Blumhardt, Christoph - 7. Schluß der Bergpredigt.

Mat. 7,24-28

Es ist bemerkenswerth, mit welch brennendem Anliegen der Herr immer und immer wieder nur das Eine wichtig nimmt, daß die, welche zu erlösen Er gekommen ist, auch ihrerseits möchten nach Gesinnung und That etwas werden, um aus allen Verderbnissen der Sünde herauszukommen, und nicht wieder, wenn schon frei geworden, in dieselben zu: rückzufallen. Unendlich mehr hebt Er's auf die Erneuerung und Heiligung des Menschen ab, als man es fast überall in unsern christlichen Kreisen zu thun gewohnt ist. Gibt es doch Christen, welche der Bergpredigt fast weniger Werth beilegen, weil sie nicht die Rechtfertigung des Menschen durch den Glauben, welche nur verborgen in ihr liegt, wie im Anfang, mit bestimmten Worten hervorhebt. Oder sagen sie, die Bergpredigt mit ihren großen Forderungen sei mehr nur dazu da, den Menschen zur Buße zu treiben und innerlich so in die Noth zu bringen, daß er mit Begierde einen Heiland suchen lerne, der aus Gnaden selig mache. Mit dem Gesetz, meinen sie, wolle der Heiland Erkenntnis der Sünde wecken und also die Brücke zum Glauben an die Gnade bauen für die sicheren Menschen. Etwas ist daran; aber Manche, die so sagen, geben fast zu verstehen, als ob man hintennach, nachdem man durch den Glauben Gnade erlangt habe, solcher scharfen Gesetzesunterweisungen nicht mehr bedürfe, weil man doch nicht mit dem fertig werde, was gefordert wird, also stets zur Gnade seine Zuflucht nehmen müsse. Hüten wir uns, durch solcherlei Gedanken uns nicht zur Sicherheit treiben zu lassen. Wenn nämlich unser Herr und Meister so redet, wie er redet, immer auch die Befürchtung uns vorhaltend, es könne uns, obgleich Er da sei, fehlen, so sollten wir ganzen Fleiß anwenden, um es recht zu hören und immer wieder zu hören, aber mit dem Bestreben, es auch zu thun. Wo dieses Bestreben nicht ist, da gibt es auch keine Buße; und ohne Buße gibt es keine Gnade. Darum „hüte dich und schaffe,“ um mit Paulus zu reden (Phil. 2,12), „daß du selig werdest mit Furcht und Zittern.“

Auch der Schluß der Bergpredigt gibt Zeugnis davon, wie viel der Herr Jesus auf das Thun dessen hält, was Er redet. Da wiederholt Er es, daß es mit keinem Seiner Jünger, die Ihn hören, etwas sei, wenn nicht bei ihm das, was er höre und gehört habe, zur That werde. Auch wenn der Mensch aufs Schönste seine Sachen aufgebaut zu haben scheint, und ihm an der Erkenntnis nichts fehlt, sichert's ihn nicht vor Verderben und Ruin, wenn er nicht Thäter des Worts, das er gehört, angenommen und gefaßt hat, zu werden sich entschließt.

Der Herr stellt eine Vergleichung an zwischen einem klugen Manne, der sein Haus auf einen Felsen, und einem thörichten, der auf Sand baut. Der Fels, auf den der Kluge baut, ist gleichsam sein Herz, in dessen Tiefen, als in eine sichere Felsenburg, er das Wort eindringen läßt; und der Sand ist das Obenauf, da das Gehörte nur im Gedächtnis ohne Wirkung frei liegen bleibt. Viele Weisungen nun hatte der Herr Seinen Jüngern gegeben, wie sie den Charakter von geistlich Armen, den Er Anfangs geschildert, durch ihr ganzes Bezeigen bei sich verwirklichen könnten. Ob es in die Tiefen der Herzen gedrungen sei, oder bei aller etwaigen Bewegung doch nur obenauf liegen bleibe, das war die Frage. In jenem Fall konnte es zum Thun kommen, in diesem nicht. Der Heiland aber will, als könnte Er's nicht oft genug sagen, wiederholen, wie Alles darauf ankomme, daß Seine Jünger das Gehörte auch thun möchten. Angeregt hat, was Er sagte, Viele, auch von dem weiteren Kreise der Zuhörer. Das Volk entsetzte sich ja über seiner Rede (V. 28); und sie fühlten eine Gewalt, wie sie sie bei keinem Schriftgelehrten je gefühlt hatten (V. 29). Die Eindrücke waren erschütternd, und konnten bei Vielen unmöglich ganz ohne Nachwirkung vorübergehen. Dennoch drang's bei den Einen wohl tief ins Herz, bei den Andern blieb's nur beim Erkennen des Gehörten; und so war die Nachwirkung eine gedoppelte.

Ihrer Viele nämlich haben nachher zu bauen angefangen. Wir nehmen indessen, indem wir darüber reden, mehr Rücksicht auf unsre Seiten, wie die Einen als Thörichte, die Andern als Kluge bauen. Die Thörichten bauen damit, daß sie die Lehre schön und herrlich finden, näher ins Ueberlegen nehmen, zu einem Verständnis darüber zu kommen trachten, etwa ein schönes Lehrgebäude daraus machen und so als Jünger Jesu, als Gläubige, sich ausgeben. Ein Lehrgebäude aber, das bloß zur Erkenntnis dient und auf den Wille des Menschen nicht wirkt, Alles auch zu thun, was man als schön und richtig erkennt, wird nur ein Haus auf Sand ohne Grund, das den Stürmen nicht widerstehen kann. Das Haus hat etwas Ansehnliches und gefällt Jedem, der es sieht. Gibts aber Anfechtungen, wie sie im Verlauf der Nachfolge Jesu nie ausbleiben, da auch die Finsternis Allem aufbietet, um das Beste und Schönste, so es möglich wäre, zu überfallen und niederzuwerfen, so fällt das Gebäude zusammen, d. h. der Mensch verliert wieder Alles zusammen, entweder schon hienieden, da ein bloßes System ihn nicht vor Verführungen aller Art, auch nicht vor Abfall unter den Stürmen der Verfolgung, zu schützen vermag; oder es ist für ihn, wenn er vor das Gericht kommt und stürmische Anklagen ohne Zahl sich wider ihn erheben, keine Rechtfertigung da, weil's überall am Thun gefehlt hat, da der arme Mensch neben all seiner fein gegliederten Erkenntnis, neben allem Wissen der Schrift und des Wortes Gottes, mit diesem seinem Hause, mochte es noch so schön geziert sein, zusammenbricht zum ewigen Verderben. Wer aber das Gehörte thut, seinen Glauben zur That werden läßt, dadurch, daß die demselben vorangehende Buße zur Heiligung sich gestaltet, indem er, treu und gewissenhaft die Worte Jesu beachtend, nicht mehr nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist wandelt, gehört als Kluger zu denen, welche gegen alle Stürme fest sind, und an welchen an jenem Tage nichts Verdammliches mehr ist (Röm. 8,1). Er baut in Wahrheit auf Christum, der im und seinem Herzen ein sicherer Fels ist, daß keine Anfechtung ihn überwältigen, kein Gericht ihn verdammen kann.

Möchten wir durch Hören und Thun werden und bleiben fest und unbeweglich auf den Tag Jesu Christi! Amen.