Johannes Brenz - 3. Sonntag nach Trinitatis.

Luk. 15, 1-10.

Es nahten aber zu ihm allerlei Zöllner und Sünder, dass sie ihn hörten. Und die Pharisäer und Schriftgelehrten murrten, und sprachen: Dieser nimmt die Sünder an, und isst mit ihnen. Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis, und sprach: Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat, und so er deren Eins verliert, der nicht lasse die neun und neunzig in der Wüste, und hingehe nach dem verlorenen, bis dass er es finde? Und wenn er es gefunden hat, so legt er es auf seine Achseln mit Freuden. Und wenn er heim kommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn, und spricht zu ihnen: Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war. Ich sage euch: Also wird auch Freude im Himmel sein über Einen Sünder, der Buße tut, vor neun und neunzig Gerechten, die der Buße nicht bedürfen. Oder, welches Weib ist, die zehn Groschen hat, so sie deren Einen verliert, die nicht ein Licht anzünde, und kehre das Haus, und suche mit Fleiß, bis dass sie ihn finde? Und wenn sie ihn gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen, und spricht: Freut euch mit mir; denn ich habe meinen Groschen gefunden, den ich verloren hatte. Also auch, sage ich euch, wird Freude sein vor den Engeln Gottes über Einen Sünder, der Buße tut.

Obschon das Evangelium, das wir gehört haben, jährlich nur an Einem Sonntage verlesen zu werden pflegt, muss es dennoch immer in unseren Herzen erklingen und von uns aufs fleißigste in Gedanken behandelt werden. Denn in diesem Evangelio weist Christus nicht bloß die Schmähungen der gottlosen Pharisäer ab, welche ihn schmähten, weil er die Sünder annähme, sondern ermuntert auch alle Menschen, zur Buße zu greifen und darin zu beharren während unserer ganzen Lebenszeit. Es ist, spricht er, Freude im Himmel über einen Sünder, der Buße tut.

Lasst uns nun sehen, wie man Buße tun muss, und den Nutzen und die Notwendigkeit der Buße hören, auf dass wir ermuntert werden, nach derselben zu trachten.

Diejenigen, welche bisher ihrer Sünden gedachten und Buße tun wollten, verließen, wenn sie Männer waren, ihren Beruf und gingen davon in irgend ein Karthäuser oder Franziskaner Kloster, und vermeinten durch Beobachtung einer Mönchsordnung Buße zu tun; waren es Frauen, so traten sie in Klöster, die irgendwo sich befinden, und Klöster der Büßenden heißen. Die Sache verhält sich jedoch ganz anders; denn auf solche Weise wird keine Buße getan, da bei der notwendigen Buße Niemand gezwungen wird, seine Lebensweise zu verlassen, welche an sich ehrbar gewesen ist, sondern es wird gefordert, dass du, in deinem ordentlichen und gesetzmäßigen Berufe bleibend, deine Sünden erkennst und dafür hältst, die ewige Verdammnis verdient zu haben; sodann, dass du glaubst, deine Sünden seien dir um Christi willen vergeben, und Christus sei dein Versöhner bei Gott dem Vater; dass du diesem Glauben gemäß in deinem Berufe nach guten Werken trachtest und die Sünden meidest, damit das Fleisch nicht über den Geist herrsche.

Das ist die wahre Buße, und was über die Änderung des ganzen Lebens gesagt wird, das muss man auch verstehen in Bezug auf die Änderung einer oder der anderen Art von Sünde, welcher Jemand insonderheit und vor Anderen unterworfen ist. So Jemand z. B. häufig flucht oder verleumdet, der erkenne, um Buße zu tun, die Schwere seiner Sünde, glaube, dass Christus sie gesühnt habe, und hüte sich danach, dass er nicht sündige, sondern rede, was zur Erbauung des Nächsten dient. In dieser Buße sollen wir nicht nur zu einer Zeit des Jahres, sondern unsere ganze Lebenszeit hindurch stehen. Denn möchte es auch Jemanden gegeben haben, der keine äußerliche Todsünde getan hätte, so trägt doch ein Jeglicher immer die Erbsünde mit sich umher, welche immerdar ihre Früchte bringt. Denn „das Fleisch gelüstet immer wider den Geist;“ immer also muss man Buße tun, d. h. die Gottlosigkeit des Fleisches immer erkennen, und glauben, dass sie uns um Christi willen nicht zugerechnet werde, und dem Fleische Widerstand tun, damit wir seine Leidenschaften unterdrücken und Gutes tun. Denn dass wir zur Buße, als zu einer Allen und jedem Einzelnen gemeinsamen Pflicht und, so zu sagen, als zu unserer Arbeit, berufen sind, das bezeugt die erste Predigt Johannes des Täufers, Christi und seiner Apostel. Denn diese alle rufen uns mit Einem Munde zu der Buße und sagen: „Tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.“

In Betreff der äußerlichen Pflichten hat Einer diesen, ein Anderer jenen Beruf: Der Eine ist Obrigkeit, der Andere Untertan; der Eine ist Kaufmann, der Andere Künstler. Darin liegt ein gewisser äußerlicher Unterschied, aber in der Berufung zum Christentum ist Allen und den Einzelnen Eine Pflicht von Gott auferlegt, nämlich Buße zu tun. Dazu wird ein König nicht minder berufen, als ein Schafhirt. Daher sagt auch Christus selbst: „Ich bin nicht gekommen, die Gerechten, sondern die Sünder zur Buße zu rufen.“ Um uns diese Berufung zu offenbaren, ist Christus vom Himmel hernieder gekommen und hat sich dem Kreuzestode überantwortet. Gleicherweise auch Paulus 1. Tim. 1,15: Das ist je gewisslich wahr und ein teuer wertes Wort, dass Christus Jesus gekommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen,“ d. h. sie zur Buße, welche der Weg des Heils ist, zu berufen. Da nun Solches unser allgemeiner Beruf ist, so müssen wir Nichts eher tun, als diesem Berufe Folge leisten und immerdar Buße tun. Und wir dürfen keine Ausflüchte suchen und sagen, da werde von uns Etwas gefordert, was unseren Kräften unmöglich sei. Denn obgleich wir, was unsere Kräfte anlangt, ganz in Sünden versunken sind, und nicht von uns selbst aus ermuntert werden, Buße zu tun und zu vollbringen, so hat uns doch Gott, was bei Menschen unmöglich ist, nicht nur möglich, sondern auch leicht gemacht. 1. Joh. 4,10: „Darin steht die Liebe, nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat, und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden.“

Christus hält uns im heutigen Evangelio zwei gar schöne Abbilder dieser Sache vor. Das eine ist von dem Menschen, der von hundert Schafen eines verloren hat. Ein Schaf kehrt nicht freiwillig zu seinem Stalle zurück, wenn es sich verirrt hat, und läuft nicht dem Hirten nach, sondern der Hirt läuft dem Schafe nach und, wenn er es findet, legt er es auf seine Achseln, und trägt es zum Stalle zurück. So sind wir verlorene Schafe, und kehren nicht aus eigenen Kräften zum Himmel zurück. Gott aber ist so gütig, und eilt uns nach vermöge der Sendung seines eingeborenen Sohnes, der uns auf seine Achseln nimmt, unsere Sünden auf sich nimmt, sich für uns dem Kreuze und dem Tode preisgibt, sein Evangelium über den ganzen Erdkreis verbreitet, und durch das Evangelium sich ganz uns schenkt, und in sich auch den Heiligen Geist, durch dessen Kraft wir auf Christi Achseln gelegt und zum Stalle zurückgetragen werden. Denn indem wir durch das Evangelium den Heiligen Geist empfangen, werden wir durch seine Kraft getrieben, an Christum zu glauben und auch Buße zu tun. So leicht es also einst war, in Sünden zu leben, so leicht wird es danach durch den Heiligen Geist, der in uns ist, Buße zu tun, weil wir glauben und auf Christi Achseln gelegt sind.

Das zweite [Abbild] ist von dem verlorenen Groschen. Ist derselbe verloren, so kehrt er nicht freiwillig zu dem Geldbeutel zurück, sondern man zündet ein Licht an, er wird gesucht, das Haus wird gekehrt und, ist er endlich gefunden, so wird er zurückgebracht, geht aber nicht selbst einher. So sind auch wir nicht bloß eine verlorene, sondern eine in Schlacke verwandelte Münze. Wir waren einst golden, jetzt sind wir kupfern. Nun also sucht uns Christus durch sein Evangelium und, hat er uns gefunden, so verwandelt er uns wieder in Goldstücke, d. h. er erneuert uns auf irgend eine Weise zu dem durch die Sünde verlorenen Bilde Gottes, und stellt uns wieder her als lauteres Gold. Also wird, was uns unmöglich war, uns leicht durch das Evangelium Christi, wodurch wir mit dem Heiligen Geiste beschenkt werden, damit wir Buße tun. Denn siehe doch nur einmal zu, welche Vorteile, welche Glückseligkeit die Buße bringt! Denn da wir durch die Sünde Satans Bild geworden sind, werden wir durch die Buße wieder zum Bilde des Sohnes Gottes gemacht. Bei der Buße nämlich glauben wir an Christum, dass wir durch ihn errettet sind; durch den Glauben aber wird uns Christus geschenkt, auf dass wir zu seinem Bilde erneuert werden. Daher werden wir durch die Buße dem Sohne Gottes ähnlich. Wie viele (sagt Johannes) ihn aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, die an seinen Namen glauben“ (Joh. 1,12). An Christum aber glauben ist ein Stück der Buße. Kurz die Buße gibt uns der Gerechtigkeit und dem ewigen Heile zurück; denn so wir durch die Buße Christum empfangen und Christus der unsere wird, dann wird uns auch seine Gerechtigkeit von Gott zugerechnet und uns wegen der Gerechtigkeit Christi das ewige Leben geschenkt.

Was mehr? Auch der Vorteil folgt der Buße nach, den Christus im heutigen Evangelio aufzählt: „Es wird Freude (sagt er) vor den Engeln sein über Einen Sünder, der Buße tut.“ Was ist aber schöner, was lieblicher, als den ganzen himmlischen Chor, alle heilige Erzväter und Engel, mit Freude erfüllen? Du erfüllst sie nicht mit Freude, wenn du deinen Beruf aufgibst und in die Wüste fliehst, sondern wenn du in deinem ehrbaren Berufe bleibst und Buße tust; denn es ist kein anderer Weg zum Heil übrig, als die Sinnesänderung oder Buße. Du kannst nicht in das Himmelreich kommen, es sei denn durch Buße; du musst notwendig Buße tun, und zwar deine ganze Lebenszeit hindurch. So sind die Erzväter, so die Propheten, so die Apostel, so alle Frommen, die Sünder gewesen sind, in das Himmelreich gekommen.

Wir sollen also Buße tun, weil wir dazu berufen sind; wir können sie aber auch tun, weil uns Christus auf seine Achseln legt. Die Vorteile der Buße müssen beachtet werden: wir haben nötig Buße zu tun, wenn wir nur das Heil erlangen wollen. Also müssen wir uns bemühen, nach dem Heile zu trachten, auf dass wir das Heil erlangen durch Buße in Christo Jesu, unserem Herrn, der da ist Gott, hochgelobt in Ewigkeit. Amen.