1 Darnach schied Paulus von Athen und kam gen Korinth; 2 und fand einen Juden mit Namen Aquila, der Geburt aus Pontus, welcher war neulich aus Welschland gekommen samt seinem Weibe Priscilla (darum, dass der Kaiser Klaudius geboten hatte allen Juden, zu weichen aus Rom). 3 Zu denselbigen ging er ein, und dieweil er gleiches Handwerks war, blieb er bei ihnen und arbeitete; sie waren aber des Handwerks Zeltmacher. 4 Und er lehrte in der Schule auf alle Sabbate und beredete beide, Juden und Griechen. 5 Da aber Silas und Timotheus aus Mazedonien kamen, drang Paulus der Geist, zu bezeugen den Juden Jesum, dass er der Christ sei.
V. 1. Dieser Geschichte ist schon darum denkwürdig, weil sie die Anfänge der korinthischen Gemeinde umfasst, die sowohl wegen ihrer Volkszahl als auch durch die besonderen Gaben hervorragte, mit denen sie geschmückt war, die aber anderseits an groben und schmählichen Lastern litt. Des Weiteren schildert Lukas hier, mit welcher Arbeit, unter welchen Gefahren und Schwierigkeiten Paulus diese Gemeinde für Christus gewann. Es ist hinreichend bekannt, dass Korinth eine volkreiche Stadt war, reich durch ihren Handel und darum allerlei Üppigkeit ergeben. Auf ihr kostspieliges und luxuriöses Leben deutet das alte Sprichwort: Nach Korinth zu gehen kann nicht jeder sich leisten. Wenn nun Paulus diese Stadt betritt, kann er dann wirklich irgendeine Hoffnung fassen? Er ist ein unbekanntes Menschlein und kann nichts von Beredsamkeit oder Glanz, Reichtum oder Macht aufweisen. Dass jener ungeheure Strudel nicht seine Zuversicht und seinen Eifer für die Verbreitung des Evangeliums verschlingt, lässt auf ein wunderbar kräftiges Wirken des göttlichen Geistes in ihm schließen. Darum rühmt er mit gutem Grunde, dass die Korinther das Siegel seines Apostelamts seien (1. Kor. 9, 2). Denn wer nicht erkennt, dass in einem so niedrigen und verächtlichen Auftreten Gottes Herrlichkeit nur umso heller strahlte, ist zwiefach blind. Paulus selbst gab ein unzweideutiges Zeugnis unbesiegter Tapferkeit, indem er, von jedermann verspottet und vor den stolzen Leuten verächtlich, doch in Gottes Schutz ausruhte. Doch es lohnt sich, die einzelnen Umstände nach der Erzählung des Lukas zu verfolgen.
V. 2. Und fand einen Juden mit Namen Aquila. Es war eine nicht geringe Anfechtung, dass Paulus niemand in Korinth fand, der ihn gastfreundlich aufnahm, als den zweimal aus seiner Heimat gewichenen Aquila. Denn er, der aus Pontus stammte, verließ sein Vaterland und führ über das Meer, um in Rom Wohnsitz zu nehmen; von dort wurde er wiederum durch den Erlass des Kaisers Klaudius vertrieben. In der großen, reichen, wohl gelegenen Stadt, in der so viele Juden lebten, konnte Paulus keinen besseren Gastfreund finden als einen Menschen, der erst aus seinem Vaterlande, dann auch von fremdem Boden hatte weichen müssen. Vergleichen wir mit diesem verächtlichen Eingang die ungeheure Frucht, die alsbald aus seiner Predigt erwuchs, so wird uns die Macht des Geistes Gottes in besonders helles Licht rücken. Hier kann man auch sehen, wie der Herr durch seinen einzigartigen Rat zu seiner Verherrlichung und zum Heil der Frommen wendete, was dem Fleisch hinderlich und unglücklich dünkt. Nach fleischlichem Gefühl ist nichts elender als Fremdlingschaft. Und doch war es für Aquila weit schöner, ein Genosse des Paulus zu werden, als wenn er in Rom oder in seiner Heimat die höchsten Ehrenstellen hätte bekleiden dürfen. Dieses glückliche Unglück des Aquila erinnert uns also, dass der Herr oft besser für uns sorgt, wenn er uns etwas hart schlägt, als wenn er uns mit äußerster Nachsicht behandelte; wenn er uns durch harte und fremde Wege führt, will er uns zur himmlischen Ruhe leiten.
Darum, dass der Kaiser Klaudius geboten hatte allen Juden, zu weichen aus Rom. Jenes Volk befand sich damals in sehr trüber Lage, so dass man sich wundern muss, wenn nicht beinahe alle von der Verehrung Gottes abließen. Noch wunderbarer ist, dass wider das tyrannische Walten des Kaisers die Religion, in der sie erzogen waren, sich noch weiter ausbreitete; als aber Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, aufging, haben sich doch nur wenige zu ihm bekehrt. Indessen zweifle ich nicht, dass der Herr die Juden absichtlich durch mancherlei Beschwerden hin und her werfen ließ, damit sie freudiger, ja begieriger die Gnadengabe der angebotenen Erlösung aufnehmen möchten. Wie es aber zu gehen pflegt, wurden die meisten in ihren Leiden nur stumpf; wenige, wie Aquila und sein Weib, zeigten sich unter den Schlägen Gottes gelehrig.
V. 3. Dieweil er gleiches Handwerks war. Diese Stelle zeigt, dass Paulus, ehe er nach Korinth kam, schon gewohnt war, mit seinen Händen zu arbeiten, und zwar nicht zum Vergnügen, sondern um durch die Handarbeit seinen Lebensunterhalt zu erwerben. Wo er das Handwerk zuerst gelernt hat, wissen wir nicht; dass er aber namentlich zu Korinth arbeitete, geht aus seinem eigenen Zeugnis deutlich hervor. Er gibt auch den Grund an: die falschen Apostel gaben ihre Lehre umsonst, um sich auf diese Weise schlau einzuschmeicheln; ihnen wollte also der heilige Mann in diesem Stück nicht nachstehen, um das Evangelium Christi nicht einem Vorwurf auszusetzen (1. Kor. 9, 12. 15). Übrigens lässt sich aus unserer Stelle schließen, dass er an jedem Ort, an den er kam, neben der eifrigen Beschäftigung mit dem Dienst der Lehre sein Handwerk betrieb, um den Lebensunterhalt zu beschaffen. Wenn Chrysostomus1) die Überlieferung mitteilt, Paulus sei ein Lederarbeiter gewesen, so streitet dies mit der Angabe des Lukas nicht; denn die Zelte pflegten damals aus Häuten gefertigt zu werden.
V. 4. Und er lehrte in der Schule usw. Zwei Stücke berichtet hier Lukas in deutlicher Unterscheidung, einmal, dass Paulus bei den Juden lehrte, zum andern (V. 5), dass er nach der Ankunft des Silas und Timotheus anfing, noch unverhüllter von Christus zu zeugen. Freilich wird man glauben müssen, dass er schon im ersten Anfang von Christus redete, weil er ja das Hauptstück der himmlischen Lehre nicht übergehen konnte. Das hindert aber nicht, dass er sich einer verschiedenen Lehrweise bediente. Dass er die Leute beredete, verstehe ich nämlich dahin, dass er sie sanft überredete und zu allmählichem Verständnis anleitete. Wie mich dünkt, will Lukas sagen, dass Paulus im Gegensatz zu der oberflächlichen und ungesalzenen Behandlung des Gesetzes bei den Juden von der verderbten und zerrütteten Menschennatur, von der Notwendigkeit der Gnade, von dem verheißenen Erlöser und dem Heilsweg gesprochen habe, um sie aufzuwecken, denn das ist die rechte und passende Vorbereitung auf Christus. Wenn wir dann aber lesen; es drang Paulus der Geist, zu bezeugen Jesus, dass er der Christ sei, so ist die Meinung, dass er einen heftigeren Trieb verspürte, frei und unverhüllt von Christus zu reden. Wir sehen also, dass Paulus nicht alles zugleich und in demselben Augenblick vortrug, sondern seine Lehrweise der Gelegenheit anpasste. Auch heute ist es nützlich, maß zu halten; treue Lehre müssen klüglich erwägen, womit sie den Anfang machen sollen, damit nicht ein verkehrtes und ungeordnetes Verfahren den Fortschritt der Lehre hemme. Obwohl übrigens Paulus vollkommen hinreichenden Eifer besaß, ist es doch nicht ungereimt, dass er noch mutiger wurde, als ihm Hilfe kam, - nicht als ob ihn die Scham oder das Vertrauen auf seine Genossen erst in Bewegung gebracht hätte, sondern weil er sich sagte, dass ihm diese Unterstützung gleichsam vom Himmel gesandt sei. Dass ihn der Geist drang, will übrigens nicht von einem gewaltsamen und fanatisch-äußerlichem Antrieb verstanden werden, sondern von dem gewöhnlichen Einfluss des Geistes Gottes, der in Paulus lebendig war; eine neue Glut kam über ihn, eine neue Kraft Gottes trieb ihn, und doch folgte er der Leitung des Geistes aus freien Stücken. Dass Paulus bezeugte, Jesus sei der Christ, verstehe ich folgendermaßen: nachdem er die Juden über das Amt des Erlösers hinreichend unterwiesen hatte, bewährte er nun mit Zeugnissen der Schrift, dass Jesus der erhoffte Messias sei, da auf ihn alles das zutraf, was Gesetz und Propheten dem Messias zuschreiben.
6Da sie aber widerstrebten und lästerten, schüttelte er die Kleider aus und sprach zu ihnen: Euer Blut sei über euer Haupt; rein gehe ich von nun an zu den Heiden. 7Und machte sich von dannen und kam in ein Haus eines mit Namen Just, der gottesfürchtig war; desselbigen Haus war zunächst an der Schule. 8Krispus aber, der Oberste der Schule, glaubte an den Herrn mit seinem ganzen Hause; und viel Korinther, die zuhörten, wurden gläubig und ließen sich taufen. 9Es sprach aber der Herr durch ein Gesicht in der Nacht zu Paulus: Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht; 10denn ich bin mit dir, und niemand soll sich unterstehen, dir zu schaden; denn ich habe ein groß Volk in dieser Stadt. 11Er saß aber daselbst ein Jahr und sechs Monate und lehrte sie das Wort Gottes.
V. 6. Da sie aber widerstrebten usw. Die Juden ließen sich den Paulus solange gefallen, bis er zur klaren Verkündigung Christi fortschritt. Dann aber brach die Wut aus, und es ist bemerkenswert, dass sie nicht bloß widerstrebten, sondern sogar lästerten. So pflegt es ja zu gehen, dass die Menschen, wenn sie sich den Zügel schießen lassen, stufenweise vom Teufel zu größerer Raserei entflammt werden. Umso peinlicher müssen wir uns hüten, dass nicht eine böse Laune uns zum Kampf wider die Wahrheit reize. Insbesondere soll uns das schreckliche Gericht erschüttern, dessen Blitze der heilige Geist durch den Mund des Paulus wider alle Aufrührer schleudert. Wenn der Apostel zum Zeichen des Abscheus (vgl. zu 13, 51) den Staub aus seinem Gewande schüttelt, so war dies nicht eine menschliche und persönliche Entrüstung, sondern ein Eifer, den Gott in seinem Herzen entzündet hatte. Gott hatte ihn zum Herold seiner Rache bestellt, um die Feinde wissen zu lassen, dass ihnen die Verachtung des Wortes nicht ungestraft hingehen werde. Alles in allem: durch die Verwerfung seines Wortes beleidigt man Gott schwerer als durch irgendwelches Verbrechen. Sicherlich ist für Menschen, welche das einzige Heilmittel für alle ihre Übel mit Füßen treten und weit von sich stoßen, gar nichts mehr zu hoffen. Wie nun dem Herrn die Auflehnung gegen sein Wort unerträglich ist, so muss sie auch uns zur tiefsten Entrüstung bringen. Davon spreche ich, dass die Gottlosen mit bewusster Absicht den Kampf mit Gott aufnehmen und sich zum Widerstand wappnen: dann müssen wir gleichsam die himmlische Posaune vernehmen, die uns zum Streit ruft; denn nichts ist schändlicher, als wenn wir ruhig zusehen, dass gottlose Leute den Herrn offen beleidigen und bis zum Schmähen und Lästern vorgehen.
Euer Blut sei über euer Haupt. Paulus verkündet ihnen Gottes Rache, weil sie keine Entschuldigung mehr haben; denn nicht das winzigste Teilchen der Schuld können sie mehr abschieben, nachdem sie Gottes Einladung verwarfen und dadurch das Licht des Lebens auszulöschen unternahmen. Paulus behauptet demgemäß, dass sie mit der Schuld auch die Strafe werden tragen müssen. Wenn er selbst rein ist, hat er seine Pflicht getan. Es ist ja bekannt, was der Herr bei Hesekiel (3, 18) seinen Dienern zuruft: Wenn ihr dem Gottlosen nicht ankündigt, dass er sich bekehren soll, werde ich sein Blut von eurer Hand fordern. Weil es also nicht an ihm lag, wenn die Juden sich nicht bekehrten, erklärt Paulus sich mit gutem Gewissen frei von aller Schuld. Diese Worte enthalten eine Mahnung an die Lehrer: wollen sie nicht vor Gott eine Blutschuld auf sich laden, so müssen sie alle Kraft anstrengen, die Irrenden auf den rechten Weg zurückzuführen und niemand durch Unwissenheit verloren gehen zu lassen.
Dass Paulus von nun an zu den Heiden geht, will nicht besagen, dass er sich um sie nicht bemüht haben würde, wenn die Juden empfänglich gewesen wären: war er doch den Heiden als Apostel verordnet. Er spricht hier aber von einem Wechsel seiner Arbeit, durch welchen er sich den widerspenstigen Juden gänzlich entziehen wollte. War es doch sein Missionsverfahren, dass er mit den Juden den Anfang machte und mit ihnen die Heiden zur Gemeinschaft des Glaubens verband, also unterschiedslos aus beiden den einen Leib der Gemeinde bildete; schwand nun bei den Juden die Hoffnung auf Erfolg, so blieben allein die Heiden. Paulus wollte also mit seinem Wort die Juden erschrecken und vielleicht zur Besinnung rufen: konnte sie doch die Eifersucht gegenüber den Heiden zur Buße reizen. Bei ihrer Unheilbarkeit aber stürzte ihre Schande sie nur in Verzweiflung.
V. 7. Und machte sich von dannen. Seine Wohnung bei Priscilla und Aquila gab Paulus nicht etwa auf, weil er der Gemeinschaft mit ihnen überdrüssig gewesen wäre, sondern weil er sich näher an die Heiden heranmachen wollte. Denn der Mann mit Namen Just, von welchem Lukas spricht, wird viel eher ein Heide als ein Jude gewesen sein. Dagegen spricht nicht, dass sein Haus an die Synagoge grenzte; denn die Juden wohnten zerstreut, und es war ihnen nicht ein bestimmter Stadtteil angewiesen. Auch dass Just als „gottesfürchtig“ bezeichnet wird, spricht für seine heidnische Abkunft: so nannte man ja diejenigen Heiden, die sich von dem allgemeinen Götzendienst entfernten und zu der wahren Gottesverehrung näher heranmachten. Auch die Korinther, die Lukas dann nennt, stammten, wie ich glaube, aus den Heiden. Damit wir aber nicht glauben möchten, dass die Arbeit des Paulus bei den Juden ganz fruchtlos gewesen sei, verzeichnet Lukas auch zwei Gläubige aus ihrer Mitte (V. 8. 17), den Krispus und Sosthenes (vgl. 1. Kor. 1, 1. 14). Da sie beide als Oberste der Schule bezeichnet werden, lässt sich ersehen, dass es nicht bloß einen, sondern mehrere Synagogenvorsteher gab.
V. 9. Es sprach aber der Herr zu Paulus usw. Die Frucht seiner Arbeit konnte den Apostel schon zu beständigem Fortschritt ermutigen, da er täglich einige Leute für Christus gewann. Zu dieser Stärkung kommt nun noch der himmlische Zuspruch. Aus demselben schließen wir, dass ihm ein großer Kampf oblag und er in mancherlei Weise heftig umgetrieben wurde. Denn der Herr spricht nicht ins Ungefähre, und für Paulus waren Gesichte keine alltägliche Sache. Vielmehr bedient sich der Herr diese Heilmittels, wenn es nötig ist. Und der Tatbestand zeigt, dass auf dem heiligen Mann eine ungeheure Last von Geschäften lag, unter der er nicht nur schwitzte, sondern ohne eine neue Hilfe und Erquickung sich beinahe hätte aufreiben müssen. Mit gutem Grunde spricht Paulus davon (1. Kor. 2, 3), dass sein Auftreten in Korinth verächtlich war und er in Furcht und Zittern sich dort aufhielt. So wird man annehmen müssen, dass das wunderbar kräftige Wirken des Geistes, welches dem Apostel schon früher zuteil ward, durch den Zuspruch eine neue Stärkung erfuhr. Zwischen einem Gesicht und einem Traum unterscheidet die Schrift (vgl. auch 4. Mos. 12, 6): bei dem Gesicht fand eine Entrückung statt, bei welcher dem Paulus eine bestimmte Erscheinung gegeben ward, aus welcher er Gottes Gegenwart erkannte. Ohne Zweifel machte sich Gott an irgendeinem Zeichen kenntlich.
Fürchte dich nicht. Dieser Zuruf, der bei einer ruhigen und heiteren Lage überflüssig wäre, zeigt, dass Paulus Grund zur Furcht hatte. Der Herr will einen Diener haben, der treulich und wacker seine Pflicht tut; so hebt er damit an, ihn vor Furcht zu warnen. Daraus schließen wir, dass eine reine und freimütige Verkündigung des Evangeliums durch nichts mehr behindert wird als durch die Engigkeit eines furchtsamen Geistes. Die Erfahrung zeigt, dass ein Mensch, dem dieser Fehler im Weg steht, kein treuer und beherzter Diener des Wortes wird. Zum Lehren recht geschickt ist nur, wer die Gabe hat, mit tapferem Geist sich über jede Gefahr zu stellen. Darum schreibt Paulus (2. Tim. 1, 7), dass den Verkündigern des Evangeliums nicht ein Geist der Furcht gegeben ward, sondern der Kraft und der Liebe und der Zucht. Bemerkenswert ist auch die Verbindung: Fürchte dich nicht, sondern rede! Diese Zusammenstellung will besagen: Lass dich nicht durch Furcht am Reden hindern! Übrigens macht uns die Furcht nicht völlig sprachlos, sondern hält uns nur gebunden, so dass wir nicht lauter und freimütig sagen, was nötig ist. Darum rührt Christus in Kürze beides an: Rede und schweige nicht, d. h. rede nicht mit nur halbgeöffnetem Munde! Diese Worte geben den Dienern am Wort die allgemeine Regel, dass sie schlicht, ohne Umschweife und Verhüllungen alles darlegen sollen, was der Herr seine Gemeinde wissen lassen will. Sie sollen nichts unterschlagen, was zu gottgemäßer Erbauung und zum Fortschritt dient.
V. 10. Denn ich bin mit dir. Der erste Grund, weshalb Paulus die Furcht niederkämpfen und sicher und ohne Zagen sein Amt ausrichten soll, ist, dass Gott ihm zur Seite steht. Damit stimmt Davids Rühmen zusammen (Ps. 23, 4; 27, 3): „Ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir.“ – „Wenn sich Krieg wider mich erhebt, so verlasse ich mich auf ihn.“ Man fragt, ob der Apostel nicht auch anderwärts Gottes Gegenwart würde gespürt haben, wie er denn an den verschiedensten Orten seine Hilfe schon oft erfahren durfte. Lautet doch die Verheißung allgemein und für immer (Mt. 28, 20): „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Wenn wir nur gehorsam in unserem Beruf stehen, dürfen wir doch vertrauen, dass Gott immer bei uns sein wird. Indessen pflegt der Herr, wenn die Sachlage es fordert, auf den bestimmten Fall anzuwenden, was er in allen Nöten zu tun versprochen hat. Und wir wissen, dass die gerade gegenwärtig erwünschte Hilfe uns besonders tief ergreift, wenn es eben darauf ankommt. Zudem gilt es, auf die innere Zusammengehörigkeit der beiden Sätze zu achten: Ich bin mit dir, und niemand soll dir schaden. Denn zuweilen kommt es vor, dass Gott uns zwar hilft, uns aber scheinbar zugrunde gehen lässt, wie er den Paulus selbst im Tode nicht verließ. Hier aber verheißt er einen besondern Schutz seiner Hand, welcher den Ansturm der Feinde ablenken soll. Doch fragt sich, ob dem Apostel, der ja bereit sein musste, alle Gefahren auf sich zu nehmen, eine solche Stärkung nötig war. Wenn er hätte sterben müssen, hätte er doch auch nicht der Furcht unterliegen dürfen. Ich antworte: wenn der Herr zuweilen seinen Knechten verkündet, dass sie für eine bestimmte Zeit unangetastet und unversehrt bleiben sollen, so darf sie dies durchaus nicht hindern, sich zu tapferer Todesbereitschaft zu rüsten. Wir unterscheiden aber zwischen dem, was nützlich, und dem, was notwendig ist. Dementsprechend gibt es Verheißungen, ohne welche die Gläubigen gänzlich zusammenbrechen müssten; andere aber werden hinzugefügt, wenn es nützlich ist, - wenn diese fehlen sollten, bricht der Glaube der Frommen doch nicht zusammen, weil Gottes Gnade noch immer feststeht. In dieser Weise wird dem Paulus hier zugerufen, er solle ruhig sein, weil die Feinde ihn nicht antasten werden. Hätten sie ihn damals gewaltsam unterdrückt, so hätte er doch nicht einer zitternden Furcht nachgegeben. Aber auch dies sollte ihm den Mut und die Zuversicht nach Gottes Willen mehren, dass er außer Gefahr bleiben werde. Wenn uns der Herr zuweilen mit solcher besonderen Freundlichkeit behandelt, wollen wir diesen Trost für unsere Schwachheit nicht gering achten. Um indessen jede sündhafte Furcht des Fleisches niederzutreten, muss uns dies eine genügen, dass der Herr uns nicht verlassen kann, solange wir unter ihm dienen. Dass niemand sich unterstehen soll, dem Paulus zu schaden, hat übrigens nicht die Meinung, dass er, den ja die Juden alsbald aufs heftigste angriffen, von jeder Gewaltsamkeit und Unruhe verschont bleiben werde. Der Sinn ist vielmehr, dass ihre Anschläge vergeblich sein sollen, weil Gott beschlossen hatte, ihn aus ihren Händen zu retten. Wollen wir also den Sieg gewinnen, so müssen wir wacker kämpfen.
Denn ich habe ein groß Volk in dieser Stadt. Dies ist der zweite Grund zur Stütze der Zuversicht; wenn Gott durch die Mühe und Arbeit des Paulus eine große Gemeinde sammeln will, wird er ja durchaus nicht zulassen, dass Feinde dieser Arbeit ein vorzeitiges Ende setzen. Es ist, als riefe Gott ihm zu: Ich will dir beistehen, damit du meinem Volke, dem ich dich zum Diener bestimmt habe, nicht fehlest. Als sein Volk bezeichnet der Herr Menschen, die augenblicklich ihn noch fern zu stehen schienen; weil sie aber im Buch des Lebens geschrieben standen und alsbald in seine Familie aufgenommen werden sollten, empfangen sie mit Recht diesen Titel. Wissen wir doch, dass viele Schafe zurzeit noch außerhalb der Herde herumstreifen, wie anderseits, dass unter die Schafe viele Wölfe gemischt sind. Diejenigen also, welche der Herr alsbald zu seinem Eigentum nehmen will, erkennt er in Rücksicht auf ihren künftigen Glauben schon als Glieder seines Volkes an. Wir wollen uns aber gegenwärtig halten, dass in Christi Leib diejenigen eingepflanzt werden, die nach Gottes ewiger Annahme zur Kindschaft zu demselben gehören, wie geschrieben steht (Joh. 17, 6): „Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben.“
V. 11. Er saß daselbst ein Jahr und sechs Monate. Von keinem andern Ort lesen wir, dass Paulus aus freien Stücken seinen Aufenthalt so lange ausgedehnt habe. Und doch lassen seine beiden nach Korinth gerichteten Briefe ersehen, dass er dort nicht nur zahllose Belästigungen aushalten, sondern infolge des Stolzes und der Undankbarkeit des Volks viel Unwürdiges erdulden musste. So sehen wir, wie es kein Stück des Kriegsdienstes gab, in welchem ihn der Herr nicht wunderbar geübt hätte. Wir können auch abnehmen, wie schwierig und arbeitsreich das Aufbauen der Kirche ist, wenn ein so vortrefflicher Baumeister diese erhebliche Zeit brauchte, um nur den Grund einer einzigen Gemeinde zu legen. Und er rühmt sich noch nicht einmal, dass er das Werk vollendet habe, sondern deutet auf andere, welche der Herr zu seinem Ersatz geschickt hatte und die nun auf dem von ihm gelegten Grund weiterbauten (1. Kor. 3, 6): „Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen.“
12Da aber Gallion Landvogt war in Achaja, empöreten sich die Juden einmütiglich wider Paulus und führeten ihn vor den Richtstuhl 13und sprachen: Dieser überredet die Leute, Gott zu dienen dem Gesetze zuwider. 14Da aber Paulus wollte den Mund auftun, sprach Gallion zu den Juden: Wenn es ein Frevel oder Schalkheit wäre, lieben Juden, so hörte ich euch billig; 15weil es aber eine Frage ist von der Lehre und von den Worten und von dem Gesetz unter euch, so sehet ihr selber zu; ich gedenke darüber nicht Richter zu sein. 16Und trieb sie von dem Richterstuhl. 17Da ergriffen alle Griechen Sosthenes, den Obersten der Schule, und schlugen ihn vor dem Richtstuhl; und Gallion nahm sich´s nicht an.
V. 12. Da aber Gallion Landvogt war. Entweder hat der Wechsel des Prokonsuls den Juden Mut gemacht, frecher und anmaßender aufzutreten, wie ja ruchlose und unverschämte Menschen solche Neuerung zu aufrührerischem Treiben zu missbrauchen pflegen, - oder sie glaubten darauf vertrauen zu dürfen, dass Gallion ein ihnen geneigter Richter sein werde, und brachen daraufhin plötzlich die Ruhe und Stille eines ganzen Jahres. Ihre Anklage fasst sich dahin zusammen, dass Paulus (V. 13) dem Gesetze zuwider einen verkehrten Gottesdienst einzuführen strebe. Da aber der Apostel niemals im Sinne hatte, dem Gesetz etwas zuzufügen oder abzuziehen, ist dies ein ungerechter Vorwurf. Wir sehen daraus, dass die Gläubigen fälschlicher Nachrede nicht entgehen können, wie gerecht und schuldlos sie sich auch verhalten, bis sie Gelegenheit empfangen, sich zu rechtfertigen. Aber Paulus wurde nicht nur von seinen Gegnern unwürdig und lügenhaft durchgehechelt, sondern der Prokonsul schnitt ihm auch das Wort ab, als er deren unverschämte Behauptungen und falsche Anklagen widerlegen wollte. So sah er sich genötigt, ohne jede Verteidigung vom Gericht zu gehen. Über die Sache zu erkennen, weigert sich übrigens Gallion nicht aus Hass gegen Paulus, sondern weil es nicht zur Befugnis des obersten Provinzbeamten gehörte, über die Religion seines Verwaltungsbezirks Recht zu sprechen. Die Römer waren nicht imstande, den ihnen unterworfenen Völkern ihre eigenen Gottesdienstformen aufzuzwingen. Um nun nicht den Schein zu erwecken, als billigten sie, was sie dulden mussten, verboten sie ihren Beamten, sich mit diesen Dingen in der Rechtsprechung zu befassen. Wir sehen daraus, was sich für die Ordnung eines jeden Staatswesens ergibt, wenn man von wahrer Frömmigkeit nichts weiß. Zu dem Grundsatz bekennt sich jedermann, dass die Religion in Betrieb und Blüte stehen soll. Wo man nun den wahren Gott kennt und eine bestimmte Regel für seine Verehrung besitzt, ist die höchste Rechtsnorm nichts anderes, als was Gott in seinem Gesetz vorschreibt; die Inhaber der Staatsgewalt sollen also den dawider streitenden Aberglauben ausrotten und die reine Verehrung des wahren Gottes einrichten. Die Römer aber hielten sich an ihre religiösen Gebräuche nur kraft hochmütiger Verachtung aller andern und hartnäckigen Sinnes, ohne eine Gewissheit zu besitzen. Wo man aber keine Wahrheit hatte, betrachtete man es als die beste Auskunft, den Provinzbewohnern Freiheit der Lebensweise zu lassen. Und doch ist nichts ungereimter, als die Verehrung Gottes menschlicher Willkür zu überlassen. Mit gutem Grunde hat darum Gott durch Mose verordnet (5. Mos. 17, 18), dass der König sich ein eigenes Exemplar des Gesetzes solle abschreiben lassen; daraus solle er rechtschaffen lernen und seines Glaubens gewiss werden, damit er nun mit desto größerer Zuversicht schützen könne, was er mit Sicherheit als recht erkannt hatte.
V. 15. Eine Frage von der Lehre und von Worten usw. In übel gehäuften Ausdrücken redet Gallion verächtlich vom göttlichen Gesetz, als bestände die jüdische Religion nur aus Worten und überflüssigen Fragen. In der Tat ist kein Zweifel, dass in diesem zanksüchtigen Geschlecht viele sich und andere mit überflüssigen Spitzfindigkeiten narrten. Solche Vorwürfe erhebt ja auch Paulus mehrfach, namentlich im Brief an Titus (1, 14; 3, 9). Dennoch darf man den Gallion nicht entschuldigen, der mit seinem Spott über ihren Vorwitz auch Gottes heiliges Gesetz trifft. Gewiss musste gehaltloser Wortstreit abgeschnitten werden; wo es sich aber um die Verehrung Gottes handelt, soll man wissen, dass hier nicht um Worte gestritten, sondern die denkbar ernsteste Sache erörtert wird.
V. 17. Da ergriffen alle Griechen Sosthenes. Das ist der Sosthenes, den Paulus im Eingang des ersten Korintherbriefs als seinen Genossen ehrend nennt. Begegneten wir seinem Namen auch bis dahin nicht unter den Gläubigen, so ist doch wahrscheinlich, dass er einer von den Begleitern und Gehilfen des Paulus war. Die Griechen hatten nun kaum einen andern Grund, gerade ihn wütend anzugreifen, als dass es überhaupt den Kindern Gottes verordnet ist, die Feindschaft der Welt zu erfahren, auch wo man ihre Sache gar nicht untersucht hat. Warum aber kehren die Griechen ihren Zorn lieber gegen einen bescheidenen Mann wie Sosthenes als gegen die Anstifter des Aufruhrs, welche den Paulus ohne Grund belästigen? Wo sich Menschen nicht durch Gottes Geist regieren lassen, treibt sie eben ein geheimer Instinkt ihrer Natur zum Bösen. Möglicherweise kam aber die Feindschaft gegen Sosthenes daher, dass man glaubte, er habe bösen Leuten Gastfreundschaft gewährt, um einen Aufruhr zu erregen.
Und Gallion nahm sich´s nicht an. Diese Nachlässigkeit des Prokonsuls entspringt weniger der Trägheit als dem Hass gegen die jüdische Religion. Die Römer hätten am liebsten jeden Gedanken an den wahren Gott begraben gesehen. Bei der allgemeinen Duldung jeglichen Aberglaubens war lediglich die wahre Religion ausgenommen. So kam es, dass Gallion nichts merken wollte, als man dem Sosthenes unrecht tat. Wenn aber der heilige Geist durch den Mund des Lukas die Gleichgültigkeit des Gallion verurteilt, der einen vor seinem Richterstuhl zu Unrecht geschlagenen Menschen nicht schützt, so sollen unsere Obrigkeiten wissen, dass sie noch viel weniger entschuldbar sind, wenn sie Unrecht und Missetaten gehen lassen, die Frechheit der Bösen nicht eindämmen und Unterdrückten nicht die Hand bieten. Wenn schon für eine träge und lässige Obrigkeit das gerechte Gericht bereitsteht, welch schreckliche Strafe wird erst den untreuen und böswilligen Beamten drohen, die faule Sachen begünstigen und gegen Verbrechen Nachsicht üben, wodurch sie freche Leute nur ermutigen, Schaden zu tun!
18Paulus aber blieb noch lange daselbst; darnach machte er seinen Abschied mit den Brüdern und wollte nach Syrien schiffen und mit ihm Priscilla und Aquila. Und er schor sein Haupt zu Kenchreä, denn er hatte ein Gelübde. 19Und kam gen Ephesus und ließ sie daselbst; er aber ging in die Schule und redete mit den Juden. 20Sie baten ihn aber, dass er längere Zeit bei ihnen bliebe. Und er verwilligte nicht, 21sondern machte seinen Abschied mit ihnen und sprach: Ich muss allerdinge das künftige Fest zu Jerusalem halten; will´s Gott, so will ich wieder zu euch kommen. Und fuhr weg von Ephesus 22und kam gen Cäsarea und ging hinauf und grüßte die Gemeine und zog hinab gen Antiochien 23und verzog etliche Zeit, und reiste wieder und durchwandelte nacheinander das galatische Land und Phrygien und stärkete alle Jünger.
V. 18. Paulus aber blieb noch lange daselbst. Des Paulus Standhaftigkeit zeigt sich darin, dass er sich durch den Schrecken nicht vertreiben lässt, um die noch unmündigen und schwachen Jünger nicht durch einen plötzlichen und vorzeitigen Abschied zu verwirren. Wir lesen öfter, dass er an andern Orten vor der gegen ihn lodernden Verfolgung alsbald floh; wie kommt es nun, dass er in Korinth standhält? Wenn er sonst sah, dass seine Gegenwart die Feinde zur Wut gegen die ganze Gemeinde reizte, trug er kein Bedenken, durch seinen Weggang den Gläubigen Frieden und Ruhe wiederzugeben. Jetzt aber, da er die Bosheit der Gegner gefesselt sieht, so dass sie der Herde Gottes nicht schaden können, will er sie lieber reizen als durch Weichen einen neuen Anlass zu trotzigem Ausbruch geben. Übrigens war dies die dritte Reise, welche Paulus nach Jerusalem unternahm. Nach seinem Weggang aus Damaskus kam er zum ersten Mal, um den Aposteln bekannt zu werden (Gal. 1, 18); zum zweiten Mal ward er mit Barnabas gesandt, um die Streitfrage über die Zeremonien zu verhandeln. Warum er jetzt die lange und mühsame Reise machte, von der er doch bald zurückzukehren gedachte, berichtet Lukas nicht.
Und er schor sein Haupt. Wahrscheinlich kam er damit den Juden entgegen, zu denen er reiste. Er wusste, dass nur vorübergehende Geltung besaß, was Gott unter dem Gesetz für das alttestamentliche Volk verordnet hatte. Und wir wissen, wie ernstlich er lehrte, dass das Reich Gottes nicht in solchen Äußerlichkeiten bestehe, und wie nachdrücklich er deren Abschaffung betonte. Es wäre ungereimt gewesen, wenn er sein eigenes Gewissen an eine religiöse Scheu gebunden hätte, von welcher er andere frei erklärte. Er schor sich also auf Grund eines Gelübdes, nicht etwa um Gott einen Dienst zu tun, sondern lediglich um den noch unreifen und nicht hinreichend unterwiesenen Juden sich anzupassen, wie er denn bezeugt, dass er freiwillig sich dem Gesetz unterwarf, von dem er doch frei war, um die, so unter dem Gesetz sind, zu gewinnen (1. Kor. 9, 20). Wollte jemand dagegen sagen, Paulus habe nicht zum Schein ein Gelübde auf sich nehmen dürfen, welches ihm nicht von Herzen kam, so liegt die Antwort bereit: bezüglich des Wesens der Reinigung hat er durchaus nichts Heuchlerisches getan, des Gebrauches aber, der bis dahin noch frei war, hat er sich bedient, nicht als ob Gott einen solchen Dienst forderte, sondern um unreifen Leuten einigermaßen entgegenzukommen. Darum machen die Papisten sich lächerlich, wenn sie hier ein Vorbild für ihre Gelübde finden. Denn es ist etwas ganz anderes, veraltete Gebräuche wieder in Gebrauch zu nehmen, als solche, die noch übrig geblieben sind, so lange zu dulden, bis sie allmählich in Abgang kommen.
V. 19. Er aber ging in die Schule. Unsere Stelle zeigt, dass Paulus nicht seinem ganzen Volk, sondern nur offenkundig verstockten Leuten die Gemeinschaft kündigen wollte, als er in Korinth zum Zeichen des Abscheus sein Gewand ausschüttelte. Denn jetzt geht er wiederum zu den Juden auch in Ephesus und will versuchen, ob er bei ihnen mehr Gehör findet. Wenn nun der Bericht des Lukas zeigt, dass man in dieser Synagoge ihm freundlicher zuhörte als jemals anderswo, so müssen wir uns wundern, dass er diesen Bitten nicht willfahrte. Es ergibt sich daraus der sichere Schluss, dass Paulus irgendeinen gewichtigen Grund hatte, schnell nach Jerusalem zu kommen. Auf die Eile, die er hat, deutet auch sein Wort, dass er das bevorstehende Fest zu Jerusalem halten müsse. Es ist auch kein Zweifel, dass er in gutem Frieden und Freundschaft aus Ephesus schied, nachdem er dort alles eifrig geordnet. Der Bericht des Lukas lässt ersehen, dass man seine Entschuldigung annahm und sich durch seine Weigerung nicht beleidigt fühlte. Es lohnt sich hier übrigens zu bemerken, dass Gottes Hand den Apostel zu immer neuen Arbeiten führte, gerade als sich ihm auf seiner Reise eine ungewöhnlich gute Hoffnung öffnete. Wir sollen also lernen, dass wir uns ganz dem Belieben Gottes zu unterstellen haben.
V. 21. Das künftige Fest. Was wir soeben vom Gelübde sagten, gilt auch vom Festtag: Paulus wollte nicht einer Pflicht der Frömmigkeit gegen Gott genügen, sondern eine Zusammenkunft besuchen, bei welcher er mehr Nutzen schaffen konnte als zu andern Zeiten des Jahres. Was er über den Unterschied der Tage dachte, zeigt reichlich klar der Brief an die Galater (4, 10). Bemerkenswert ist auch, dass er sein Versprechen der Wiederkehr nur mit dem beschränkenden Zusatz gibt: will´s Gott. Wir geben gewiss alle zu, dass wir ohne Gottes Leitung nicht einmal einen Finger regen können. Und doch lassen sich die Menschen immer wieder von der Anmaßung beherrschen, dass sie ohne Gott nicht nur für irgendwelche Zukunft, sondern sogar auf viele Jahre hinaus etwas zu beschließen wagen. Darum sollen wir immer auf eine gewissenhafte Nüchternheit bedacht sein und unsere Pläne dem Wink und der Vorsehung Gottes unterstellen lernen. Wir wollen nicht Pläne machen wie Leute, die ihr Schicksal in der Hand zu haben glauben und dann die gerechte Strafe für ihre Anmaßung empfangen. Allerdings liegt an den Worten nicht allzu viel, und wir dürfen wohl einfach sagen, dass wir dieses oder jenes tun wollen. Doch ist es nützlich, sich an Redewendungen zu gewöhnen, die uns daran erinnern, dass Gott alle unsere Schritte leitet.
V. 22. Und kam gen Cäsarea usw. Obwohl Lukas nur mit einem Wort erwähnt, dass Paulus hinauf nach Jerusalem ging und die Gemeine grüßte, hat ihn doch ohne Zweifel irgendein bedeutendes Anliegen dorthin geführt. Immerhin zeigt der Zusammenhang, dass er nicht lange in Jerusalem verweilte, vielleicht weil der Fortgang der Sachen, die er betrieb, seiner Hoffnung und seinem Wunsche nicht entsprach. Sein dann folgender Rückweg war aber nicht müßig und unfruchtbar (V. 23); er stärkete alle Jünger. Es bereitete ihm dies ohne Zweifel nicht geringe Mühe, da er viele Umwege machen musste. Denn eben dies will die Mitteilung besagen, dass er nacheinander mehrere Gebiete durchzog. Dass die Christen als „Jünger“ oder Schüler bezeichnet werden (vgl. zu 9, 36), mag uns daran erinnern, dass sich wahre Frömmigkeit ohne rechte Unterweisung nicht denken lässt. Allerdings besaßen sie auch ihre Pastoren, die sie hätten weiterführen können; aber das Ansehen des Paulus war besonders groß und das Geistesmaß, mit welchem er begabt war, besonders reich, so dass sein Besuch eine besondere Stärkung brachte, zumal er für alle jene Gemeinden zuerst den Grund gelegt hatte.
24Es kam aber gen Ephesus ein Jude mit Namen Apollos, der Geburt von Alexandrien, ein beredter Mann und mächtig in der Schrift. 25Dieser war unterwiesen den Weg des Herrn und redete mit brünstigem Gebet und lehrete mit Fleiß von dem Herrn, wusste aber allein von der Taufe des Johannes. 26Dieser fing an frei zu predigen in der Schule. Da ihn aber Aquila und Priscilla höreten, nahmen sie ihn zu sich und legten ihm den Weg Gottes noch fleißiger aus. 27Da er aber wollte nach Achaja reisen, schrieben die Brüder und vermahneten die Jünger, dass sie ihn aufnähmen. Und als er dahin gekommen war, half er viel denen, die gläubig geworden waren durch die Gnade. 28Denn er überwand die Juden beständiglich und erwies öffentlich durch die Schrift, dass Jesus der Christ sei.
V. 24. Ein Jude mit Namen Apollos. Man muss es auf Rechnung der göttlichen Vorsehung setzen, dass, während Paulus Ephesus zu verlassen genötigt war, an seine Stelle Apollos gesandt ward, der die entstandene Lücke ausfüllen konnte. Von den Anfängen dieses Mannes etwas zu wissen ist auch darum wertvoll, weil er auch in Korinth des Apostels Nachfolger wurde und sich dort so trefflich hielt und so wackere Arbeit leistete, dass Paulus ihn als einen einzigartigen Genossen ehrenvoll nennt (1. Kor. 3, 6; 4, 6). Lukas gibt ihm hier einen doppelten Ehrentitel: er war ein beredter Mann und mächtig in der Schrift. Später redet er noch von seinem Glauben und seiner Beharrlichkeit. Wenn nun auch Paulus einmal mit Recht sagt (1. Kor. 4, 20), dass Gottes Reich nicht in Worten stehe, und wenn er auch selbst eine besonders glänzende Beredsamkeit nicht besaß (2. Kor. 10, 10; 11, 6), ist doch ein Geschick in der Rede, wie es Lukas hier rühmt, nicht zu verachten, besonders wenn der betreffende Lehrer nicht mit Worten prunken will, sondern ohne Ehrsucht und falsche Künste seine Sache eindrücklich zu behandeln sich begnügt. Paulus musste der Beredsamkeit entbehren; der Herr wollte seinem ersten Apostel diese Begabung nicht schenken, damit die Kraft des Geistes bei einer ungelenken und ungeschmückten Redeweise umso heller leuchte. So viel Redegewandtheit besaß er aber, dass er Christi Namen verherrlichen und die Lehre des Heils behaupten konnte. Damit übrigens niemand meine, dass die Beredsamkeit des Apollos unheilig, hohl und fade gewesen sei, stellt Lukas eine größere Tugend daneben: er war mächtig in der Schrift. Das besagt nicht nur, dass er rechtschaffen und gründlich in der Schrift beschlagen war, sondern dass er auch deren Kraft und Wirkung auszunützen wusste und mit dieser Waffe in allen Kämpfen obsiegte. So enthält diese Aussage, wie mich dünkt, weniger das Lob eines Menschen als der heiligen Schrift, die überreiche Kraft besitzt, die Wahrheit durchzusetzen und die Trügereien Satans zu widerlegen.
V. 25. Dieser war unterwiesen den Weg des Herrn. Mit diesem Lob scheint wenig zu stimmen, was Lukas alsbald meldet, dass er allein von der Taufe des Johannes wusste. Indessen wird diese letztere Aussage oben als Einschränkung hinzugefügt. Es fügt sich wohl ineinander, dass Apollos die Lehre des Evangeliums besaß, weil er von dem der Welt geschenkten Erlöser wusste und über die Gnadengabe der Versöhnung gründlich und recht unterwiesen war, - und dass er doch die Grundlinien des Evangeliums nur insoweit kannte, als sie ihm durch die Unterweisung des Johannes dargeboten waren. Stand doch dieser in der Mitte zwischen Christus und den Propheten, wie denn über dieses sein Amt sowohl sein Vater Zacharias in seinem Lobgesang wie auch der Engel nach der Weissagung des Maleachi (3, 1; Lk. 1, 17. 76 ff.) sich geäußert hat. Wenn Johannes dem Herrn Christus die Fackel voraustrug und von seinem Wirken herrlich redete, kann man mit Recht sagen, dass seine Jünger Christus kennen. Weiter ist der Ausdruck bemerkenswert, dass Apollos nur „von der Taufe des Johannes“ wusste. Er lässt ersehen, wie man die Sakramente recht gebraucht. Sie sollen uns nämlich eine ganz bestimmte Erkenntnis näher bringen oder den Glauben bekräftigen, den wir einmal ergriffen haben. Es ist unrecht und eine unfromme Entweihung, sie von der Lehre loszureißen. Sollen die Sakramente recht verwaltet werden, so muss man aus ihnen den Klang der himmlischen Lehre vernehmen können. Denn was ist die Taufe des Johannes? Unter diesem Namen begreift Lukas dessen ganzen Dienst, in welchem an die Taufe nicht bloß eine Lehre gehängt ward, in welchem vielmehr eben diese Lehre die Grundlage und das Hauptstück ist, ohne welches die Gebräuche hohl und tot bleiben müssten.
Und redete mit brünstigem Geist. Jetzt wird Apollos mit einem zweiten Ruhmestitel geschmückt; der heilige Geist gab ihm einen brennenden Eifer, zu lehren. Eine Lehre ohne diesen heiligen Eifer ist entweder ein Schwert in der Hand eines Rasenden, oder sie liegt kalt und nutzlos da oder dient sündhaftem Ehrgeiz. Sehen wir doch, wie manche gelehrte Männer träge und behaglich dasitzen, wie andere, was schlimmer ist, vom Ehrgeiz sich umtreiben lassen, und wieder andere, was das schlimmste ist, die Kirche mit Streit und Händeln verwirren. Ein Lehren, das nicht vom heiligen Eifer getragen wird, bleibt also salzlos. Die vom Geist gewirkte Inbrunst ist nun der Grund, dass Apollos mit Fleiß von dem Herrn lehrte. Wenn ein noch nicht einmal klar und vollkommen im Evangelium unterwiesener Mann so eifrig und freimütig Christus predigte, womit wollen sich dann Leute entschuldigen, denen viel klarer und völliger kund ward was jenem noch verborgen war, die sich aber nicht mit aller Manneskraft für den Fortschritt des Reiches Christi mühen?
V. 26. Da ihn aber Aquila und Priscilla höreten usw. Dass diese beiden freundlich und persönlich einem beredten Manne darbieten, was dieser dann in die Öffentlichkeit bringen soll, lässt ersehen, wie wenig sie an sich selbst denken oder einem andern seine Tüchtigkeit missgönnen. Sie erfreuten sich nicht derselben Gnadengabe wie jener, und in der Versammlung hätten sie vielleicht verächtlich dagestanden. Nun unterstützen sie willig einen Mann, den sie durch Beredsamkeit und Geschicklichkeit im Gebrauch der Schrift besser ausgerüstet sehen; sie selbst wollen schweigen, damit man allein auf ihn höre. Anderseits bewies auch Apollos eine nicht gewöhnliche Bescheidenheit, indem er sich von einem Handwerker und sogar von einer Frau belehren und weiterbilden ließ. Er war mächtig in der Schrift und jenen weit überlegen; sie aber, die man kaum für geeignete Werkzeuge halten konnte, legen doch für den Ausbau des Reiches Christi die letzte Hand an.
V. 27. Da er aber wollte nach Achaja reisen usw. In welcher Absicht Apollos nach Achaja reisen wollte, sagt Lukas nicht ausdrücklich. Sicher lockte ihn aber nicht persönlicher Vorteil, sondern die Aussicht auf eine reichere Frucht für die Ausbreitung des Evangeliums. Und wenn die Brüder in Ephesus denen in Achaja schrieben, dass sie ihn aufnähmen, so denke ich auch nicht an bloße Gastfreundschaft, sondern an die Zulassung zum Lehramt, die sie ihm gewähren sollen. Das ist eine wahrhaft heilige Empfehlung, wenn wir die besten Leute durch unser Zeugnis und unsere Stimme vorzuschieben streben, damit die Gaben, welche der heilige Geist für die Erbauung der Gemeinde den einzelnen gegeben hat, nicht unbenutzt daliegen.
Half er viel denen, die gläubig geworden waren. Dies kann in doppelter Weise verstanden werden: entweder lieh er den weniger gerüsteten Leuten seinen Beistand zur Überwindung hartnäckiger Feinde (vgl. V. 28), da es ja nicht jedermanns Sache war, Waffen zum Kampf gegen alt gediente und nur der Übermacht weichende Streiter bereit zu haben; oder er unterstützte sie in der Richtung, dass ihr Glaube durch den Widerspruch der Feinde nicht ins Wanken kam, was schwachen Leuten nur zu leicht geschieht. Ich meine, dass man beides zugleich wird gelten lassen können. Die Schlussworte „durch die Gnade“ lassen sich entweder auf das Gläubigwerden oder auf die Hilfe beziehen, die Apollos den Brüdern bot. Die erstere Deutung würde keine Schwierigkeit haben. Der Sinn wäre, dass die Gläubigen durch Gottes Gnade zum Glauben erleuchtet wurden. Gott schenkte ihnen nicht nur die Wohltat, sie zum Glauben zu berufen, sondern förderte sie auch weiterhin. Doch scheint die andere Deutung noch besser zu passen, dass Apollos die Gnade, die ihm zuteil geworden war, mit den Brüdern teilte und ihnen dadurch half. „Durch die Gnade“ wird dann soviel bedeuten wie nach dem Maß der empfangenen Gnade.
V. 28. Er überwand die Juden. Hier kann man sehen, worauf die Beschlagenheit des Apollos in der Schrift zielte: es standen ihm starke und wirksame Beweise zur Widerlegung der Feinde zur Verfügung. Es wird auch kurz angegeben, was er durch die Schrift erwies, nämlich, dass Jesus der Christ sei. Es wurde bei den Juden nicht bezweifelt, dass der Messias als Erlöser verheißen war; aber es war nicht leicht, sie zu überzeugen, dass Jesus, der Sohn der Maria, der Messias sei, durch welchen das Heil gebracht ward. Apollos musste also derartig von dem Amt des Messias handeln, dass er nachwies, wie die Zeugnisse der Schrift in dem Sohn der Maria erfüllt seien, so dass man ihn als den Messias zu erkennen vermochte. Darum ist es eine abscheuliche Schmähung gegen Gott, wenn die Papisten vorgeben, die Schrift sei dunkel und zweideutig. Wenn sie daraus den Schluss ziehen, man müsse sich bei der Autorität der Kirche beruhigen, ohne mit den Ketzern auf Grund der Schrift zu disputieren, so wird dieser Traum von Lukas reichlich widerlegt. Die Juden waren doch gewiss die allerhartnäckigsten Leute. Wir brauchen also nicht zu fürchten, dass die Waffen, im Vertrauen auf welche Apollos sie überwand, uns gegen beliebige Ketzer versagen werden. Sie schaffen uns vielmehr den Sieg wider den Teufel, welcher der Fürst aller Irrungen ist.