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Bussemer, Konrad - Christus, das Fundament und der Erbauer der Gemeinde.

(Eine notgedrungene Erwiderung an Br. R. Brockhaus, Elberfeld von Konr. Bussemer, Lüdenscheid.)

1. Die Veranlassung dieser Erwiderung.

In dem Büchlein „Die Gemeinde Jesu Christi“, welches von mir verfaßt ist, habe ich an einigen Stellen der Anschauung Ausdruck gegeben, daß der Herr als Baumeister seiner Gemeinde dieselbe auf die Apostel im allgemeinen und auf Petrus im besonderen gegründet habe.

Um die Lehre und Praxis der Irvingianer, welche behaupten, wir müßten auch heute noch Apostel haben, zu bekämpfen, habe ich auf Seite 51 jenes Schriftchens betont, daß die Stellung und die Aufgabe der zwölf Apostel eine außerordentliche und einmalige gewesen sei; „auf die gottbegnadigte und glaubensvolle Persönlichkeit des Petrus baut der Herr seine Gemeinde; die Namen der zwölf Apostel des Lammes prangen auf den Fundamenten der himmlischen Stadt“ (Matth. 16, 18; Offenb. 21, 14). „In den Aposteln hat der Herr einen Grund gelegt, den keine Gemeinde in keiner Zeit verändern, ersetzen oder entbehren kann.“

Weiter habe ich im Schlußkapitel jenes Schriftchens (Seite 72) die Notwendigkeit und die Bedeutung der Persönlichkeit für die Gemeinde Christi im ganzen und für die Ortsgemeinde im einzelnen darzulegen versucht. Auch da habe ich die Stelle Matthäus 16, 18 benutzt, um zu beweisen, daß die Gemeinde Christi auf Persönlichkeiten beruhe, daß sie für ihr Entstehen und Bestehen nichts nötiger habe als Persönlichkeiten, das heißt Männer, die durch den Geist eine gottgewirkte Stellung zu Jesu gewonnen haben, Männer, denen Jesus Lebens- und Daseinszweck ist, denen er ist „alles in allen“; solche hat die Gemeinde jedenfalls nötiger als Gemeindeordnungen, Versammlungssysteme, „Grundwahrheiten“ usw.

Zu diesen von mir vorgetragenen Anschauungen bekenne ich mich auch heute noch voll und ganz. Inwieweit die Brüder, die damals das von mir verfaßte Büchlein durchgesehen haben, meine Anschauungen teilen, ist mir nicht völlig bewußt; es ist nicht unmöglich, daß sie meine Meinung wohl tolerieren, ohne sie selber auch ganz zu vertreten.

Ich meinerseits möchte versuchen, meine Anschauung hier zu begründen.

Ich möchte das aber deshalb tun, weil von Seiten der sogenannten „Versammlung“ besonderer Widerspruch gegen mich erhoben worden ist. Mündliche Proteste sind mir zugekommen, und auch schriftlich hat man sich dagegen gewandt. In einem kleinen Heftchen: „Die Versammlung, das Haus Gottes und der Leib Christi“, das, wie ich annehme, den Br. Brockhaus zum Verfasser hat, geht er gegen mich vor. Er weiß nicht, ob er „mehr betrübt oder erschrocken sein soll; er wünscht, daß uns die Augen geöffnet würden, daß wir erkennen möchten, welche Unehre wir dem Sohne Gottes antäten und welchen Schaden wir unter seinen Kindern anrichteten; er versteht es, daß Rom so lehre, wie aber gläubige Leute einem solchen Gedanken Raum geben könnten, das versteht er nicht; Petrus sei doch nur ein sündiger, schwacher Mensch gewesen, Christus sei allein der köstliche Eckstein, er sei der Fels, auf den er seine Gemeinde baue, Petrus hätte wohl ein Stein („petros“) von besonderer Bedeutung in diesem Gebäude sein können, er sei aber weder der Fels („petra“) noch der Baumeister der Gemeinde. – Br. Brockhaus folgt also derjenigen Auslegung der Stelle Matth. 16, 18, welche sie so deutet: „Du bist Petrus oder Kaiphas (der Herr hat aramäisch gesprochen, nicht griechisch!) aber nicht auf dich, sondern (indem er auf sich deutete) auf diesen Felsen (auf mich) will ich bauen meine Gemeinde!“ Ueber diese Art der Auslegung sage ich weiter unten, was davon zu halten ist; ich sage jetzt schon, daß es keine Auslegung des Herrnwortes ist. – Zunächst aber einiges über die verschiedenen Stellen des Neuen Testaments, wo vom Bau der Gemeinde die Rede ist.

2. Der Unterschied zwischen Matth. 16, 18 und anderen Stellen, die vom Bau handeln.

Als ein „Bau“ wird die Gemeinde an vielen Stellen des Neuen Testaments hingestellt; wir wollen hier nur einige in Betracht ziehen, nämlich 1. Petri 2, 4–8; 1. Kor. 3, 10 ff.; Ephes. 2, 20; Matth. 16, 18.

Die Stelle 1. Petri 2, 4 lautet: „Zu welchen kommend, dem lebendigen Steine, dem von Menschen verworfenen, bei Gott aber auserwählten, köstlichen, auch ihr, gleichsam als lebendige Steine baut euch als ein geistliches Haus zum heiligen Priestertum …“ (Nebenbei sei bemerkt, daß Br. Brockhaus in seinem Schriftchen diese Stelle auch ganz zitiert; er übersetzt aber nicht „baut euch!“ sondern: „ihr seid aufgebaut!“ Wie er zu dieser Uebersetzung kommt, verstehe ich nicht; die Form „oikodomeisthe“ heißt nur: „ihr werdet gebaut“, oder „werdet gebaut“ oder „baut euch!“ Wahrscheinlich spielt in die Uebersetzung des Br. Brockhaus ein gewisser Perfektionismus hinein.) – – – In der angeführten Stelle ist Jesus als der lebendige Stein, und wie aus Vers 6 dann hervorgeht, als der Eckstein bezeichnet; das Bauen sollen die Steine selber tun.

Eine andere Stelle ist 1. Kor. 3, 10 ff. „Nach der mir gegebenen Gnade Gottes habe ich als ein weiser Baumeister den Grund gelegt, ein anderer aber baut darauf. Einen andern Grund kann niemand legen als der, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. Jeglicher aber sehe zu, wie er darauf baut. Wenn einer darauf baut Gold, Silber, köstliche Steine, Hölzer, Gras, Rohr …“ Hier wird Jesus mit Nachdruck als der Grund bezeichnet, die Baumeister oder Erbauer sind die verschiedenen Arbeiter in seinem Werke.

Weiter lesen wir in Epheser 2, 20: „Ihr seid Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, indem ihr erbaut seid auf den Grund der Apostel und Propheten, wo Jesus Christus der Eckstein ist …“ Wir wollen nicht untersuchen, ob das mit „Eckstein“ übersetzte Wort (akrogooniaion) den „Grundstein“ oder den „Kopfstein“ bedeutet; wir wollen auch nicht davon reden, ob „der Grund der Apostel und Propheten“ den Grund bezeichnet, den sie legen, oder den, den sie bilden; wir stellen nur fest, daß Jesus hier als Grund bezeichnet wird, und daß gesagt ist, die Gläubigen seien auf ihn gebaut.

Nun die Stelle Matth. 16, 18. „Und ich sage dir, du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde erbauen.“ So viel ist jedenfalls klar: Hier redet der Herr von sich als Baumeister: „Ich werde bauen!“ In Epheser 2 ist nicht gesagt, wer die Gläubigen auf dem Grunde der Apostel aufgebaut hat, in 1. Kor. 3 werden ohne Zweifel die Arbeiter des Herrn als die Erbauenden bezeichnet, in 1. Petr. 2 sollen die Gläubigen sich selber bauen.

Was geht nun daraus hervor? Es handelt sich in unserer Sache um ein Bild, um einen Vergleich. Das Bild wird aber an den verschiedenen Stellen verschieden angewandt; einmal sagt der Herr, er sei der Erbauer, dann redet der Apostel von sich und anderen als Erbauern, ja sogar als Grundlegern: „ich habe den Grund gelegt.“ Unsere Aufgabe ist es nun, aus jeder Stelle zunächst das zu lernen, was sie, und zunächst nur sie, uns sagen will; es ist verkehrt, wenn man bei der Auslegung einer Stelle sofort mit einer anderen kommt; zuerst sind wir verpflichtet, zu sehen, was uns das eine Wort sagen will, und dann mögen wir zusehen, was die anderen sagen, und wie sich die verschiedenen Stellen vereinigen lassen. Es wird dabei in der Regel notwendig sein, das eine Wort stehen zu lassen und das andere nicht zu übersehen.

Selbstredend fällt es uns nicht ein, zu bestreiten, daß Jesus der ewige, alleinige Grund ist, wenn davon die Rede ist. Niemand, der uns kennt, sollte uns vorwerfen, daß wir Jesu Würde irgendwie beeinträchtigen wollten. Er ist und bleibt uns „alles in allen“. Er ist und bleibt uns der köstliche Eckstein und der Kopfstein, „durch den und zu dem alle Dinge sind“.

„Jesus und kein andrer sei das Losungswort,
bis ein jeder Wandrer steht am Ziele dort!“

Was ich aber behaupte, ist das, daß er, der Herr, nicht wir, in Matthäus 16, 18 von sich als Baumeister der Gemeinde redet und daß er dabei dieses Bild so gebraucht, daß er an dieser Stelle nicht sich, sondern den Petrus als Grund bezeichnet, auf den er bauen werde; ich sehe es also hier als meine Aufgabe an, zu hören auf seine Stimme, und zu lernen, was er uns hier sagen will.

3. Die Auslegung von Matth. 16, 18.

Unsere Stelle gehört zu denen, die sehr umstritten sind und über die viel und vielerlei geredet worden ist. Die Ursache dazu ist allerdings, wie allgemein bekannt, Rom, das seine ungöttlichen Ansprüche mit dieser Stelle deckt. Der Papst behauptet, er sei der Nachfolger Petri auf dem Bischofsstuhl in Rom, und deshalb will er als der Fels der Kirche betrachtet werden, dem alle ihre Anerkennung bezeugen müßten. Dazu hat er die Lehre von „der apostolischen Succession“ aufgebracht; Petrus hat seinen Nachfolger ernannt, dieser den weiteren und so fort, und nur diejenigen Bischöfe sind anzuerkennen, die von Petrus oder einem seiner Nachfolger geweiht sind. Ueber alle diese Ansprüche gehen wir selbstredend hinweg. Wenn Petrus wirklich Bischof in Rom gewesen sein sollte (fest steht es ja bis heute nicht), so wäre es doch eine ungeheuerliche Zumutung, zu glauben, daß jemand, der zufällig auch Bischof von Rom zu sein beansprucht, dieselbe Bedeutung für die Gemeinde des Herrn besitze wie jener. Was der Herr dem Petrus gesagt hat, gilt ihm, sonst niemand, am allerwenigsten einem sogenannten Nachfolger auf einem sogenannten Bischofsstuhle, von dem niemand mit Gewißheit behaupten kann, daß Petrus ihn wirklich eingenommen hat.

Um den törichten päpstlichen Ansprüchen die Spitze zu bieten, haben die protestantischen Theologen seit der Reformation unsere Stelle meistens so ausgelegt: „Auf deinen Glauben und dein Bekenntnis will ich meine Gemeinde bauen.“ Diese Auslegung ist auch uns in der Jugend vorgetragen worden, und sie ist auch in unsern Kreisen die verbreitetste. Hier wird, und das ist das Wahre an ihr, auf die geistliche Qualität des Petrus der Wert gelegt. Das tut der Herr ja auch. „Selig bist du, Simon, Sohn des Jona, denn Fleisch und Blut hat es dir nicht geoffenbart, sondern mein Vater in den Himmeln; und ich sage dir, du bist Petrus usw.“ Nicht dem „Simon“, dem „Sohne des Jona“, gibt der Herr seine Verheißung; nicht den unbeständigen „Hörer“ (Simon soll vom hebräischen Worte Schamah „hören“ kommen), der nach Fleisch und Blut der Sohn des „Jona“ (der „Taube“) ist, redet der Herr an, sondern den neuen Menschen, zu dem er ihn schon bei der ersten Begegnung (Joh. 1, 42) zu machen verheißen hat; diesen meint er, den „Petrus“, der durch die Gnade des himmlischen Vaters ein ganz anderer, das direkte Gegenteil des „Simon“, werden soll; nicht durch sein Licht und seine Kraft, sondern durch die Gnade des Vaters in Christo hat er eine unvergleichliche Erkenntnis Jesu gewonnen, ist er zu einem einzigartigen Bekenntnis Jesu befähigt worden, und so, in dieser Qualität, soll er nach der Verheißung des Herrn die bedeutungsvolle Stellung in Jesu Gemeinde einnehmen. – Gewiß, die Reformatoren und die protestantischen Schriftausleger haben recht, wenn sie Glauben und Bekenntnis des Petrus als das Wesentliche betonen. Es wird dabei nur die Frage nicht beantwortet, inwieweit Petrus doch noch eine andere Bedeutung hat als diejenigen alle, die seinen Glauben und sein Bekenntnis auch von Herzen angenommen haben; mit anderen Worten, die protestantische Auslegung wird nur der Sache und dem geistlichen Besitz des Petrus gerecht, nicht seiner Person. Die Worte des Herrn sind aber ganz persönlich an Petrus gerichtet: „Ich sage dir.“ Wir müssen darum über die protestantische Auslegung hinausgehen.

Eine dritte Art der Auslegung unserer Stelle ist die, welche Br. Brockhaus in seinen gegen mich gerichteten Worten darlegt. Ich habe sie schon oben angedeutet. Br. B. sagt etwas unklar: „Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, … als solcher soeben durch den Vater im Himmel, dem Simon, dem Sohne des Jona, geoffenbart und durch diesen öffentlich bekannt … er und die Kraft des Auferstehungslebens in ihm … auf diesen Felsen wollte Christus seine Gemeinde bauen, denn sie bestand damals noch nicht; Petrus mochte ein Stein (petros) von besonderer Bedeutung in diesem Gebäude werden, er war weder der Fels (petra) noch der Baumeister.“ – Br. Brockhaus will also wohl sagen, Jesus wolle seine Gemeinde auf sich selber bauen. Diese Auslegung wird aber dem Worte Jesu in keiner Weise gerecht; sie trägt die andern Stellen unbesehen hier hinein und fragt nicht, was diese Stelle hier zu bedeuten hat. Zunächst ist der von Br. Brockhaus gemachte Unterschied zwischen „petros“ und „petra“ unbegründet, denn der Herr hat ja aramäisch gesprochen und in dieser Sprache ist, so viel ich weiß, das Wort für „Kaiphas“ und „Fels“ dasselbe. Sodann muß man aber auch bei der Auffassung des Br. Brockhaus den Worten Gewalt antun. Der Herr hätte dann gesagt: „Ich sage dir, du bist Kaiphas, aber (nicht „und“!) nicht auf dich, sondern auf diesen (auf sich deutend) Felsen, auf mich, will ich meine Gemeinde bauen.“ Wenn es der Herr so gemeint hätte, dann hätte er, dessen bin ich gewiß, sich auch so ausgedrückt, denn er redet klar und deutlich und verlangt nicht von uns, daß wir hinter seinen Worten einen andern Sinn suchen als der Wortlaut ergibt.

Dem einfältigen Wortlaut nach kann aber niemand die Worte des Herrn anders verstehen als so: „Du bist Petrus (der Fels) und auf dich will ich meine Gemeinde bauen.“ Das geben denn auch viele neuere protestantische Schriftausleger unumwunden zu. Als ich einst selber bei Professor Riggenbach in Basel über diese Stelle hörte, da hat er ohne weiteres erklärt, daß man die Worte des Herrn gar nicht anders auffassen könne, und auch andere Theologen der Gegenwart, denen Gottes Wort teuer ist, stimmen dem bei. Es ist der gesunde Respekt vor dem einfachen Wort, der hier in Frage kommt; wo der sich findet, kann man nicht anders, als stehen zu lassen, was da steht.

4. Petrus und die Erfüllung der ihm gewordenen Verheißung des Herrn.

Ich gestehe, daß ich die Auffassung der Stelle Matth. 16, 18, die ich jetzt vorgetragen habe, zuerst selber nicht annehmen konnte. Was mich aber zwang, sie anzunehmen, das war einmal die sorgfältige Betrachtung ihres genauen Wortlautes und sodann der Blick auf Apostelgeschichte Kapitel 1–15.

Die Worte des Herrn in Matthäus 16 sind selbstredend eine Verheißung, die sich erst erfüllen sollte. Als der Herr sie aussprach, konnte sie sich nicht erfüllen, und warum? Weil der Empfänger damals noch kein Petrus war. Das hat sich ja gleich hinterher gezeigt, daß er noch der „Simon“ war, der „Hörer“, der sogar auf Satans Stimme mehr hörte als auf die des Herrn. Aber ich denke, niemand bestreitet, daß er das nicht geblieben ist; die Stunde kam für ihn, wo er wirklich bekehrt wurde (Luk. 22, 32) und wo er von der Schrift uns vorgestellt wird als der „Kaiphas“, nicht mehr als der „Simon“. Jedenfalls wird es niemand bestreiten, der die Apostelgeschichte mit offenen Augen liest. Und wer sie liest, dem müssen auch die Augen darüber aufgehen, daß die Kapitel 1–15 der Apostelgeschichte eine Erfüllung der dem Simon in Matth. 16, 18 gegebenen Verheißung sind.

Die Apostelgeschichte ist nach den Eingangsworten in Kap. 1, 1 ff. eine „Fortsetzung der Taten Jesu“, eine „Fortsetzung des Evangeliums Jesu.“ Sie zeigt uns, wie der Herr die Gemeinde baut und zwar in ihrer ersten Hälfte auf Petrus und durch Petrus. Lassen wir es uns durch folgenden Ueberblick bestätigen:

a) In Kapitel 1 ist es Petrus, der, vom Wort erleuchtet und geleitet vom Herrn, die Lücke in der Zwölfzahl der Jünger ergänzt, allerdings so, daß dem Herrn die letzte Entscheidung zufällt. (Ich weiß wohl, daß in der „Versammlung“ die Wahl des Matthias ganz anders betrachtet wird, doch halte ich die Anschauung der „Versammlung“ darüber für ganz unbegründet).
b) In Kapitel 2 ist es Petrus, der als Mund der geisterfüllten Jüngerschar das erste große Zeugnis von Jesu ablegt, durch welches die ersten 3000 bekehrt werden. Der Herr ist Gründer der Gemeinde, aber in Petro!
c) In Kapitel 3 sowie in Kap. 4 u. 5 ist es Petrus, der durch das Wunder an den Lahmen und durch die sieghafte Verantwortung vor den Obersten das ganze jüdische Volk, besonders seine verantwortlichen Faktoren, vor die Entscheidung für oder gegen Jesum stellt.
d) In Kapitel 5 ist es Petrus, der die Sünde in der Gemeinde durch einen Zuchtakt gewaltigster Geistesmacht richtet.
e) In Kapitel 6 ist es Petrus, der den Grund legt zur weiteren Organisation der Gemeinde nach dem Willen des Herrn. (Daß diese Auffassung von Kap. 6 einem Gliede der „Versammlung“ nicht gefallen wird, vermute ich, nichtsdestoweniger spreche ich sie getrost aus.)
f) In Kapitel 8 ist es Petrus, der das bisher unerhörte Werk der Evangelisation unter den Samaritern durch seine Anwesenheit und durch seine Handauflegung sanktioniert und als göttlich bestätigt.
g) In Kapitel 9 ist es Petrus, der die Ausbreitung des Evangeliums in der jüdischen Diaspora durch staunenswerte Wunder kräftigt.
h) In Kapitel 10 ist es Petrus, durch den der Herr den so unendlich weittragenden Schritt vollbringen läßt: Das Evangelium geht zu den Nationen (Heiden)!
i) In Kapitel 12 ist es neben Jakobus wieder Petrus, in dessen Gefangennahme die Vollendung der jüdischen Verstockung zum Antichristentum (Vorbild des Antichrists: Herodes!) offenbar gemacht wird.
k) In Kapitel 15 endlich ist es Petrus, auf dessen Erfahrung und Zeugnis hin der weittragende Entschluß gefaßt wird, daß die Heidenchristen frei sein sollten vom Gesetz.

Aus diesem allen geht hervor, daß die Persönlichkeit des Petrus die entscheidende Rolle spielte bei der Fundamentierung der ersten Gemeinde, sowohl der judenchristlichen Urgemeinde wie der heidenchristlichen Erstlingsfrüchte. Ueberall sehen wir, daß der Herr ihn benutzt und keinen andern. Der Herr hat eben seine Verheißung an ihn eingelöst, denn Er ist treu, der es verheißen hat. Dabei hat es nichts zu sagen, daß Petrus, nachdem der Grund gelegt war, zurücktritt, daß er zeitweise ganz verschwindet, daß von Apostelg. 15 an Paulus an seine Stelle tritt; es hat auch nichts zu sagen, daß Petrus, der Fels, später einmal selbst wieder ins Wanken gerät, seine alte Simonsnatur herauskehrt (Gal. 2), wie auch nicht, daß er ganz später auf das Arbeitsgebiet Pauli übertritt (1. Kor. 9, 5 und seine beiden Briefe). Wenn Petrus am Schlusse seines zweiten Briefes dankbar die Gnade anerkennt, die dem Paulus gegeben ist, so hindert das alles nicht, daß wir anerkennen, daß er vom Herrn benutzt wurde, den Grund für die judenchristliche Gemeinde in Jerusalem und für die heidenchristliche Missionsarbeit zu legen. Und so muß jeder, der sehen will, bestätigen, daß der Herr die Worte, die er in Matth. 16, 18 an ihn gerichtet hat, auch so gemeint hat, und daß er sie auch erfüllt hat.

5. Schlußfolgerungen.

Wir schließen unsre Erwiderung mit der Beantwortung der Frage, welche Bedeutung die richtige Auffassung der Stelle Matth. 16, 18 für uns hat. Ich könnte mir zwar diese Mühe sparen, da ich in dem Schriftchen „Die Gemeinde Jesu Christi“ dies schon getan habe; es sei aber hier noch einmal ausführlicher wiederholt.

Zunächst geht aus der richtigen Auffassung des Verheißungswortes an Petrus und aus dessen Erfüllung in Apostelgesch. 1–15 hervor, welche Bedeutung die Apostel im allgemeinen und Petrus insonderheit für die ganze Gemeinde haben. Sie sind für alle Zeiten unersetzlich und unverdrängbar, wie denn ihre Namen auf den Fundamenten der Mauer der himmlischen Stadt prangen. Wenn wir die verschiedenen Stellen des Neuen Testaments, die von der Gemeinde als einem Bau reden, einmal vereinigen wollen, so können wir sagen: Auf dem Grunde Jesus sind die Apostel, Petrus voran, die erste Schicht, die aber nicht mehr von dem Grunde getrennt werden darf, die ihm sozusagen organisch zugehört. Daher schreibt Johannes: „Was wir (die Apostel) gehört, gesehen, geschaut, betastet haben … das verkündigen wir euch, auf daß auch ihr mit uns Gemeinschaft habet … und unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohne Jesus Christus.“ Wir stehen und müssen stehen auf den Schultern der Apostel. Wir brauchen nicht notwendig etwas von Augustin oder Bernhard oder Luther oder Calvin oder Spener oder Wesley oder Spurgeon oder Darby oder Brockhaus zu wissen, aber von den Aposteln des Herrn müssen wir vernommen und ihre Verkündigung gehört haben und auf ihrem Worte und ihren grundlegenden Arbeiten müssen wir ruhen. Alle anderen sind nichts gegen die Apostel; alle stehen auf diesen, alle haben recht, wo sie mit diesen übereinstimmen, alle irren, wo sie von ihnen abweichen oder sie nicht oder nur teilweise verstehen. Was insbesondere Petrus angeht, so ist das, was der Herr durch ihn in Apostelgeschichte 1–15 getan hat, unentbehrlich für die Gemeinde aller Zeiten, und wo man von den Linien abweicht, die der Herr durch ihn dort gezogen hat, da weicht man eben vom Herrn selber ab. Die Irvingianer, die neue Apostel wählen, sind ganz auf Irrwege geraten; aber auch diejenigen Kreise, die Apostelgeschichte 1–15 entbehren oder nach ihrem Belieben betrachten zu können meinen, mögen sich vorsehen!

Sodann aber sei nochmals unterstrichen die schon oben angedeutete Wahrheit von der Wichtigkeit der Persönlichkeit für die Gemeinde im ganzen und im einzelnen. Das Wort „Persönlichkeit“ ist mir selber recht eigentlich der Schlüssel zu Matth. 16, 18 geworden. Du „bist“ Petrus! Petrus ist eine Persönlichkeit, in der Christus vom Himmel her durch den Geist verklärt ist, in die Gottes Gnade ihre unaussprechliche Gabe eingesenkt hat, in deren Herzen der unbesiegbare Glaube an Jesus steht wie ein Fels, aus deren Munde das freudige Bekenntnis zu ihm nicht zu nehmen ist, selbst nicht durch Leiden und Tod. Solch ein Mann ist eine christliche Persönlichkeit. Solch eine Persönlichkeit war Petrus und als solche hatte er eine Bedeutung in der Gemeinde Christi, wie nur er sie hat. Niemand ist ihm darin gleich, er hat keinen Nachfolger in der ihm geschenkten Stellung. – Aber das sagen wir im Blick auf ihn und seine Geschichte: Christi Gemeinde bedarf überall zu ihrem Entstehen und Bestehen solcher Persönlichkeiten, die ihm, dem Petrus, mehr oder weniger ähnlich sind. Das sind die „von Gott geschaffenen Leute“, wie Luther sie einmal nennt. Sie schaffen sich nicht selber; Gott gibt sie seinem Sohne, wie er ihm einst den Petrus gab. Und er hat sie je und je gegeben, nicht in der unvergleichlichen Bedeutung des Petrus, aber doch als Männer voll Gnade und Geist, durch die er auf dem ewigen und unverrückbaren Grunde ein Neues wirkte und schuf. Sind wir nicht vielen solcher Männer sehr verpflichtet und von ihnen abhängig? Ist die gläubige Gemeinde von heute – sie nenne sich, wie sie wolle – denkbar ohne das, was der Herr durch Augustin, Luther, Wesley usw. gegeben hat? Wer die Zusammenhänge der Geschichte kennt, der wage, es zu leugnen! Würde die sogenannte „Versammlung“ da sein ohne die Vorarbeit jener Männer? Und wenn sie das wirklich leugnete, würde sie denn bestehen ohne die Persönlichkeiten eines Darby oder Brockhaus sen.? – Wer die Bedeutung der Persönlichkeit nicht anerkennt, dem fehlt ein wesentliches Stück zu einem lichtvollen Verständnis des Werkes des Herrn in allen Zeiten.

Persönlichkeiten, Männer, denen Christus im Herzen lebt, bedarf die Gemeinde. Sie sind es, die das Werk des Herrn an irgend einem Ort, in irgend einem größeren oder kleineren Kreise begründen oder bauen dürfen, und zwar, weil der Herr sie dazu benutzt. So schließen wir denn mit dem Dank gegen den Herrn, der seiner Gemeinde einst den Petrus gab und nach ihm viele tausende uns bekannter Männer, die zwar keine Petri sind, die der Herr aber zubereitete, begnadigte und ausrüstete, um sein Werk auf Erden fortzusetzen, um seine Gemeinde zu erbauen. Es fehle aber auch die Bitte nicht in unsern Herzen: Herr, gib deinem Werke auf Erden Männer, in denen du verklärt bist durch den Geist des Vaters, Männer, die sich von dir gebrauchen lassen, um dein Werk zu treiben, um deines Namens Ruhm groß zu machen auf Erden, um deine Heiligen „zusammenzufügen zum Werke des Dienstes, zum Bau des Leibes Christi!“ (Ephes. 4, 12). – Dieses alles wollen wir lernen aus der richtigen Auslegung der Stelle Matth. 16, 18.