Bunyan, John - Pilgerreise - Zwölftes Kapitel.

Pilger finden einen treuen Freund wieder.

Die beiden Pilger gingen nun unter lieblichen Gesprächen über das, was sie unterwegs gesehen, ihre Straße weiter. Auf diese Weise wurde ihnen der Weg leicht, der ihnen sonst, da er durch eine Wildniß ging, beschwerlich geworden wäre.

Als sie nun beinahe durch dieselbe hindurch waren, wandte Getreu seinen Blick um und sah Jemanden hinter ihnen herkommen, den er wohl kannte. O, sagte Getreu zu seinem Bruder, wer kommt dort? Da blickte Christ hin und sprach: Das ist mein guter Freund Evangelist. Ja, auch mein guter Freund, sagte Getreu, denn er war es, der mich auf den Weg zur Pforte führte. Während deß war Evangelist zu ihnen gekommen und grüßte sie.

Evang. Friede sei mit euch, Herzlichgeliebte, und Friede sei mit euren Helfern!1)

Chr. Willkommen! Willkommen, lieber Evangelist! Der Anblick deines Gesichts erinnert mich an deine frühere Gewogenheit und deine unermüdlichen Anstrengungen um meines ewigen Keiles willen.

Getr. Und tausendmal willkommen, o süßer Evangelist! Wie erwünscht ist deine Gesellschaft uns armen Pilgern!

Evang. Wie ist's euch dann ergangen, liebe Freunde, seit unserm letzten Abschiede? Was ist euch Alles begegnet und wie habt ihr euch dabei verhalten?

Christ und Getreu erzählten ihm nun Alles, was ihnen auf dem Wege begegnet war, und wie und unter welchen Beschwerden sie bis hierhin gekommen. Recht sehr freue ich mich, sagte darauf Evangelist, nicht daß ihr in so vielen Anfechtungen gewesen, sondern daß ihr sie überwunden habt, und daß ihr ungeachtet so mancher Schwachheit, doch bis jetzt beständig auf diesem Wege geblieben seid. Ja, recht froh bin ich darüber um meinet- und auch euretwillen. Ich habe gesäet und ihr habt geerntet, und es kommt der Tag, daß sich mit einander freuen, der da säet und der da schneidet2) wenn ihr anders beharret bis an das Ende3), denn zu seiner Zeit werdet ihr ernten, so ihr nicht müde werdet. 4) Es wird auch vorgehalten die Krone, welche unvergänglich ist, laufet nun also, daß ihr sie ergreifet. 5) Etliche ergeben sich auf den Weg, um diese Krone zu erlangen, und nachdem sie schon weit gekommen, macht sich ein Anderer hinter ihnen drein und nimmt ihnen dieselbe hinweg, darum haltet, was ihr habt, daß Niemand eure Krone nehme. 6) Noch können die Pfeile des Satans euch erreichen, ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden über dem Kämpfen wider die Sünde. 7) Habet das Reich immerdar vor Augen und stehet fest im Glauben, indem ihr nicht sehet auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Lasset Nichts, was von dieser Welt ist, bei euch Eingang finden. Vor allen Dingen aber habet wohl Acht aus euer eigenes Herz und auf seine Lüste und Begierden, denn das Herz ist ein trotziges und verzagtes Ding. 8) Machet euer Angesicht als einen Kieselstein,9) alle Gewalt im Himmel und auf Erden habt ihr auf eure Seite.

Christ dankte ihm hierauf für seine Ermahnung und fügte dann hinzu, wie sehr sie es wünschten, daß er ihnen noch aus dem übrigen Wege zusprechen und behilflich sein möge, und das um so mehr, weil sie wohl wüßten, daß er ein Prophet wäre. Er könne ihnen deßwegen auch sagen, was ihnen begegnen werde und wie sie Widerstand thun und obsiegen könnten. Getreu stimmte in diese Bitte ein, und nun erwiederte Evangelist darauf.

Evang. Meine lieben Söhne, ihr wißt aus dem Worte der Wahrheit des Evangeliums, daß ihr durch viel Trübsal in das Reich Gottes eingehen müsset,10) und daß aller Orten Bande und Trübsal eurer warten:11) Daher könnt ihr nicht erwarten, daß ihr auf eurer Pilgrimschaft lange dahergeht, ohne Solches auf die eine oder die andere Weise zu erfahren. Einiges habt ihr bereits von der Wahrheit dieser Aussprüche an euch selbst erlebt und bald werdet ihrs noch mehr. Ihr sehet nämlich, daß ihr bald durch diese Wüste hindurch seid, dann werdet ihr in eine Stadt kommen, die ihr in Kurzem vor Euch werdet liegen sehen. In dieser Stadt werdet ihr einen harten Angriff von Feinden erfahren, und sie werden das Äußerste aufbieten, um euch zu tödten. Nun seid dessen versichert, daß Einer von Euch, vielleicht ihr Beide, das Zeugniß, woran ihr haltet, mit dem Blute versiegeln muß, aber seid getreu bis in den Tod, so wird der König euch die Krone des Lebens geben. 12) Derjenige von euch, welcher dort sterben muß, wird — obgleich sein Tod kein natürlicher und seine Qualen vielleicht groß sein werden — doch besser daran sein, als der Andere: nicht nur um deßwillen, daß er eher in der himmlischen Stadt anlangt als sein Gefährte, sondern weil er auch vielen Mühseligkeiten entgeht, die den andern auf seiner weitern Wallfahrt treffen werden. Wenn ihr aber zu der Stadt gekommen seid und ihr erfüllt sehen werdet, was ich euch zuvor gesagt, dann gedenket eures Freundes, und seid männlich und stark und befehlet eure Seelen Gott, als dem treuen Schöpfer in guten Werken. 13)

1)
1 Chron. 13,18.
2)
Joh. 4,36.
3)
Matth. 10,22.
4)
Gal. 6,9.
5)
1 Kor. 9,24-27.
6)
Offenb. 3,11.
7)
Hebr. 12,4.
8)
Jerem. 17,9.
9)
Jes. 50,7.
10)
Apgsch. 20,23.
11)
Apgsch. 14,22.
12)
Offenb. 2,10.
13)
1 Kor. 16,13. 1 Petr. 4,19.