Nr. 491 (C. R. – 4179)

Calvin, Jean - An Johann Kaspar von Nidbruck in Wien.

J. K. von Nidbruck, J. U. D. und kaiserlicher Rat, war in Straßburg für kurze Zeit Calvins Schüler gewesen, hatte ihn dann auf dem Reichstag zu Regensburg wieder getroffen. Er lebte in Wien als Freund und Berater des Erzherzogs Maximilian, Königs von Böhmen, auf den damals alle Evangelischen wegen seiner Hinneigung zur Reformation große Hoffnungen setzten. Es hieß, Maximilian sei zum Statthalter der vorderösterreichischen Lande im Elsass und Breisgau ausersehen. Über Pfarrer Hahn in Regensburg vgl. 453.

Erneuerung alter Bekanntschaft.

Neulich erzählte mir einer unserer Buchhändler bei seiner Rückkehr, er habe auf seiner Reise durch Österreich dich zufällig in einem Gasthause getroffen, trefflicher Mann, und du seiest darüber sehr erfreut gewesen, da du mich hättest grüßen lassen wollen. Nun, das Zeichen, das mir deine Person wieder in Erinnerung rufen sollte, habe ich gleich wieder erkannt, und dass du unsere durch ein kurzes Gespräch entstandene Freundschaft noch so herzlich festhältst, freut mich sehr. Ein gutes Zeugnis nicht nur für deine persönliche Liebe zu mir, sondern auch für deine Frömmigkeit und Klugheit ist es, dass einer meiner Gegner auf deinen Rat und dein Zureden hin verhindert worden ist, seinen Ärger durch Veröffentlichung einer Streitschrift an mir auszulassen. Wenn du auch bisher seinen Namen verschwiegen hast, so vermute ich um der Nachbarschaft willen, es sei Hahn, der ja auch an der Donau wohnt und auf den mich Philippus [Melanchthon] schon vor einem Jahr aufmerksam machte. Ließe sich nur auch die maßlose Wut der andern so stillen; aber die lassen sich von einem zu wilden Drang fortreißen, als dass es ein wirksames Mittel gäbe, sie zur Vernunft zu bringen. Joachim Westphal hat mich durch seine Zudringlichkeit gezwungen, eine Gegenschrift erscheinen zu lassen, von der ich dir ein Exemplar mitschicke. Ich möchte wahrhaftig meine Arbeit lieber an andere Schriften wenden, wenns ginge; aber in deiner Billigkeit siehst du schon, dass mich nur der Zwang der Pflicht zu solchem Kampfe trieb. Eine Hoffnung ists, die mich tröstet: vielleicht vertreibt dieses Gewitter den Nebel des Irrtums und reinigt die Luft. Wenn mir unser Buchhändler weiter noch in deinem Auftrage berichtete, es sei etwas Großes im Werk, das allen Guten außerordentliche Freude machen werde, und mich aufforderte, für den wünschenswerten Erfolg in unablässigem Gebet zum Herrn zu flehen, so bezog ich das, von einer nahe liegenden Vermutung geleitet, auf den [kaiserlichen] Prinzen und König [von Böhmen], von dem es heißt, ein uns nahe stehendes Gebiet werde seiner Hand und Regierung anvertraut werden. Wenn es gelänge, durch sein Wirken und seine Stellung das Reich Christi zu fördern, so hätten allerdings alle Kinder Gottes guten Grund, sich glücklich zu schätzen. Als ich vor fünfzehn Jahren in Deutschland lebte, lobte jedermann seine herrlichen Anlagen; später pries man dann seine zur Reife gediehene Tüchtigkeit und vor allem seinen religiösen Eifer. Es ist mein Wunsch, dass dieser bald Frucht trage, und ich nehme an, dass du mir das gerne versprichst, sobald dazu Gelegenheit ist. Lebwohl, trefflichster Mann und verehrter Bruder. Der Herr behüte dich, er leite dich mit seinem Geiste und mache dich reich an allem Segen.

Genf, 20. März 1556.