Ich lese in Deinem Briefe: „Beten kann ich wenig; ich halte das für Gebet, daß ich Euch diene.“ Daß Dein Wirken, Helfen, Rathen, Trösten rc. ein gottgefällig Gebet sei, ist kein Zweifel. Aber es kommen Stunden, wo man nimmer wirken kann. Da sollst Du beten; Versuchungsstunden, wo es Einem schwindelt, da sollst Du wieder beten; licht- und rathlose Augenblicke, da sollst Du abermals zum Vater gehen und beten rc. Obschon ich auch hierin ein Sünder bin, so kann ich doch Dir und Allen das Oftbeten und sich Stellen vor dem Herrn nicht genug empfehlen. Ich sehe hier auf den Heiland, wie er so oft früh Morgens hinausging zu beten; wie er seine Jünger immer beten hieß. Ich sehe auf die Jünger, wie sie öfter in den Tempel gehen, zu beten, auf den Paulus und Silas im Kerker, auf das Hausgemeinlein, das den Petrus aus dem Kerker betete u.s.w. Und dann sehe ich auf unsre Blöße, Dürrheit, Armuth, Dürftigkeit, und daß der Vater seinen bittenden Kindern nicht Steine oder Schlangen gebe. Ich sehe, daß der Teufel sich alle erdenkliche Mühe giebt, auch die Auserwählten zu verführen. Und da weiß ich für Alles kein besseres Mittel als Beten und Weinen. Alle, die den Herrn gefunden haben, haben ihn gewöhnlich lange vorher Tag und Nacht durch mit Beten gesucht. Betet, ruf ich Allen zu, betet, daß Ihr nicht in Anfechtung fallet. Auch Paulus empfahl das Gebet Allen, und er war Aller eingedenk in seinem Gebete Tag und Nacht. Ich rede aber von dem innern Gebete im Geiste und in der Wahrheit.
Lach, thut nichts als leiden, sagst Du. O Bruder, dann thut er mehr, als wir Alle. Thun wollen wir Alle gern, aber leiden, o leiden, da wollen wir nicht anbeißen. Es ist gar so ein unansehnlich Thun. Ich bitte Dich, hilf ihm thun, denn er hat viel Arbeit.
Quelle: Bodemann, Friedrich Wilhelm - Gesammelte Birefe an, von und über Martin Boos