Nr. 239 (C. R. – 1059)

Calvin, Jean - An Farel in Neuchatel (239).

Als Konstanz am 6. August 1548 von den Spaniern angegriffen wurde, kamen ihm kleinere Scharen aus dem Thurgau zu Hilfe; auch rüstete Bern, stellte aber aus Furcht vor dem Kaiser und den katholischen Orten die Rüstungen wieder ein. Der gestohlene Brief, den Calvins Gegner in Händen hatten, ist Nr. 126. De Crans ist ein Verwandter Perrins. Bullinger hat Calvin aufgefordert, gegen das Interim zu schreiben. Weggelassen ist ein unverständlicher, im Original in Klammern gesetzter Satz.

Von einem gestohlenen Brief.

Weil ich neulich bald hintereinander zwei Boten, die nach Neuchatel reisten, ohne Briefe an dich ziehen ließ, fürchte ich, du könntest mich der Faulheit zeihen, wenn ich nun deinem Neffen nichts an dich mitgäbe. Und doch weiß ich kaum, was ich aus dem vielerlei dir zu schreiben wählen soll. Die Eidgenossen, die zu rechter Zeit in Bewegung gerieten, sind zu meiner Verwunderung wieder ruhig geworden. So muss man fürchten, dass der selbst, der sie einmal aus dem Schlaf geweckt hat, sie nun, da sie wieder eingeschlafen sind, überwältige. Hier ist man fast ratlos, hat zu wenig Mut, aber Übermut mehr als gut ist. Doch haben wir Herrn de Falais bereden können, den Winter über hier zu bleiben. Die Leute, die bisher hier den Krieg im Innern geführt haben, sind so fern von aller Reue, dass sie vielmehr noch Schlimmeres im Schilde führen. So viel ich aus ihren Gesprächen, die man hier berichtet hat, entnehme, ist durch de Crans ein Brief von mir an Viret in ihre Hände gekommen, in dem der schlimmste Satz lauten soll: unsre Obrigkeit wolle unter dem Schein des Christentums, doch ohne Christum regieren. Damit glauben sie, nun eine todbringende Waffe zu haben. Nun bin ich zwar zu jedem Tod bereit, aber nur für die Wahrheit. Freilich schämen sie sich selbst, einen gestohlenen Brief vorzubringen, und spüren es, dass ich stark genug sein werde, den schärfsten Angriff auszuhalten. Ich schreibe das nur, damit du siehst, dass wir auch keine Ruhe haben, während du kämpfen musst. Denn überall haben die Knechte Christi natürlich allerlei zu schaffen. - - Bullinger hat mich aufgefordert, gegen das ehebrecherische Reformations-Interim zu schreiben. Schon bevor sein Brief kam, hatte ich es geplant, aber das Werk war wieder weggelegt. Ich habe nun Butzer um Rat gebeten; billigt er es, so will ichs versuchen. Lebwohl, bester Bruder und Freund. Der Herr behüte dich und dein ganzes Haus, und leite Euch alle mit seinem Geist bis ans Ende. Amen. Grüße die Brüder von mir.

[Genf, 10. August 1548.]
Dein
Johannes Calvin.