Nr. 678 (C. R. – 3509)

Calvin, Jean - An Pfarrer David Weter in St. Gallen.

Vgl. 624.

Verteidigung Melanchthons gegenüber falschen Gerüchten.

Ich hätte dich nicht für so leichtgläubig gehalten, dass du Melanchthon im Verdacht solch schmählichen Tuns haben könntest. Denn ganz abgesehen vom Widersinn dieser Lehre, - hätte er etwas Schmählicheres tun können, als sozusagen zum Vergnügen und im Spaße gutzuheißen, was er vierundzwanzig Jahre lang verachtet hat? Schon die Zeitumstände hätten die Eitelkeit des Geredes zur Genüge erweisen können; denn es hieß doch, Melanchthon habe diese Klagelieder kurz vor seinem Tode angestimmt, und doch hat er gerade damals freimütiger als je in seinem Leben unsern Glauben bekannt und mutig die Phantasterei von der Allgegenwart des Leibes Christi zurückgewiesen. Ich wundere mich zwar nicht, dass man über den Toten die allerfalschesten Gerüchte ausgestreut und maßlos übertrieben hat, da ja sogar hier ein windiger Gesell aus Bünden, (er ist freilich trotzdem Diener am Wort), behauptete, Beza sei von mir gesandt worden, mich mit den Sachsen auszusöhnen und eine Übereinkunft zu versprechen. Wenn du daraus siehst, was sich böswillige Leute an frechen Lügen gestatten, wirst du von mir lernen, für ihr Geschwätz harthörig zu werden.

Über die Lage Frankreichs oder besser über die Wirren in Frankreich wird dir unser lieber Leyner berichten. Ich begebe mich nicht ins Handgemenge und muss doch nicht ohne große Mühen kämpfen. Lebwohl, trefflicher Mann, von Herzen verehrter Bruder. Der Herr sei mit dir; er leite und behüte dich.

Genf, 4. September 1561.

Euer

Johannes Calvin.