volk auf keine andere Weise begreifen konnte, wie tief verhasst dem Herrn solche Dinge sein mussten, deren Stoff an sich allerdings nicht unrein war. Gilt nun solche Rechtsordnung, die dem alttestamentlichen Volk gegeben war, auch nicht mehr für uns, so können doch auch wir daraus abnehmen, wie abscheulich der Götzendienst sein muss, wenn er Gottes eigene Werke ansteckt und verseucht.
V. 15. Gedenke, was dir die Amalekiter taten usw. Wie haben anderwärts gesehen (2. Mose 17, 8 ff.), wie die Amalekiter die ersten waren, die das Volk feindlich angriffen und die ihm seinen Weg abzuschneiden suchten. Mose berichtete damals auch von dem über sie verhängten göttlichen Gericht, dessen Vollzug er jetzt dem Volk aufträgt. Damals hatte Gott geschworen, dass er allezeit wider Amalek streiten wolle: und damit diese Drohung nicht vergeblich sei, hatte er das Volk selbst zum Zeugen des grausamen und gottlosen Verfahrens der Amalekiter aufgestellt. Da die Kinder Israel ihnen keine Beschwernis noch Schaden antaten, war es doch Unrecht, das ruhig und friedlich in ein anderes Land ziehende Volk mit den Waffen zu reizen. Noch menschenunwürdiger war es aber, dass Amalek ohne jedes natürliche Gefühl seine Verwandten nicht schonte: stammten doch die Amalekiter von Esau ab (1. Mose 36, 12). Nun scheint aber das Gebot, dass das Volk das erfahrene Unrecht heimzahlen soll, mit wahrer Frömmigkeit nicht zu stimmen. Ich erinnere aber daran, dass unsere Worte nicht etwa die Glut der Rachgier entfachen, sondern einfach anordnen wollen, dass über Amaleks Schandtaten die gleiche strenge Strafe verhängt werde, wie über die anderen Heiden. Freilich scheint Gott persönliche Empfindungen aufzureizen, wenn er an Amaleks Grausamkeit erinnert: aber man muss doch nach Lage der Sache sich ein entsprechendes Urteil über die Absicht des Gesetzgebers bilden. Wenn wir nun wissen, dass vor dem Herrn keine Regungen des Zorns und Hasses bestehen können, so versteht sich von selbst, dass das Volk nur mit einem reinen und gemäßigten Eifer ausführen soll, was ihm hier aufgetragen wird. Es wird auch der Grund des verbrecherischen Verhaltens der Amalekiter angegeben: sie fürchteten Gott nicht. Das will nicht in einem allgemeinen, auf alle Heiden zutreffenden Sinn, sondern so verstanden sein, dass sie sich mit bewusster Absicht wider Gott erhoben hätten. Konnte ihnen doch die dem Abraham und Isaak gewordene Verheißung nicht unbekannt geblieben sein: aber weil ihr Stammvater Esau das Recht der Erstgeburt verloren hatte, unternahmen sie es in sündhafter und gottesräuberischer Eifersucht, den Bund Gottes zunichte zu machen. Dies war der Grund, weshalb Gott sie in gleicher Weise auszutilgen beschloss, wie die verworfenen Heiden.
V. 3. Die Ammoniter und Moabiter sollen nicht in die Gemeine des Herrn kommen. Hatte Gott seinem Volke durchaus verwehrt, mit den Stämmen des Landes Kanaan in irgendeine Freundschaft oder ein Bündnis zu treten, so macht er nunmehr zwischen den angrenzenden Völkern gewisse Unterschiede und ordnet an, auf welche Weise einige derselben Zulassung erfahren können. Die Moabiter und Ammoniter freilich verwirft er gänzlich, weil sie dem Volke nicht bloß die allgemein übliche menschliche Hilfe versagt (V. 4), sondern es auch mit den Waffen angegriffen und sogar den Bileam zur Verfluchung gedungen hatten (4. Mose 22, 5 f.). Sie waren Nachkommen des Lot, hätten also Kinder Abrahams brüderlich behandeln sollen. Statt dessen griffen sie dieselben mit unentschuldbarer Barbarei gewalttätig an: - und doch hatte man ihnen aus freien Stücken Frieden angeboten; Israel hatte durch seine Boten versprochen, einfach seine Straße zu ziehen, ohne Unrecht noch Schaden zu tun; man hatte im Erlaubnis für den Durchzug gebeten und ehrliche Zahlung für Brot und Wasser angeboten. Was bei alledem des Herrn Rache am meisten herausforderte, war aber nicht diese Grausamkeit, sondern die Gottlosigkeit, die gegen Gottes seinem Volke verheißene Wohltaten ankämpfen und den Glauben daran zunichte machen wollte. Hätten sie es machen können, so wäre die Gemeinde Gottes zugrunde gerichtet worden, die Frucht seiner Verheißung, auf welcher das Heil des Menschen ruhte, wäre dahin gefallen; da sie nun mit Wissen und Willen in solcher Auflehnung standen, darf man sich nicht wundern, dass sie für alle Zukunft von der Gemeinde ausgeschlossen blieben.
V. 4. Vielmehr dingete er wider euch usw. Trifft auch der Grund des Ausschlusses aus der Gemeinde für beide Völkerschaften zu, so wird doch absichtlich jetzt in der Einzahl fortgefahren: denn es war Balak, der König der Moabiter, der den Bileam dingte; weil aber die Ammoniter damit einverstanden waren, so fällt auch ihnen das Verbrechen zur Last. Es war doch der Gipfel abscheulicher Gottlosigkeit, einen käuflichen Menschen zu dingen, der den Blitz seines Fluches gegen Gottes Volk schleudern und mit seinen Zauberformeln gewissermaßen Gott selbst bezwingen sollte. Ihre Sünde entsprang auch keineswegs aus Unwissenheit, denn sie verblieben hartnäckig bei ihrem wahnsinnigen Vorhaben, bis Gott vom Himmel her dazwischenfuhr. Darum wird auch ausdrücklich angemerkt (V. 5), dass Bileam nicht erhört wurde, sondern dass Gott seine grausamen Verwünschungen in Segen wandelte.
V. 7. Den Edomiter sollst du nicht für Gräuel halten. Die Strafe, die über die Moabiter und Ammoniter verhängt ward, erscheint in einem noch grelleren Lichte, wenn nun im Gegensatz dazu Edomiter und Ägypter von der dritten Generation ab zur Gemeinde Gottes zugelassen werden, die ersteren, weil sie als Nachkommen Esaus ihren Stammbaum auf Isaak zurückführen konnten, die andern, weil sie dem erwählten Volk Gastfreundschaft gewährt hatten. So musste es vollends deutlich werden, dass die Ammoniter und Moabiter um ihrer eigenen schweren Schuld willen von dieser Ehre, die sogar Fremden zugewandt wurde, ausgeschlossen blieben. Hatte auch Esau sich von der Gemeinschaft der Gläubigen geschieden, so wurde doch seinen Kindern wiederum die Tür aufgetan, wenn sie nur zu ihrem Haupt und Ursprung zurückkehrten und sich in demütigem Glauben zur Erstgeburt Jakobs bekannten, der unter Übergehung und Zurücksetzung ihres Vorvaters erwählt worden war. Freilich muss man sich wundern, dass das gleiche Verbrechen eine so ungleiche Strafe erfährt. Hatte doch Edom noch früher als Moab die Kinder Israel angegriffen und sie gezwungen, einen andern Weg einzuschlagen (4. Mose 20, 14 ff.). Allerdings hatten die Edomiter nicht einen Fluch erkaufen wollen, um Israel zu verderben; weil sie aber trotz flehentlicher Bitte und Berufung auf die alte Blutsverwandtschaft nicht nur den Durchzug verweigert, sondern sogar mit einem ungeheuren Heere sich dem Volk entgegengestellt hatten, so hätten sie keine mildere Behandlung verdient, als die Amalekiter und Ammoniter. Ja, ihre Grausamkeit war umso weniger entschuldbar, als sie Israel durch nähere Blutsverwandtschaft verbunden waren. So finde ich in der Tat keinen Grund, weshalb Gott mit ihnen milder, mit den andern aber strenger verfuhr: wahrscheinlich wollte er nur zeigen, dass es in seiner Macht steht, die gleichen Sünden bei den einen schwerer, bei den andern leichter zu strafen; wenn alle gleicher weise der Vernichtung wert sind, so ist eben sein Recht, frei verzeihen, welchem er will. Darin müssen wir seine Gerichte anbeten, in deren Tiefen wir nicht eindringen können. Wo es sich um freie Gnade handelt, hat niemand mehr ein Recht, sich über Ungleichheit zu beklagen und etwa zu behaupten, dass Gott der Regel seines eignen Gesetzes nicht treu bliebe. Bezüglich der Ägypter lässt sich noch die Frage aufwerfen, weshalb denn das Volk Israel, das in ihrem Lande ein Fremdling war, ihnen zu so besonderem Danke verpflichtet sein sollte. Denn es war doch eine barbarische und ungastliche Grausamkeit, die armen Fremdlinge, die sich in ihren Schutz geflüchtet hatten, so zu unterdrücken. Aber Gott denkt an die erste Aufnahme, die das Volk in Ägypten fand, wie auch bei Jesaja (52, 4) im Gegensatz gegen die Gewalt, die Assur den Kindern Israel ohne Ursache getan hat, anerkannt wird, dass die Ägypter ihre Oberherrschaft immerhin auf die erste freiwillige Unterwerfung der Kinder Israels gründen konnten. Darum soll auch die spätere Unterdrückung nicht das Gedächtnis der früheren Wohltat austilgen, die in einer Zeit, da die Einwohner Kanaans Hungers sterben mussten, den Mangel und Hunger der freundlich aufgenommenen Fremdlinge stillte.
V. 2. Wenn unter dir usw. Hier wird über die Götzendiener die gleiche Strafe verhängt, wie über diejenigen, die überhaupt von Gott abfallen (Abschnitt 50). Sind beide Sünden der gleichen Todesstrafe wert, so schließen wir, dass der Götzendienst und Aberglaube ein nicht weniger schweres Verbrechen ist, als der Abfall. Darum gibt Gott bei Hesekiel (20, 39) den Juden gleichsam den Abschied und stößt sie von sich, wenn sie sich nicht mehr mit ihm allein zufrieden geben wollen: „Fahret hin und diene ein jeglicher seinen Götzen.“ So streng nun aber Gott die Strafe geübt wissen will, so wenig soll doch die Verurteilung überstürzt werden. Seine Strenge verfügt, dass Mann und Weib aus dem Mittel getan werden, dass das ganze Volk einmütig sie steinigen soll, damit das Land von der götzendienerischen Bosheit befreit und nicht um dieses Fluches willen gestraft werde. Zugleich aber verordnet er in weiser Mäßigung, dass man genau nachforschen und nur auf Grund richtiger Untersuchung das Urteil sprechen soll. Es soll alles in gesetzlicher Weise bewiesen und niemand auf die bloße Angabe eines Menschen hin geschädigt werden. Auch der scheinbarste Eifer soll keinen Richter zu unüberlegtem Blutvergießen verleiten, sondern es soll nach reiflicher Voruntersuchung der Übeltäter nach dem Maß seiner Schuld gestraft werden. – Dass jemand in der Tore einem gefunden wird, bedeutet soviel, dass man ihn in irgendeiner Stadt findet; und wenn Gott ausdrücklich daran erinnert, dass er den Kindern Israel diese Städte des Landes geben will, so will er ihnen die Dankbarkeit einprägen, die solches Geschenk nicht entheiligen darf. Auf die Schwere des Verbrechens deutet der Hinweis, dass der Götzendiener den Bund des Herrn übertritt. Freilich gilt dies auch von einem Dieb, Hurer, Trunkenbold und ähnlichen Sündern: aber diese stehen doch insofern nicht auf gleicher Stufe, als sie sich nicht gänzlich von Gott entfernen. Unsere Worte beschreiben nicht ein gottloses Verhalten im Allgemeinen, sondern den Bundesbruch, in welchem ein Mensch, der sich zum Herrn bekannte und ein Glied seines Volkes sein wollte, den wahren Glauben wegwirft. Wenn ausdrücklich wiederholt wird, dass ein Mann oder Weib gleicherweise gestraft werden soll, so dient dies zur Bestätigung des Gesagten: könnte sonst die Schwachheit des weiblichen Geschlechts vielleicht den Wankelmut entschuldigen, so ist doch, wo es sich um eine handgreifliche Abkehr von der Anbetung Gottes handelt, keine Verzeihung am Platze. Werden des weiteren (V. 3.) auch nur Sonne oder Mond oder allerlei Heer des Himmels genannt, so soll es doch gewiss nicht weniger strafwürdig sein, wenn man Bilder anbetet. Vielmehr: um soviel schändlicher ist es, Gottes Ehre auf tote Steine oder Holzblöcke zu übertragen, als auf die Sterne, in denen doch etwas von göttlichem Glanz leuchtet, umso abscheulicher sind die Götzendiener, die bis zur Stufe stumpfsinnigen Bilderdienstes herabsinken.
V. 4. So sollst du wohl danach fragen. Obwohl solche Mäßigung nur für den vorliegenden Fall empfohlen wird, muss sie doch immer im gerichtlichen Verfahren herrschen, damit niemals einen Unschuldigen eine zu harte Strafe treffe. Anderseits müssen wir aber auch merken, was ich schon sagte, dass die Richter nicht bloß vor hastigem Zufahren gewarnt, sondern auch ermahnt werden, nicht Dinge in nachlässiger Bequemlichkeit gehen zu lassen, nach denen zu fragen sich wohl lohnt. Es ist Pflichtvergessenheit, wenn sie gar zu nachgiebig sind und sich Dinge entgehen lassen, die man bei genauerer Untersuchung recht wohl hätte erfahren können. Es ist unerlaubt, selbst verkehrte Gerüchte ohne weiteres bei Seite zu schieben: man soll vielmehr genau nachforschen, damit kein Verbrechen ungesühnt bleibe. Das gleiche gilt bezüglich der Zeugen: wäre es auch gewiss unbillig, auf das Zeugnis eines einzigen Menschen hin ein Urteil zu fällen, so würde man doch überhaupt zu keinem Ziel kommen, wollte man sich bei zwei oder drei Zeugen nicht beruhigen. Genaueres darüber, wie man die auf beiden Seiten drohenden Gefahren hierin zu meiden hat, werden wir beim sechsten und neunten Gebot hören.
V. 7. Die Hand des Zeugen soll die erste sein usw. Diese Vorschrift, dass die Todesstrafe durch die Leute vollzogen werden soll, auf deren Aussage hin die Verurteilung erfolgte, hat ihren guten Grund. Wenn es im alttestamentlichen Volke keinen Henker gab, so konnte der Strafvollzug dadurch nur an religiöser Weihe, Mäßigung und Würde gewinnen. Die Zeugen aber sollten das Urteil vollstrecken, weil mancher eine gar zu leicht ausgleitende Zunge hat, mit der er unbedenklich Menschen totschlägt, die er, wenn es Ernst wird, mit keinem Finger anzurühren wagen würde. Man beugte also am Besten dem Leichtsinn vor, wenn man von niemandem ein Zeugnis annahm, dessen Hand nicht auch zur Vollstreckung des Urteils bereit war. Gewiss ist die Steinigung eine traurige und schreckliche Todesstrafe, aber wahrscheinlich hat sie Gott eben darum angeordnet, weil mehrere Hände von Zeugen in Bewegung gesetzt werden sollten. Dass daneben die Strafe durch Erhängen vorkam, ergibt sich aus der Bestimmung (5. Mose 21, 23), dass ein Leichnam nicht über Nacht an dem Holz bleiben sollte. Es mögen auch noch andere Vollstreckungsarten geläufig gewesen sein: aber wenn durch den Tod des Sünders gleichsam wie durch eine Sühne das Land wieder gereinigt werden sollte, galt die Bestimmung, dass das ganze Volk ihn zu steinigen hatte: hätte einer nach dem andern die Hand zur Steinigung aufgehoben, so wäre solch langsamer Tod noch viel grausamer gewesen. Wenn das ganze Volk geheißen ward, einmütig und zugleich die Steine zu werfen, so sollte es zudem ein Zeichen seines Eifers geben und zeigen, dass es gegen eine Verletzung des reinen Gottesdienstes nicht gleichgültig war.
Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift in deutscher Übersetzung.
2. Band.
2. – 5. Buch Mose.
1. Hälfte.
Verlag der Buchhandlung des Erziehungsvereins; Neukirchen; Kreis Moers.
(Die Auslegung der zehn Gebote wurde übersetzt von Prof. K. Müller in Erlangen.)