Nr. 699 (C. R. – 3727)
Die Gattin des Herzogs de Guise, Anne d´ Este, war Renatas Tochter. Am Hof Renatas war de Morel als evangelischer Prediger (vgl. 695). Der Nachbar ist Philibert Emanuel von Savoyen.
Klage über die Tochter der Herzogin.
Madame, es freut mich, durch den Überbringer dieses Briefes Ihnen etwas sicher zukommen lassen zu können; nicht als ob ich eben viel zu schreiben hätte, aber ich will doch meine Pflicht Ihnen gegenüber nicht versäumen, und ich denke auch, meine Briefe sind Ihnen stets willkommen, da Sie so gnädig sind. Könnten sie Ihnen auch noch einigen Nutzen bringen, so wollte ich mich wohl bemühen, Ihnen öfters zu schreiben; aber Sie haben ja, Gott sei Dank, einen Mann in Ihrem Hause, der durchaus imstande ist, Sie zu ermahnen und zu festigen, wenn es nötig ist. Ich habe Ihnen nichts Neues mitzuteilen, was Sie nicht auch sonst schon wüssten, besonders nichts für Sie Erfreuliches, und ich möchte Sie nicht betrüben, obwohl ich mich gezwungen sehe, nicht ohne großes Bedauern mein Herz von einer traurigen Sache zu entlasten, die für alle Kinder Gottes gleich betrübend ist. Sie wissen, Madame, was die Feinde der Wahrheit planen, wie es die Liga des Papstes mit dem König von Spanien, Venedig und den italienischen Fürsten, zu denen auch unser Nachbar gehört, bezeugt. Sie meinen, alles Christentum in der Welt ausrotten zu müssen. Nun wandelt auch Madame de Guise einen Weg, der nur zu ihrem Untergang führen kann, wenn sie so fortfährt. Denn wenn sie es auch nicht bedenkt, so erstrebt sie doch den Untergang der armen französischen Kirchen, deren Schutzherr und Verteidiger Gott sein wird. Ich versichere nochmals, Madame, ich unterließe es gerne, Sie damit zu behelligen; andrerseits wünschte ich aber doch auch, sie ließe sich durch Ihren Einfluss zur Mäßigung ihrer Leidenschaft bewegen, der sie nicht gehorchen kann, wie sie es tut, ohne mit Gott in Konflikt zu geraten. Ich sage Ihnen frei heraus, was jedermann weiß, damit Sie in Ihrer Klugheit auf ein gutes Mittel sinnen, das sie davon abbringt, sich mit denen zu verschwören, die nichts anderes wollen, als die Vernichtung des reinen Glaubens, und sich in Dinge zu mengen, die nur ein schlechtes Ende nehmen können, da sie wider Gott sind.
Indem ich mich, Madame, untertänigst Ihrer Gewogenheit empfehle, bitte ich den Vater im Himmel, Sie in seiner Hut zu halten, Sie zu stärken in seiner Kraft und Sie zunehmen zu lassen in allem Guten und Glücklichen.
Genf [März 1562].