Nr. 113 (C. R. – 547)
Die Pfarrer von Montbeliard hatten sich über die zunehmende Tyrannei der Lutheraner beklagt. Schnepf war der Führer der Lutherischen Württembergs.
Weiteres über lutherische Zeremonien, vor allem die Festtage und die Hebammentaufe.
Euer Brief hat uns natürlich schweren, herben Schmerz bereitet, weil wir daraus ersahen, dass Euch unterdessen neue Schwierigkeiten gemacht werden durch die Schroffheit von Leuten, die nur dazu geboren zu sein scheinen, die Kirche in Verwirrung zu bringen. Aber haltet das fest in Euern Herzen, dass diese Leute, obwohl sie es anders im Sinne haben und in anderer Absicht vom Satan aufgestiftet werden, doch Gott dienen zu unserer Prüfung. So viel ich bisher nach den Tatsachen beurteilen kann, ist es so: Wie in unserer Zeit von der Kirche zu Wittenberg das Evangelium ausgegangen ist, so kommen nun von dort her manche Leute, die denen nicht unähnlich sind, die einst von Jerusalem auszogen und, wo sie hinkamen, den wahren Knechten Christi zu schaffen machten und Anlass suchten, Aufruhr zu stiften. Das tun sie aus bösem Nachahmungstrieb. Sie suchen in verkehrtem Streben etwas, worin man sie für den großen Männern ähnlich halten könnte, umso auch einen Schein der Größe auf sich zu ziehen. Sie erreichen aber nur, dass sie auch als das erscheinen, was sie wirklich sind, nämlich nichts als Affen. Das sage ich, damit keines Menschen Liebe der Kirche zu Wittenberg entfremdet werde. Denn wie einst ohne Wissen, ja wider den Willen des Petrus, Jakobus und der andern Apostel, jene Unruhestifter herumfuhren, den Lauf des Evangeliums unter den Heiden zu hindern, so wage ich für sicher zu behaupten, dass diese Prahlhänse, die den Namen der wittenbergischen Kirche dazu missbrauchen, wohlgeordnete Verhältnisse in Unordnung zu bringen, Luther nicht weniger missfallen als uns. Denn was hat Euer Vertreter dieser Sorte für einen Grund, in Eure geordneten und friedlichen Verhältnisse den Streit hineinzutragen? Er kämpft für irgendwelche abgeschmackte und wertlose Zeremonien. Obwohl das schon unrecht und dem Geist des Christentums fremd ist, wäre es doch noch erträglich; aber er geht noch weiter. Er wagt es, Euch zu geradezu fehlerhaften Dingen zu zwingen. Da müsst Ihr tapfer widerstehen. Er mag, so viel er will, die Namen großer Männer vorschützen; Ihr sollt wissen, dass er Euch da einen blauen Dunst vormacht. Denn Luther ist so klug und ernst, Schnepf kenne ich als so scharf an Verstand und Urteil und dabei so besonnen, dass ich nicht daran zweifle, dass beide Euch gerne die Hand zur Hilfe böten, wenn sie die Sachlage richtig und vollständig kennten. Ich will nun zunächst noch einmal über die fraglichen Punkte selbst sagen, was ich für richtig halte. Denn ich habe Euch schon einmal meine Meinung dargelegt.
Die von den Hebammen vollzogene Kindertaufe stammt aus dem ganz bösen Irrtum, ohne Taufe sei es um das Seelenheil der Kinder geschehen. Denn die Scholastiker haben es so festgesetzt, das Sakrament der Taufe sei notwendig zur Seligkeit. Wir aber wissen, dass unsere Seligkeit besteht in dem Bund mit dem Herrn, durch den wir aufgenommen und gewählt werden in sein Volk. Nun bekennen wir freilich auch, dass dieser Bund versiegelt wird durch die Taufe, aber doch nur so, dass er auch an sich feste Geltung hat, auch wenn das äußere Zeichen nicht dazu kommt. So tun also schweres Unrecht an der Verheißung Gottes, die den ungetauften Kindern sein Reich verwehren, da er doch sie schon als die Seinen verkündet hat, vor ihrer Geburt. Sicher macht, wer in diesem Aberglauben befangen ist, einen magischen Zauber aus der Taufe. Sie sagen zwar, Christus habe selbst die Wiedergeburt aus Wasser und Geist verlangt. Diese Auslegung stammt aus einem ähnlichen Unverstand. Einige von den alten Vätern verstehen unter dem Wort Wasser an dieser Stelle das Absterben [des alten Menschen]. Andere wollen es als Bild auffassen. Ich nehme ganz einfach Wasser und Geist für ein und dasselbe; in dem Sinn, wir müssen wiedergeboren werden aus dem Geist, der wie Wasser wirkt zu unserer Reinigung; gleich wie anderswo steht, aus dem heiligen Geist und Feuer. Übrigens, auch wenn wir zugeben, es sei an dieser Stelle die Taufe gemeint, wer kann deshalb die Seligkeit an die Bedingung der Wassertaufe knüpfen? Es steht doch ganz fest, dass man früher die Taufe nicht so im Brauch gehabt hat, dass nicht noch manche, Heilige und Kinder von Heiligen, ohne sie heimgingen. Und selbst die ärgsten Papisten haben die Notwendigkeit der Taufe den Märtyrern erlassen, bei denen man die Bluttaufe an Stelle der Wassertaufe gelten ließ. So ist es ganz reine Lehre, dass durch die freie Gnade Gottes die Kinder der Gläubigen aufgenommen sind in seinen Heilsbund, und dass uns Gott das bezeugt hat in der Verheißung: Ich bin der Gott seines Samens. Mit dieser Verheißung sollten wir uns doch zufrieden geben. Das Siegel dieser Verheißung ist zwar die Taufe, aber doch so, dass die Verheißung an sich auch genügt, wenn sich Zeit und Ort nicht gefunden haben, das Siegel noch dazu treten zu lassen. Doch ist zugleich zu beachten, dass die Taufe der Kirche aufgetragen, und ihre Erteilung mit dem Dienst am Wort verbunden ist, so dass, wer sie den Weibern überträgt, scheidet, was Gott zusammengefügt hat. Denn wem, ich bitte Euch, wurde befohlen: Geht hin und taufet? Doch nur denen, welchen die Vollmacht und das Amt zu lehren schon anvertraut war. Denn dass sie, wie ich höre, versuchen, diese beiden Gebote auseinander zu reißen, ist doch zu kindisch und lächerlich. So stelle ich also fest: Die Hebammentaufe ist eine gottlose Entweihung der wahren, richtigen Taufe. Fragt man aber nach dem Brauch der alten Kirche, so gebe ich zu, dass Augustin die Frage, ob Laien taufen dürfen, unentschieden lässt. Denn es war das schon eine feste Gewohnheit geworden, die den frommen Kirchenvater, wie etwa ein Sturm einen tüchtigen Schiffer, vom rechten Kurs abweichen ließ. Doch wagt er, trotz aller Abschwächungen, es doch nicht anders als eine Sünde zu nennen. Übrigens wurde aber auf der Synode von Karthago ohne alle Ausnahmen festgesetzt, Frauen sollten sich keinesfalls herausnehmen, zu taufen. Dieser Beschluss steht freilich in den Kirchenrechtsfantasien des Gratian verstümmelt durch einen untergeschobenen Ausnahmefall; aber schaut nur den Urtext an, dort steht es wörtlich so, wie ich es wiedergegeben. Freilich steht mir [auch ohne das] die hochheilige Gotteswahrheit [von der Taufe] fest genug, selbst wenn ich dafür in den Tod gehen müsste. Was ich selbst aber täte, kann ich andern nicht abraten. Seht also wohl zu, liebe Brüder, dass nicht Gottes heilige Sakramente, die er durch sicheres Gebot Euch anvertraut hat, unter Euren Händen besudelt werden, damit Ihr einmal Rechenschaft ablegen könnt darüber, ob Ihr den reinen Brauch der Sakramente eher bis aufs Blut verteidigt habt, als dass Ihr ihn irgendwie verfälschen ließet. Solche Standhaftigkeit wird freilich nicht gefahrlos sein; aber es soll Euch das berühmte Wort Cyprians fest und tief ins Herz gegraben sein: Die Knechte Gottes, die treulich seinem Gebot gehorchen, können wohl getötet werden, aber nicht besiegt. Erinnert Euch auch noch an ein anderes denkwürdiges Wort desselben heiligen Mannes, das uns Augustin überliefert hat: In einer so heiligen Sache gibt’s gar kein Besinnen! Das Wort verdient umso mehr Beachtung, als er es in einem Momente sagte, da schon die Hand des Henkers seinem Halse drohte. Soweit ists ja bei Euch noch nicht gekommen; umso fleißiger müsst Ihr dafür sorgen, dass Ihr nicht bloß aus Trägheit und durch Verrat an Gottes Wahrheit Euer Amt dem Teufel zum Gespötte macht. Ihr fragt, was Ihr denn tun sollt? Es scheint mir am besten, Ihr bittet den Fürsten um Entschuldigung; aber er möge doch nicht Euer Gewissen zu etwas zwingen, was es nicht tragen könne, und legt ihm die Gründe dar, die Euch hindern [ihm zu gehorchen]. Im äußersten Fall, wenn er auch dann noch nichts mildert, zieht Ihr Euch auf das Wort des Petrus zurück: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen [Apg. 5, 29].
Über das Glockengeläut und die Festtage sind wir der Meinung, Ihr solltet diese kleinen Torheiten eher ertragen, als deshalb den Posten, den Euch Gott angewiesen hat, verlassen; nur sollt Ihr sie nicht billigen und Euch vorbehalten, den daraus entstehenden Aberglauben zu tadeln, und das dann auch fleißig tun. Da ist vor allem dreierlei zu rügen: erstens, dass überhaupt Unterschiede gemacht werden in der Heiligkeit der Tage, zweitens, dass der Dienst Gottes gesehen wird im Halten von Festen, und drittens, dass nicht zur Ehre Gottes, was schon an sich jüdisch wäre, sondern auch zur Ehre von Menschen bestimmte Tage beobachtet werden.
Dass der Fürst Euch verbietet zusammenzukommen, ist ganz unerträglich. Deshalb dürft Ihr nicht nachlassen, bis das unbillige Verbot außer Kraft gesetzt wird. Was soll denn, ich sage nicht schließlich, sondern in allerkürzester Zeit, aus der Kirche werden, wenn keine Verbindung mehr besteht unter den Pfarrern, keine Vereinigung zur Beratung, kein gemeinsames Überlegen. Lieber hundertmal umkommen, als in ein solches Zerreißen der Kirche willigen!
Es braucht nur Standhaftigkeit und Mut; wenn Euch der Herr damit ausrüstet, so wird die Sache gut gehen, wie auch der Ausgang sein wird. Damit Ihr nun nicht glaubt, ich könne nicht Maß halten [im Schreiben], so sehe ich von einer weitern Ermahnung ab. Wäre es nicht meine feste Überzeugung, dass Ihr bereit seid, lieber alles zu erdulden, als nur einen Finger breit vom rechten Weg zu weichen, so würde ich mich mehr befleißigen, Euch stark zu machen. Um mir nun nicht die Mühe zu machen, wo es überflüssig ist, bitte ich nur zum Herrn, dass er Euch festigt mit dem Geist der Stärke und des Vertrauens und Euch unüberwindlich macht gegen alle Ränke des Satans. Das tun mit mir einmütig auch alle meine Kollegen, aus deren Meinung heraus ich auch diesen Brief schrieb. Lebt wohl, geliebteste Brüder, und fahrt fort, wie Ihr angefangen habt, damit nicht der Feind, wenn Ihr ihm nur ein Spältchen auftut, triumphiere wie in einer eroberten Stadt.
Genf, 8. Mai 1544.