Kleinglaubens Art und Treiben.
Abermals schlief ich ein und träumte: ich sah die zwei nämlichen Pilger die Berge hinab auf dem angewiesenen Wege zur Stadt hingehen. Unten an diesen Bergen liegt an der linken Seite das Land Einbildung; von da aus geht ein etwas schmaler krummer Weg auf die Straße, die unsere Pilger wandelten. Hier nun begegneten sie einem lebhaften Jüngling, der aus jenem Lande kam; Unwissend war sein Name.
Christ fragte ihn: „Woher kommst du? und wohin willst du?„
Unwissend. Mein Herr, ich bin gebürtig in dem Lande, das hier ein wenig links abwärts liegt und will nach der himmlischen Stadt.
Chr. Aber wie meinst du denn wohl durch die Pforte hindurch zu kommen; du könntest doch einige Schwierigkeiten dort finden.
Unw. Ich denke so gut durchzukommen, wie andere rechtschaffene Leute auch.
Chr. Aber was hast du denn an der Pforte vorzuzeigen, daß man dir dieselbe aufmacht?
Unw. Ich kenne den Willen meines Herrn und habe ein rechtschaffenes Leben geführt; ich gebe Jedem das Seinige, ich bete und faste, ich bezahle gehörig meine Abgaben und gebe Almosen, und ich habe mein Vaterland verlassen, um in die himmlische Stadt zu gelangen.
Chr. Allein du bist nicht durch die enge Pforte gekommen, die am Anfange dieses Weges ist. Du kamst vielmehr hieher auf dem schmalen krummen Wege, und darum fürchte ich, was du auch von dir halten magst, daß man dich am Tage der Rechenschaft für einen Dieb und Mörder erklären wird, statt dich in die himmlische Stadt einzulassen.
Unw. Meine Herren, ihr seid mir gänzlich fremd, ich kenne euch nicht. Folget ihr der Religion eures Landes und ich will der meinigen nachleben. Ich hoffe, es wird Alles gut gehen. Was aber die Pforte anlangt, von welcher ihr redet, so weiß ja alle Welt, daß sie von unserm Laude weit entfernt ist. Ich glaube nicht, daß irgend Einer in unserer ganzen Gegend auch nur den Weg dahin weiß; auch liegt gar Nichts daran, ob man ihn weiß oder nicht, denn wir haben, wie ihr sehet, einen schönen, angenehmen und grasigen Weg, der auf der kürzesten Strecke zu dieser Straße hinführt.
Als Christ merkte, daß der junge Mann sich auf seine Weisheit Etwas einbildete, flüsterte er Hoffnungsvoll zu: An einem Narren ist mehr Hoffnung, denn an ihm 1) — und ferner: ob der Narr auch selbst närrisch ist in seinem Thun, so hält er doch Jedermann für einen Narren. 2) Was sollen wir thun? Sollen wir noch ferner mit ihm reden oder jetzt von ihm abgehen, damit er über das, was er gehört hat, weiter nachdenken kann, und wir etwa dann späterhin sehen, ob wir etwas
Gutes bei ihm auszurichten im Stande sind? Da sagte Hoffnungsvoll:
Unwissend mag nun eine Welle sinnen
Ob dem, was er gehört, — um zu gewinnen
Aus gutem Rath, was Noch ihm thut,
Damit er nicht verscherz' der Seelen höchstes Gut.
Wer nicht in Gottes Wort sucht recht hlneinzudringen,
Der täuscht sich selbst und wird niemals das Heil erringen.
Hierzu bemerkte Hoffnungsvoll noch ferner: Ich glaube, es ist nicht gut, ihm Alles auf einmal zu sagen; laßt uns jetzt vor ihm hergehen und ihm von Zeit zu Zeit so viel sagen, wie er ertragen kann.
So gingen denn Neide voran, und Unwissend folgte ihnen nach. Als sie ihm um eine kleine Strecke vorausgekommen waren, traten sie in eine finstere Gasse, in der sie einem Manne begegneten, den sieben Teufel mit sieben starken Stricken gebunden hatten und den dieselben zu der Thüre zurück schleppten, welche die Pilger an der Seite jenes Hügels gesehen hatten. 3) Da fing Christ an zu zittern, und ebenso sein Gefährte Hoffnungsvoll. Doch sah Christ, als die Teufel den Mann wegführten, ob er denselben kenne. Nun meinte er, es wäre ein gewisser Abtrünnig aus der Stadt Abfall. Jedoch konnte er sein Gesicht nicht recht sehen, denn er ließ den Kopf hangen, wie ein ertappter Dieb. Als der Mann aber vorübergegangen war, sah Hoffnungsvoll ihm nach und entdeckte aus dem Rücken desselben einen Zettel, worauf geschrieben stand: „ein loser Bekenner und ein verdammter Abtrünniger.“
Christ sagte darauf zu seinem Gefährten: „Nun erinnere ich mich eines Vorfalls, der hier einem guten Manne begegnet sein soll. Der Name des Mannes war Kleinglaube; übrigens war er redlich und wohnte in der Stadt Aufrichtig. Der Vorfall war folgender: Beim Eingang in diese Gasse kommt von der Breitwegpforte ein Weg herab, der wegen der vielen Mordthaten, die schon darauf verübt worden sind, Todtmannsweg genannt wird. Als dieser Kleinglaube sich, wie wir jetzt, auf die Pilgrimschaft begab, geschah es, daß er sich dort niederließ und einschlief. Da ereignete es sich, daß gerade um diese Zeit drei handfeste Schurken von der Breitwegpforte herabkamen; sie hießen: Zaghaft, Kleinmuth und Schuld (drei Brüder). Als sie Kleinglaube erblickten, liefen sie in größter Hast auf ihn zu. Eben war der gute Mann aus seinem Schlafe erwacht und im Begriff, seine Reise fortzusetzen, als sie alle drei ihn überfielen und ihn mit drohenden Worten stille stehen hießen. Hierüber wurde Kleinglaube blaß vor Schrecken und war weder im Stande sich zu vertheidigen, noch auch zu fliehen. „Heraus mit deinem Beutel!„ rief Zaghaft ihm zu. Da er aber nicht eilig damit war (denn er wollte sein Geld nicht gern verlieren) rannte Kleinmuth auf ihn los, fuhr ihm mit der Hand in die Tasche und zog einen Beutel mit Silber heraus. „Diebe! Diebe!“ rief Kleinglaube nun. Sofort schlug ihn aber Schuld mit einem schweren Knüttel, daß er zu Boden sank und dalag, wie Einer, der sich todt bluten will. Während dieser ganzen Zeit standen die Diebe bei ihm. Da sie aber endlich hörten, daß Jemand des Weges daherkam und befürchteten, es möchte ein gewisser Gnadengroß aus der Stadt Gutzuversicht sein, so machten sie sich„ davon und überließen den guten Mann sich selbst. Nach kurzer Zeit kam aber Kleinglaube wieder zu sich, stand auf und bemühte sich weiter zu kriechen. Dies war die Geschichte. “
Hoffn. Aber nahmen sie ihm denn Alles ab, was er hatte?
Chr. Nein; den Ort, wo er seine Juwelen hatte, durchsuchten sie nicht, und diese behielt er noch. Allein, wie mir gesagt wurde, war der gute Mann doch sehr bekümmert um seines Verlustes, denn die Diebe nahmen ihm den größten Theil seines Zehrgeldes. Das aber, was sie nicht bekamen, waren, wie gesagt, seine Juwelen.
Es war ihm zwar noch ein wenig Geld übrig geblieben, indessen reichte dies nicht bis zum Ende seiner Reise aus. Ja, er war, wenn ich recht unterrichtet bin, sogar genöthigt, unterwegs zu betteln, um sein Leben zu fristen; denn seine Juwelen verkaufen, mochte er nicht. Aber wie er auch bettelte und was er auch trieb, er mußte den größten Theil seiner Reise mit hungrigem Magen zurücklegen. 4)
Hoffn. Aber war es nicht ein Wunder, daß sie sein Zeugniß nicht von ihm bekamen, durch welches er den Zutritt zur Pforte des Himmels erlangt?
Chr. Wohl ist's ein Wunder; allein dies geschah nicht durch seine eigene Vorsicht; denn er ward so erschrocken, da sie ihn überfielen, daß er weder Überzeugung noch Kraft besaß, um irgend Etwas zu verbergen. Und so war es denn mehr durch die Güte der Vorsehung, als durch seine Bemühung, daß sie nicht an jenes köstliche Ding kamen. 5)
Hoffn. Allein es mußte doch ein Trost für ihn sein, daß sie ihm diesen Schatz nicht abgenommen hatten.
Chr. Es würde ihm gewiß ein Trost gewesen sein, wenn er ihn so gebraucht hätte, wie es seine Pflicht gewesen wäre; aber die, welche mir die Geschichte erzählten, sagten, er habe den ganzen Weg über wenig Gebrauch davon gemacht, und zwar deßwegen, weil er so verlegen geworden, als sie ihn des Geldes beraubt. Wirklich dachte er einen großen Theil seiner Reise hindurch nicht an den Schatz, und wenn derselbe ihm wohl einmal einfiel und er sich damit zu trösten im Begriff war, so kamen ihm die Gedanken an seinen Verlust immer wieder in den Sinn und dadurch wurde ihm denn aller Trost benommen.
Hoffn. Ach, der arme Mann! Dies mußte ihm großen Kummer verursachen.
Chr. Kummer? ja wohl, Kummer! Würde uns nicht ebenso zu Muthe sein, wenn es uns wie ihm ergangen, wenn wir ausgeplündert und überdieß verwundet wären, und dies noch obendrein an einem fremden Orte? Armes Herz! es ist ein Wunder, daß du nicht vor Kummer gebrochen bist. Man hat mir gesagt, daß er den ganzen übrigen Theil seines Weges mit bittrem Wehklagen zurückgelegt habe. Jedem, der ihm begegnete, erzählte er, wo und wie er geplündert worden, was er gethan und was er eingebüßt, wie er verwundet worden und kaum mit dem Leben davon gekommen sei.
Hoffn. Es ist übrigens zu verwundern, daß ihn die Noch nicht getrieben hat, einige von seinen Juwelen zu verkaufen oder zu verpfänden, um sich auf diese Weise Etwas zu seiner Erquickung auf der Reise anzuschaffen.
Chr. Wie unsinnig sprichst du doch! Wofür hätte er sie denn verpfänden, oder wem hätte er sie verkaufen sollen? In dem ganzen Lande, wo man ihn beraubte, wurden seine Juwelen für Nichts geachtet und ebenso konnte er die Erquickung, deren er bedurfte, dort nicht finden. Wenn ihm überdies am Thore der himmlischen Stadt seine Juwelen gefehlt hätten, so würde er (und das wußte er recht wohl) von seinem Erbtheil darin ausgeschlossen worden sein, und das wäre schlimmer für ihn gewesen, als wenn ihn zehntausend Diebe spitzbübisch überfallen hätten.
Hoffn. Warum bist du doch so scharf, lieber Bruder? Esau verkaufte seine Erstgeburt für ein Linsengericht,6) und diese Erstgeburt war sein größtes Kleinod. Und wenn er's nun so machte, warum denn nicht Kleinglaube auch?
Chr. Freilich verkaufte Esau seine Erstgeburt, und so thun es noch Viele und bringen sich dadurch, gleich diesem Nichtswürdigen, um den größten Segen, allein du mußt einen Unterschied zwischen Esau und Kleinglaube und der Lage machen, worin der Eine und der Andere waren. Esau's Erstgeburt sollte zum Vorbilde dienen, Kleinglaubes Juwelen aber nicht. Esau's Bauch war sein Gott; Esau's Gebrechen lag in seiner Fleischeslust; nicht so war es bei Kleinglaube der Fall. Auch hatte Esau nichts Anderes, als die Befriedigung seiner Lust im Auge; ich muß doch sterben, sagte er, was soll mir denn die Erstgeburt?7) Kleinglaube ward jedoch, wiewohl ihm nur ein kleiner Glaube überkommen, vor solcher Verirrung bewahrt, und daher achtete er seine Juwelen zu hoch, als daß er sie verkauft hätte, wie Esau seine Erstgeburt. Nirgends liesest du, daß Esau Glauben hatte, auch den kleinsten nicht. Kein Wunder deßwegen, wenn Einer, in welchem nur das Fleisch Macht hat, (wie es bei Allen ist, in denen kein Glaube Widerstand thut), dem Teufel seine Erstgeburt, seine Seele und sein Alles verkauft, denn solche Menschen sind wie ein Wild in der Brunst, das Niemand aufhalten kann. 8) Wenn sie ihren Sinn erst einmal auf die Befriedigung ihrer Lüste gesetzt haben, suchen sie dieselbe zu erlangen, es möge kosten was es wolle. Kleinglaubes Sinn war aber von anderer Art: er war auf göttliche Dinge gerichtet; er verlangte nach geistlicher Sättigung, von obenher. Wie hätte er denn bei solchem Sinne seine Juwelen verkaufen sollen, um sein Gemüth mit nichtigen Dingen zu füllen, selbst wenn auch Jemand dagewesen wäre, der sie gekauft hätte. Wird ein Mensch wohl einen Heller ausgeben, um seinen Bauch mit Heu zu füllen? oder kann man die Turteltaube bewegen, von einem Aase zu fressen, gleich einem Raben? Mag gleich der Ungläubige Alles, was er hat und sich selbst dazu für die Befriedigung seiner fleischlichen Lüste verpfänden, verschreiben oder verkaufen; so können doch die, welche Glauben, seligmachenden Glauben haben, und mag derselbe auch nur klein sein, Solches doch nicht thun. Deßwegen liegt hier, mein Bruder, dein Irrthum.
Hoffn. Ich sehe es ein; allein dein scharfer Tadel hatte mich beinahe ärgerlich gemacht.
Chr. Warum denn? Ich verglich dich nur mit gewissen muntern Vögeln, die noch mit der Schale auf dem Kopfe auf betretenen Pfaden hin und herlaufen; aber laß das gut sein, erwäge bloß die besprochene Sache, so wird Alles gut zwischen uns stehen.
Hoffn. Allem ich bin überzeugt, lieber Christ, daß diese drei Kerle nur eine Gesellschaft von Feiglingen sind. Was meinst du, würden sie sonst wohl davongelaufen sein, als sie Jemanden auf dem Wege kommen hörten? Warum faßte Kleinglaube denn nicht mehr Muth? Er hätte doch, meine ich, einen Kampf mit ihnen versuchen, und sich erst ergeben sollen, wenn keine Hülfe für ihn vorhanden gewesen wäre.
Chr. Daß sie wirklich Feiglinge sind, haben Manche schon gesagt, allein Wenige haben es ebenso zur Zeit der Anfechtung gefunden. Muth im Herzen hatte Kleinglaube keinen; aber ich merke ebenfalls an dir, lieber Bruder, hättest du dich an seiner Stelle befunden, so würdest du den Kampf eben nur versucht und dich dann ergeben haben. Allerdings kannst du jetzt, da die Feinde in gehöriger Entfernung sind, wohl groß thun, aber kämen sie dir so nahe wie Jenem, so würden sie dich auch schon auf andere Gedanken bringen.
Erwäge ferner, daß wiewohl sie nur herumstreichende Diebe sind, sie doch unter dem Könige des bodenlosen Abgrunds dienen, der, wenn es nöthig ist, ihnen selber zu Hülfe kommt und dessen Stimme ist wie die eines brüllenden Löwen. 9) Ich selbst bin, wie dieser Kleinglaube, angefallen worden und fand es in der Thal erschrecklich. Diese drei Spitzbuben überfielen mich, und da ich ihnen anfänglich wie ein Christ widerstand, so gaben sie nur einen Ruf von sich und sogleich kam ihr Meister herbei. Und in der That, ich hätte keinen Heller, wie man zu sagen pflegt, für mein Leben gegeben, wenn ich nicht, wie Gott es gerade wollte, mit einer erprobten Waffenrüstung angethan gewesen wäre. Obwohl ich nun so geharnischt war, fand ich es dennoch schwer, den Kampf zu bestehen wie ein Mann. Niemand weiß es, was uns in solchem Kampfe begegnet, als nur der, welcher selbst darin gewesen ist.
Hoffn. Gut, aber siehe, sie liefen ja, als sie eben nur vermutheten, daß Gnadengroß auf dem Wege sei.
Chr. Allerdings ist's wahr; sie sowohl wie ihr Meister haben oft die Flucht genommen, wenn Gnadengroß sich nur sehen ließ; daß ist aber auch kein Wunder, denn er ist einer von den Helden des Königs. Aber ich denke, du wirst auch einen Unterschied machen zwischen Kleinglaube und dem Königshelden. Nicht alle Unterthanen des Königs sind Helden, und können daher auch nicht, wenn's gilt, solche Heldenthaten verrichten, wie Jener. Kann man sich vorstellen, daß ein kleines Kind mit Goliath so verfahren werde, wie David? oder daß ein Zaunkönig so stark sei, wie ein Ochse? Einige sind stark, Andere schwach; Etliche haben großen, Etliche kleinen Glauben. Dieser Mann war einer von den Schwachen und deßwegen wurde er bald überwunden.
Hoffn. Ich wünschte um der Diebe willen, daß Gnadengroß statt Kleinglaube auf dem Platze erschienen wäre.
Chr. Wäre dies der Fall gewesen, so hätte er die Hände wohl voll haben mögen. Denn ich muß dir bemerken: obgleich Gnadengroß seine Waffen vortrefflich zu führen versteht, und er mit seinen Gegnern, so lange er sie mit dem Schwerte von sich entfernt halten kann, recht gut mit ihnen fertig wird: so wird es ihm doch schwer, wenn sie, nämlich Zaghaft und Mißtrauen oder ein Anderer auf ihn eindringen, sich vor dem Niederfallen zu bewahren. Liegt aber einmal Einer da, so weißt du wohl, was er dann noch ausrichten kann. Wer Gnadengroß recht in's Angesicht sieht, wird Narben und Hiebe darin bemerken, dadurch beweiset sich klar das, was ich so eben sagte. Ja, einmal hörte ich, daß er gesagt haben soll, und zwar grade als er in einem Kampfe war: „Wir erwegten uns auch des Lebens!„10) Wie brachten diese frechen Buben einen David zum Trauern, Klagen und Heulen! Wie einen Heman11) und Hiskias! wiewohl sie Helden waren zu ihrer Zeit. Sie mußten alle Kräfte aufbieten, wenn sie von denselben angefallen wurden, und nichts desto weniger wurden sie furchtbar mitgenommen. Petrus wollte einst versuchen, was er zu thun vermöchte, allein obgleich einige ihn den Fürsten der Apostel nennen, so trieben sie's doch also mit ihm, daß er sich zuletzt vor einer armseligen Magd fürchtete. gleich wider es klinget der Köcher und glänzet beides, Spieß und Lanze; es zittert und tobet und scharret in die Erde, und achtet nicht der Drommeten Hall. Wenn die Drommete klinget, spricht es: „Hui!“ und riecht den Streit von Ferne, das Schreien und Jauchzen der Fürsten. „12)
Überdies ist ihr König auf den ersten Laut da, denn er horcht beständig auf. Geht es ihnen aber einmal schlimm, so kommt er ihnen, wenn irgend möglich, sogleich zu Hülfe. Von ihm steht geschrieben: Wenn er sich erhebet, so entsetzen sich die Starken, und wenn er daher bricht, so ist keine Gnade da. Wenn man zu ihm will mit dem Schwert, so reget er sich nicht, oder mit dem Spieße, Geschoß und Panzer. Er achtet Eisen wie Stroh, und Erz wie faules Holz. Kein Pfeil wird ihn verjagen; die Schleudersteine sind ihm wie Stoppeln; den Hammer achtet er wie Stoppeln; er spottet der bebenden Lanze. 4) Was soll ein Mann in solch einem Falle thun? Freilich, wenn Einer bei jeder Gelegenheit Hiob's Roß und Geschick und Muth hätte, es zu reiten, so möchte er wohl große Dinge ausrichten. Denn „es stampfet auf den Boden und ist freudig mit Kraft, und ziehet aus den Geharnischten entgegen; es spottet der Furcht und erschrickt nicht und flieht vor dem Schwerte nicht. Wenn gleich wider es klinget der Köcher und glänzet beides, Spieß und Lanze; es zittert und tobet und scharret in die Erde, und achtet nicht der Drommeten Hall. Wenn die Drommete klinget, spricht es: „Hui!“ und riecht den Streit von Ferne, das Schreien und Jauchzen der Fürsten. “13)
Allein solche Fußgänger, wie ich und du sind, mögen nie wünschen mit einem Feinde zusammenzutreffen, noch uns auch rühmen, daß, wir's besser machen würden, als Andere, von denen wir hören, daß sie unterlegen sind, und ebenso wenig sollten wir uns auf unsere eigene Mannhaftigkeit etwas zu Gute thun, denn Solche kommen gewöhnlich am Schlimmsten weg, wenn sie in Anfechtung gerathen. Hier dient Petrus, von dem ich vorhin redete, allen Andern zum Exempel. Er wollte groß thun, ja er wollte es in seinem eitlen Sinne besser machen und besser zu seinem Meister stehen als alle andere Menschen; aber wer ist von jenen Schurken so niedergeworfen und besiegt worden, wie er? Deßwegen haben wir zwei Stücke zu beobachten, wenn wir vernehmen, daß solche Räubereien auf der Straße des Königs verübt werden.
Erstens müssen wir geharnischt hinausgehen und ja den Schild mit uns nehmen; denn, weil ihm dieser fehlte, konnte er, der so frisch den Speer gegen Leviathan einlegte, denselben nicht bezwingen. Denn haben wir den Schild nicht, so fürchtet Jener uns gar nicht. Ein tüchtiger Kämpfer ermahnt uns: Vor allen Dingen ergreifet den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöschen könnt alle feurige Pfeile des Bösewichts. 14)
Zweitens ist es auch gut, daß wir den König um sicheres Geleit angehen, ja, daß Er selbst uns begleiten wolle. Daher konnte David jauchzen, als er im finstern Thal des Todes wandelte,15) und Moses wollte lieber auf der Stelle sterben, als einen einzigen Schritt ohne seinen Gott weiter gehen. 16) O, lieber Bruder, wenn der Herr nur mit uns gehet, wie sollten wir uns dann fürchten vor viel hundert Tausenden, die sich umher wider uns legen! aber ohne Ihn werden die Stolzen unter die Erschlagenen fallet. 17)
Was mich anlangt, so war ich früher auch im Treffen; obgleich ich aber durch die Güte des Herrn noch am Leben bin, wie du flehest, so kann ich mich doch meiner Mannhaftigkeit nicht rühmen. Ich werde mich freuen, wenn ich solchen Angriffen nicht weiter ausgesetzt bin, wiewohl ich befürchte, daß wir noch nicht durch alle Gefahr hindurch sind. Indessen, da mich weder der Löwe noch der Bär verschlungen hat, so hoffe ich, daß Gott uns auch aus der Hand des nächsten unbeschnittenen Philisters befreien werde. 18)
Kleinglaube, ach du Armer! fielst in der Diebe Hände
Und wardst beraubt von ihnen. Denk', Gläub'ger stets daran
Und ring' nach größrem Glauben, daß sich dein Kampf zum Siege wende:
Dann schlägst zehntausend du, und sonst nicht Einen Mann.
So gingen sie einher, und Unwissend folgte hinter ihnen drein, bis sie an die Stelle kamen, wo sie einen Weg sahen, der in den ihrigen einlief und der ihnen ebenso gerade zu sein schien, wie der Weg, den sie gehen sollten. Hier wußten sie nun nicht, welchen von beiden sie nehmen sollten, denn beide schienen sich gerade vor ihnen hin auszudehnen. Darum standen sie stille, um zu überlegen. Während dies geschah, kam ein Mann an sie heran mit schwarzer Haut, aber in einem sehr hellen Kleide. 19) Er fragte sie: warum sie da ständen? „Wir wollen nach der himmlischen Stadt“ — sagten sie — „wissen aber nicht, welchen von diesen beiden Wegen wir einschlagen sollen. „ Da sprach der Mann: „Folget mir, denn ich will auch dorthin.“ Und so folgten sie ihm denn auf dem Wege, der hier in die Straße einlief und sie jemehr und mehr von der Stadt, nach welcher sie zu gehen wünschten, abführte, so daß sie dieselbe in kurzer Zeit aus dem Gesichte verloren. Aber nach und nach führte der Mann sie, ehe sie sich's versahen, in ein Netz hinein, in welches sie beide so verstrickt wurden, daß sie nicht wußten, was sie anfangen sollten. Zugleich ließ der schwarze Mann sein weißes Kleid fallen. Da erkannten sie denn, wo sie sich befanden. Darum lagen sie eine Weile da und weinten laut, denn sie konnten sich selbst nicht losmachen. „Nun sehe ich,„ sagte Christ zu seinem Gefährten, „daß ich mich selbst im Irrthum befinde. Ward uns nicht von den Hirten geheißen, daß wir uns vor dem Schmeichler hüten sollten? Heute erfuhren wir, wie wahr der Weise spricht: Wer mit seinem Nächsten heuchelt, der bereitet ein Netz zu seinen Fußstapfen. 20)
Hoffn. Sie gaben uns auch eine Beschreibung des Weges mit, damit wir uns um so sicherer daraus zurecht finden möchten; allein wir haben vergessen hineinzusehen und uns vor dem Wege des Verderbens nicht gehütet. Da war David weiser, als wir, indem er spricht: Ich bewahre mich in dem Wort deiner Lippen vor Menschenwerk auf dem Wege des Mörders. 21)
So lagen sie nun in dem Netze und seufzten über sich selbst. Endlich bemerkten sie einen Glänzenden, der eine Geißel von kleinen Schnüren in seiner Hand hielt und auf sie zukam. Als er die Stelle erreicht hatte, an der sie waren, fragte er sie: woher sie kämen und was sie da machten. Sie sagten ihm, sie wären arme Pilgrime, die nach Zion wollten, ein schwarzer Mann in einem weißen Kleide habe sie von ihrem Wege abgeführt; er habe sie ihm folgen heißen und gesagt, er gehe ebenfalls dorthin. Hierauf bemerkte der mit der Geißel: „es ist Schmeichler, ein falscher Apostel, der sich verwandelt hat in einen Engel des Lichts. 22) Hieraus zerriß er das Netz und ließ die beiden Männer hinaus und sagte zu ihnen: „Folget mir, damit ich euch wieder auf euren Weg bringe.“ Und somit führte er sie wieder auf den Weg, welchen sie verlassen hatten, indem sie dem Schmeichler gefolgt waren. Der Glänzende fragte sie darnach: „wo habt ihr die verwichene Nacht zugebracht?„ Sie sagten: „Bei den Hirten auf den lieblichen Bergen. “ . Da fragte er weiter: „Habt ihr nicht eine Beschreibung des Weges bei euch?„ „Ja“, antworteten sie. „Aber,„ fuhr er fort, „habt ihr. denn diese Beschreibung nicht herausgezogen und sie gelesen, wenn ihr einmal stehenbliebt? „Nein“, antworteten sie. „Und warum denn nicht?„ fragte er. „Wir vergaßen es,“ erwiederten sie. Da fragte er weiter: „Haben die Hirten euch nicht geheißen, vor dem Schmeichler auf der Hut zu sein?„ Und sie sprachen: „Allerdings, indessen konnten wir nicht denken, daß dieser Mann, mit seinen lieblichen Worten, es selbst sei.“23)
Hierauf sah ich in meinem Traume, daß er ihnen befahl, sich niederzulegen. Nachdem sie dies gethan, züchtigte er sie scharf, um ihnen den guten Weg zu lehren, den sie wandeln sollten;24) — hiebei sagte er: Welche ich lieb habe, die züchtige ich. So sei nun fleißig und thue Buße. 25) Sodann hieß er sie ihres Weges weiter gehen und genau achten auf die übrigen Vorschriften, die ihnen die Hirten gegeben hatten. Die beiden Pilger bedankten sich nun sich nun für alle Güte, die er ihnen erwiesen und gingen langsam weiter auf dem rechten Wege, indem sie den Gesang anstimmten:
Komm Wandrer, der du willst zur Himmelsstadt,
Merk', wie's den Pilgern ging, die sich verirrten;
Sie kamen in ein Netz auf dem verbotnen Pfad,
Und dies, weil sie nicht folgten weisem Rath.
Wohl wurden von dem Netz sie wieder frei,
Doch ohne Zücht'gung nicht — sieh', daß es dir zur Warnung sei!