Die erste Predigt.
Text: Ihr sollt weise sein, dass euch nicht geschehe wie unweisen Leuten (wahrsch. Eph. 5,15).
Inhalt.
Die höchste Weisheit ist die, womit man die Seele behütet vor Hauptsünden, und dadurch vor dem Teufel. Wer diese Weisheit nicht versteht, ist ein Tor, wenn er auch sonst alle andere Weisheit versteht. Daran haben die Heiligen alle ihre Kunst gelegt und die Christenheit besitzt darüber zehntausend Bücher. Nun meint Mancher, der nicht einen Buchstaben lesen kann, er sei weise, und will nicht zur Predigt gehen, weil man da nichts sage, als: Tu das Gute und lass das Böse! Das wisse er selber wohl. Aber daran haben die Heiligen alle ihre Kunst gelegt, wie man es tun und lassen solle; und hierüber werden die Gläubigen belehrt in der Predigt. Von den zehntausend Büchern sagt ihnen der Prediger leicht vier bis sechs Blätter, die sie zuvor nie gehört haben. So will auch ich euch heute lehren dreierlei Weisheit, die euch lieber sein mag, als die Weisheit aller Meister. Die erste ist, dass du kein wichtiges Ding tun sollst ohne Rat. Und drei Ratgeber sollst du haben: 1) dich selbst, 2) Andere, 3) Gott. - Die zweite ist, dass du das Gute, das dir zu Mute wird, nicht aufschieben sollst. Das ist zu drei Dingen gut. Die dritte ist, dass du bei Allem, was du tust, mit Rat oder ohne Rat, auf das Ende sehen sollst. Wie schädlich die Unterlassung dessen sei, wird an Kain, Samson rc. gezeigt, wie nützlich dagegen der Hinblick auf das Ende, an David. Als dieser nach der Volkszählung unter drei Strafen eine zu wählen hatte, sah er fleißig auf das Ende, wählte die beste und milderte dadurch den Zorn Gottes. So sollen denn auch wir die beste Buße wählen.
Es spricht der gute Herr St. Paulus in der heiligen Epistel: „Ihr sollt weise sein, dass euch nicht geschehe wie unweisen Leuten.“ Die oberste Weisheit, die die Welt je gewann oder je gewinnen mag, das ist die Weisheit, womit man die Seele behütet vor Hauptsünden; denn wer die Seele behütet vor Hauptsünden, der hat sie behütet vor dem Teufel und seiner List; denn die Teufel haben so viel große List, dass der gar selig ist, der sich vor ihren Listen behüten kann. Und darum spricht St. Paulus heute, dass man weise wandle. So ist das die oberste Weisheit, dass man die Seele behüte vor des Teufels Fallstricken und vor seinen Listen. Denn sie wenden all ihre List an, wie sie uns Christenleuten die Freude und die Wonne verderben, die sie verwirkt haben, und es genügt ihnen nicht an all den Listen, die sie von Anbeginn der Welt erfunden, sie erfinden alle Tage noch neue. Darum sollt ihr weise wandeln, dass ihr euch vor ihren manichfaltigen Listen behüten möget. Von diesen Worten habe ich Willen, heute zu sprechen. Bittet Alle unsern Herrn rc.
Die oberste Weisheit ist, die Seele zu bewahren; das ist die allerbeste Weisheit, die je war, ist oder sein wird. Daran haben die Heiligen ihre Kunst und Weisheit gewendet, wie man die Seele bewahren soll, da der Teufel Stricke und Listen so viel sind. Alle ihre Kunst und ihren Wiz haben sie daran gewendet, wie wir Christenleute die Seele bewahren sollen. Denn es gibt leider noch gar viele Christenleute, die den Teufeln zufallen (Juden, Heiden und Ketzer werden ihnen ohnehin), sie wollen die Weisheit nicht lernen, noch verstehen, darum werden sie geführt in die Verdammnis des Teufels. Darum spricht der gute Herr St. Paulus, dass wir williglich kämpfen sollen, damit uns nicht geschehe wie den unweisen Leuten, die da hinfahren im Dienste des Teufels und hingefahren sind seit Anbeginn der Welt. Und darum haben die Heiligen ihre Kunst und Weisheit daran gelegt, dass wir Christenleute die Seele bewahren. Darum hat St. Augustinus tausend Bücher gemacht und St. Bernhard und St. Gregorius und St. Dionysius und der Andern ein großer Teil, die haben ihre Kunst und Weisheit daran gelegt, dem allmächtigen Gott zu Lob und den Leuten zu Nutz und Frommen. Dafür hat die heilige Christenheit zehntausend Bücher, die ihr angehören. Der Künste gibt es viele und mancherlei. Etliche Meister kennen die Sterne, Andere wissen von den Pflanzen, welche Kraft sie haben an dem Samen, an dem Kraut, an der Wurzel Geschmack und an andern Kräften. So wissen wieder Andere von der edlen Steine Kraft und ihrer Farbe. So kennen die dies, so kennen die das. Es sei diese Kunst oder jene Kunst, was immer sie kennen in aller Welt: kennen sie die Kunst nicht, damit man die Seele bewahren kann, so sind sie eitel Toren und äffen ihre Seele. Sie lesen hoch oder nieder von der Sterne Lauf, kennen sie die Kunst nicht, womit man die Seele bewahrt, so sind sie Toren, wie der weise Mann spricht: Der Welt Weisheit ist vor Gott eine Torheit; sie wähnen, dass sie weise sind, und sind doch Toren. Dünkt sich doch Mancher weise, der keinen Buchstaben lesen noch schreiben kann; spricht dann Einer: „Nun, Gevatter, gehen wir zur Predigt?“ so sagt er: „Ich will nicht.“ „Warum?“ spricht der Andere. „Ich weiß ja Alles, was er predigt, es ist weiter nichts als: Tu das Gute und lass das Böse.“ Das ist wohl wahr, es ist der rechte Weg zum Himmelreich; kannst du dich aber nicht besser darauf richten, so kannst du dennoch irre gehen. Es ist gerade, wie wenn du frägst: Welchen Weg gehe ich recht gen Regensburg? und ich dann antworte: Gehe alle Wege, die recht gen Regensburg gehen und lass alle, die unrecht hingehen. Da kann ein Mann wohl noch irre werden, wenn man ihn nicht anders weist auf die rechte Straße. Ich meine, du müssest weiter fragen, wenn du nicht verirren willst. Auf gleiche Weise steht es um alle die, die da sprechen: „Ich weiß schon, was er predigen wird: Tu das Gute und lass das Böse.“ Glaube mir, viele Tausende sind in der Hölle, die wähnten, sie täten das Gute und ließen das Böse, darum, weil sie nicht mehr wissen wollten; und sie wähnten, sie wären weise, und waren doch eitel Toren. Seht! zehntausend Bücher haben wir in der Christenheit, die uns allesamt nichts anderes lehren, als wie man das Gute tun und das Böse lassen soll. Denn du kannst so das Gute tun und das Böse lassen, dass dein nimmer Rat wird. Das ist auch die Weisheit, daran die Heiligen ihre Kunst gewendet haben, wie ein jeglicher Christenmensch das Gute tun und das Böse lassen soll, dass die Tätigkeit recht beschaffen sei. Wenn Einer zu St. Jakob wallfährt, oder gen Rom, oder ein Gut an ein Gotteshaus schenkt, so will er wähnen, er sei halbwegs, und will doch ein Ehebrecher, oder ein Vorkäufer, oder ein „Satzunger“, oder ein Betrüger oder ein Neider sein und Hass und Neid in seinem Herzen tragen. So hast du die Kunst nicht, die zum Himmelreich gehört, da die Seele bewahrt ist. Du musst die Weisheit haben, womit du die Seele bewahrest, oder es ist alle Weisheit verloren. Denn es ist manch tausend Seelen in der Hölle, die des Himmelreiches gewiss zu sein wähnten, da sie lebten, die viele gar gute Werke taten mit Gebet, mit Fasten, mit Almosen, mit Messe stiften, mit Gottesfahrten und mit viel andern guten Dingen, und sind doch in der Hölle und müssen so lange da sein, als Gott ein Herr in dem Himmelreich ist. So sprechen auch Manche, die sich gar weise dünken, und sind doch eitel Toren: „Warum sollt ich in die Predigt gehen? Ich hörte leicht etwas da, was ich doch nicht lassen möchte; das wäre mir dann sündhafter, als wenn ich es nicht wüsste.“ - Sieh! du rechter Tor! da würden ja Juden, Heiden und Ketzer alle gerettet, denn die wissen auch nicht die rechte Weisheit, wie man die Seele bewahren soll. Du bist damit nicht entschuldigt, wenn du den rechten Weg zum Himmelreich nicht weißt; denn darum hat Gott dir fünf Sinne gegeben, dass du lernen sollst, was dir not ist für Leib und Seele, und dass du in die Kirche gehen, Messe hören sollst und Predigt. Darum tust du eine große Sünde, dass du Gottes Wort fliehest, wenn du es wohl hören kannst vor einem gültigen Hindernis. Und darüber spricht der gute St. Augustinus: „Ich will euch fragen und ihr sollt mir antworten: Welcher hat minder gesündigt, der Gottes Wort verschmäht oder der den göttlichen Namen schmäht? Alle Gnade und Seligkeit und Würde, die wir von Gott empfangen sollen, müssen wir zuerst von Gottes Wort empfangen; denn wir könnten nicht wissen, was Gott wäre, würde es uns nicht kund getan durch Gottes Wort. So könnten wir nicht wissen, was Gott wäre und was die Engel wären, noch wüssten wir, mit welchen Dingen wir Gott Lieb oder Leid täten.“ So spricht der gute St. Augustinus und hat es also hoch gewogen, wenn Einer Gottes Wort verschmäht oder schmäht. Nun sieh, was deine Kunst sei gegen der Heiligen Kunst. Das sagte ich dir ja zuerst, dass man zehntausend Bücher hat in der Christenheit; deren kannst du kaum ein halbes Blatt, und willst damit wähnen, dass du Alles kannst. Du bist betrogen mit deiner Kunst. Du musst die Kunst lernen, womit du die Seele retten kannst. Nun sprichst du doch, du wissest es selber wohl: Tu das Gute und lass das Böse. Fliehst du aber Gottes Wort, so tust du das Böse und lässt das Gute.
„Bruder Berthold! wie geschieht denn dem, der weder Gutes noch Böses tut?“ Sieh! da wird sein nimmer Rat. Wie lieb wäre dir der, der Alles von dir hätte, was er bedarf und dir darum keinen Dienst erwiese? Du schlügest ihm eins auf seine Wange. Du musst das Böse ganz und gar lassen und das Gute tun. Wer Gott nicht dient, der tut auch nicht das Gute. Und wer das Böse lassen will, der muss alle Todsünden lassen, oder er fährt mit all seiner Güte zur Hölle, dass sein nimmer Rat wird (dass ihm nimmer zu helfen ist).
„Bruder Berthold! da will ich lieber das Böse tun als das Gute; und will nichts Gutes tun, dieweil es mich nichts hilft, so ich in Sünden bin. Denn ich will die Sünde nicht lassen zu dieser Zeit, ich weiß nicht, ob später.“ Das sollst du nicht tun. Wenn du auch die Sünde nimmer lassen willst, dennoch sollst du das Beste tun, das du vermagst, denn es ist dir zu vier großen Dingen gut. Das erste: dass es dir in dieser Welt desto glücklicher geht. Das zweite: dass, wenn du der Leute bist, die bekehrt werden sollen, dich Gott desto eher bekehrt von deinen Sünden. Das dritte: dass dich der Teufel minder zu Sünden ziehen kann. Denn wie viele Sünden auch der Mensch hat, dem Teufel genügen sie nicht; er verleitet ihn zu noch mehreren Sünden, alles darum, dass er ihn desto sicherer habe; tust du aber Gutes in deinen Sünden, so kann dich der Teufel desto minder verleiten. Das vierte: dass, wenn du von den Sünden nicht bekehrt wirst, und kein Rat ist, du musst zur Hölle fahren - denn das ist so gewiss, als der Tod: wirst du nicht bekehrt von deinen Sünden, so musst du in die Hölle, und da so lange sein, als Gott ein Herr im Himmel ist so leidest du desto mindere Marter in der Hölle. Darum sollst du das Beste tun, das du vermagst, und der Sünden mindeste, so du vermagst.
Nun sehet, ihr Herrschaften allesamt! Das ist die Weisheit und die Kunst, womit man die Seele bewahren kann; und darum sollt ihr gerne zur Predigt kommen, dass ihr der Heiligen Kunst da höret, davon ihr weise wandeln könnt, damit euch, wie St. Paulus spricht, nicht geschehe wie unweisen Leuten. Ich sage euch leicht von den zehntausend Büchern vier Blätter oder sechse, und höret ihr jeweils etwas, was ihr zuvor nicht gehört habt. Du bist mit der Kunst betrogen: tu das Gute und lass das Böse, wenn du dich sonst nicht berichten kannst.
Wollt ihr mir nun folgen, so will ich euch lehren dreierlei Weisheit, die mag euch lieber sein als all die Weisheit, die alle Sternseher verstehen, oder derer, die von Kräutern und von Steinen wissen. Sie ist euch auch nützlicher als aller Meister Kunst, die zu Paris sind, oder zu Orleans, oder zu Montpellier, oder zu Salerno, oder zu Padua, oder zu Bologna; aller dieser Kunst ist nichts wert, wenn sie nicht die drei Künste verstehen, die ich euch jetzt lehren will, und wenn sie diese Künste nicht an sich selber ausüben; denn wer die drei Künste weiß und sie nicht an sich selber ausübt und an sich selber bewährt, wird auch zu einem Toren bei all seiner Kunst. Damit ihr nun diese drei Künste lernet, so will ich sie euch nennen, und wenn ihr sie gelernt, so bewahret sie bis zu euerm Tode, dann werdet ihr Alle zu weisen Leuten und kann euch nimmer wie unweisen geschehen.
Das Erste, das dir lieber sein mag, denn Salomos Weisheit, ist: dass du nimmer eine wichtige Sache tun sollst ohne Rat. Was du tun willst, das dir an Ehre oder Gut, an Leib oder Seele schaden kann oder nützen, das sollst du niemals tun ohne Rat. Und zwar sollst du dreierlei Ratgeber bei deinem Rat haben. Zuerst sollst du fragen dein eigenes Herz; und glaubst du dann, dass es dir zu Gut komme, so frage zum zweiten auch andere Leute. Denn es ist dazu gut, dass der Mensch Alles mit Rat tue, damit ihm Niemand Vorwürfe mache, wenn es ihm misslingt. Du sollst auch nicht tun, wie Jener, dass ein Kranker den andern um Arznei fragt, denn der mag spät gesund werden, der den siechen Arzt fragt um Gesundheit. Also steht es ums Ratgeben: wenn ein Tor den andern fragt, so gelingt es ihm selten wohl. Wie Roboam, Herrn Salomos Sohn; als der seines Vaters Räte befragte in einer Sache, da sprachen sie gar weise zu ihm und rieten ihm wohl und weise; hätte er ihnen gefolgt, so wäre es ihm nicht so übel ergangen, wie es ihm er ging. Und Absalon hatte auch Ratgeber, die ihm Leib und Seele verrieten. Wie ihr Frauen: ihr habet eine Art Ratgeber, die heißen Kupplerinnen, die verraten euch Seele und Ehre. Was der Teufel in 4 Jahren oder in 6 Jahren nicht zu schaffen und zu raten vermag, das raten sie in vier Wochen oder noch eher. Man sollte diese Ratgeber mit Hunden aus der Stadt hetzen. Und wenn ihr Frauen dieselben Ratgeber ins Haus ladet, so ist eure Ehre verloren und eure Seele. Ihr solltet sie zum Teufel gehen heißen1), wenn ihr eure Ehre und eure Seele bewahren wollt. Darum ist das der dreifachen Weisheit eine; denn wenn ihr weise Leute wolltet fragen, so könnte es euch nimmer schlimm gehen an Leib, noch an Seele, noch an Ehre. Dasselbe sage ich von allen Dingen, die der Mensch zu tun hat oder tun will, die wichtig sind. Es hüte sich alle Welt, dass sie mit diesen Ratgebern zu tun habe; oder es geschieht euch wie Absalon und Roboam. Absalon folgte den bösen Ratgebern, und tat solche Dinge wider seinen Vater, dass er Leib und Seele verwirkte. So verlor auch Roboam Ehre und Gut. So verliert noch Mancher Ehre und Gut, Mancher Leib und Seele durch ungetreue Ratgeber. Zum dritten soll der Mensch fragen den allmächtigen Gott, wie der gute König Herr Josaphat. Als er gegen die Heiden sollte streiten, da sprach er: „Nun können wir anders nichts tun, als dass wir den allmächtigen Gott fragen, denn ohne seinen Rat können wir nicht streiten.“ Und er siegte mit Gottes Rat. So sollst du tun. Du sollst hin zu Gott sehen mit dem Herzen und den Augen und sollst ihn anrufen, dass er dir das Beste und das Ratsamste gebe zu tun, so kann es dir nimmer misslingen.
Das Zweite, das du lernen sollst, um weise zu werden, ist: dass du kein Ding sollst aufschieben, das dir in den Sinn kommt, wenn es nämlich löblich und ehrenvoll ist und deiner Seele heilsam. Es sei nun Almosen geben, oder dass du denkst: ich will jetzt beten, oder ich will das Gut nicht länger auf mir haben, ich will es ersetzen und wieder geben; so dir das der Heilige Geist in den Gedanken sendet, so sollst du es alsbald tun, ehe dir der Teufel ein Anderes rät. Und was es sei in aller Welt, das Gott löblich ist und deiner Seele nützlich, das sollst du nicht länger aufschieben, du sollst es alsbald im Werk vollbringen. Denn zu drei großen Dingen ist es dir gut, wenn du es sogleich tust. Das eine ist, dass Gott das Gute, das dir zu Willen wird, am allerliebsten ist, wenn du es sogleich tust. Es ist ihm heute lieber als morgen; tust du es morgen, so ist es Gott viel lieber, als wenn du es aufschiebst auf den dritten Tag. Am dritten Tag aber viel lieber als über eine Woche; je schneller du es tust, desto lieber ist es Gott. Zweitens ist es dir gut, wenn du das Gute sogleich tust, das dir zu Mut wird, dass sich dein Lohn alle Tage davon mehrt, und dein Segen wächst vor Gott, so lange du lebst; denn Guttat wächst vor Gott alle Tage, so lange du dich in guten Werken übst. Das Dritte ist, dass deine Seele und dein Gemüt dadurch erfreut wird; denn so oft du ein gut Ding tust, das Gott angehört und deiner Seele Seligkeit, so gewinnt dein Gemüt einen Trost darob und eine Freude und es freut sich deine Seele in deinem Leib, weil sie dann sicher ist, dass du an den Guttaten nicht magst gehindert werden; darum freut sich dein Gemüt, denn des Menschen Leben ist zweifelhaft, wer heute lebt, weiß nicht, ob er morgen noch leben wird. Dass es dir nütze und gut sei, wenn du nicht gehindert wirst und nicht säumest, das hat uns Gott selber gezeigt in dem heiligen Evangelium, das man da liest von den zehn Jungfrauen. Deren waren fünfe schnell und brachten ihre Lichter; die waren wohl bereit; als der Herr, der Bräutigam kam, da brannten sie hell. Aber die fünf, die sich versäumt hatten, die mussten vor der Türe stehen bleiben. Willst du zu langsam sein mit deinen guten Taten, da magst du dich gar leicht versäumen, dass du die ewige Pforte nimmer innerhalb schaust. Darum sollt ihr nicht zu lange schlafen, damit ihr das ewige Licht nicht verschlaft. Wollt ihr erst nach dem Öl laufen, so es schon halb sollte verbrannt sein, oder so man es aufzünden sollte, so sperrt der wahre Bräutigam die Pforte des Himmels zu und spricht also: „Wahrlich, ich sage euch, dass ich nicht weiß, wer ihr seid, noch wissen will.“ Wehe! wenn ihr es dazu kommen lasset, so habt ihr euch übel benommen; davor beschirme uns der allmächtige Gott allesamt! Darum soll ein jeglicher Mensch schnell und wacker sein und nicht träg in Gottes Dienst, denn das ist der sieben Hauptsünden eine. Man soll reichlich dienen und wacker und fröhlich und nicht schläfrig. Wollt ihr mir hierin folgen, so seid ihr weise Leute; wollt ihr aber nicht, so mag euch wohl geschehen wie unweisen Leuten.
Das Dritte, das ihr lernen sollt, um weise zu werden, ist: dass ihr bei jedem Ding, das ihr mit oder ohne Rat tut, gar wohl betrachten sollt, welches Ende es nehme; das ist gar leicht zu tun und ist aller Weisheit beste. Hätte Kain auf das Ende gesehen, so hätte er seinen Bruder nicht ermordet und würde nicht schon so viel hundert Jahre brennen, und das ist noch nichts gegen die Zeit, die er noch brennen muss. Und Esau, der Fresser, der aus erbärmlichem Hunger seine Seligkeit fraß, hätte er besser auf das Ende gesehen, er wäre eher Hungers gestorben, als dass er das rote Mus gegessen hätte in des Hungers Gier. O weh! wie viele tausend Seelen vergessen sich um einer schlechten Gier willen, dass ihrer nimmer Rat wird, davon, dass sie nicht fleißig auf das Ende sehen! Hätte Herr Samson auf das Ende gesehen, so wären ihm nicht die Augen ausgestochen worden, und er hätte nicht sein Leben und all seine Ehre verloren. Ihr sollt tun wie der edle König David. Als er wider Gott eine kleine Sünde getan, entbot ihm der Herr durch den Propheten Gad, dass er sich von drei Bußen eine wähle, welche er wolle: dass sieben Hungerjahre kämen über all sein Land, oder dass er drei Monate flüchtig sein müsste vor Krieg und vor seinen starken Feinden, oder dass drei Tage Leutesterben in seinem Land überall sollte sein. Da sprach er: Herr! Gnade! ich tu es nimmermehr; sie sind alle hart und übel zu nehmen. Es war kein Rat, er musste von den drei Bußen eine wählen für seine Sünde; er hatte nichts weiter getan, als dass er sein Volk zählen hieß, wie viel er streitbares Volk hätte in zwei Ländern. Ist Jemand hier, der nie eine Sünde getan, die so groß ist? Nun seht! was uns damit gemeint sei. Denn Alles, was uns Christenleuten an wichtigen Dingen künftig war an der Seele, das hat uns Gott Alles gezeigt im alten Bund an der Leute Leben. Und also hat er uns auch gezeigt, dass ein jeglicher Christenmensch, der nach der Taufe gesündigt, von drei Bußen eine muss leiden; davon ist eine hart und schwer und bitter und sauer und so übermäßig gräulich, dass es kein Mensch voll sagen kann; und sie ist zu nichts gut. Die zweite ist auch sehr schwer und hart und ist nur zu einem Dinge gut. Die dritte ist sanft und kurz und ist zu zwei großen Dingen gut. Die erste Buße, die so schwer und so hart ist und so lang, dass ihrer gar kein Ende wird, ist uns bezeichnet durch die sieben Hungerjahre. Was aber die sieben Hungerjahre bedeuten, jegliches besonders, das wäre zu lang zu sagen, davon handelt eine besondere Predigt. Die zweite Buße ist das Fegfeuer, das ist eine schwere und harte Buße und ist uns bezeichnet durch die drei Monate der Flucht. Die dritte Buße ist die Buße auf Erden und ist uns bezeichnet durch die drei Tage des Leutesterbens. Denn die auf Erden büßen, sind kaum drei Tage in der Buße gegen die, welche in dem Fegfeuer büßen, ich will von denen schweigen, die in der Hölle sind; denn diese müssen ohne Ende brennen in der Buße; das ist zu nichts gut, denn sie gewinnen nimmer ein Ende. Das Fegfeuer ist zu einem Ding gut, denn es überhebt der Hölle. Buße auf Erden ist zu zwei Dingen gut, sie überhebt der Hölle und dem Fegfeuer. Merkt nun große Weisheit an dem edlen David; er wählte das Beste und sah fleißig auf das Ende, darum gelang es ihm wohl. Er dachte in seinem Sinn: Wähle ich die sieben Hungerjahre, so gehen alle meine Leute durch meine Schuld zu Grunde, die doch unschuldig sind; ich und meine Kinder würden gerettet und gingen nur die Unschuldigsten zu Grunde. Ich will die Buße nicht. Herr! sei mir gnädig, ich bin es, der die Sünde begangen hat, vollziehe die Buße an mir. Wähle ich nun die drei Monate, so habe ich feste Burgen und gute Rosse und mag meinen Feinden wohl entrinnen auf die guten Burgen, so dass ich die drei Monate wohl bewahrt bliebe vor meinen Feinden. Dagegen gingen alle meine Leute zu Grund, die doch unschuldig sind an meiner Sünde. Sei gnädig, Herr! ich will auch diese Buße nicht. Ich will mit deiner Gnade das dreitägige Leutesterben nehmen; dann triffst du den Schuldigen so bald wie den Unschuldigen. Und damit fiel er auf die Erde und flehte inbrünstig Gott an, dass er sich über ihn erbarme und das unschuldige Volk seine Schuld nicht entgelten lasse. Und da Gott seine Weisheit sah und seine Tugend, dass er auf das Ende der Sache so gar gesehen hatte, so ließ er von seinem Zorn ab, und was drei Tage währen sollte, währte nur des Morgens eine Weile von der Primzeit bis zur Sext2); denn Gott sah seine Weisheit und Einsicht, dass er williglich auf das Ende gesehen. Also sollt ihr auf das Ende schauen mit gutem Fleiß; ehe es geschieht, sollt ihr vor Allem überdenken, was für ein Ende daran sein möge, wie Herr David tat. Und bedenkt das Beste bei der Buße. Da wir Alle von den drei Bußen eine nehmen müssen, so nehmt die beste. Um des allmächtigen Gottes willen ergreift die rechte Buße, die zu zwei Dingen nützlich ist, und gewinnt wahre Reue nach der Kunst, wie die Heiligen da lehren, und kommt zu aufrichtiger Beichte und Buße nach Gottes Gnade und nach euern Kräften. Dass uns das Allen widerfahre, das helfe uns der Vater, der Sohn und der Heilige Geist! Amen.