Thue nach der Rechtfertigung Werke, so viel du kannst; aber baue deine Ruhe und deinen Frieden nicht darauf. Denn auch unsre besten Werke sind sehr unvollkommen, und unrein, und wenn du das merkst, so weicht dein innerlicher Friede von dir. Darum baue und traue allein auf die für dich schon geschehene Arbeit und Werke deines Erlösers. Dann bauest du deinen Frieden auf einen Felsen, und er wird so wenig als der Fels wanken. Indeß sollst du von Liebe und Dankbarkeit angetrieben, überaus fleißig sein in allen guten Werken; aber wenn du Alles gethan hast, so sollst du dich wegen deiner guten Werke nie einen gerechten und heiligen, sondern einen unnützen, verwerflichen Knecht nennen. Denn daß du gute Werke thun kannst, ist auch Gnade vom Heilande. Ehe er dir deine Sünde vergeben, und seine Gerechtigkeit sammt seinem Geiste und Sinn gegeben hatte, kurz vor der Rechtfertigung konntest du gar kein gutes Werk verrichten.
Aus dem Gebote des Gesetzes erhielt der Zunder der Sünde Anlaß, welcher ohne dasselbe todt gewesen sein würde, und erregte in mir allerlei Lüste. Röm. 7,8.
Unser Etliche luden sich allerlei, theils angerathene, theils selbsterwählte Strengheiten und Bußübungen auf (ohne glauben an die von Christo, durch seine Gnade und durch sein Verdienst geschenkte Vergebung der Sünden. Röm. 3,22.), und wollten damit die herrschende Sünde vertreiben, tilgen und tödten, was doch dem Fleische, der natürlichen Kraft, ohne Gnade unmöglich war, Röm. 8,2.3. Wir haben aus Haß gegen die im Fleische sich regenden Lüste dem leibe auf mancherlei Weise weh gethan. Kol. 2,22.23. Wir haben aber auf diesem gesetzlichen Wege nur Angst und Entkräftung an Seel und Leib gefunden – keinen Frieden Gottes – keine Ruhe für die Seele – weil das Gesetz, wenn es auch noch so heilig, gut und göttlich ist, nur tödten, nicht lebendig machen kann, das Gute wohl gebieten , aber nicht Kraft und Lust zum Guten geben kann; das böse, die Sünde wohl verbieten, aber die Lust und Neigung zur Sünde nicht aufheben, nicht tilgen kann. Röm. 7,7.8. Wie viel weniger werden dies menschliche Satzungen vermögen, da selbst das göttliche Gesetz es nicht vermag. Röm. 8,2. Sobald uns aber der gerechtmachende Glaube, Jesu Christi Verdienst und Gnade vor Gott geschenkt ward, war geholfen. Dies war also das beste Mittel, die Seele zu reinigen, wie Petrus Apstg. 15,9. Denn aus dem gläubigen Herzen brach das zuversichtliche Seufzen hervor, und der Geist Christi gab Kraft und Weisheit, alle Gelegenheiten zu sündlichen Reizen zu meiden, und den von selbst aufsteigenden bösen Begierden, oder vom Satan erweckten Gedanken tapfern Widerstand zu thun. Röm. 6,12.14.19.
Gott sind jene Leute, die von ihm etwas haben wollen, lieber und willkommener, als die ihm etwas geben und bringen wollen. Der Pharisäer war in seinen Augen reich an Werken, und er wollte Gott auch davon bringen, opfern und geben. Aber Gott sagte: Ich mag nichts von dir. Der Zöllner kam arm und wollte von Gott Gnade, Verzeihung, Rechtfertigung und Gott hatte Wohlgefallen an ihm. Er gab ihm, was er wollte und brauchte. Die Reichen gehen leer aus, die Armen voll: die Reichen sind arm, die Armen reich.
Warum vergiebt Gott lieber dem demüthigen Zöllner ohne Werke, als dem hoffärtigen Pharisäer mit Wagen voll Werken? Antw.: Der Sünder soll die Erlassung der Sünden nicht sich und seinen Werken, sondern allein der freien Gnade Gottes zuschreiben. Der begnadigte Sünder soll nicht die geringste Materie zum Stolz und zur Selbsterhebung haben; darum will er ihm frei, umsonst, aus lauter Gnade und nicht um seiner Werke willen verzeihen und gnädig sein.
Ich möchte nicht im Himmel sein, wenn sich jeder den Himmel mit eignen guten Werken selbst verdienen könnte, und wir nicht alle aus Gnaden darin säßen; denn da würde jeder mehr gethan und gelitten haben wollen, und es wäre Stolz, Neid, Streit und Eifersucht im Himmel, wie auf Erden. Aber wenn Christus den Himmel allein für alle verdient hat, und alle aus Gnaden darin sind, dann ist Fried und Ruh zu hoffen!
Ja, Lieber! Wir glauben und bekennen es, auch nach der Verdammung, Gott habe unser Elend und unsre Niedrigkeit angesehen, uns durch und um Jesu willen Barmherzigkeit erwiesen, und weil er dies nicht um unsrer Tugenden, sondern um unsrer Nichtswürdigkeit gethan hat, so ist unser Glaube dem einen Aergerniß und dem andern Unsinn; uns aber ist er eine Kraft Gottes, die unter der Schanddecke des Kreuzes verborgen bleibt und wirkt auf Alle, die Gott mit uns vergliedern, und denen er wie uns Barmherzigkeit erweisen will. Ob wir schon hie und da niedergeworfen werden, so stehen wir doch wieder auf, und freuen und rühmen uns, daß wir um Jesu willen der Bande und Schande gewürdiget werden. Die Welt meint freilich, wie haben ein elendes Leben und machen uns dasselbe nur selbst. Aber es ist nicht also; es läßt sich mit Christo auch unter dem Kreuze, ja wohl gar in der Hölle, hausen. Und was das Wahre anbelangt, so hat er die Plage, wie die Gnade für uns und uns zum Besten gemacht.
Wer mehr aus uns machen will, als einen Sünder, als Nichts, der ist ein Lügner und eben darum ein T-. – Wenn‘s am allerbesten mit uns steht, so sind wir nicht mehr, als arme, elende Sünder, und doch auch durch Christum selige und begnadigte Kinder. Röm. 7,24.25. – 8,1.
Das heuchlerische, scheinheilige und verstellte Wesen ist freilich teuflisch – denn göttlich ist‘s gewiß nicht. Der Erzfeind Jesu, unser aller Stolz, legt oft die Larve der Frömmigkeit an, um nicht ganz aus dem Hause zu müssen, und spricht: ich bin Christ, ich gehe in die Kirche, zur Beichte. So baut er sich ein Sandhaus von eigener Gerechtigkeit, baut weg vom Felsen Christo, macht ihn unnütz und überflüssig. So verschlagen fromm kann nur der Teufel bauen, und daher kommt‘s, daß unter den besten Werken die größten Sünden versteckt sind, und daß Gott durch die (Schein-)Frömmigkeit mancher Frommen, weit mehr beleidigt und entehrt wird, als selbst durch die Lasterhaftigkeit der Gottlosen. Gottlob! daß dir beim ausgegangenen Licht das feine Gewebe, das Natur und Satan über arme Menschen spinnt, so aufgedeckt und vor deinen Augen zerrissen wird. Denn nur so kann Christus emporkommen. Nur so kann ein neues Haus gebaut werden, wenn das alte niedergerissen ist. Alles, was sich nicht auf den Felsen Christus gründet, muß uns über den Kopf zusammenfallen, und wir müssen auf nichts mehr fußen können, dann können wir von Satan, Welt und uns selbst herunter und auf Christum den Felsen hinüber.
Der Herr hat dir auf deine Bitte all deine Flecken, deine Sünden und dein Nichts freundlich gezeigt! Ja, ja, das ist Er gewesen. Das ist sein Thun; zu Nichts und arm im Geiste will er uns machen, damit er sich uns selbst und all seine Gerechtigkeit schenken könne. Und du sollst im Glauben darnach greifen und ohne Scheu nehmen und dir zueignen, nicht weil du’s verdienst, sondern weil du’s eben brauchst, und sonst gar nichts hattest; und – weil er es gern den Kindern umsonst geben will und kann.
Wo der Herr nicht vorgearbeitet hat, können wir nicht einmal nacharbeiten, und sollen auch nicht wollen, denn wir können Gottlob! gar nichts. Wer nicht kümmerlich diese Gnade gesucht, wer noch keine Noth hat und sich selber genug ist und helfen kann, der kann die Gnade der Erkenntniß Jesu nicht finden und nicht nehmen. Das ist nur etwas für Arme, Mühselige, Blinde, Lahme, Aussätzige und Elende an den Zäunen draußen. Da muß ein Johannes, die vorlaufende Bußgnade, schon gewaltig mürbe geschlagen haben, sonst geht’s nicht. O, in das Geheimniß der Versöhnung Jesu für uns läßt der H. Geist nicht Jeden hineinschauen.
Es wäre allerdings eine verzweiflungsvolle Sache, wenn ich ex me trunco (aus mir, der ich ein Klotz bin.) einen Mercurius selbst bilden müßte. Es ist nur Gottes Geschäft, das steinerne Herz in ein fleischernes umzuschaffen. Ich, als ich, bin eben so wenig tüchtig als geschickt, göttliche Eindrücke und die Erneuerung zum Bilde Gottes hervorzubringen, als der Erdenkloß in seiner Art tüchtig und geschickt ist, sich zu einem lebendigen, und aus regelmäßigen Gliedern zusammengefügten Leib zu bilden. Ja, was noch mehr, im Erdenkloß sind noch weniger Hindernisse. Denn die Welt war aus Nichts geschaffen, da war also auch nichts, das Widerstand gethan und mit seinem Schöpfer gehadert hätte; allein in mir ist’s ganz anders; ich finde nicht nur keine in mir liebende Tüchtigkeit, ein neuer Mensch zu werden, sondern eben das Gegentheil; mein nichtiger Staub widersetzt sich seinem Schöpfer, wenn er ein herrliches Gefäß daraus bereiten will. Der Schöpfer muß also noch in mir überdieß diese Widersetzlichkeit besiegen; mich Rebellen zum Gehorsam des Glaubens bringen, und mich wie mit (Liebes-)Gewalt dazu zwingen. sei es auch, daß ich hie und da einen Geschmack an göttlichen Dingen habe, mir manchmal vornehme, ein frommes Leben zu führen, mich aller Sünden zu enthalten, manchmal meine Sünden mit Thränen beweine, einigen Leidenschaften entsage, - deßwegen bin ich noch keine neue Creatur. Christus hat also an meinem Herzen noch ein gutes Stück Arbeit, bis er in mir eine Gestalt gewinnen kann, oder ich in ihm ein neues Geschöpf werde. Es ist ein außerordentliches Licht nothwendig, wenn ich Saulus zu einem Paulus metamorphosirt werden soll. Um dies Licht bitte ich freilich zu Jesus, und getröste mich, daß er es mir, da er es dem Saulus gab, ungebeten, auch auf mein unablässiges, obwohl unwürdiges Gebet werde leuchten lassen. Indeß gehört auch dies zur Widersetzlichkeit meiner Adams-Natur, daß sie manchmal nicht beten will oder nicht mit Inbrunst beten kann.
Gar oft bin ich, wie ein zerstoßenes Rohr, wie ein glimmendes Docht, unfähig und träge zu Allem, was gut und göttlich ist. Wenn dieser Zustand anhaltend wäre, so müßte ich mein Amt niederlegen, und nach Brod gehen, wie ein Bettelmann, den die Kraft des Lebens verließ. Aber auf einmal fängt die stehende Uhr wieder an zu gehen, eine unsichtbare Kraft regt und bewegt wieder den Leib und den Geist. Wer ist nun die Kraft, die da macht, daß ich wieder glauben, hoffen, lieben, froh und thätig sein kann? Ich denke mir unter dieser regenden und bewegenden Kraft keinen Andern, als den Geist dessen, von dem geschrieben steht: „Er zerbricht das zerstoßene Rohr nicht, und läßt den glimmenden Docht nicht erlöschen.“ Und wie froh bin ich, daß ich glauben darf: Er ist’s, Er regt, bewegt, belebt, bethätiget mich.
Wie so gar nichts ist doch der Mensch, wenn er sich mit Gott, mit seiner Bestimmung, mit den Gesetzen messen und vergleichen will. Sein Gutes ist mit unlautern oder halblautern Absichten versäuert, seine Siege sind halb und halb. Sein Böses ist ein unzählbares Heer, das er nie ausbeichten, ein Meer, das er nie erschöpfen kann. Wenn der Heiligste nicht auch der Barmherzigste wäre, so könnte kein Mensch selig werden.
„Mit mir ist’s aus! – Ich bin verdammt! So schreit mein Mann in einem fort,“ sage mir eben ein Weib, das mich vor sein Bett holt. „Das ist gut,“ sagte ich, „Dein Mann hat Reu‘ und Leid.“ Und als ich hinkam, fand ich’s wirklich so. Der arme Sünder verdammte sich zwar selbst, war aber leicht zu überzeugen, daß durch Jesum, den Sünderheiland, noch Gnade für ihn zu finden sei. Es bekehrt sich kein Mensch von selbst, aus eigenem Antriebe. Sie werden alle ergriffen, gezogen und gestoßen, einer so, der andere so. –
Du kannst dirs nicht vorstellen, wie ich weinte, staunte und anbetete, als ich beinah mein ganzes Haus auf einmal erneuert, reformirt, gläubig und wiedergeboren sah; ich hätte es mit meiner Kraft in 100 Jahren nicht zu vollbringen gewußt, und die blitzende Gnade that‘s durch ein schwaches Werkzeug in einer Stunde, und da soll man nicht staunen, nicht von sagen? Freilich widersetzte sich der T., denn es gab in derselben Stunde fürchterliche Auftritte, Drohungen, Aergernisse, Hindernisse, aber vom Herrn gestärkt schlug ich alles in die Hölle hinab, es ward stille – und ist’s bis auf diese Stunde. Denn die Leutseligkeit des Herrn ist meinem ganzen Hause und vielen in der Pfarre erschienen; das war eine Leutselig- und Freundlichkeit!! Eine solche kann nur der eingeborne Sohn Gottes haben und geben. wir wurden alle im ganzen Hause versichert, daß wir einen gnädigen und freundlichen Gott haben, daß er uns unsre Sünden vergeben habe, ob er uns vor seiner Ankunft schon alle in Sünden antraf, daß seine Augen mit Wohlgefallen auf den Glauben schauen; denn außer dem Glauben, der doch auch seine Gabe ist, hatten wir gar nichts, das ihm an uns hätte gefallen, und zur Liebe reizen können. Gnade um Gnade hat er uns erwiesen, Christus, der Herr, hochgelobt in Ewigkeit! Und ich halte es für Pflicht, seine Barmherzigkeit, die er an uns ohne alle unser Verdienst that, euch Brüdern in Christus bekannt zu machen, auf daß auch ihr mit uns Gott preiset, und ungeachtet eurer Sünden ähnliche Barmherzigkeit von Ihm erwartet, und fortfahret, sein Evangelium zu glauben und zu predigen, grell oder fein; auf Ausdruck und Form wird er eben nicht sehen, sondern auf das Herz, welches mit Einfalt und Redlichkeit die Menschen zu Nichts, und Gott und Christus zu Alles macht. Denn das ist gewißlich wahr, daß er allein Gott, allein groß, allein Alles sein will. – Wir Menschen aber sollen klein bleiben und täglich kleiner werden. Denn das Himmelreich auf Erden hängt am Kinderwerden. Wenn wir hochgelehrt, groß und stolz da stehen, so ist der Himmel weit, weit von uns - wenn wir aber scheu, demüthig wie Kindlein bald weinen, und bald lächeln, dann ist der Himmel nahe. Humiles implevit bonis, et divites dimisit inanes. (Die Demüthigen erfüllt er mit Gütern, die Reichen läßt er leer ausgehen.)
O Lieber! wie selig bin ich bei dieser Armuth! Wie selig wirst du sein, wenn du in deinen Augen durch Gottes Gnade eben so arm werden wirst! Ich und mein Haus haben durch Gottes Gnade den 15. Decbr. 1810 aufs Neue den Muth gefaßt, und die Gerechtigkeit Christi, seinen Gehorsam, seine Demuth, seine Sanftmuth, seine Keuschheit, seine Geduld, seine Weisheit mit beiden Händen ergriffen, haben es uns ohne all‘ unser Verdienst, ja beim Gefühle der größten Sündhaftigkeit frisch und muthig zugeeignet, haben alle unsere einzige vor Gott geltende Gerechtigkeit angezogen, und stehen nun da wie königliche Prinzen, freuen uns des fleckenlosen Kleides, fürchten keinen Tod, keinen T-, keine Hölle mehr, und frohlocken in der Hoffnung der Kinder Gottes, sind selig schon jetzt. Unsere guten Werke aber haben wir vorher als elende (befleckte) Handlungen, Gott demüthigst zu Füßen gelegt, und gebeten, er möchte etwa daran seine Schuhe abputzen.
Du wirst fragen, was habt ihr denn mit euren Sünden gethan? Antwort: 1) Die haben wir erkannt, bereut und einander bekannt. 2) Haben wir dem Evangelio geglaubt, daß Christus sie gebüßt, bezahlt, genug gethan, und den Vater ganz für uns zufrieden gestellt habe; gemäß der ersten Predigt Jesu: a. Thut Buße! und b. Glaubet dem Evanglio. Mark. 1,15. Wir alle bitten dich, glaube und folge dieser kurzen, einzigen Predigt, und wenn du dadurch nicht froh und selig wirst, wie wir, so wollen wir alle für dich traurig und verdammt sein.
Der dreieinige Gott macht uns gerecht. a. Der Vater, weil er uns seinen Sohn schenkt, Röm. 8,32. b. Der Sohn, weil er uns seine Gerechtigkeit mittheilt, Matth. 9,6. Gal. 2,16. c. Der heil. Geist, weil er uns den gerechtmachenden Glauben (1 Kor. 6,11.) durch das Wort (2 Kor. 5,18.19.) und Sacramente (Tit. 3,5,6. Matth. 26.27.) anzündet. Allein diese Worte lesen oder hören, hilft nichts, wenn sie der h. Geist nicht anzündet, sie sind wir das Holz im Ofen, das nicht brennt. Lesen und hören könnte Jeder, aber anzünden kann nur der h. Geist. Daher entstand bei mir das Wort lebendiger Glaube. Ich predigte allem Volke den nämlichen Glauben, Christus. Wo der h. Geist im Herzen entzündete, da war Jubel; wo er nicht entzündete, da war Mißverstand, Verketzerung. Darum soll niemand zu mir kommen, und Glauben holen; ich kann nur ein Getöse vor sein Ohr machen; zünden muß der h. Geist. Ich bin der leibhafte Nihil, qui plantat, nichts ist, der da pflanzet. Auch deine große Vernunft ist zu stumpf, Jesum Christum zu erkennen; hätte dir ihn sein Vater nicht geoffenbaret, deine Vernunft hätte dich wohl sitzen lassen. Joh. 6,44.65. Ich fand auch bei dieser Erweckung, daß die Kleinen weit geschickter sind, die Geheimnisse des Reichs Gottes zu verstehen, als die großen Gelehrten.
Das Tridentinum sagt, man könne sich die Gnade der Rechtfertigung nicht verdienen, weder durch den Glauben, noch durch die guten Werke, die der Rechtfertigung vorhergehen! –
Wenn ich mir die Rechtfertigung durch die Vorbereitungswerke verdienen kann, so ist sie keine reine Gnade, ex meritis Christi (aus Verdienst), sondern auch ex meritis meis (aus meinem eigenen Verdienst); ist nach dem Tridentino und nach Sailer nimmer die Wurzel, sondern schon eine Frucht meiner Werke. Da fällt also Gott in Christo nimmer alle Ehre allein zu; es fällt auch mir etwas zu von Ehre.
Es bleibt dabei, daß Christus am Kreuz die Ursache deines Heils ist, nur soll auch dein Glauben und Jubeln bleiben; dann folgt das fromme Leben und die Seligkeit, wie von selbst. – Sein Tod und Leiden ist dir schon als klein zur Gerechtigkeit geschenkt worden, ohne all Verdienst und Werk; und als groß sollst du’s jetzt dankbarlich erkennen, glauben, lieben, gehorsamen und selig jubeln. Das ist die Sache. Gottlob, daß du’s nur einmal siehst.
Zur Rechtfertigung sind alle deine Werke Dung und Mist, so gut sie sonst zur Heiligung sein mögen. Wenn du dich aber damit rechtfertigen willst, wie die Pharisäer, so ist Christus umsonst und vergeblich für dich gestorben, du setzest sein Thun, sein Leiden und Sterben herab, und dich und deine Werke und Thun über sein Werk und Thun hinauf, und wirst also ein wahrer Antichrist und Teufel. Auf diese Weise sind hernach deine Werke zu gut auf den Misthof, sie müssen gar ins Feuer; sie sind gar zu nichts mehr zu gebrauchen, weil wir sie wider Christum brauchen.
Die natürlich, bürgerlich, gesetzlich guten und ehrbaren Leute ohne lebendigen Glauben an Christus sind mir entsetzlich lange zur Marter und Plage geworden, sind härter zu bekehren, als Sünder und Zöllner. Ohne eine Revolution von innen, und ohne einen Stern von oben findet die bloße Vernunft das Kindlein nicht im Stalle; sie sucht es in der Residenz, in der heiligen Stadt des ehrbaren Wandels. –
Ja freilich ist das wirklich so, Alles, Alles, was in und an uns ist, und von uns als von uns herrührt, ist nichts, als Sünde und Jammer, weil wir nach Paulus ohne den heiligen Geist nicht einmal recht sagen können: Gelobt sei Jesus Christus! Petrus wähnte, er thäte was recht Gutes, wenn er seinen Herrn vom Leiden und Sterben abhielte, und dem Malchus das Ohr abhaute oder gar den Kopf spaltete. Allein das alles kam von ihm, und es war ein Fehler im Beweise. Ohne mich, sagt Christus, könnte ihr nichts thun, als Böcke machen. Daß eine Rebe außer dem Weinstock nur verdorren könne, sehe ich täglich an meinen Gartenreben. Ja selbst an der heiligsten Stätte, in unserm Herzen, ist der gräulichste Gräuel der Verwüstung, so daß ich oft auf die Berge fliehen möchte.
Fürchte dich nicht und thue dir kein Leid, weil du dich so elend, sündig, blind und bloß siehst und fühlst, denn wir sind alle hier so, nur sehen wir dieß nicht alle, so wie du, Glücklicher, dem der h. Geist das Licht ins Herz gestellt hat. Ich habe öfter Leute Beicht‘ gehört, die Vormittags keine einzige Sünde an sich sahen; Nachmittags ließen sie mich wieder rufen und sagten: Jetzt sehe ich Sünden ohne Zahl an mir. Warum das? Antw.: Vormittag war das Licht des heiligen Geistes noch nicht im Herzen, wohl aber am Nachmittag. Denn der Geist weht, wo und wann er will. Ich absolvire dich von allen deinen Sünden, bloß weil du’s siehst und darüber erschrickst. Daß wir um Christi willen aus Gnaden selig werden, weißt du auch. Ja, wenn wir uns und den Moses ansehn, sind wir allezeit verdammt und verloren; sehen wir aber Christum und sein Verdienst und Wort an, so sind wir allezeit erlöst und gerettet.
„Ja, spräch‘ dein Herz gleich lauter Nein:
Sein Wort soll uns gewisser sein.“
Daß du dich noch schlecht und voll Kameelbuckel siehst, das ist der Beweis, daß der Herr und das Licht der Welt in und mit dir sei, sonst hättest du diese Buckel nicht gesehen, sondern für lauter heilige Berge gehalten. Er muß immer größer, und wir müssen in unsern Augen immer kleiner und sündiger werden. ich bind en 25. December vorigen Jahrs um 10 Jahre älter als du geworden, und noch könnte ich klagen und klamsen, wie du. Da ist nicht, der gerecht sei, auch nicht einer und nicht eine. Alle miteinander haben wir den ersten Bund des Gesetzes und der Werke gebrochen, und es bleibt uns nichts übrig, als daß wir zum zweiten Bund der Gnade und des Glaubens unsere Zuflucht nehmen, wie der Mörder am Kreuze und die Sünderin bei seinen Füßen. Sieh, mit 61 Jahren muß ich noch so thun, wie mit 21 und 31. Mein Fleisch ist wie das deine, und wie Pauli Röm. 7,18. noch immer nichts nütz, und ein Wohnsitz der Sünde und des Todes. Aber der Glaube und die Gnade springt über alles hinüber und baut sich sein Nest höher.
In deinem letzten Briefe hast du über die Kälte deines Herzens gegen Jesum ziemlich laut gewinselt und gleichsam mich Elenden um Rath und Trost gefragt. Ich weiß aber dir und mir keinen andern Trost, als: Fürchte nichts! Glaube nur! denn der Unglaube ist die Wurzel solcher Klamserei. Wir betrüben uns über den Mangel an Wärme, weil wir wähnen, nun sei uns Gott nicht mehr ein so völlig gnädiger und versöhnter Vater, wie ehedem. Aber liebe Klams! (sagte ich sonst allen Klamsern) warum willst du Gottes Barmherzigkeit nach deiner Kälte und Wärme messen? Gott ist kein Thermometer. Schau du in sein Wort hinein, wo es heißt: Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingebornen Sohn gab, auf daß alle, die an Ihn glauben (nicht die, welche Liebe und Wärme gerade allemahl fühlen), das ewige Leben haben. Also nicht auf unser Wärme-Gefühl, sondern auf unsern Glauben oder Unglauben kommt und läuft es hier hinaus. “Sind wir auch manchmal schlimmer (kälter), ändert doch er sich nimmer; er liebet uns gar sehr,“ sang der alte Fenneberg. Wir haben ihn einmal gar nicht geliebt, und doch liebt er uns. Er machts gewiß noch so, ob wir schon nicht allemal die Empfindung davon haben. Selig, die nicht gesehen (empfunden), und doch geglaubt haben. Also noch einmal: “Fürchte dich nicht, klamse nicht, glaube nur;“ und deine Tochter, die Liebe, wird vom Tode auferstehen.
Quelle: Krummacher, Emil Wilhelm - Goldene Worte über die theure Lehre von der freien Gnade