Aus Brenz Erklärung des Briefes Pauli an Philemon
(Zu Philem. V. 15.)
Wie freundlich sucht der Apostel Paulus die Flucht des Onesimus, des Sklaven Philemons, den er ihm bekehrt zurückschicken darf, zu mildern! „Er ist von dir gekommen, und zwar ziemlich wertlos, um nun wertvoll wiederzukehren als ein lieber Bruder, und zwar mir besonders lieb!“ Philemon möge ihm Verzeihung gewähren und ihn um so freundlicher aufnehmen, als er das Verlorene mit Zinsen zurückerhalte. Oder würdest du unwillig, wenn die Jemand Blei entwendete und brächte dir dafür Gold? „Eine Zeitlang hattest du ihn verloren, um ihn für ewig zu gewinnen;“ darin liegt die heilsame, wohl zu beherzigende Regel, dass wir nach Gottes Ratschluss und Zulassung wohl der nützlichsten, und angenehmsten Dinge beraubt werden können, ohne dass wir darum glauben dürfen, Gott nehme sie uns, um uns zu verderben, um uns in Armut zu stürzen, sondern um uns das Verlorene durch viel Werthvolleres, wahrhaft Heilsames zu ersetzen. Dass wir doch nach dieser Norm unsere Wünsche einrichteten! Thun wir das nicht, so haben wir keine Ruhe, keinen Gleichmut im Unglück und bei Verlusten, die uns treffen. Glaube man nicht, dass das bloße Worte seien zur Beschwichtigung verwundeter Gemüter; sie enthalten die vollste Wahrheit und sind durch göttliche Verheißungen, durch offenbare Wunder und Beispiele bestätigt. Ist nicht vor Allem unser Herr Gott der höchste, beste Gott? von solcher Güte, dass er nicht das Uebel zuließe, wenn er es nicht als Mittel zu Gutem benützen wollte und könnte? Ja, Gott ist die Güte selbst. Fügt sie nun uns Etwas zu, wie könnte es ein Uebel sein? Uns mag es wohl nach unserer Fassungskraft bisweilen so erscheinen, aber Gott erscheint es ganz anders. Darum muss alles das, was uns nach göttlichem Rath und Willen genommen wird, uns heilsam sein. Ist es uns aber heilsam, was grämen wir uns? warum werden wir unwillig darüber? Sodann ist es von Alters her Gottes Gewohnheit, dass er sein Wirken nicht nach der Weise einrichtet, wie es die Welt in Ordnung findet, sondern ganz entgegengesetzt. Will er trösten, so schreckt er; will er Einen reich machen, so macht er ihn arm; will er lebendig machen, so tötet er. „Der Herr, spricht Hanna, tötet und macht lebendig, er führt in die Hölle und wieder heraus“ (1. Sam. 2,6.); und Hoseas (6,1.): „Kommt, wir wollen wieder zum Herrn; denn er hat uns zerrissen und wird uns auch heilen; er hat uns geschlagen und wird uns auch verbinden;“ ebenso Jesaias (28,21): „Der Herr tut sein Werk auf andere (befremdende) Weise, er vollbringt sein Geschäft auf andere (unerhörte) Weise.“ Wenn der Herr zulässt, dass uns das genommen wird, was uns nützlich und bequem scheint, so ist das ein befremdend Werk. Das geschieht aber nur, dass er sein Werk tue, nämlich uns viel Besseres, Heilsameres zu geben. ER nimmt, um es uns mit viel Besserem zu ersetzen. So spricht Christus (Matth. 19, 29.1): Wer verlässt Häuser, oder Brüder, oder Schwestern, oder Vater, Mutter, Weib, Kinder, Äcker um meines Namens willen, der wird's hundertfältig nehmen und das ewige Leben erben. Nun verlasse aber nicht bloß der das Seine, der in die Verbannung geworfen und dem um des Bekenntnisses Christi willen das Seine genommen wird, sondern auch der, der auf andere Weise seiner Habe beraubt wird, rechtmäßig oder unrechtmäßig, der aber seinen Verlust mit Gleichmut im Glauben erträgt und Gott die Rache überlässt. Um des Namens Christi willen Etwas verlassen, was heißt es anders, als im Gehorsam gegen seinen Willen? Dann ist der Verlust wie eine Aussaat; wie der Ackersmann, wenn er den Samen ausstreut, ihn nicht verliert, sondern seiner Zeit dreißig-, sechzig-, hundertfältig wieder bekommt, so wird der, der sein Gut verliert, wenn er es Gott heimstellt und wie einen Samen in seine Hand legt, gewisslich reiche Früchte davon ernten. Meinst du, dass ein irdischer Acker fruchtbarer sei, als die Hand des Herrn? Der Acker von Lehm sollte dem Ackersmann hundertfältig seinen Samen wiedergeben, und die so gütige und mächtige Hand Gottes nicht das, was ihr wie eine Saat anvertraut wird, noch viel reichlicher zurückgeben? Siehe, dem Abraham wurde durch Gottes Berufung sein Vaterland genommen; da er aber Alles in Gottes Hand stellte, wurde ihm und seinen Nachkommen statt seines Landes das ganze Reich Kanaan zugestellt. Joseph wird aus dem Vaterhaus verstoßen, aber da er's im Glauben ertrug, wird ihm dafür die Herrscherwürde in Ägypten. So Hiob, David, unzählige Beispiele der heiligen Schrift. Petrus spricht zu Christus: siehe, wir haben Alles verlassen und sind dir nachgefolgt, was wird uns dafür? Und Christus antwortet ihm: Wahrlich, ich sage dir, dass ihr, die ihr mir nachgefolgt, in der Wiedergeburt, wenn des Menschen Sohn auf dem Stuhl seiner Herrlichkeit sitzt, mit mir sitzen werdet auf zwölf Stühlen und richten die zwölf Stämme Israel. Welche Herrlichkeit wird ihnen so für die wertlosen Netze, die sie verließen! Meinst du nicht, dass Gott viel gütiger und gnädiger, auch viel weiser sei, als menschliche Eltern? Diese nehmen einem unerfahrenen Kind, wenn es eine Summe Gelds bekam, dieselbe, um sie ihm später mit Zinsen zurückzugeben. So sind wir Kinder unseres himmlischen Vaters. Er nimmt uns das Wenige, um uns Viel zu erstatten. Darum, wenn wir unserer Habe beraubt werden, lasst uns nicht ein Klag- und Jammergeschrei erheben gegen Gott und Menschen, sondern denken: Gott habe sie in seine Hand genommen, um sie zu vermehren und sie mit reichlichen Zinsen wieder zu erstatten!
Quelle: Klaiber, Karl Friedrich - Evangelische Volksbibliothek, Band 2