1542.
Matth. 22, 1-14.
Und Jesus antwortete, und redete abermals durch Gleichnisse zu ihnen, und sprach: Das Himmelreich ist gleich einem Könige, der seinem Sohne Hochzeit machte; und sandte seine Knechte aus, dass sie die Gäste zur Hochzeit riefen; und sie wollten nicht kommen. Abermals sandte er andere Knechte aus, und sprach: Sagt den Gästen: Siehe, meine Mahlzeit habe ich bereitet, meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet, und Alles bereit; kommt zur Hochzeit. Aber sie verachteten das, und gingen hin, Einer auf seinen Acker, der andere zu seiner Hantierung. Etliche aber griffen seine Knechte, höhnten und töteten sie. Da das der König hörte, ward er zornig, und schickte seine Heere aus, brachte diese Mörder um, und zündete ihre Stadt an. Da sprach er zu seinen Knechten: Die Hochzeit ist zwar bereitet, aber die Gäste waren es nicht wert. Darum geht hin auf die Straßen, und ladet zur Hochzeit, wen ihr findet. Und die Knechte gingen aus auf die Straßen, und brachten zusammen, wen sie fanden, Böse und Gute. Und die Tische wurden alle voll. Da ging der König hinein, die Gäste zu besehen; und sah allda einen Menschen, der hatte kein hochzeitlich Kleid an, und sprach zu ihm: Freund, wie bist du herein gekommen, und hast doch kein hochzeitlich Kleid an? Er aber verstummte. Da sprach der König zu seinen Dienern: Bindet ihm Hände und Füße, und werft ihn in die äußerste Finsternis hinaus, da wird sein Heulen und Zähneklappern; denn Viele sind berufen, aber Wenige sind auserwählt.
Das heutige Evangelium ist zwar leicht zu besprechen, enthält jedoch mehr in sich, als es auf den ersten Anblick zur Schau trägt. Denn so man es recht betrachtet, wird man sehen, dieser Abschnitt sei ein Auszug und Inbegriff der Geschichtsbücher der ganzen Welt in Bezug auf die Religion. Viele Geschichtsbücher gibt es, worin mit langem Wortschwall beschrieben wird, was von Anbeginn des Erdkreises und in den hauptsächlichsten Staaten dieser Welt getan worden ist; und zwar gehen uns die, welche weltliche Dinge behandeln, in dieser Hinsicht nichts an. Diejenigen aber, welche die heilige Religion beschreiben, müssen wir am allermeisten beachten, da wir nun einmal nur durch die wahre Religion gewisses und ewig unveränderliches Heil gewinnen können. Da nun das heutige Evangelium eine Übersicht und ein sogenannter Auszug der Geschichtsbücher ist, die überliefert haben, was von Anbeginn der Welt in Bezug auf die Religion getan worden ist, oder auch, was künftig in gewisser Beziehung geschehen wird: so muss es1) uns höchst willkommen sein. Dazu kommt noch, dass es uns antreibt, nicht nur nach dem äußeren Schein der Gottseligkeit, sondern nach der wahren, lauteren Gottseligkeit selbst zu trachten; außerdem verwahrt es den Herrn unseren Gott gegen die Lästerungen der Gottlosen, welche Gott anklagen, weil er die Menschen ungerecht verdamme. Da nun der Nutzen des heutigen Evangeliums so groß ist, wird es gewiss wert sein, dass man es fleißig betrachte. Wir haben zu Anfang aber gesagt, es sei ein Auszug der Geschichtsbücher der ganzen Welt in Bezug auf die Religion; das muss also gezeigt und bewiesen werden.
„Das Himmelreich“ spricht Jesus „ist gleich“. Das Himmelreich ist Sache der wahren Religion, durch das wir Gerechtigkeit und himmlische Herrlichkeit gewinnen. Was ist also in dieser Sache von Anfang dieser Welt an geschehen? In Wahrheit dasselbe, was bei königlichen Hochzeiten zu geschehen pflegt. Denn so irgend ein König seinem Sohne Hochzeit macht, pflegt er lange zuvor die Gäste einzuladen und ihnen kostbare Gastmähler vorzubereiten, auf dass die Hochzeit mit großer Lust und Wonne gefeiert werde. So hat auch der Herr unser Gott seinem eingeborenen Sohne, unserem Herrn Jesu Christo, eine Hochzeit veranstaltet und ihm die ganze Kirche ehelich verbunden. Das Gastmahl dieser Hochzeit ist das ewige Leben, das Himmelreich und die ewige Seligkeit. Er hat aber solche Hochzeit nicht erst dann veranstaltet, als Christus Mensch geworden ist, und seine Apostel ausgesandt hat in alle Welt zur Predigt des Evangeliums, sondern hat sie veranstaltet, ehe denn der Grund der Welt gelegt, ehe denn der Mensch erschaffen war. Denn Paulus sagt Eph. 1,4: „Er hat uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war.“ Diese Hochzeit hat Gott vorgebildet, als er das Weib aus der Rippe Adams schuf und sie ihm zur Gattin gab. Dieses Geheimnis sagt Paulus ist groß. Die Ehe zwischen Mann und Weib, welche Gott von Anfang an verordnet hat, ist eine Predigt von der Hochzeit zwischen Christo und seiner Kirche. Deshalb darf man nicht meinen, die Religion der wahren Christen lasse sich vergleichen mit den Religionen der Heiden oder der Sarazenen oder der Türken, oder der Heuchler sowohl unter den Juden als unter den Christen. Denn diese Religionen sind durch die menschliche Vernunft erdacht und erdichtet, unsere Religion von Christo aber ist von Ewigkeit her bestimmt, und uns von Anbeginn der Welt göttlich überliefert.
Was ist nun geschehen, nachdem Gott der Vater die Hochzeit zwischen seinem Sohne und der Kirche gemacht hatte? Da hat er seine Knechte ausgesandt, dass sie den Gästen riefen. Denn alsbald zu Anfang der Welt hat er Adam, Seth, Noah und die anderen Erzväter ausgesandt, dass sie die Leute ihrer Zeit zu dieser Hochzeit beriefen. Da siehe einmal an, wozu Gott die Menschen auf Erden bestimmt hat und, was die Erzväter in ihren Familien getan haben. Allerdings ist das die Hauptpflicht der Menschen unter einander, dass Einer den Andern zur himmlischen Hochzeit einlade. Denn wir sind nicht geschaffen, nur um Früchte zu verzehren, sondern um Christum, den Bräutigam der Kirche, zu erkennen und uns vorzubereiten zur Teilnahme an dem himmlischen Hochzeitsmahle. Und das war die Aufgabe der Erzväter, ihre Familien zu belehren über Christum, welchen sie nach der Verheißung den Weibessamen nannten, welcher der Schlange den Kopf zertreten sollte. In der heiligen Schrift steht sehr wenig über die Erzväter geschrieben, aber in dem heutigen Evangelio wird deutlich bezeichnet, dass es ihr hauptsächlichstes Werk gewesen ist, ihre Familie zur Hochzeit Christi und der Kirche einzuladen; d. h. sie haben ihren Nachkommen die wahre Religion des Glaubens an Christum gelehrt.
Was geschah aber? Die Eingeladenen wollten nicht kommen; sehr wenige kamen, die größte Menge jedoch weigerte sich zu kommen. Auch Noah lud ein; da aber seine Kinder sich über den ganzen Erdkreis verteilten, kamen sehr wenige; die ganze übrige Menge wollte nicht kommen, und daher stammen die abgöttischen Heiden. Auch Abraham lud ein, desgleichen Isaak und Jakob, allein die Eingeladenen wollten nicht kommen. Da hast du nun einen Auszug der Zeit, welche zuerst von der Erschaffung des Erdkreises an bis auf Mosen und die Propheten reichte. Was geschah denn zu ihren Zeiten? Abermals heißt es sandte er andere Knechte aus und sprach: Sagt den Gästen: Siehe, meine Mahlzeit habe ich bereitet, meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet, und Alles bereit; kommet zur Hochzeit!“ D. i. jene Zeit, die von Mose bis auf Christum und seine Apostel reichte. Nach Mose nämlich ist viel deutlicher durch die Propheten von Christo und der Kirche gepredigt worden, als zu den Zeiten der Erzväter. Am Allerdeutlichsten jedoch ward von Christo gepredigt, als er bereits in das Fleisch gekommen war, und von den Aposteln verkündigt wurde. Und das ist's, was er sagt: „Meine Mahlzeit habe ich bereitet“ rc. D. i. eine deutliche Predigt von Christo. Doch was geschah durch die Eingeladenen? Und welches Schicksal hatte die Sache. der himmlischen Hochzeit? Hier gibt es zwei Arten von Menschen; die Einen kümmerten sich nichts darum, sondern betrieben ihre Geschäfte: sie gingen hin heißt es Einer auf seinen Acker, der Andere zu seiner Hantierung.“ Was wollen wir dazu sagen? Ist es gottlos, für seine Äcker und Hantierungen Sorge zu tragen? An sich ist es nicht gottlos; allein über dieser Sorge die himmlische Hochzeit zu verabsäumen, zu deren Erlangung wir in diese Welt verordnet sind, das erst ist gottlos und verderblich. Andere haben die Einladung nicht nur verachtet, sondern auch die Knechte verhöhnt und getötet. So ist Jesaias, so Jeremias getötet, so sind Christus selbst, so auch die Apostel umgebracht worden. Deshalb ward der Herr zornig, und verderbte jene Mörder, und zündete ihre Stadt an. Also weissagt Christus über den Untergang Jerusalems, und Solches ist in der Tat erfüllt durch die Feldherren Vespasianus und seinen Sohn Titus. Da hast du einen Auszug der Zeit, die von Mose bis auf Christum und seine Apostel reichte.
Lasst uns nun hören, was nachher in Sachen der Religion geschehen ist. „Der Herr sprach zu seinen Knechten: Die Hochzeit ist zwar bereit; aber die Gäste waren's nicht wert. Die Knechte brachten Alle zusammen, so viele sie fanden, Böse und Gute, und die Tische wurden alle voll.“ D. i. jene Zeit, als die Apostel, in alle Welt ausgesandt, überall das Evangelium verkündigten, und die Kirche sammelten aus Juden und Heiden, aus Vornehmen und Geringen. In alle Lande ist ihr Schall ausgegangen, und die größte Menge der Menschen hat Christum so anerkannt, dass unter allen Völkern die äußerliche Abgötterei der Heiden abgeschafft und das Christentum angenommen ward; also heißen die Tische alle voll.
Doch wie? Sind Alle, die den Christennamen tragen, wahre Christen, und bleiben bei der himmlischen Hochzeit? Darüber heißt's weiter: „Da ging der König hinein, die Gäste zu besehen; und sah allda einen Menschen, der hatte kein hochzeitlich Kleid an, und sprach zu ihm: Freund, wie bist du herein gekommen?“ Der Mensch, der kein hochzeitlich Kleid anhat, ist nicht Ein Mensch, sondern eine sehr große Menge Menschen, welche die Taufe annehmen und das heilige Abendmahl, und die Predigten des Evangeliums hören, dabei aber doch nicht wahrhaft an Christum glauben und nach christlichen Tugenden trachten. Das hochzeitliche Kleid ist ferner die Zierde der Christen, Tugenden aus dem Glauben an Christum. Die Heuchler, so auf ihre Gerechtigkeit bauen, haben ein zersetztes Kleid an: Trunkenheit, Lästerung, Hurerei, Neid sind ihre zerfetzten Kleider. Haben sie diese abgetan, so müssen sie hochzeitliche Kleider anziehen. Denn dass es heißt: er verstummte, und dass er in die äußerste Finsternis hinausgeworfen wird, da Heulen und Zähneklappern sein wird, - ist eine Beschreibung des göttlichen Gerichtes. Denn wer nicht Christum mit sich bringt vor Gottes Gericht, der kann sich als Angeklagter nicht verteidigen, sondern verzweifelt, und wird darum in ewiges Unheil gestürzt.
Endlich wird hinzugefügt: „Viele sind berufen, aber Wenige sind auserwählt.“ Dieses Wort entschuldigt erstlich Gott, dass er Niemanden ungerecht verdamme, weil er Alle berufen hat, aber nicht Alle den Ruf annehmen und ihm folgen. Zweitens ist es nicht zu dem Zwecke bestimmt, dass es Streitigkeiten über Gottes verborgene Vorherbestimmung errege, weil Alle, die an Christum glauben, auserwählt und vorherbestimmt sind. Es ist auch nicht not, zu übertrieben darüber zu streiten, sondern es ist verordnet erstens wider die Verächter der himmlischen Hochzeit, um dieselben nämlich zu erinnern, dass, ob sie schon berufen sind, dennoch ihre Berufung nicht hinreicht, sondern erforderlich ist, ihre Verachtung von sich zu tun und auf ihre Berufung Acht zu haben. Zweitens ist es geredet wider die Verfolger, dass, ob sie schon den Namen der Kirche haben und berufen sind, es dennoch nicht hinreicht, sondern dass sie aus Verfolgern Bekenner, Helfer und sogar sogenannte Märtyrer werden müssen. Danach ist es geredet wider die Heuchler, die zwar berufen sind, und es genügt dennoch nicht, sondern sie müssen ihre Heuchelei und ihr Vertrauen auf ihre Werke rc. abtun. Endlich ist es geredet wider öffentliche, unbußfertige Sünder, welche, ob sie schon berufen sind, dennoch ihre Frevel abtun und in Gottes Berufung wandeln müssen.
Also ist das heutige Evangelium ein Auszug der Geschichtsbücher in Bezug auf die Religion, und ermuntert uns, dem Rufe zur himmlischen Hochzeit fleißig zu folgen in Christo Jesu, unserem Herrn, der da Gott ist von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.