Brenz, Johannes - Aus was Ursach Glück und Unglück entstehe.

Gleichwie fast Jedermann in diesem Stück eins ist, daß man bekennt einen höchsten Gott, und fehlet doch der größte Hauf an dem Mittel, dadurch man Gott erkennet, erlang oder zu ihm komm’: also auch ist fast Jedermann in diesem Stück eins, daß alles Unglück und Glück, oder wie die Schrift eine Weis’ hat zu reden, Segen und Vermaledeyung von Gott komme. Aber in der Ursach und Mittel, warum solches Unglück geschehe, theilt es sich fürnehmlich in drei Parteien, nachdem ein jegliche Partei ihr eigen Straßen hat, zu Gott zu kommen, wiewol eins Theil gar fälschlich.

Der Heid, Gleißner oder Antichrist hat sein Ursach und Meinung; er holt sie aus seiner Vernunft oder gleißnerischen Gottesdiensten. Mose hatte seine Ursach des Glücks oder Unglücks, bringt aber seine Meinung aus dem göttlichen Gesetz. Der Christ hat auch sein Ursach, er holt aber sein Meinung in Christo, in dem Evangelio. Nun so wenig durch Vernunft Gott erkannt wird, sondern allein durch das Wort oder Christum: also wenig mag die Ursach des Glücks oder Unglücks in der Vernunft oder den eigenen Gottesdiensten erholt werden. Man kann ja den Rath Gottes, daraus er Glück und Unglück zuschickt, nirgend her erkündigen, dann aus seinem eigenen Wort, daran man allein ihn und sein Meinung lernet erkennen.

Es ist freilich kein Neues, daß die Vernunft und Gleißnerei das Glück und Unglück dem vollbrachten oder unterlassenen Gottesdienst zuschreiben. Es ist ein alt Geschrei in der heiligen Schrift, auch andern Historienanzeigen. (Nun werden Hosea, Jeremia, Valerius Maximus, Eusebius, Paulus Diaconus angeführt und fortgefahren.)

Aus diesen erzählten Geschriften und Historien sieht männiglich, daß es kein neu Geschrei ist, wann der bös Hauf schreit: es ist kein Glück im Land, dieweil die neuen Prediger sind aufgestanden. Item es geschieht dem und jenem recht mit seinem Unfall, Gott straft ihn, er ist auch evangelisch etc.

Der Teufel hat solch Geschrei anfänglich geübt durch die gleißnerischen Juden, nachmals durch die abgöttischen Heiden. So ist es kein Wunder, daß er jetzung zu unseren Zeiten gleichförmig Klassen anricht durch die Antichristischen, vermeint, er woll damit das Wort Gottes in ein Scheu und Feindschaft bringen.

Woher kommt denn aber Unglück und Glück, Segen und Schaden? Wer nit fehlen will in dem Urtheil, der muß die Ursach erfahren aus dem Gesetz Gottes, wie Mose durch den heiligen Geist anzeigt Lev. 18.: Wer das Gesetz hält, der wird dadurch leben, er wird Glück und Heil haben; Deuter. 27.: Verflucht sei, der nit bleibt in dem Wort des Gesetzes und (es) nit vollbringt mit dem Werk. Daher verkündigen die heiligen Propheten aus dem göttlichen Gesetz zukünftige Zerstörung Juda und Israel des Lands und Stadt Jerusalem. Warum? Es war von den Juden gefehlet am Glauben, daraus sich erhuben abgöttische Gottesdienste. Es war auch gefehlet an der Liebe, daraus mancherlei ungebürliche Gewebe und finanzische Tücke entstanden waren. Die Gleißner sagten auch dazumal (wie Jeremias C. 44. bezeugt):dieweil die neuen Prediger oder Propheten auf waren gestanden, es wär kein Glück im Land. Wes war aber die Schuld des Unglücks? So nun auch zu unsern Zeiten Krieg und ander Unglück entstehen, was ist die Schuld? Der Prediger? Lehren sie doch das Wort Gottes. Woher kommt’s dann? Ohne Zweifel aus dem, daß man vom Glauben durch Götzendienst, und von der Liebe durch seltsame Fündlein so lange Zeit gewichen ist. Also ist eben das die Ursach des Unglücks, das die Gottlosen für Ursach des Glücks anziehen. Und herwiederum ist das die recht Ursach des Glücks, das die Gottlosen für Ursach des Unglücks vorwenden.

Wie gehet es dann aber zu, daß die Straf oder das Unglück eben jetzt trifft den gläubigen Frommen, durch Christum gerechtfertigten, und das Glück auf den boshaftigen Ungläubigen fällt?

Da muß man nit dem Gesetz, sondern dem Evangelio nachrennen, welches urtheilt nach dem Glauben. So ist das Unglück von Gott zugeschickt nit als ein Straft der Sünd’ wie im Gesetz, sondern wie ein Kreuz, und legt Gott das Kreuz einem jeglichen Christen in keiner andern Meinung auf, dann wie er’s seinem Sohn Jesu Christo aufgelegt hat. Es ist ja Niemand getödtet worden, dann er und ist doch auch Niemand je und je billiger, rechter und schuldiglicher getödtet worden, dann er, dieweil er sich beladen hat mit aller Menschen Sünd. Demnach schickt Gott einem Christen Unglück zu nit als ein Straf, sondern als ein Bewährung des Glaubens. Wiewohl so Gott will Sünd ansehen, wird Niemand bestehen. Aber in dem Evangelio, an dem Glaubigen so von dem Gesetz erledigt, sieht er nit Sünd an, sondern sieht an seinen Sohn Christum, den er findet in des Christen Herzen. Was nun dem, so Christum, das ewig Wort Gottes durch den Glauben trögt, für ein Plag überfället, ist alles unschuldiglich zugeschickt (wie das ganz Buch Hiob bezeugt) allein zur Prob und Bewährung, auch damit göttliche Gewalt anzuzeigen, auf daß Jedermann klärlich sehe, wie Gott die Seinen mitten in Jammer, Angst und Noth, auch im Tod erhalten könne, daß sie nit zu Grund fallen. So gilt Mosis Urtheil nit auf die Glaubigen, gilt aber noch wol auf die Unglaubigen, unter dem Gesetz Begriffenen, die noch Christum durch den Glauben nit erkennen. Aber des Evangelii Urtheil ist gerichtet auf die Christen, denen alles Unglück von Gott nit mehr zorniglich, sondern gnädiglich wird zugeschickt, wie es geschrieben stehet Röm. 8. Dem Glaubigen steuern alle Ding zu Gutem. Amen.

Aus dem Anhang der „Fragstücke des christlichen Glaubens für die Jugend zu Schwebischen Hall“ (vom Jahr 1528) betitelt: Etlich Tractetli (Tractätlein) durch Johann Brentz Ecclesiasten zu Schwebischen Hall beschrieben. (1528.)