Inhaltsverzeichnis

Arndt, Friedrich - 19. Andachten zum Psalter

Psalm 1

Vor Gott gibt es keine Mittelklassen, sondern nur zwei Klassen von Menschen: Gottlose und Gerechte. jene bilden drei Stufen: Gottlose im engeren Sinne, ungöttliche Menschen, die kein Leben aus Gott haben, sondern nur von der Welt sind, dann Sünder, bei denen das innere Verderben nicht mehr verborgen, sondern herausgetreten ist in mehr oder minder groben Ausbrüchen, welche bis zur Leidenschaft, bis zum Laster reifen; sie fallen von einer offenbaren Sünde in die andere, und werden zuletzt Spötter und Verräter alles Heiligen. So geht es mit ihnen immer tiefer herunter, bis sie sterben, und die Seele dann entblößt dasteht und schnell dann dem anheimfällt, dem sie innerlich angehört. Traurige Zukunft der Gottlosen! Ihnen ist nicht wohl, wie den Gerechten, sie bestehen in keinem göttlichen Gerichte, sie haben sich selbst ausgeschieden aus der Gemeinde Gottes, und die ganze Summe ihrer Grundsätze, Wünsche, Pläne und Hoffnungen wird zuletzt in ihrer Nichtigkeit offenbar. – Wie ganz anders die Gerechten, deren Lust es ist, Gottes geoffenbartes Wort zu lesen und zu lernen, zu hören und zu verstehen! Wie sie wachsen wie Bäume in der Gnade durch die beständigen Geisteszuflüsse von oben! Wie sie Früchte des Glaubens und der Treue, der Liebe und des Gehorsams und der Hoffnung des ewigen Lebens tragen! Wie ihre Werke in lange dauerndem Segen bleiben und ihnen nachfolgen in die Ewigkeit! Wie der Herr sich zu ihnen und ihrem Wege bekennt! – Herr, bewahre meine Worte vor der Gemeinschaft, vor den Ratschlägen und Spottreden der Gottlosen, ja, vor jeder Lust an der Sünde, und gib mir Gnade, dass ich meine einzige Lust an Deinem Worte habe, darnach meinen Gang, meine Worte und Werke einrichte, täglich den einen oder andern Spruch in meinen Gedanken habe, damit aus- und eingehe, in Deiner heiligen Furcht wandle, davon gern rede und mich Deiner niemals schäme. Lass diesen ersten Psalm zeitlebens meine Lebensregel bleiben, und wenn ich davon weiche, führe mich zurück. Amen.

Psalm 2.

Die Wahrheit dieser Worte hat besonders das Osterfest bewährt. Da hast Du freilich, ewiger und mächtiger Gott, Deinen Sohn zum Könige in Deiner Kirche auf Deinem heiligen Berge Zion eingesetzt, dass Er ihr Haupt, Regent und Beschützer sein soll. Lass Ihn nun auch in mir seine köstliche Regierung aufrichten, dass Er regiere meine Gedanken, damit ich beständig mit Dir umgehe, an Dich denke, mich Deiner Liebe erfreue, wo ich aus- und eingehe, arbeite und bin, mir Deine heilige Gegenwart vorstelle; - dass Er meine Zunge und Lippen regiere, damit nichts Unreines vorgebracht werde, sondern ich sie auftue zu Deinem Lobe, zum Nutzen des Nächsten und meinem Beruf ein Genüge zu tun; - dass Er regiere mein Leben, meine Gänge, damit ich als ein Kind Gottes auf Dein Gebot und Deinen Willen sehe. O seliges Leben, wenn Jesus mein König ist! Unter Seiner Regierung ist mir wohl. Er bewahrt mich vor schweren Rückfällen, schenkt mir seinen heiligen Geist zum Führer und Tröster, der mich heilige, Welt und Sünde mir bitter mache. Andere Könige nehmen von ihren Untertanen Geschenke und Gaben, lassen sich Schoß und Zoll zahlen; aber mein Jesus schenkt mir herrliche, himmlische und ewige Gaben hier in der Zeit und unaussprechliche Güter in der Ewigkeit. Er kleidet mich mit seiner Gerechtigkeit, wäscht mich von Sünden mit seinem Blut, und bringt mich endlich zum völligen Genuss seines Königreichs. Indessen gibt Er mir Kraft, wider die Sünde zu streiten. Darum toben die Völker, mein Fleisch und Blut widerstrebt dieser Regierung, die Welt lacht darüber; allein ich befinde mich wohl dabei. Mein Jesu, sei und bleibe heute und allezeit mein König, Licht und Leben, ich entsage allen Dingen ab und übergebe mich Dir mit ganzem Herzen und Willen. Lösch’ alle Sünden aus in mir, mein Herz mit Lieb’ und glauben zier’, und was sonst ist von Tugend mehr, das pflanz’ in mir zu Deiner Ehr’! Amen.

Psalm 3 u. 4.

Wohl denen, die also sprechen können: „Ich liege und schlafe ganz in Frieden; denn allein Du, Herr, hilfst mir, dass ich sicher wohne.“ David hatte in seinem Leben viel zu schaffen mit seinen Feinden, er warnte sie vor Majestätsschändung, Eitelkeit und Lügen, er ermahnte sie zur Erkenntnis der wunderlichen und doch so herrlichen Wege Gottes, zur Mäßigung, Sanftmut und Gerechtigkeit: Alles umsonst, er richtete nichts damit aus, sie spotteten meistenteils seiner nur um so frecher und riefen: wie sollte uns dieser weisen, was gut ist? Da wendet er von ihnen sich weg zu seinem Gott und jauchzt: „Du erfreust mein Herz, ob jene gleich viel Wein und Korn haben; ich liege und schlafe ganz mit Frieden; denn allein Du, Herr, hilfst mir, dass ich sicher wohne.“ Er wusste aus Erfahrung, worin die rechte Freude besteht. – Gottes Gnade allein gibt uns Schutz und Schirm. Wer ihrer gewiss ist, lässt der Welt gern ihre Schätze, Freuden und Ehren, bekümmert sich um das Zeitliche niemals, und kein Feind ist im Stande, seine Ruhe zu stören. Aber freilich kommt Alles darauf an, dass wir in der Gnade fest stehen, und das ist nicht leicht. Manche geben sich ein heroisches Aussehen, und im Herzen wackelt doch Alles. Wenn man diese fragt: Hast du denn wirklich etwas Festes? so können sie weder Ja noch Nein sagen. Und dies ist das sicherste Zeichen, dass sie noch nichts Festes haben. Sie bauen in die Höhe, und haben noch keinen Grund gelegt: was Wunder, wenn dann Stöße kommen und das ganze Gerüste zusammenfällt? Und doch ist die Gnade Gottes etwas, das Jeder frei und umsonst haben kann. Gott schenkt sie jedem armen Sünder, aber auch nur Dem. Man muss zuerst innerlich zusammenbrechen, dann erst wird man von oben stark und kräftig. Die Naturkraft muss der Gnadenkraft Platz machen, und die falschen Stelzen dem Grund, außer dem kein anderer gelegt werden kann. Christus muss den Stärksten zum Schwächsten und den Reichsten zum Ärmsten gemacht haben, dann wird Eisen und Erz an unser Schuhen sein, und unser Alter wird sein wie unsere Jugend. (5. Mos. 33,25.) Die festesten Gottesmänner sind nur in den Abgründen und in den Tränen stark geworden. Amen.

Psalm 6.

Dies ist der erste Bußpsalm Davids in der Reihe der sieben Bußpsalmen, (32. 38. 51. 102. 130. 143.) und enthält ein gar bewegliches Klaggebet um Abwendung des göttlichen Zorns. Mit diesem Psalm tröstete im Jahre 1541 Dr. Luther eine betrübte und angefochtene Person und sagte: „Ich, Dr. Luther, bin auch in solchen Anfechtungen gewesen, die meinen Leib gar verzehrten, dass ich nicht wohl Atem hatte und mich schier kein Mensch trösten konnte; denn wem ichs klagte, der sagte: „Ich weiß nichts von dieser Anfechtung,“ dass ich darauf sagte: Bin ich’s denn allein, der ich den Geist der Traurigkeit leiden muss? Aber ich war’s nicht allein. Siehe den König David an, der hat diese Anfechtung auch gehabt. Er sprach wohl ernstlich: „Ich aber sprach, da mirs wohl ging, ich werde nimmermehr darniederliegen.“ (Ps. 30,7.) Darnach aber sprach er: „Ach, Herr, strafe mich nicht in Deinem Zorn und züchtige mich nicht in Deinem Grimm.“ (Ps. 6,2.) Diesen Vers habe ich aus der Erfahrung gelernt: „Ich schwemme mein Bett die ganze Nacht und netze mit meinen Tränen mein Lager.“ (Ps. 6,7.) – Freude und Leid, beides gehört zusammen; wer das Eine will, muss auch das Andere haben. Darum stehen neben den Lob- und Dankpsalmen auch Buß- und Klagpsalmen und folgt auf den Sonntag Jubilate der Buß- und Bettag des Jahres. Mit der Genesung der Seele geht’s einmal nicht anders. Sünde und Gnade bleiben, so lange wir leben, die Angeln, um die sich unser Christentum dreht. Beim Blick auf die Gnade daher lauter Dank, beim Blick auf unsere Sünde lauter Buße! Des Christen Leben daher ein immerwährendes Loben und sich Beugen! Auf das: Herr, sei mir gnädig! folgt immer das Bekenntnis: denn ich bin schwach. Die Not allein macht Füße. Vollends die Seelen- und Sünden-Not. Die Bußtränen sind das beste Vorbeugungsmittel vor der Hölle. Doch ist es nicht sowohl das weinende Auge, als das zerbrochene Herz, worauf Gott sieht. Um solches Herz bitte ich Dich; Herr, gib, Herr erhalte es mir bis an mein Ende. Amen.

Psalm 8.

Herr, wie sind Deine Werke so groß und viel! Du hast sie alle weislich geordnet! Du hast die Sterne erschaffen. Du hältst sie in ihren Bahnen. Seit Jahrtausenden wandeln sie ihren stillen Gang nach unwandelbaren Gesetzen. Noch ist keiner aus seiner Bahn geglitten, noch hat keiner seinen Weg verändert. Wie am ersten Morgen der Schöpfung, so gehen noch heute auf und nieder die Sterne. Wie ein Hirt seine Heerde, so weidet Jehovah das Heer derselbigen. Sie gehorchen alle dem Wink ihres einigen Meisters. Wo ist denn das starke Band, das die Welten in ihrem Umschwung hält? Deine Allweisheit, Unendlicher, hat gewoben das unsichtbare Band. – O meine Seele, lobe den Herrn! Gehe mit deinen Augen von Stern zu Stern, und erkenne es tief im Staube, wie groß Gott ist und wie klein du bist, wie Torheit so oft deine Schritte bezeichnet, aber Weisheit die Bahnen der Sterne! Willst du Ihm nicht unwandelbar vertrauen? Der die Sterne hält, wird auch dich nicht fallen lassen! Der den Welten die Bahnen zeigt, wird auch deinen Weg durchs Leben bahnen! Der das All regiert, wird auch deines Hauses sich erbarmen! Gott, heller und heller lese ich es in Deinen Sternen: Du bist die Liebe! – Freundlich ist der Sterne Schimmer. Wie hebt das dunkle Blau des Himmels ihren funkelnden Glanz! Von jedem Stern grüßt Seine Liebe uns. Wenn es hier unten dunkelt, dann wird es dort oben helle. Nur die Erde kennt Nacht: im Himmel ist es Licht. Wenn ich auf Erden nicht sehen kann, will ich aufwärts zu den Sternen meinen Blick erheben. Wie es schon jetzt am Himmel helle ist, wenn es auf Erden dunkel ist, so wird einst im Himmel alles Erdendunkel sich lichten. – O meine Seele, lobe den Herrn! Sein Licht ist dir aufgegangen! Die Irrlichter sind nur auf der Erde, also – am Himmel zünde dein Licht an! In Gott das höchste Licht zu erblicken, das lehret mich der Sternenhimmel. Die Erde ist dunkel, das menschliche Herz ist es auch. Die Erde wird von oben erleuchtet, das menschliche Herz wird es auch. Von oben muss kommen das Licht in die Seele, sonst bleibt sie ein dunkler Ort. Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater des Lichtes! Amen.

Psalm 10.

Habe Dank, Herr Jesu, für Deine große Liebe, welche Dich bewogen, Dich ins Gericht stellen zu lassen an meiner Statt, und in allen Stücken mir gleich zu werden und alle Lagen zu teilen. Du bist der König Himmels und der Erde; sei nun auch der König meines Herzens. Du bist ein ewiger König: so ist auch Dein Reich ein ewiges, unvergängliches Reich. Mache mich zu einem treuen Untertan in demselben, damit ich in Deinem Reich unter Dir lebe und Dir diene in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit. – Herr Jesu, Pilatus zeugt von Deiner Unschuld; eine Stunde vorher hatte Judas ein Zeugnis davon abgelegt, jetzt tut es gar der Richter selbst. So musste Deine Unschuld offenbar werden, damit wir wüssten, ob Du um eigner oder um fremder Sünden willen littest. Gottlob, dass Du bezahlet, was Du nicht geraubt hast! Das war aber dem Satan unerträglich, dass Du solltest unschuldig sein; deswegen feuerte er aufs neue seine Werkzeuge an, Dich hart zu verklagen. Du schwiegest aber still wie ein Lamm, das verstummet vor seinem Scheerer. Herr Jesu, dies lass mich Dir im wahren Glauben nachtun. Wenn der Verkläger mir meine Sünden vorrückt, so lass mich in heiliger Stille meine Zuflucht zu Deiner Unschuld nehmen und mich weiter in keinen Wortwechsel mit ihm einlassen. In allen Leiden lehre mich die große Kunst, stille zu sein, damit ich mich nicht durch Entschuldigungen oder Klagen versündige; sei Du auch in diesem Stück mein Versöhner und Exempel. – Der Landpfleger verwunderte sich sehr über Dein Stillschweigen; o wenn er die tiefen Geheimnisse Deines heiligen Stillschweigens eingesehen hätte, wie würde sich der Heide dann erst verwundert haben! Darnach fragt er aber nicht. So macht’s die Welt noch. Wenn etwas Merkwürdiges im Reich der Natur oder Gnade geschieht, so verwundert sie sich wohl zuweilen sehr; das ist aber auch Alles. Dass es doch bei mir anders sei! Dass Du doch durch Alles Deinen Zweck an mir erreichest! Gib Du mir ein solch aufmerksames und folgsames Herz, um der Verdienste Deiner Leiden willen. Amen.

Psalm 11.

Herr Jesu, tausend Dank sei Dir gesagt für alle vor Herodes übernommenen Leiden, in denen Du den 11. Psalm auch an Dir bewährt hast! Lass mich aus Deinem heiligen Verhalten Weisheit, Sanftmut, Geduld und Stille lernen. Dein Verspotten, Dein Verhöhnen müsse meine Schuld versöhnen! Dein Herumführen von einer Obrigkeit zur andern befreie mich von der Obrigkeit der Finsternis. Dein Stehen im Gericht helfe mir, dass ich im jüngsten Gericht bestehe und nicht zu Schanden werde. Deine Sanftmut sei die Versöhnung meines rachgierigen Herzens. Dein weißes Kleid, mein unschuldiger Heiland, war wohl ein Bild Deiner Heiligkeit und Unschuld: diese sei mir eine vollkommene Decke meiner Schuld. Möchte ich so oft an Dein weißes Spottkleid gedenken, als ich ein weißes Hemd anziehe, und mir meine tägliche Kleidung dadurch geweiht sein! Dein weißes Kleid heilige mir auch mein weißes Sterbekleid; Dein Blut, Unschuld und Gerechtigkeit sei auch alsdann mein Schmuck und Ehrenkleid, dass ich sagen könne: In des Keltertreters Wunden hab’ ich meinen Schmuck gefunden. – Herr Jesu, alle Schmach, die Du vor Herodes erduldet, widerfährt Dir noch täglich, ob Du schon auf dem Thron der Herrlichkeit sitzest. Erfülle mein Herz mit einer heiligen Ehrfurcht vor Deiner Majestät, dass ich Dich ja nicht verunehre. Dein Heiliger Geist verkläre Dich in meiner Seele in Deiner unaussprechlichen Würdigkeit, dass ich Dich über Alles hoch und teuer achte, und Dir zu dienen und im Staube zu Deinen Füßen anzubeten für meine größte Ehre halte, Dich auch in Deinen von der Welt verachteten Gliedern nicht kränke, sondern Dein Bild an ihnen ehre und sie stets höher achte als mich selbst. Wie Du bist zum Hohngelächter ausgestellt worden, so lass mich die Welt mit allen ihren Torheiten verlachen. Lache Du mich an, mein Freund, und zeige mir Dein holdseliges Angesicht in meinem Leben, im Leiden und besonders im Sterben. O da sei mir nur nicht schrecklich, meine Zuflucht in der Not, sondern stärke mich so kräftig durch die Erkenntnis Deiner Freundlichkeit, dass ich auch im Tode Dir entgegenlache und den Tod selbst verlachen kann: Alles um der Verdienste Deiner Leiden willen. Amen.

Psalm 12.

Wenn irgend Einer die Zunahme der Gottlosigkeit auf Erden erfuhr, so warst Du es, Herr Jesu. Eine neue Ungerechtigkeit wurde an Dir verübt durch die Zusammenstellung Deiner Person mit der des Barrabbas. Freilich stehst Du da an meiner Statt. Niemand kann mit Grund der Wahrheit ein Verbrechen auf Dich bringen, und Du musst doch haften. Der Mörder kommt los, und Du bleibest im Gerichte stecken. O der Mörder und Aufrührer, der den Tod verdient hat, der sonderliche Bösewicht und Aufrührer, der den Tod verdient hat, der sonderliche Bösewicht vor andern, der bin ich. Nun darf mir vor keinem Steckenbleiben, in keiner Not, im Tod und auch selbst im Gericht angst sein, Du hilfst mir durch Alles hindurch und heraus, wenn ich mich nur im rechten Glauben an Dich halte. Ja, Du sagst sogar, wer an Dich glaube, der komme gar nicht ins Gericht. So Vieles hast Du hier erworben. Aber ob Du gleich ein so köstlicher Heiland von so unschätzbaren Verdiensten bist, so mag Dich doch fast Niemand haben. Die Hohenpriester, Schriftgelehrten und das ganze Volk sähen Dich gern aus dem Lande der Lebendigen vertilgt, rufen und schreien unablässig: Weg mit diesem! Pilatus weiß auch nicht, wozu er Dich brauchen soll, fragt daher das Volk: „Was soll ich denn machen mit Jesu?“ Ei nun, mein Heiland, mir bist Du ganz unentbehrlich, Du allerhöchstes Geschenk des Himmels; komm, komm her zu mir, ich kann und will Dich zu Allem brauchen, und Du bist mir von Deinem Vater zu Allem gemacht, wozu ich Dich nötig habe, besonders zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung. Dazu will ich Dich denn auch gebrauchen, denn dazu habe ich Dich eben nötig, und Du bist mir daher ganz recht. – Pilatus ergibt Dich in den Willen des Volkes: Dein Vater übergibt Dich mir, auch zu meinem Willen. Dass ich nur mit Dir handle nach dem durch Deinen Geist in mir gewirkten guten Willen, den Du aber immer mehr stärken und reinigen wollest. So werde ich Dich gläubig annehmen und recht gebrauchen zu meinem Hohenpriester, Propheten und König. Ich werde einst Rechenschaft geben müssen, wie ich Dich angewendet und mir zu nutze gemacht habe. Dein Steckenbleiben im Gericht gebe mir Freudigkeit, mich täglich selbst zu richten, den Richter aber getrost als meinen versöhnten Vater im Beten anzurufen. Amen.

Psalm 13.

Musste nicht Jesus so jammern, als seine Leiden gar kein Ende nehmen wollten? Unschuldig warst Du, o Herr, und doch ließ Pilatus Dich nicht los, sondern begnügte sich damit, Wasser zu nehmen, seine Hände zu waschen und zu sprechen: Ich bin unschuldig an dem Blute dieses Gerechten; da denn das Volk mit lauter Stimme ruft: “Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder!“ Ach mein Heiland, ich kann nicht sagen, dass ich unschuldig sei an Deinem Blute; nein, ich bin schuldig daran, meine Sünden haben es Dir im Ölgarten ausgepresst, sie waren die Peitschen, die Dich bis aufs Blut gegeißelt: die Henker, die Dich gequält; die Dornen, die Dich gestochen; das Marterzeug, das Dich gekreuzigt. Ich bin schuldig geworden an Deinem Blute, da ich meine Seele, welche Du bei der heiligen Taufe in demselben gewaschen, wieder durch mutwillige Sünden befleckt; ja, durch jede Unterlassungs- und Begehungssünde habe ich mich in Deinem Blute schuldig gemacht. Ach, mein Erbarmer, ich erkenne und bekenne meine Schuld, rufe aber mit bußfertigem und glaubensdurstigem Herzen: Dein Blut komme über mich, nicht zum Fluch, sondern zum Segen und zu meiner Reinigung. In Dein Blut muss ich meine nackte Seele verhüllen, darum komme Dein Blut über mich zu meinem Kleide. Mit Deinem blute muss ich meine hässliche Seele schmücken und zieren, darum komme Dein Blut über mich zu meinem Schmuck. Mit Deinem Blute muss ich meine hungrige und durstige Seele speisen, tränken und laben, darum komme es über mich zu meiner Sättigung und Erquickung. Dein Blut muss meine Wunden heilen als die beste Salbe in Gilead, so komme dasselbe über mich zu meinem Heilbalsam. Soll ich in Sünden Toter wieder zu dem geistlichen Leben, das aus Gott ist, gelangen, so muss Dein Blut mich beleben. Ja, soll ich ein Mitgenosse des frohen, ewigen Lebens werden, so muss ich es um Deines Blutes willen erbitten und erlangen. Kurz, Herr Jesu, Dein Blut komme über uns und über unsere Kinder zu dem Endzweck, wozu Du es vergossen. Amen.

Psalm 15.

Ich gehe nun zu meiner Ruhestätte nach vollbrachter, mühsamer Tagesarbeit; ich höre auf mich zu bemühen, vergesse der Welt und lege alle meine Sorgen in Deinen Schoß. Bewahre mich und die Meinigen, Du nimmer schlafender Hüter und Wächter Israels, vor allem, was mir Schaden bringen könnte; halte ab alle, die nicht schlafen, bis sie Böses getan. Behüte mich vor unruhigem Wachen, vor herzfressenden Sorgen, und vor gefährlichen Zufällen. Lass mich mit guten Gedanken einschlafen, unter Deinem mächtigen Schutz sicher liegen, und morgen mit einem fröhlichen Gemüte, mit gesundem Leib und neuen Kräften mein Lager zu rechter Zeit verlassen, und Dir zu Ehren und meinem Nächsten zum Besten ferner dienen, so lange es Dir beliebt, damit ich allezeit wohne in Deiner Hütte und bleibe auf Deinem heiligen Berge.

Die Liebe, mit der ich meinem Nächsten verbunden bin, heißt mich auch für denselben bitten. Schone deren, o Gott, die Dich heute beleidigt haben, und denke an die in Gnaden, die noch nicht ernstlich an Dich denken in Buße und Besserung; erleuchte, die noch in Finsternis wandeln, und deren Namen in Dein Buch geschrieben sind. Erbarme Dich derer, welche die Sonne in ihrem Zorn haben untergehen lassen; stärke, die in der Nacht noch arbeiten müssen; begleite die Reisenden; sei ein Vater aller Trostlosen, ein Arzt und Helfer der Kranken, die elender Nächte viele haben, und erleichtere die Stunden denen, die nicht schlafen können.

Und weil mein Leben einmal wird ein Ende nehmen, so lass mich auch am Ende dieses Tages an das Ende meines Lebens denken. Wann der letzte Abend meines Lebens kommt und mir die Sonne zum letzten Mal untergeht, so fahre sie immer hin: bleib’ Du nur alsdann bei mir, Herr Jesu, Du Sonne der Gerechtigkeit; gehe in meinem Herzen nimmermehr unter, und nimm meine Seele zu Dir. Deine Heiligen werden wie die Sterne droben im Himmel leuchten: lass mich auch, wie das geringste Sternlein, ewig leuchten droben in Deines und meines Vaters Reich, und gib mir aus Gnaden mein Kinderteil, was Du für mich verwahrt und hingelegt hast in dem Himmel. Amen.

Psalm 16.

Kommst Du, Herr Jesu, dem schwachen Thomas entgegen: so eile auch zu meinem Trost und zur Hilfe herbei, wenn mein Glaube schwach und wankend wird, damit ich allezeit den 16. Psalm beten kann. Hast Du Thomä Verlangen erfüllt, weil es seiner Seele heilsam und notwendig war: ach, so gib mir auch die himmlischen Gaben in reichem Maß, Deinen heiligen Geist, ein frommes Herz, Abscheu vor allen Sünden, eine heilige, aufrichtige und beständige Liebe zu Dir, einen lebendigen, mein Herz und Leben heiligenden Glauben. Du weißt, dass ich ohne diese Gaben nicht in Deiner Gnade bleiben und auch nicht selig werden kann; darum lass Deine Liebe mich umfassen und erfreuen. Warst du willig, Deine Wunden dem Thomas nach Verlangen zu zeigen, so sollen auch dieselben mir in meinem ganzen Leben und zu allen Zeiten zu meiner Seele Erquickung dienen. Ich will daran gedenken in gesunden Tagen, und in Betrachtung derselben vor der Sünde fliehen, wie vor einer Schlange. Sollte ich Den mit Wissen noch betrüben wollen, der sich für mich hat blutig schlagen lassen? Ich will an Deine Wunden gedenken in meinen Angststunden, wenn das Sündenregister mich schreckt. Wenn mir der Satan die Seligkeit abspricht, so will ich im Glauben sprechen: diese Wunden sind auch für mich geschlagen, sein Blut ist das Lösegeld für alle meine Sünden. Mein Jesu, reiche mir auch Deine Wunden dar in der Stunde meines Todes, dass ich darein fliehe, mich Deiner Genugtuung tröste und um derselben willen Gnade erlange. Du wirst ja nicht zugeben, dass ich verwese, sondern mir kund tun den Weg zum Leben; vor Dir ist Freude die Fülle und liebliches Wesen zu Deiner Rechten ewiglich. Erschienest Du dem Thomas bald zum Troste und ließest ihn nicht länger als acht Tage in seinem Zweifel und in seiner Ungewissheit: ach, so verzeuch auch nicht, wenn ich mit Trübsal umgeben bin, wenn ich allerlei äußerliches oder innerliches Elend an meinem Leibe oder Gemüte trage. Indessen lass meinen Glauben nicht aufhören, stärke und erhalte mich in Deiner Gnade, und erfreue mich, wie Du Thomas erfreut hast. Amen.

Psalm 17.

Ein Klagepsalm Davids, in großer Not und Gefahr durch feindliche Bedrängnis! Er schildert ausführlich und beredt die gottlose Bosheit der Feinde, welche Gott laut zum Einschreiten auffordert, und hofft zum Schluss freudig auf das Heil des Herrn, - warum? Um seiner Gerechtigkeit willen, die so fern ist von aller Heuchelei, dass sie die schärfste Prüfung der in die verborgensten Tiefen des Herzens eindringenden göttlichen Allwissenheit nicht zu scheuen braucht. „Wie? Erkannte und fühlte denn David nicht seine Sünde?“ Allerdings, und tief genug, z.B. Ps. 143: „Gehe nicht ins Gericht mit Deinem Knechte, denn vor Dir ist kein Lebendiger gerecht.“ Er meint damit auch keine vollendete Heiligkeit, sondern nur das aufrichtige, sittliche Streben, die der Erfüllung des göttlichen Gesetzes eifrig nachtrachtende Grundrichtung des Gemüts, bei deren Vorhandensein Gott die mannichfachen Schwachheiten nach seiner Gnade verzeiht. Und in dem Sinne müssen auch wir beten können: Herr, erhöre die Gerechtigkeit. Diese Lebensgerechtigkeit sprosst aus der Vergebung der Sünden, welche das Aufgeben aller eignen Heiligkeit und Verdienstlichkeit zur Voraussetzung hat, aus der Glaubensgerechtigkeit, die Jesu Verdienst als das allein zur Seligkeit Unentbehrliche und Ausreichende ergreift, und ist so gewiss ein unterscheidendes Merkmal aller Erwählten, so gewiss eine unerlässliche Bedingung der göttlichen Hilfe, als der wahre Glaube durch und durch sittlichen Character trägt und denjenigen, welche Gott mit müßigen Gefühlen abfinden zu können wähnen, gleich von vorn herein das ernste Wort entgegenruft: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.“ – Ach, Herr, das Gebet: „Erhöre die Gerechtigkeit“ erschreckt und erfreuet mich zugleich; es erschreckt mich, wenn ich an meine wirkliche Ungerechtigkeit gedenke, und doch erfreut es mich auch wieder, da die Gerechtigkeit Deines Sohnes für mich zu Dir ruft und schreit und Du das Herz ansiehst, das aufrichtig und ernst es mit Dir meint und gern gerecht und heilig sein möchte vor Deinen heiligen Augen, und den Mund in seinen Gebeten zum Dolmetscher seiner Arglosigkeit macht. Und so wage ich denn auch, ohne Beben zu sprechen: Herr, erhöre die Gerechtigkeit. Amen.

Psalm 18,1-21.

Herr, Du großer und reicher Gott, ich weiß nicht, was ich von Dir bitten soll. Du allein weißt, was ich bedarf, und liebst mich mehr, als ich mich selbst zu lieben weiß. Ich wage es nicht, weder um Trübsale, noch um Tröstungen zu bitten; ich komme bloß vor Dein Angesicht, ich öffne Dir mein Herz. Siehe meine Bedürfnisse, die ich nicht kenne; siehe und tue nach Deiner Barmherzigkeit. Schlage mich oder heile mich, lege mir eine Last auf oder erlöse mich davon, ich bete in allen Stücken Deinen Willen an, ohne ihn zu erkennen, ich schweige, ich opfere mich auf, ich gebe mich hin. Ich habe keinen Wunsch als den Wunsch, Deinen Willen zu erfüllen.

Du, o mein Gott, mein Vater, Du weißt, ob ich Dich lieb habe. Du weißt es, denn mir selbst ist der Grund meines Herzens verborgen. Aber ich will Dich lieben; ich fürchte Dich nicht genug zu lieben, und ich bitte Dich um Fülle der Liebe. Du siehst mein Verlangen und wirkst es in mir. O Gott, der Du mich so innig und so endlos liebst, siehe an nicht mich und meine Ungerechtigkeit, sondern was Du in mir liebst, und gib mir Fülle der Liebe.

Was kann mir mangeln, wenn ich Dich habe? Nichts ist gut als Du, Herr. Nimm mir Alles, Ehre, Freude, Gesundheit und Leben; so lange Du selbst Dich meinem Herzen nicht entziehst, bin ich reich und habe Alles, und ist mir nichts verloren. Ich bin in Deiner Hand. Du leitest mich nach Deinem Rat, und nimmst mich endlich mit Ehren an. Wenn Deine Kraft in meiner Schwachheit mächtig ist, so kann mir nichts mangeln.

Gott, Du bist Herr der ganzen Natur; Alles gehorcht Deiner Stimme, Alles lebt durch Dich. Du bist meiner Seelen Seele, bist mir näher als ich mir selbst bin. Alles ist Dein; soll mein Herz es nicht auch sein? Du hast es gemacht und Du liebst es. Dir gehört es und nicht mir. Und Du willst auch mir gehören und mein sein. Nun, Herr, ich liebe Dich und habe kein anderes Gut, und will kein anderes haben. Ich begehre nicht außerordentliche Erkenntnisse, ich begehre nur Dich, und was mich zu Dir führen kann. Nach Dir dürstet meine Seele. Mache es mit mir, wie es Dir wohlgefällt; nur bleibe Du mein Trost und meines Herzens Teil. Amen.

Psalm 19.

Von drei Lauten und eindringlichen Stimmen redet David im verlesenen Psalm. Die erste Stimme, welche Gottes Ehre verkündigt, ist die Stimme der Natur, auf ihren Höhen und in ihren Tiefen, bei Nacht wie bei Tage, im Herbst und Winter wie im Frühling und Sommer. Die Himmelskörper sind Prediger aller Völker, und zwar solche, die auch alle Völker verstehen, gewaltige Zeugen von Gottes Allmacht, Weisheit und Güte. Die zweite Stimme, welche noch deutlicher die Ehre des Herrn, seinen Willen und seine Gnade offenbart, ist die Stimme des göttlichen Worts in der heiligen Schrift. Dieses Wort zeigt uns den geraden Pfad zum Himmelreich, und belehrt, schützt, tröstet und bessert wie keine menschliche Ermahnung und Bitte vermag. Wie reich sind wir schon, wenn wir diese beiden Stimmen hören! – Aber noch reicher sind wir durch die dritte Stimme, die wir selbst beim Bewusstsein unserer Sündhaftigkeit laut werden lassen, durch das Gebet: „Lass Dir wohlgefallen die Rede meines Mundes und das Gespräch meines Herzens vor Dir, Herr, mein Hort und mein Erlöser!“ Da wir dies große Privilegium besitzen, mit dem Herrn reden zu dürfen, könnten wir es da je unterlassen, uns zu Ihm zu erheben? Brauchen wir denn nicht täglich neues Öl in unsere Lampe? Ist Er nicht das höchste Gut, das wir verlangen können? Können wir leben, wenn wir nicht in Ihm leben und sind? Ist der Umgang mit Ihm nicht die beste Stärkung unter der Last des Lebens, das sicherste Losreißen von der Welt und die beste Vorbereitung auf den Tod? Hinauf denn, ihr Gedanken und Triebe, zu dem Quell alles Guten! Des Herrn Ohr ist Tag und Nacht jedem Geschrei jeder elenden Menschenseele auf dem ganzen Erdboden offen. Was wären wir, wenn wir nicht beten könnten und dürften? Höre mich denn auch jetzt, o Herr, da ich um Kraft zu beten bitte. Nimm mein Lob an, dass ich selbst im Lobe hohe Seligkeit empfinde, vergib mir meine Sünden, schütze und bewahre mich durch Deine Obhut; Herr, nimm mich Dir aufs neue hin und sprich zu meinem Seufzen: Ehe sie rufen, will ich antworten. Amen.

Psalm 22.

“Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ Herr Jesu, was ist mir dieses Wort wert! Wärest Du in dem Stillschweigen gestorben, da Du die drei Stunden der Finsternis beobachtetest, so hätte ich nicht gewusst, dass Du die Hölle für mich geschmeckt, und welch ein Trost wäre mir da entgangen! Aber Du redest wohl mit recht beklemmtem Herzen, das zeigt die Wiederholung Deiner Worte. Was Du bei dem Aussprechen derselben empfunden hast, das erreicht kein Mensch in der Sterblichkeit. Ein jedes Wort in Deiner Jammerklage ist von der größten Wichtigkeit. Das schöne Glaubenswort mein setzest Du voran, und das versüßt mir Dein ganzes Klaggeschrei. lehre mich alle meine Gebete auch damit anfangen, und Dich und Deinen Vater dadurch gleichsam zu mir reißen. Du nennest aber an Deinem Kreuze nichts Dein, als nur Gott, das allerhöchste Gut. So arm Du freiwillig wurdest und Alles fahren ließest, so lässt Du Dir doch Deinen Gott nicht rauben. O lass mich fleißig in diese Glaubensschule gehen, Herr Jesu, und von Dir glauben lernen; aber Deinen verdienstlichen Glauben lass mir dabei zu Statten kommen. Der süße Vatername ist gegenwärtig nicht auf Deinen Lippen, Dein Vater hatte sich in einen Grausamen verwandelt gegen Dich, den Bürgen des menschlichen Geschlechts. Aber die Veränderung Deiner Sprache, da Du nicht Vater, sondern Gott sagtest, soll mich eben tiefer in das Geheimnis Deiner Verlassung führen: ach, gib mir Kraft und Gnade dazu. Du sprichst gar bedenklich: warum hast Du mich verlassen? Du wusstest es wohl, warum; aber mir willst Du diese Frage in den Mund legen, ich soll fleißig mich um die Ursache bekümmern, welche Dich in solchen Jammerstand gesetzt. Ach, es ist meine Sünde! Darum musst Du von Gott verlassen werden, damit ich ewig wieder mit dem höchsten Gute könnte vereinigt werden. Du sprichst: mich, Deinen gehorsamen Sohn. Ja, mein Erlöser, weil Du eben das Menschengeschlecht vom Fluch, Zorn, Tod und Hölle erlösen solltest und wolltest, deswegen steckst eben Du, und kein Anderer, in dieser Angstgrube. Ach, keine andere Kreatur wäre auch solches zu ertragen im Stande gewesen. Sei in Ewigkeit dafür gelobet, und lass mir die Sünde nun auch recht sündig und mich derselben recht gram werden. Amen.

Psalm 23.

Herr Jesu, Du großer Hirt der Schafe, Du bist ja auch mein treuer Hirt, der mir verheißen hat: „Siehe, ich will mich meiner Heerde selbst annehmen und sie suchen, wie ein Hirt seine Schafe sucht, wenn sie von seiner Heerde verirrt sind. (Ezech. 34,11.) Ich will selbst meine Schafe weiden und ich will sie lagern. Ich will das Verlorene wiedersuchen und das Verirrte wiederbringen, und das Verwundete verbinden und des Schwachen warten, und was fett und stark ist, will ich behüten, und will ihrer pflegen, wie es recht ist.“ (34,15.16.) Darum trage ich das Vertrauen zu Dir, Du werdest es mir nicht mangeln lassen an allem, was mir nützlich und selig ist. ich danke Dir von Herzen, dass Du mich bis auf diese Stunde hast geweidet auf Deinen gesegneten Auen und geführt zu den frischen Wassern Deines Worts und heiligen Sakraments; und ich bereue nur, dass ich Deine Hirtenstimme nicht jederzeit gehört habe und Dir nicht immer nachgefolgt bin, in bösen wie in guten Tagen. Dennoch hast Du nicht nachgelassen, mir zuzurufen, dass ich von meinen Irrwegen zurückgehen sollte. O wie unbegreiflich groß ist Deine Langmut, und wie nicht minder unbegreiflich groß meine Torheit, dass ich meine eigne Wohlfahrt so wenig erkenne! Nun, ich will Dir durch den Beistand des heiligen Geistes folgen, wohin Du mich lockest. Ach, sei noch ferner mein Hirte, so wird mir nichts mangeln. Wer ist, der mir schaden könnte, so ich Dir, Herr Christe, anhänge? Bist Du für mich, in und bei mir, wer mag wider mich sein? Dein Stecken und Stab trösten mich. Der Stab Deines Wortes leitet mich, dass ich nicht strauchle. Dein heiliges Kreuz ist mein Wanderstab, daran halte ich mich fest. Dein mächtiger Arm kann den Kopf meiner Seelenfeinde zerschlagen. Tobe, Welt, und springe, ich stehe hier und singe in gar sicherer Ruh. Wer Jesum bei sich hat, kann sicher reisen, Er wird ihm schon den Weg zum Himmel weisen, wer Jesum bei sich hat, kann nicht verderben; wer Jesum bei sich hat, kann fröhlich sterben. Amen.

Jesaias 9,2-7. Psalm 24.

Sei willkommen, Herr Jesu Christe, der Du Dich durch Deine wunderbare Zukunft uns armen verlorenen Menschen so nahe tust und Deine ewige Erlösung uns anbietest. Siehe, die Tochter Zion, eine jede gedemütigte und glaubenshungrige Seele, soll Dich mit Freuden empfangen als ihren Bräutigam, und mein Herz soll Dir auch entgegengehen. Lass mich nur gerne meines Vaters, des alten Adams, Haus und Unart vergessen und an Dir Lust gewinnen. Komm herein, Du Gesegneter Deines himmlischen Vaters, stehe nicht draußen vor meines Herzens Tür. Ach, klopfe nicht vergeblich an mit Deinem Worte, sondern tue Dir selbst auf. Wecke mich mit den klugen Jungfrauen aus aller Sicherheit, Trägheit, Fleischeslust, Weltliebe und Eitelkeit auf, dass ich Dir munter und begierig entgegengehe, und mich mit Lots Weib nicht wieder nach meinen alten Sünden umsehe. O Herr Jesu, Du kommst ja so sanftmütig und armselig zu mir, wie sollte ich denn nicht Lust zu Dir gewinnen! Du bist von Herzen demütig, warum sollte ich mich schämen, Dir mein Elend zu klagen und mich aller Strafen schuldig zu geben? Bist Du doch dazu erschienen, unsere Sünden wegzunehmen. O so komm und hebe auf die Feindschaft, die zwischen Gott und mir ist durch den Fall, und versöhne mich in Buße wieder bei dem Vater. Komm in mein Herz, und bringe mit den Geist der Gnaden und des Gebets, der mich vertrete. Komm und schenke mir Deine ganze Erlösung, um welcher willen Du gekommen bist. Bist Du nicht unser König? O so beherrsche auch unsern Willen, dass wir Deinem sanften Stabe gern und treulich folgen, und Dein Zepter ein gerader Zepter in und über uns werde. Kommst Du nicht zu uns als ein Lehrer von Gott, der uns den rechten Weg lehren will? O so leuchte doch in unsere Herzen als ein helles Licht, dass wir Dir nachfolgen und nicht mehr in der Finsternis unseres blinden Herzens dahingehen, sondern da Licht des Lebens haben. Willst Du nicht, Immanuel, zu uns kommen als unser Versöhner und Vertreter? Ach, komm, es ist Zeit, dass wir loswerden vom bösen Gewissen und eine Freudigkeit empfangen, durch Dich einzugehen zum Vater mit Gebet und Glauben, und Deine ewige Erlösung in der Tat zu genießen. Darum komm alsbald mit aller Deiner Kraft in mich. Siehe, mein Herz ist Dir offen, nimm es ganz ein, brauche mich, wie Du willst, lass mich Dir weiter nicht widerstreben.

Komm mit Deiner Gnadengegenwart zu mir, so werde ich vor Deiner Zukunft zum Gericht nicht erschrecken, sondern mein Haupt getrost emporheben und Dir entgegenkommen. Nun, mein Geist spricht: Komm, und Du antwortest mir auch in Gnaden: Ja, ich komme bald. Amen, ja so komm, Herr Jesu, alle Augenblicke, und bleibe bei mir ewiglich unverrückt. Amen.

Psalm 24, 7

Fürwahr, das ew'ge Wort
Wird heute noch geboren.
Wo das? Da, wo du dich
In dir hast selbst verloren.

Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehren einziehe! Ps. 24,7

Als Jesus in Jerusalem einzog, erhob sich in der ganzen Stadt die Frage: Wer ist der? Auch wir wollen durch das ganze folgende Jahr alle Stunden und Augenblicke fragen: Wer ist der, welcher in unserm Herzen will wohnen und uns erhalten zum ewigen Leben? Wer ist derselbige König der Ehren? Auch wir wollen mit Freuden die Antwort hören: Es ist der Herr Zebaot, der große Himmelskönig, damit wir die Tore unserer Ohren und Herzen Ihm öffnen. Denn der Held von zwei Naturen muss eine hohe Tür haben, und weil er viel mitbringt, muss ihm ein weites, breites Tor geöffnet werden. Es gibt aber eine dreifache Zukunft Christi, einen dreifachen Advent: ein Kommen ins Fleisch, ein Kommen im Geiste und ein Kommen zum Gericht. Er kam, Er kommt, Er wird kommen: das sagt, der da war, der da ist und der da kommen wird. Er kam vor 1800 Jahren bei seiner Menschwerdung und Geburt in die Welt, und erschien damals im Fleische für die Menschen. Er kommt täglich und will täglich kommen in uns durch den Glauben und die Wiedergeburt, und wohnen und leben allezeit in unserm Herzen. Er wird endlich kommen am Tage seiner Offenbarung wider die Welt, um die Ungläubigen zu strafen und zu richten und die Gläubigen selig zu machen und zu belohnen. Die erste Ankunft hilft uns nichts und die dritte wird uns fürchterlich sein, wenn wir uns der zweiten nicht teilhaftig machen. Kommt Christus nicht in uns, so ist Er auch nicht für uns gekommen, und wird dereinst wider uns kommen. An seinem Kommen in uns ist daher Alles gelegen, wie das Lied sagt: „Wäre Christus tausendmal geboren und nicht in euch, so seid ihr ewiglich verloren!“ Da wir nun nicht wissen, wann die dritte Ankunft des Herrn eintreten wird, so sollen wir vor allem uns um seine zweite Ankunft in unsere Herzen bestreben. Wer wird bestehen vor Seinem Zorn, wenn er Ihn nicht selbst in sich wohnend hat? Wer Ihn nicht in sich hat, wird als Spreu ohne Kern zu leicht erfunden und ins Feuer geworfen. Wer Ihn nicht in sich hat, kann nicht sagen: Komm, komm, Herr Jesu! Oder er ruft Feuerflammen, dass sie ihn verzehren. - O Herr Jesu, komm denn in unser Herz, damit wir Dich einst mit Freuden können kommen sehen zum Gericht und zur Vergeltung. Komm! Ich will Dein geschworener Untertan bleiben, bleib Du mein geschworener König und Seligmacher, bestätige und erneuere meinem Herzen im neuen Kirchenjahre die alten Privilegien: so genügt mir zeitlich und ewiglich.

Nun schwinge Siegespalmen und öffne weit dein Tor:
Jerusalem, dein König, Dein Heiland steht davor;
und breite Festgewänder und Blumen vor Ihm aus,
und gehe Ihm entgegen und ruf' Hosianna aus!

Denn keiner ist dem Deinen von allen Fürsten gleich:
Sein Schemel ist die Erde, Sein Thron das Himmelreich;
und was er gibt, ist Segen, und Liebe Sein Gebot;
Sein Reich das ist der Friede, Sein Wort ist Lebensbrot.

Und vor des Königs Schritten weicht rings der Erde Qual,
und Himmelsblumen blühen im kalten Erdental:
Der Lahme schreitet wieder, der Blinde grüßt das Licht,
im Grab erwacht der Tote, sein Lob der Stumme spricht.

Psalm 25.

Ein Angstpsalm! Wäre es ein Wunder, wenn er Jesu vor Augen geschwebt hätte in seiner großen Pein? Du wurdest gegeißelt, Herr Jesu; das sind wenige Worte, aber viele Schläge und große Schmerzen und eine unbeschreibliche Liebe, die Dich zur Übernahme dieses schweren Leidens gebracht. Ach wie hast Du meine Fleischeslust und Zärtlichkeit so empfindlich büßen müssen! Durch das Blut, das unter Deiner Geißelung von Dir geflossen, hast Du mir die Vergebung aller, besonders auch meiner Fleischessünden erworben. – Nach der grausamen Geißelung wurde Dir ein alter Purpurmantel zum Spott umgehängt. Von einer Salbe und linderndem Öl hört man nichts; alle Erleichterung und Linderung Deiner Schmerzen musst Du entbehren, und damit hast Du mir so manche Erleichterung und Linderung der leiblichen Schmerzen erworben. O ich komme zu Dir und bitte Dich um Deinen Purpur, meine nackte Seele, die sich mit vielen garstigen Sünden verschuldet hat, zu verhüllen. - Doch damit auch Dein holdes Angesicht mit Blut beflossen sei, so wurde Dein heiliges Haupt mit Dornen gekrönt, wo dann jede Dornspitze eine neue Wunde machte, und gleichsam ein Brünnlein grub, daraus ich meinen Glaubensdurst stillen kann. Wenn ein irdischer König gekrönt wird, da läuft Alles zu, man gibt viel Geld für ein kleines Fenster, dass man zusehen kann; aber aus Deiner Krönung macht Niemand etwas, und doch geschieht dieselbe der ganzen Welt zum Heil und Segen. O dass meine Seele Dich und Deinen Dornenschmuck recht hoch und teuer achten möchte! Denn mit Deiner Dornenkrone hast Du mir die Ehrenkrone jenes Lebens erworben. Möchten Deine Dornen lauter Röhren sein, in welchen das Blut aus Deinem Haupte in den Garten meiner Seele geleitet werde, dass ich ein fruchtbarer Garten sein möge, in welchem Du edle Früchte finden könnest. Deine Dornenkrone heilige mir alle Schmerzen meines Hauptes. Durch das Verdienst Deiner Dornenkrone kröne mich schon hier mit Gnade und Barmherzigkeit, und dort mit der ewigen Ehrenkrone. Herr Jesu, lass das Blut aus Deinem Haupte als ein göttliches Salböl für mich, als ein lebendiges Glied an Deinem Leibe, fließen, damit ich dadurch auch ein geistlicher Priester und König werde. Amen.

Psalm 26

Wohl dem, der also mit David sprechen kann und auch durch seinen gotteshäuslichen Sinn ein Mann nach dem Herzen Gottes ist! Wer den Herrn lieb hat, der hat auch des Herrn Haus, Wort, Altar und Alles lieb, was Er zu seiner Ehre und zu unserm Heil angeordnet hat. Er dient zwar Gott alle Tage seines Lebens und an allen Orten; betet, liest und betrachtet Gottes Wort, hat Gott vor Augen und im Herzen, und hütet sich, dass er an den Werktagen mit den Werken den nicht verläugne, den er an den Feiertagen mit der Gemeinde anbetet. Aber am Tage des Herrn zum Hause des Herrn zu gehen, zu hören und mit einzustimmen in die Stimme des Dankes, aufzumerken, auf das Wort göttlicher Predigt und Teil zu nehmen an dem Altar des neuen Bundes: das ist ihm doch eine besondere Freude und süße Pflicht, daran hat er auch einen besonderen Segen, den der zu seinem Schaden entbehrt, der die Stätte des Hauses Gottes nicht achtet. Kirchen sind ja Dankhäuser, in denen so vieler Christen Mund von Gottes Lob erschallet, und Dankhäuser der göttlichen Wunder; Wunder werden gepredigt von den Kanzeln, am Taufstein und bei den Altären. Sie sind Wohnungen der Ehre Gottes, wo Er verheißen hat zu uns zu kommen mit seiner Gnade und uns zu segnen. Es weiß jeder aus Erfahrung, dass es ein anderes ist, die Predigt des Wortes Gottes zu hören, als für sich das Wort Gottes und eine Predigt über das Wort zu lesen. Es stehet nicht ohne Grund geschrieben: „Selig sind, die Gottes Wort hören; denn der Glaube kommt aus der Predigt.“ Darum lasset uns nicht verlassen unsere Versammlungen; lasset uns den Feiertag heiligen; lasset uns zum Hause Gottes kommen, mit Heilsbegierde Gottes Wort hören und unsere Liebe zum Hause Gottes vor allem durch Gehorsam gegen das Wort beweisen. Herr, hilf mir dazu und mache mir die Sonntage zu rechten Sonnen- und Lichttagen; dann werden auch die andern Tage im Glanz dieses Lichtes stehen und mich segnen. Amen.

Psalm 27.

Dass ich mich so trösten darf, habe ich Deinen Leiden zu verdanken, Herr Jesu. Wie muss ich mich schämen vor der Liebe, die alle Schmach und Qual übernimmt, und sich so erbärmlich zurichten lässt, dass selbst Pilatus, als Du wieder vor ihn gebracht worden, Dich in größter Bewunderung dem Volke mit dem Aufruf vorstellt: “Sehet, welch ein Mensch!“ und es durch Deine Jammergestalt zum Mitleiden gegen Dich bewegen will. O lass doch Deinen heiligen Geist diese Worte mir immer in mein Herz hineinrufen: „Siehe, welch ein Mensch ist Jesus für dich geworden!“ Siehe, wie Er an deiner Stelle steht! Siehe, wie hoch Er dich geliebt hat! Aber Herr Jesu, Du weißt, wie ich so blind und untüchtig bin, Dich zu sehen, und wie meine Augen eher auf alle Kleinigkeiten fallen als auf Dich. Darum erleuchte die Augen meines Gemütes, und ziehe sie immer auf Dich und Deine Marter, Du Magnet der Liebe. – „Sehet, welch ein Mensch!“ Ja, Herr, ich will sehen; Du sollst mir allezeit vor Augen sein, Deine Martergestalt will ich mir tief ins Herz drücken, damit sie meine Sünde strafe, mein Fleisch kreuzige, meine Seele heilige; Dein Bild, Du Schmerzensmann, soll mich überall begleiten, auf jedem Wege, damit ich richtig vor Dir wandle, in jeder Versuchung, damit dieser Anblick mich schütze, in jeder Not, damit er mich tröste, durch diese Passionswochen, damit sie für mich reich gesegnet seien, durch meine ganze Lebenszeit, damit ich für den Himmel mich bereiten, in meiner Todesstunde, damit ich selig sterben möge. Du bist mein Licht und mein Heil, spreche ich jetzt auch mit David und mit viel mehr Grund als er, vor wem sollte ich mich fürchten? Du bist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen? Wenn sich schon ein Heer von Seelenfeinden wider mich legte, Du deckest mich mit Deinem Verdienst und verbirgst mich in Deinen Wunden. Wenn alle Freunde, Vater und Mutter, mich verlassen sollten, Du kannst und wirst mich niemals verlassen. Herr Jesu, Dir leb’ ich; Herr Jesu, Dir sterb’ ich; Herr Jesu, Dein bin ich tot und lebendig. Amen.

Psalm 28.

Es irret mich nicht, mein Jesus, dass Du, der Heiland der Menschen, voll Blut und Wunden in Schmach eines Missetäters das schwere Kreuz nach Golgatha trägst, um an demselben zu sterben. Es irret mich nicht, dass Du so matt wirst und unter dieser Last beinahe erliegst. Es irret mich nicht, dass Du in Dein Eigentum gekommen bist und die Deinen Dich nicht aufgenommen haben, sondern Dich durch den Kreuzestod auszurotten gedenken. Vielmehr sind das mir die deutlichsten Kennzeichen, dass Du mein Erlöser bist. Tausendmal sei Dir gedankt für die Übernahme des schweren Kreuzes, mit welchem Du meine und aller Menschen Sündenlasten getragen. Nun, so trage nur meine Sünden hin an’s Kreuz und ins Grab, trage sie aus den Augen und dem Andenken des Vaters hinweg, trage sie von meinem Herzen und Gewissen weg. Lass mich aber auch diese große Gnade, dass Du meine Sünden hinweggetragen, in einem völligen Glauben und nach der Absicht Deines treuen Herzens genießen. – Dein Weg geht den Gang des 28. Psalms, er geht zum Kreuz und vom Kreuz zum Himmel: ist für mich wohl ein angenehmerer Weg zu finden als dieser? O mache mich willig und tüchtig, ihn zu gehen, Du Heerführer und Herzog meiner Seligkeit, und lass mich ja keinem andern nacheilen. Alle andern Wege führen stracks in die Hölle; aber Dir nachfolgen auf dem Leidenswege, das führt gerade in den Himmel. Lass mich Dir nachfolgen durch Deine Kraft, so gut ich kann; und ob ich schon mit meinem schwachen Kinderschritte Dich nicht völlig erreichen kann, so lass mich desto mehr meine Hände nach Dir ausstrecken, damit, wenn ich fallen will, Du mich sogleich mit Deiner stärkenden Helfershand ergreifen kannst. Sonst kostet’s viel, wenn man eine weite Reise macht, Dich hat’s wahrlich auch viel gekostet; Dein teures Blut und Leben, ja Alles hast Du daran gewagt. Da hast Du aber auch zugleich für mich die Reisekosten bezahlt; Notdurft, Nahrung und Erquickung hast Du mir erworben; überfällt mich Mattigkeit, so darf ich mich auf Dich lehnen. So machst Du meine Leidensbahn zu einem Himmelsweg. Amen.

Psalm 29.

Deine Stimme, o Herr, ist eine gewaltige Stimme. Sie geht durch die ganze Welt, und wer nur hören will, vernimmt die Offenbarungen Deiner Macht und Größe, Deiner Allgegenwart und Herrlichkeit. Sie geht durch die Natur bei Tag und Nacht, sie schallt aber noch lauter durch Dein geoffenbartes Wort im Reich der Gnade, insbesondere durch das Evangelium Jesu Christi, Deines lieben Sohnes, und bedenken wir das recht, so müssen wir wohl mit Luther beten.

„Lieber Gott, Du sprichst durch Deinen lieben Sohn die selig, so Dein Wort hören. Wie viel billiger wäre es, dass wir Dich, o ewiger, barmherziger Vater, ohne Unterlass mit fröhlichem Herzen selig preisten, Dir dankten und lobten, dass Du Dich so freundlich, ja väterlich gegen uns arme Würmlein erzeigest, und mit uns von der größten und höchsten Sache, nämlich vom ewigen Leben und Seligkeit redest. Gleichwohl unterlässt Du nicht, uns freundlich zu locken durch Deinen Sohn, Dein Wort zu hören, da Er spricht: „Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren,“ als könntest Du unseres Gehörs nicht entbehren, und wir, wie wir Erde und Asche sind, nicht viel tausendmal mehr Deines seligen Worts bedürften. O wie unaussprechlich groß und wundersam ist Deine Güte und Geduld! Wiederum Ach und Weh über die Undankbarkeit und Starblindheit derer, die Dein Wort nicht allein nicht hören wollen, sondern es auch mutwillig verachten, verfolgen und lästern!“

Nun, Herr, hier bin ich. Ich höre nicht bloß die Stimme Deines Donners, sondern auch die süße Stimme Deiner Sünden vergebenden Gnade. O höre mich wieder. Antworte mir väterlich, so will ich Deiner süßen Rede wie ein Kind folgen.

Drum soll das Wort, das Du gegeben,
Stets meines Fußes Leuchte sein;
Zu Dir soll es mein Herz erheben,
Mich stärken, trösten und erfreu’n:
Noch sterbend will ich darauf baun.
Was es verheißt, wird’ ich einst schauen. Amen.

Psalm 30.

Das haben wohl alle Gläubige in ihrem Leben unzählige Male erfahren, dass den Abend lang das Weinen währet und des Morgens die Freude, und werden es noch eben so oft erfahren; denn unser Gott ist ein Gott, der da Lust hat zum Leben. Insbesondere haben es die erfahren, deren Herz voll so großer Bekümmernis war, als Jesus gestorben war. Da finden wir auf allen Wegen und Stegen nur Weinende; Maria Magdalena stand weinend am Grabe, die andern Frauen sind nicht minder trostlos, die Jünger von Emmaus ziehen traurig ihrer Straße, die übrigen Jünger sitzen in großer Herzensangst bei verschlossenen Türen. Wie bald aber sahen sie Ihn wieder, den sie verloren glaubten! Und als sie Ihn sahen, war ihre Freude so groß, dass sie vor Freuden nicht glaubten, dass Er es sei. Denn so ist es mit unserm Herzen; es wird der Glaube hienieden angefochten in Betrübnis und in Freude, und ist entweder der Mangel oder die Fülle zu groß, und des Trostes zu viel oder zu wenig. – David bricht darauf in den Lobgesang aus: „Du hast mir meine Wege verwandelt in einen Reigen, Du hast meinen Sack ausgezogen und mich mit Freuden gegürtet;“ aber ehe er das tut, sagt er: „Herr, höre und sei mir gnädig, Herr, sei mein Helfer!“ Dank und Bitte, Preisgesang und Hilfegeschrei stehen dicht bei einander. So ist’s hier auf Erden. Der Bedürfnisse, der Schwachheiten der Nöte sind so viele, dass bei dem letzten Tone des Reigens der erste der Klage folgt. Aber dem David sollen wir’s ablernen, dass wir die Klage dann gar nicht durch viele Töne fortgehen lassen, sondern nach dem kurzen Seufzer gleich mit dem Triumphgeschrei einfallen und im Glauben den Herrn schon preisen für die Hilfe, als sei sie gekommen, noch ehe sie erschienen. Mein Gott, ich will nicht klagen, sondern lobsingen, lobsingen will ich immerdar Dir, meine Ehre; auf dass zu Deiner Ehre mein’ Ehre sich erhöb’, und nimmer stille wäre, bis dass ich Deine Lieb und ungezählte Schar der großen Wunderdinge mit ew’ger Freude singe im goldnen Himmelssaal. Amen.

Psalm 31.

Dein letztes Wort, Herr Jesu, war das des 31sten Psalms: “Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Nun höre ich wieder den lieblichen Vaternamen von Dir, wie süß klingt er doch! Diese Benennung Deines Gottes ist ein deutliches Kennzeichen, dass Du allen seinen Willen vollbracht und recht vollkommen Gehorsam bewiesen hast, damit Du mit lauter Stimme und aller Freimütigkeit Vater sagen konntest. Ich könnte und dürfte Gott nie mit Freudigkeit Vater nennen, wenn ich mich nicht in Dein Verdienst einwickelte und in Deinen vollkommenen Gehorsam; denn ich bin in mir selbst ein gar böses, ausgeartetes, ungehorsames Kind. Wohl mir, dass ich Dich zu meinem Mittler habe, der mir bei meiner Schuld ganz unentbehrlich ist! – Dir lag im Sterben nichts an als Deine Seele: o dass auch mir im Leben und im Tode nichts so sehr anliegen möchte, als meine Seele, damit ich sie als eine Ausbeute davon bringe; dass ich doch mit Wahrheit wie David sagen könnte: ich trage meine Seele immer in meinen Händen! Schenke mir diese Klugheit der Gerechten, denn Seele verloren, Alles verloren. Herr Jesu, Du gibst Deine Seele als unser Haupt in die Hände des Vaters, und also mit derselben auch die Seelen Deiner Glieder. Wenn ich meinen unsterblichen Geist ansehe hier unter so vielen Gefahren, so wird es mir angst vor dem Durchkommen; betrachte ich ihn aber als mit Deinem Geiste vereinigt in den Händen des Vaters, so bin ich ganz getrost und meiner Seligkeit gewiss. – Du sprichst Dein letztes Wort mit einem lauten Geschrei aus: das mag wohl ein rechtes Siegesgeschrei heißen, denn das große Werk der Erlösung war glorreich vollbracht; aber auch ein Angstschrei, weil eben jetzt der Tod seinen unzerbrochenen Stachel mit ganzer Macht in Dein treues Herz schoss, den Du da erst zerbrechen musstest. Ach, Herr Jesu, dieses Dein lautes, letztes Sieges- und Angstgeschrei komme mir kräftig zu Statten im Leben und im Sterben. Lass michs im Leben Dir fleißig nachsprechen, so wird mirs nicht schaden, wenn ich auch in meinem Tode es nicht mehr sprechen könnte, denn Du hast es für mich gesprochen, es gilt mir wahrhaftig. Amen.

Psalm 32.

Der Hahn verwies dem Petro seine Untreue am allerersten; er rief ihm mit seinem Geschrei gleichsam zu: Petre, du hast schwer gesündigt. Ein herrlicher Bußwecker! Sein Geschrei brachte Petrum zur Reue. Der andere Bußwecker war Christi Anblick. Sobald er Petrum ansah, rührte Er ihm das Herz. Petrus erinnerte sich Jesu Vorherverkündigung seiner dreimaligen Verleugnung; er ging hierauf in sich und kam zur Erkenntnis seiner Sünden. Er bekam von Jesu einen freundlichen An- und Gnadenblick. Daraus strahlte ihm eine große Liebe Jesu ins Herz. Diese wirkte von Stund an schmerzliche Reue und Buße; sein Herz zerschmolz ihm im Leibe wie Wachs; seine Gebeine hoben an zu zittern! die Tränen ergossen sich häufig in seinen Augen; die Hände rang und wand er ängstlich. Heiße Sonnenblicke ziehen gern Wasser und geben Regen: hier machen die Blicke der Sonne der Gerechtigkeit Petri Augen zu nassen Wolken; siehe, was für ein fruchtbarer Regen herausfällt! Milde Tränen, bittere Tränen, heiße Tränen vergießt er. Gerson sagt: Petrus sei in einen Winkel gegangen, und habe sich rein ausgeweint. Lyra will, so oft der Hahn gekräht, habe Petrus eine Betstunde angestellt, und so lange stehend zu Gott gefleht, bis der Hahn zum andern Mal gekräht. Solche heftige und bittere Tränen sollen ihm auch Schrunden ins Angesicht gemacht haben, dass man’s ihm Zeitlebens hat ansehen können.

Herr, ich habe gesündigt, wie Petrus; ich nehme auch, wie er, meine Zuflucht zu Deiner bis in den schmählichen Tod aushaltenden Treue; die müsse mir zu Statten kommen. Schenke mir aber nun auch ein bis in den Tod getreues Herz, und lass es meine größte Lust sein, eine Probe meiner Treue nach der andern gegen Dich abzulegen. Mit der Sorgfalt, mit welcher Du über Petrum wachtest, wollest Du, guter Hirt, auch über mich zu meiner gänzlichen Bekehrung wachen. Lass mich aber auch selbst über mein untreues Herz wachen, und mich vor der Gelegenheit zur Sünde hüten; denn ich sehe es wohl an Petro und habe es zu meinem großen Schaden schon oft selbst erfahren, dass es selten bei einer Sünde bleibt, und man immer tiefer hineinfällt. Amen.

Psalm 33,4

Gott ist wahrhaftig stets,
Die Welt hat Schein und Lügen.
Ach, trau auf Gottes Treu,
Er wird dich nie betrügen.

Des Herrn Wort ist wahrhaftig, und was Er zugesagt, das hält Er gewiss.

Nicht bloß den Erzvätern und dem Volke Israel gab Gott Verheißungen; auch uns sind deren gegeben, Zusagen, die uns auf unserer Pilgerbahn allüberall begleiten und wie ein Gesänge in der Nacht, wo wir gehen und stehen, beschwichtigend und entzückend uns umtönen. Nichts Geringeres verheißt uns der Herr, als: „Wir werden nimmermehr umkommen. Niemand wird uns aus Jesu Händen reißen. Berge werden stürzen; aber nicht der Bund des Friedens. Hügel werden von ihrer Stelle weichen; aber seine Gnade weichet nimmer von uns. Der Same Gottes wird bei uns bleiben ewig, der Geist nicht mehr von uns genommen werden. Der Herr will uns bewahren, wie seinen Augapfel, Er will uns tragen, wie auf Adlers Flügeln. Der Arge soll uns nicht antasten, die Pforten der Hölle uns nicht überwältigen. Der Herr will bei uns sein im Feuer der Anfechtung, dass uns die Flamme nicht verbrenne. Über Vermögen sollen wir nicht versucht werden. Wenn Er eine Last uns auflegt, will Er auch selbst sie uns tragen helfen. Wir sollen zur rechten Stunde getröstet werden, wie Einen seine Mutter tröstet.“ Selbst auf das leibliche Dasein und alle äußerlichen Verhältnisse und Lagen, in denen wir uns befinden mögen, erstrecken sich die göttlichen Verheißungen: dass Er sein wolle der Armen Schutz, der Kranken Arzt, der Witwen Richter, der Waisen Vater und eine feurige Mauer um die Seinen her in jeder Gefahr. O wie erhebend und stärkend ist da die Gewissheit: Des Herrn Wort ist wahrhaftig, und was Er zusagt, das hält er gewiss! - Wohlan, so wollen wir uns denn mit diesen Gottes-Zusagen bekannt machen, wollen sie gleichsam als ein Amulett um den Hals tragen, und alle Pfosten und Wände unserer Häuser und Kammern damit bestreichen. Wie Sterne, die Tag und Nacht nicht untergehen, sollen sie über unserm Haupte strahlen. Mit David wollen wir sprechen: „Deine Zeugnisse, o Gott, sind mein ewiges Erbe.“ - Vor Allem wollen wir sie uns aneignen durch den Glauben! Gott ist getreu und kann sich selbst nicht leugnen. Fürwahr, wo seine Verheißungen die Sprossen an der Leiter bilden, auf der wir betend zu Gott emporsteigen: da werden wir uns auch nimmer ohne die begehrte Wohltat und Hilfe zurückkehren sehen. Der Arm des Herrn ist noch nicht verkürzt und seine Güte hat noch kein Ende. Er ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit, und was Er einst zu Martha sagte, das gilt uns Allen: „Ich sage dir, so du glauben würdest, du solltest die Herrlichkeit Gottes sehen.“

Amen! Amen! lauter Amen
hat des treuen Gottes Mund,
ewig führet er den Namen,
dass in Ihm der Wahrheit Grund;
was Er sagt, trifft Alles ein,
es muss Ja und Amen sein.

Die Verheißung kann verziehen;
kommt nicht bald, was Er verspricht,
muss man allen Zweifel fliehen,
weil Er sein Wort niemals bricht.
Ist die rechte Zeit nur da,
so heißt Alles lauter Ja.

Nicht ein Wort ist, das vergebens
auf die Erde fallen kann,
also gibt das Wort des Lebens
sich zum treuen Zeugen an;
der uns seinen Sohn versprach,
kam auch seinen Worten nach.

Wohl, mein Herz, du kannst Ihm trauen;
was Er dir verheißen hat,
wirst du auch erfüllet schauen,
kommt es auch bisweilen spat,
und spart Er es weit hinaus,
es wird doch ein Amen d'raus.

Amen! Herr, Du willst erfüllen,
was Dein treuer Mund verspricht,
das erwart' ich nun im Stillen,
bis es in der Tat geschicht,
dass Du die Erfüllung gebst,
Amen! ja! so wahr Du lebst.

Psalm 34.

Ein ungemein reicher Psalm! reich in seinen Verheißungen und Erfahrungen, reich in seinen Lehren und Ermahnungen! Insbesondere enthält er eine Anweisung über den rechten Weg zum Wohlleben und zu guten Tagen; und das ist es ja, was sich jeder wünscht; nur dass nicht Alle wissen, was gut oder wohl leben ist und was gute Tage sind, noch welcher Weg der rechte Weg dahin ist, und, wenn sie ihn wissen, denselben nicht einschlagen. David lehrt, dass es einen dreifachen Schritt oder Fortschritt gebe. Der erste Schritt heißt: „Behüte deine Zunge vor Bösem, und deine Lippen, dass sie nicht falsch reden.“ Es ist möglich, wenn wir Gott wahrhaft fürchten und sein nahes, Alles beobachtendes Auge schauen, unser tiefes Verderben bereuen und nach Vergebung und einem neuen Leben sehnlich verlangen. Der zweite Schritt heißt: „Lass vom Bösen und tue Gutes,“ d.h. bekehre dich gründlich zum Herrn und lass nicht ab mit Ansehen und Anlaufen, bis du Vergebung empfangen und dieser vergebenden Gnade versichert bist, indem du den Herrn glühender liebst und die Sünde glühender hassest als je. Der dritte Schritt heißt: „Suche Frieden und jage ihm nach,“ sowohl den Frieden mit Gott als mit den Menschen. Ach, der Mensch lässt so gerne nach; er versäumt leichte eine Gnade Gottes um die andere; er wird träge und sicher. Unvermerkt wächst dann eine bittere Wurzel auf, welche Unzufriedenheit anrichtet und auch viele Andere verunreinigt. Da muss Ernst, Wachsamkeit und Fleiß in der Heiligung angewandt werden. Zumal David eine so tröstliche Verheißung hinzufügt: „Die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten und seine Ohren merken auf ihr Schreien und Bitten.“ Er hat die Gerechten unter seiner besonderen Aufsicht, lässt sie keinen Augenblick aus seinen Augen, und gibt ihnen mehr und Besseres, als sie selbst bei ihrem Bitten verstanden haben. O was für unvergessliche Erfahrungen dürfen sie schon davon machen in der Zeit, und was wird ihnen erst die Ewigkeit darüber für große und überraschende Aufschlüsse geben! Möchte denn auch ich so wohlleben, wie David, und gute Tage haben! Amen.

Psalm 36.

Was das schöne Lied sagt: „Gib dich zufrieden und sei stille in dem Gotte deines Lebens,“ das ruft sich der Sänger dieses Psalms, David, in die Seele in der Anfechtung, welche ihm aus dem Blicke auf die Größe und Tiefe des menschlichen Verderbens entstanden war. Und in der Tat ist das Loos der Gottesfürchtigen bei allem Hass der Welt, der ihnen entgegentritt, ein beneidenswertes und herrliches. Denn wenn Gottes Güte bis in den Himmel reicht und seine Wahrheit und Treue bis in die Wolken geht, so ist Alles, und auch ihr Leben davon voll, und menschliche Augen vermögen ihre Größe gar nicht abzusehen. Wenn seine Gerechtigkeit steht wie herrliche, unermessliche Berge Gottes und seine Gereichte wie große Meere sind, so sind sie ewigen Grundlagen des Rechts unerschütterlich und ihre Offenbarung augenscheinlich, und wer das glaubt, der kann auf der Flucht und in der Verbannung, in Not und Tod das Lied von Stahl und Eisen singen, welches Johann der Großmütige nach der Schlacht bei Mühlberg gesungen hat: „Wie’s Gott gefällt, gefällt’s mir auch.“ Wenn die Frommen trunken werden von den reichen Gütern des Hauses Gottes in der Ewigkeit und Er sie tränkt mit Wollust wie mit einem Strom, so labt und erquickt Er sie nicht tropfen-, sondern stromweise und lässt sie einen Vorgeschmack des ewigen Lebens kosten nach dem andern. Wenn bei Ihm die lebendige Quelle ist, so vermag die Bosheit der ganzen Welt nicht, ihnen das Leben zu entziehen, und sie genießen bei Ihm überschwängliche, unvergängliche Wonne. Sie erfahren es alle Tage, was Sättigung und Überfluss ist; ja, selbst ein Stücklein Brot und ein Trunk frischen Wassers ist ihnen, weil sie es mit fröhlich dankbarem Herzen und im Gefühl der Nähe Gottes genießen, ein Gastmahl, dem kein königliches Gastmahl zu vergleichen. Wenn endlich wir in seinem Lichte das Licht sehen, und aus seiner Offenbarung erkennen, was gut, heilig, selig ist und uns wahrhaft frommt, dann haben die Gottesfürchtigen Licht auf allen ihren Wegen und finden zuerst den Himmel, wo keine Nacht ist und sie keiner Leuchte und Sonne bedürfen, weil Gott sie selber erleuchten wird. Herr, mache mich denn selig in Dir, so bin ich selig, zeitlich und ewiglich. Amen.

Psalm 37.

Was David vom Gerechten und Gottlosen im Psalm bezeugt, das sehe ich an Dir erfüllt, o Jesu, dem verräterischen Judas gegenüber. O wie ist mirs oft so angst vor meinem falschen Judasherzen! Von Natur habe ich ein solches, ach leider ja, Herr Jesu. Aber ach, dass ich es nur nicht behalte, dass Du es nur gründlich veränderst, alle Tücke daraus vertreibest und es Deinem treuen, aufrichtigen, redlichen Herzen gleichförmig machest! O ich bitte Dich diesen Augenblick darum, dass Du diese große Gnade an mir beweisest. Prüfe es, erforsche mein Herz, und siehe, ob ich auf bösem, betrüglichem Wege bin, und leite mich auf richtigem Wege. Schaffe ein ganz neues, reines Herz in mir, dass ich Dich in aufrichtiger Liebe an mein Herz drücke und Dir ewig treu bleibe. Und wenn meine Glaubensaugen zu blöde sind, Dich zu finden und zu erkennen: so werde ich Dich an Deiner lieblichen Hirtenstimme erkennen. Und wenn ich Dich gefunden habe, und meine Glaubenshände zu schwach sind, Dich fest zu halten: so halte Du mich desto fester, dass wir doch ja ungeschieden bleiben. Ich brauche Dich gar zu notwendig zu allem, wozu Du mir von Gott gemacht bist, besonders auch zu meinem vollkommenen Arzte. O ich bin viel verwundeter als des Hohenpriesters Knecht; dem fehlte es bloß an einem Ohr, mir fehlt’s überall, mir fehlt’s im Herzen, im Verstande, im Willen, im Gewissen, im Gedächtnis, es fehlt mir überall nach Leib und Seele. Du kannst rechte Proben eines vollkommenen Arztes an mir ablegen. Meine Wunden stinken und eitern vor meiner Torheit; sie sind ohne Dich unheilbar; es ist keine Salbe in Gilead ohne Dein Blut, und kein Arzt außer dir, der mir helfen könnte. Du aber bist ja ein Meister zu helfen. Dein Vermögen und starke Kraft ist so groß, dass es nicht an Einem fehlen kann, und Du willst es auch so gerne tun, das weiß ich. Nun, so heile mich, o Heil der Seelen, wo ich krank und traurig bin; nimm die Schmerzen, die mich quälen, und den ganzen Schaden hin, den mir Adams Fall gebracht und ich selber mir gemacht. Wird, o Arzt, Dein Blut mich netzen, wird sich all’ mein Jammer setzen. Amen.

Psalm 38.

Voll tiefer Beschämung, Allheiliger, mein Vater und mein Gott, erscheine ich heute Abend vor Dir. Heilig ist Dein Name, Deine Gebote sind rein und unsträflich; was bin ich, Elender, dass ich mich Deinem Angesicht nahen, dass ich zu Dir mein Herz erheben soll? Nicht sagen, nicht bekennen kann mein bebender Mund meine Schwachheit, meine Sünde; unrein ist meine Gesinnung, von der Welt und ihren Lüsten meine ganze Seele befangen; voll Schmach und Unheiligkeit ist mein Leben, nur von Sünden erfüllt; wie ein Sklave bin ich gefesselt von allen Reizen und Lockungen der Welt. Ach, wo soll ich Ruhe finden für mein Gewissen? Wie kann ich noch wagen, zu Dir zu flehen? Wie oft, wie ernst, wie treu ermahntest Du mich, zu verleugnen die irdischen Lüste und züchtig und gottselig zu leben! Wie bestraftest Du mich durch die Zerrüttung meines ganzen Daseins, durch Schmach und Kummer, durch Schwäche und Krankheit! Ach ja, die Strafe folgte oft meiner Sünde auf dem Fuße nach, aber ich vergaß im törichtesten Leichtsinn Deine Hand; ich wusste tausend Entschuldigungen, ich verhüllte in den Schein schuldloser Freude, erlaubter Schwachheit meine Vergehungen, mein heidnisches Leben; zu schwermütig, zu hart, zu streng dünkten mich Deine Ermahnungen und Warnungen. Und doch, erbarmender Vater, erbarmender Heiland, mit welcher Langmut und Gnade trägst Du Dein entartetes, mit Sünde und Schande beflecktes Kind! Ach ja, himmlische Liebe, mein Jesus, mein Freund, mein Gott, Dein Herz ist ja noch offen für mich; bin ich auch erfüllt mit Sünde und Missetat, unwert Deines geringsten Aufsehens auf mich, so hast Du ja Dich auch der Heiden angenommen. So erbarme, erbarme Dich Deines schwachen Kindes; reinige, heilige mein Leben. Ich kann nicht überwinden, vergebens sind meine Entschließungen, der Sünde zu entsagen; aber Du kannst helfen und retten, Du kannst auch das Irdische in Himmlisches wandeln. Zu den Wunden, die Dir für mich geschlagen, zu Deiner Liebe, die für mich gelitten, flieht mein elendes, untreues, armes Herz. O Heiland voller Erbarmung, verwirf mich nicht vor Deinem Angesicht, nimm Deinen heiligen Geist nicht von mir. Reinige, heilige, errette mich, Herr; lass mich nicht, lass mich nicht! Amen.

Psalm 39.

Deine Pilger sind wir, o Gott! Du willst es, und hast es also geordnet, dass die Dinge um uns her sich in unaufhörlichem Wechsel bewegen, dass auch in unserm Innern Gefühle, Gedanken und Entwürfe vorüberrauschen, und dass der Tod, die größte aller Veränderungen, die Reihe derselben beschließe. Aber Du hast uns nicht dem Gefühl dieser Vergänglichkeit, nicht der niederschlagenden Trauer, nicht der Verachtung des Lebens, die daraus hervorgehen müssten, überlassen. Offenbart hast Du uns das ewig Bestehende, nämlich Dich selbst und die Ratschlüsse Deiner Liebe und Weisheit. Berufen hast Du uns zu einem Streben, das Jugend und Alter, Zeit und Ewigkeit verbindet, und das, weil es auf die Ähnlichkeit mit Dir, dem unendlich Vollkommenen, gerichtet ist, auch niemals aufhören kann. und empfangen soll uns dereinst, wenn wir hier nach Heiligung rangen, die Gemeinschaft mit Dir, heiliger Vater, und Deine ewige Stadt, die auf einem unwandelbaren Grunde erbauet ist. So sind wir denn auch Deine Bürger, sind es schon jetzt, sobald wir das Unvergängliche, wie Du uns dazu aufforderst, ergreifen. Gib denn, o Gott, dass wir stets Dich vor Augen haben, Dich, den Unvergänglichen, wenn Alles verschwindet, Dich, den Unwandelbaren, wenn die Bewegung der irdischen Dinge uns fortreißt. Gib, dass wir jagen nach dem vorgesteckten Ziel, nach dem Kleinode, welches uns vorhält Deine himmlische Berufung in Christo Jesu. Und stärke uns Pilger, wenn wir ermüden, durch das Vorgefühl unsers Bürgerrechts in Deiner herrlichen Stadt, wo der Baum des Lebens ewig grünet und unvergängliche Früchte trägt.

Da will ich immer wohnen,
Und nicht nur als ein Gast,
Bei denen, die mit Kronen
Du ausgeschmücket hast.
Da will ich herrlich singen
Von Deinem großen Tun,
Und frei von schnöden Dingen
In meinem Erbteil ruhn. Amen.

Psalm 40,4-10.

Herr Gott, himmlischer Vater, wir danken Deiner Gnade, dass Du uns Deinen Sohn gesandt hast und ihn gesetzt zum König der Gerechtigkeit, und zu unserm Heiland und Erlöser, der uns aus dem Reiche der Finsternis errette und uns Gerechtigkeit, Heil und Seligkeit verleihe, und dass Er gekommen ist und Deinen Willen getan, Dein Gesetz in seinem Herzen gehabt hat, um an unserer Statt alle Gerechtigkeit zu erfüllen.

Wir bitten Dich aber auch: erleuchte uns in seiner Erkenntnis und stärke uns im rechten, wahren christlichen Glauben, dass wir Ihn für unsern König und Seligmacher halten, annehmen und loben, und mit unseren Gaben und Kräften, mit allem, was wir von Dir Gutes haben und vermögen, Ihm untertan sein und dienen mögen, und Er seine Wohnung unter uns und in uns habe, und wir allezeit in seinem Reiche und in seinem Gehorsam und Dienste bleiben. Neige der Fürsten und Gewaltigen Herz und Willen, dass sie dem König aller Könige und Herrn der Herrlichkeit auftun ihre Pforten und Tore, lass Ihn einziehen in alle Lande, Städte und Kirchen, dass Er seine Herberge bei ihnen habe und mit seinem Wort und Geiste regiere und herrsche. Steure dagegen und wehre allen denen, die Christo die Pforten zuschließen und Ihm den Eingang verweigern oder Ihn gar vertreiben und von sich stoßen, dagegen dem Antichrist, falschen Lehrern und Schwärmern Tore und Türen weit auftun. Mache ihr böses Vornehmen und ihre Anschläge zunichte. Beweise Deine Macht und Barmherzigkeit insbesondere an den armen Menschen, die noch in den Banden des Aberglaubens und in der Trostlosigkeit des Unglaubens, in Abgötterei und allerlei gottlosem Wesen und falscher Lehre gefangen sind, dass Christus auch zu ihnen komme und sein Reich des Lichts, der Wahrheit und Gerechtigkeit bei ihnen aufrichte, und Du, ewiger Vater, samt demselben Deinem ewigen Sohne und dem heiligen Geiste überall mit Lob und Preis und Anbetung Deines heiligen Namens gerühmt und geehrt werdest. Amen.

Psalm 42.

Herr Jesu, richte die Augen meines Herzens in dieser Abendstunde und allezeit auf Dein innerliches Leiden, das Du im Garten Gethsemane unter so unaussprechlichen Ängsten über meine Sünde ausgestanden hast. Lass doch Deine blutigen Schweißtropfen, die Du daselbst vergossen, so kräftig in meine Seele fließen, dass sie mir sowohl im ganzen Leben einen Eindruck Deiner ewigen Liebe, als auch vornämlich im Sterben alle nötige Kraft geben, Dir getreu zu bleiben bis in den Tod. Vereinige mich mit Dir im Glauben, und nimm meinen Willen in den Deinigen ein, damit ich mich Deinem himmlischen Vater in Dir opfere und willig in alles Leiden mit Dir neige und ergebe, was Du über mich beschlossen hast. Lass Dein Blut mich durchdringen zur wahren Reinigung von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes. Und wie Du zu Deinem Vater so demütig auf Deinen Knieen flehtest, also wirf mich durch Deines Geistes Kraft tief vor Dir nieder von aller meiner Hoffart und Eigenwilligkeit. Mache mich Dir ganz und gar überlassen, dass nicht mein, sondern Dein Wille an mir vollbracht werde. Hilf mir wachen und beten, dass ich nicht in Anfechtung falle, und muntre mich immer von neuem auf, wenn ich mit den Jüngern sicher werden möchte. Mache nur meinen Geist willig, wenn je das Fleisch schwach wird. Und sollte mir in meinen Nöten oder in der letzten Todesstunde der Angstschweiß ausbrechen, so mache Du mich Dir dennoch getreu bis in den Tod. O getreuer Heiland, sie Du bei mir in allen Anfechtungen, wie Dich der Engel in Deiner Schwachheit stärkte. Ach, bitte für mich allezeit als mein getreuer Hoherpriester, der Du mit starkem Geschrei und Tränen Dich selbst dem Vater für mich geopfert hast. Denn Du bist und bleibst ja barmherzig, und hast Mitleiden mit meiner Schwachheit, weil Du versuchet bist allenthalben, obwohl ohne Sünde. Darum hilf mir auf durch Deine Angst und Not in allem meinem Elend, das mir jetzt oder künftig begegnen möchte. Lehre mich aber im Wachen und Beten bleiben, und lass mich nicht schläfrig werden im Kampf; sondern wecke mich allezeit auf und weise mich wiederum zurecht, damit ich nicht in Anfechtung falle, sondern endlich gewinne und den Sieg behalte: Alles kraft Deiner bitteren Angst und großen Schmerzen! Amen.

Psalm 43.

Habe ich das Kleid Deiner Gerechtigkeit, Herr Jesu, dann darf ich allewege mich so trösten. So gering und zufällig Deine Kleiderteilung war, so wichtig ist sie doch; denn sie drückt gleichsam ein Siegel auf die Wahrheit des göttlichen Worts, in welchem von Dir und dieser Kleiderverteilung eben so geweissagt ist, wie ich’s nun erfüllt sehe, sie drückt ein Siegel auf die Wahrheit Deiner Person und Deines Amtes, dass Du nämlich eben derselbe verheißene Messias bist, von welchem das Alles verkündigt worden; sie stärkt folglich meinen Glauben an Dich, meinen Heiland, ich danke Dir deswegen von Herzen, dass Du auch dieses hast geschehen lassen. Deine leiblichen Kleider will ich gern Deinen Feinden lassen; aber, o Erbarmer, ich brauche ein tägliches Kleid zur Bedeckung meiner geistlichen Blöße, und das muss Dein Blut, Deine Gerechtigkeit und Unschuld sein, denn kein anderes kann meine Seele anziehen; Du kannst ja keine Flecken leiden, und das Kleid meiner eignen Gerechtigkeit ist gar ein befleckter Rock, und ist so durchlöchert, dass meine Blöße überall durchscheint. Ich brauche aber auch ein Ehrenkleid, darin ich im Tode vor Deinem Vater und allen heiligen Engeln erscheinen kann, und meine Schande und Blöße nicht offenbar werde. Wo könnte ich aber ein reineres und vollkommeneres Kleid bekommen als Dein Blut und Deine Gerechtigkeit? Das soll und muss mein Schmuck und Ehrenkleid sein, darin ich auch im Gerichte bestehen, und wohl bestehen kann. Und wenn endlich die Hochzeit des Lammes angehet, wenn ich als Deine Braut an Deiner Tafel sitzen und Dir, dem Schönsten unter den Menschenkindern, an Pracht ähnlich sein soll: wenn meine Pracht sogar die Pracht meiner ersten Eltern im Stande der Unschuld übertreffen soll: Herr Jesu, wo werde ich da ein Kleid bekommen? Auf der Welt nicht, denn diese hat nichts für Jesu Bräute: bei den Himmelsbürgern auch nicht, denn sie tragen selbst ein von Dir geschenktes Kleid. Also, Herr Jesu, muss und soll und will ich auch mein Hochzeitkleid bei Dir holen, das Kleid Deiner Unschuld und Gerechtigkeit; und das wirst Du mir nicht versagen, ich ginge ja sonst ewig verloren. Amen.

Psalm 44

Heiliger und gerechter Gott, wie viel Elend und Drangsal muss nicht Dein armes Häuflein hier auf dieser Welt erfahren! Du lässt Deine und ihre Feinde über sie den Meister spielen, sie aber in manchen Schimpf und Schaden kommen. Was aber das Empfindlichste für unsere Seele ist, so stellst Du dich selbst oft gegen uns, als hättest Du Dein Angesicht vor uns verborgen, als wolltest du nicht achten unseres Elendes, ja uns selbst gar verstoßen. Dies Kreuz drückt uns manchmal zu Boden und lässt uns schreien: Ach, Herr, wie lange willst Du dem großen Jammer so zusehen, als ob Du eingeschlafen und gestorben wärest? Freilich müssen wir bekennen, dass wir nur all zu oft mit unserm Gang von Deinem Wege gewichen und Deinen Bund nicht immer so treu gehalten haben, als wir dazu verpflichtet und verbunden sind. Doch haben wir Dein ja nicht vergessen, Du bist und bleibst doch allein unser Gott und König, der Du hast alle Gnade und Hilfe Deinem Volk verheißen und schon von Anbeginn der Welt viel tausendmal erwiesen. So zeige es denn jetzt auch in Deiner, manchmal so ermatteten, kleinen Heerde. Mache Dich auf, und lass uns Deine reiche Güte und Barmherzigkeit genießen, um des teuren Lösegeldes willen, Deines lieben Sohnes Jesu Christi. Entzünde die schwachen Funken unseres Glaubens je länger je mehr durch Deinen heiligen Geist, gieß hinzu Dein Öl, barmherziger Samariter, und breite Dein Panier über uns aus, dass kein Sturmwind unsere Flamme auslösche. Und wenn das Licht unseres Lebens anfängt matter und matter zu brennen, dann lass das inwendige Licht Deines Trostes in unserer Seele immer heller aufleuchten, und führe uns durch das finstere Todestal mit dem erquickenden und erfreulichen Sonnenglanz Deiner Gnade, dass wir wie Flammen des Herrn mögen leuchten in unseres Vaters Reich. Amen.

Psalm 45.

Dieser Psalm heißt ein Brautlied, und wird darin nicht allein die Herrlichkeit des himmlischen Bräutigams, sondern auch der Braut Ehre, Würde und Glück aufs prächtigste zuvor gesagt. Er ist der Schönste unter den Menschenkindern, der Inbegriff alles Edlen, Hohen und Trefflichen, der Braut, d.h. seiner Gemeinde Ruhe und Leben, der sie zum vollkommenen Glück führt; der hoch erhöhte Held, welcher durch Seinen Tod Sünde und Tod überwunden und sich geschmückt hat mit Gerechtigkeit und Gericht. So gelingt Ihm Beides, in seinem himmlischen Waffenschmuck der Wahrheit seines Wortes den Sieg zu verschaffen über allen Lug und Trug der Welt und des Teufels, seine armen, bedrängten Gläubigen zu retten, und alle seine Feinde zu Boden zu werfen; so dass es nimmer und nirgends ein so heilig Regiment gibt, denn seines, das darum auch ein beständig und ewig Regiment ist und sein muss. Dadurch ist alle Traurigkeit in Freude, alles Weinen in Lachen verkehret, und die Braut nimmt fortan Teil an der Ehre ihres Bräutigams. Sie vergisst über Ihn Alles, sie hat nur Augen und Ohren für Ihn, Sein Schmuck ist ihr Schmuck, aus Seiner Gerechtigkeit sind die Kleider gewirkt, die sie trägt, Sein purpurrotes Blut ist das köstlichste Gold, darin sie glänzt. Sie ist sein Werk und sein Bild; darum hat Er Lust an ihrer Schöne, darum soll sie stehen zu seiner Rechten; denn alles, was Sein ist, das ist ihr, seine Ehre ihre Ehre, sein ewiger Ruhm auch ihr Ruhm. O Du Schönster unter den Menschenkindern, gelobet seist Du mit Harfen- und Saitenspiel! Kommst Du aufs neue zu Deiner Braut? Ach, Deine Braut verlanget nach Dir und sehnet sich nach Deinem Sieg. Gürte Dein Schwerdt und schmücke Dich schön. Deine Hand möge Wunder beweisen unter meinen Feinden; errette mich durch Dein Blut, o Held, und Deine herrliche Macht. Kleide mich wie Deine Braut in das köstliche Gold Deiner Gerechtigkeit. Führe mich zu Dir mit Freude und Wonne und lass mich einst zu Deiner Rechten stehen, in goldene Stücke gekleidet. Amen.

Psalm 46.

So könnte auch die Überschrift über Deinem Kreuze lauten, mein Heiland; denn dies Wort ist überschwänglich erfüllt in Deinem Todesleiden. Es ist gewiss nicht von ungefähr geschehen, dass Pilatus Dir eine so gar schöne Überschrift oben zu Deinem Haupte auf Dein Kreuz geheftet hat; daher er sie auch auf Verlangen der Juden nicht ändern durfte. Voran steht Deins süßer, Dein schönster Jesus-Name: an diesem kann die Seele sich laben, denn er ist ihr eine ausgeschüttete Salbe, sie kann sich nicht satt daran lesen, nicht satt davon hören und reden. Wie dieser Dein Name, so ist wahrhaftig auch Dein Ruhm bis an der Welt Ende. Du heißest und bist Jesus. Und wie Dein Name über Deinem Haupte am Kreuze steht, so steht nun auch mein Name über meinem Haupte im Himmel im Buche des Lebens, ja auf Deiner hohenpriesterlichen Brust und in Deinem treuen Herzen. Mein Heiland, wenn ich Dich am Kreuze erblicke, so erwäge ich auch Deinen Namen in meinem Herzen. – Doch Deine Überschrift bezeugt nicht nur, dass Du Jesus bist, sondern auch, woher Du bist: Jesus von Nazareth, nämlich der Marien Sohn, unser Bruder, unser Fleisch und Bein. Endlich sagt sie, dass Du ein König seiest. Die Welt sieht hier nichts Königliches an Dir; aber der Glaube merkt wohl, wie Du an Deinem Kreuze mitten unter Deinen Feinden herrschest. Sei auch mein König, halte über Deinem Eigentum, herrsche in meinem Herzen mitten unter Deinen Feinden. Mein König, mein Herr und mein Gott, zu Deiner roten Blutfahne habe ich schon in meiner Taufe geschworen, diesen Eid erneure ich auch jetzt unter Deinem Kreuze. Ich huldige Dir, als meinem rechtmäßigen Herrn, ja, als meinem Herrn. Du hast ein dreifaches Recht an mich, nämlich das Schöpfungsrecht, das Erlösungsrecht und das Erbrecht, und ich habe auch ein dreifaches Recht an Dich: Du bist mein Schöpfer, Erlöser und mein Erbherr. Nun sagt man sonst, eine dreifache Schnur reißt nicht leicht; darum halte mich nun an dieser dreifachen Schnur, die kein Feind zerreißen kann, und kann ich Dich nicht festhalten, desto fester halte Du mich. Amen.

Psalm 48.

Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen; lobe den Herrn und vergiss nicht, was Er dir Gutes getan hat.

O Du ewiger und starker Gott, wie unerforschlich ist Deine Weisheit, wie groß ist Deine Gnade und Liebe, wie überschwänglich ist Deine Barmherzigkeit und Langmut, wie unbegreiflich ist Deine Allmacht und Güte, die Du an mir erwiesen hast! Ja, Herr, ich erkenne meine Niedrigkeit und Unwürdigkeit vor Dir; ich bin Nichts und Du bist Alles; ich bin unverständig und sündig, Du bist weise und gnädig; ich bin ungehorsam und arm, Du bist geduldig und freigebig; ach, ich bin zu gering aller Wohltat, die Du an mir getan hast. Wunderbar sind Deine Werke und wahrhaftig sind Deine Verheißungen; gerecht sind Deine Strafen und gnädig Deine Züchtigungen; treu bist Du in Deinen Zusagen, und Deine Liebe ist über Alles, denn sie ist höher als der Himmel und tiefer als das Meer. Ich bin Dein Geschöpf und Dein Kind, Du bist mein Schöpfer und Vater; ich bin Dein Diener und Schuldner, und Du bist mein Herr und Wohltäter; von Dir habe ich Alles, und ohne Dich bin ich nichts. Darum sei gelobet, mein Gott, himmlischer Vater, dass Du mich an’s Licht gerufen und zu Deinem Ebenbilde gemacht und mir eine vernünftige Seele gegeben hast; sei gepriesen, dass Du mich in dem Schoß der Kirche Christi hast lassen geboren werden, dass Du Dich auch meiner erbarmet und mir Deinen Sohn geschenkt und Ihn auch für mich zu einem Fürsprecher und Erlöser, Heiland und Mittler gemacht hast. O wie erfreulich ist sein Evangelium, wie tröstlich sind seine Zusagen, wie köstlich ist seine Erlösung, wie kräftig ist sein Leiden und Sterben! Auch ich bin versöhnet und erlöset und durch den Glauben eingegangen in das Himmelreich, und Dein heiliger Geist, o Gott, dieser Tröster in aller Not, schafft in mir das Wollen und Vollbringen und macht mich geschickt zum ewigen Leben. Er ruft mich, Er hilft mir und kräftigt mich durch seine Gemeinschaft. O sei gelobet in Ewigkeit, dass Du mich armen, verderbten Menschen aus meinem Elende gerissen, durch das Wort des Evangeliums mich berufen, meine finstere Seele erleuchtet, meine kranke Seele geheilt, meine verlorenen Kräfte erneuert und mich also zu einem neuen Menschen gemacht hast, zu einem Erben des ewigen Lebens.

Mein Gott, wie viel bin ich Dir schuldig, wie hast Du mich von meiner Kindheit an bis auf diesen Tag mächtig erhalten, väterlich versorget, wunderbar geführt! Aus mancher Not hast Du mich errettet, vor manchem Unglück behütet, in manchem Kummer getröstet. Als ich krank war, hast Du mich genesen lassen; als ich irrte, hast Du mir zurecht geholfen; als ich sündigte, hast Du Geduld mit mir gehabt; meine Buße hast Du angenommen, mein Gebet erhört, meine Arbeit gesegnet. Immerdar hast Du mir mein täglich Brot beschert, mich ernähret und erfreut, und im Alter wirst Du Dich meiner auch annehmen. Habe Dank für alle Gaben Deiner Güte; für Freunde und Geliebte, die Du mir gegeben; für den Stand, den Du mir angewiesen; für jedes Gute, das Du durch mich geschehen ließest.

Wie viel Menschen sind in dieser Stunde hier und anderswo arm und elend, verlassen und tief betrübt! Wie sehr hast Du mich ihnen vorgezogen, liebreicher Vater, und womit habe ich Deine Liebe verdient? O lass Dein Angesicht über Allen leuchten, die Dich in ihrer Not anrufen; und segne sie nach Deiner Güte; mich aber lass allezeit erkennen, wie Du zu rühmen und zu loben bist, und meine Seele möge nicht müde werden, Dich zu preisen und Dir zu danken, Dich, Gott, Vater, Sohn und heiliger Geist. Amen.

Psalm 49

Ich danke Dir von Herzen, getreuer Gott, dass Du mich nicht nur im allgemeinen hast die wahre Weisheit und Verstand aus Deinem Wort vernehmen, sondern auch insonderheit mein Herz darüber hast belehren lassen, worin es den rechten Grund seiner Glückseligkeit für immer suchen und finden solle. Ach, wie tut dies Wort meinem Herzen doch so wohl, wohler als der angenehmste Harfenklang! Nun habe ich keine Ursache mich zu fürchten, auch mitten in der bösen Zeit. Kann ich mir schon in meiner Not mit irdischen und menschlichen Kräften und Gütern nicht helfen, so weiß ich doch mich nun zu trösten, weiß, woher ich meine Erlösung erwarten soll. Seitdem Du mich in Christo hast zu Gnaden in Deine Kind- und Erbschaft auf- und angenommen, halte ich mich im Glauben versichert, Du werdest meine Seele nimmermehr in die Gewalt des Satans und der Hölle verfallen, geschweige darin verderben lassen. Das ist mir Trost genug, wenn ich mich gleich von der Welt und ihrem Wesen nicht das Geringste zu trösten habe. Ach bewahre mich doch, gnädiger Gott und Vater, davor, dass ich mit den Kindern der Welt mein Vertrauen nicht setze auf ihren vergänglichen Reichtum, Ehre und Gewalt, da das Alles nur eine kleine Zeit währt und nichts dient zur Seligkeit. Wenn ich es täte, wie würde ich einst vor Deinem Richterstuhl bestehen können? Ich hätte nichts für mich, und keiner meiner Brüder und Mitmenschen würde mir, wie heilig, weise, geschickt, reich und gewaltig er auch wäre, etwas helfen können, weil Seelen zu erlösen und Deine strenge Gerechtigkeit zu befriedigen weit unendlich mehr erfordert als aller Menschen Kraft und Vermögen ausrichten kann. So erhalte denn mein Herz bei dem Einigen, dass ich in Christo, Deinem Sohne, möge meine Erlösung und Seligkeit suchen und finden, zu meinem Heile genießen, vor dem Nagen des ewigen Todes bewahrt und zur wahren Würde der Kinder Gottes in jenem Leben möge geführt werden. Amen.

Psalm 50.

Ein Psalm des Leviten Assaph, welcher unter David ein Sangmeister und Liederdichter war, dessen Gesänge beim Gottesdienst neben den Gesängen Davids gesungen wurden; ein ernstes, gewaltiges Zeugnis im höchsten prophetischen Tone gegen den Missbrauch des unter David so herrlich wiederhergestellten äußern Gottesdienstes. Eine Anbetung Gottes ohne Herzensänderung, Opfer ohne Erneuerung des Lebenswandels sind Heuchelei und ein Gräuel in Gottes Augen. Welch einen Eindruck musste es machen, wenn diese Bußermahnung beim Gottesdienst von Israel gesungen wurde! Um die Einweihung des Heiligtums dem Volke recht fühlbar zu machen, erscheint in dem Liede der Herr selbst mit allen den glänzenden und schreckenden Offenbarungen seiner Herrlichkeit wie einst auf Sinai, indem Er Himmel und Erde zu Zeugen ruft (V. 1-6); zeigt dann, wie der wahre Gottesdienst Geistes- und Herzenssache sei, und deckt die herrschenden Irrtümer in Bezug auf die erste (V. 8-15) und zweite Tafel des Gesetzes auf (V. 16-21). Endlich straft Er diejenigen, welche das Gesetz Gottes beständig im Munde führen, und dabei es im Verhalten gegen den Nächsten frevelhaft verletzten. – Nun, Herr, Du kennst mein Herz und weißt, wie es zu Dir steht. Bewahre mich nur vor jeder bewussten und unbewussten Heuchelei, wie vor aller Sicherheit; den Aufrichtigen allein willst Du es gelingen lassen. Mache mich denn aufrichtig und wahr bei meinem Beten und Singen, Loben und Danken, Kirchen- und Abendmahlgeben. O welch ein schöner Glanz ist mir aus Zion angebrochen in Deinem seligmachenden Evangelio! Die Strahlen der Sonne können ja die Welt nicht so hell erleuchten, erwärmen und beleben, als Dein heilbringendes Wort mein finsteres, kaltes und totes Herz in Licht, Glut und Lebe bringen kann. Mache mich denn Deinem Worte immer aufmerksamer und gehorsamer. Siehe, ich opfre mich Dir von neuem zu Dank für Deine Gnade ganz und gar, in Buße, Glauben, Gehorsam und Gebet. Gib mir Deinen heiligen Geist, der mich Dir recht nach Deinem Willen zu dienen lehre. Es ist ja die Bet- und Bittwoche des Jahres: o lass mich recht beten und bitten. Bitten ist ja kein Unrecht; es ist vielmehr ein Gnadenrecht, das Du mir eingeräumt hast; o hilf es mir gebrauchen und üben. Ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn. Amen.

Psalm 51.

Gott, Du Heiliger, Du Gerechter, der Du wohnest in einem Licht, zu welchem Niemand kommen kann, dem selbst die Engel mit verhülltem Antlitz dienen, der Du richtest und richten wirst den Kreis des Erdbodens, zu geben einem Jeglichen nach seinen Werken, Herr, strafe uns nicht in Deinem Zorn, züchtige uns nicht in Deinem Grimme, sei uns gnädig, denn wir sind schwach; leite uns, denn unsere Seele ist sehr erschrocken! Gehe nicht ins Gericht mit Deinen Knechten; denn vor Dir ist kein Lebendiger gerecht! Was sollte aus uns werden, wenn Du unsere Sünden heimsuchen wolltest, wie sie es verdienen, mit zeitlichen und ewigen Strafen? Ach, dann könnte es ja in der Zeit nichts als Leiden, in der Ewigkeit nichts als Verdammnis für uns geben! O erscheine uns nicht, gekleidet in Feuer, wie Du einst auf den Sinai herabkamst, gehüllt in Dunkel, Finsternis und Ungewitter; erscheine uns nicht, wie einst den Propheten, als ein Sturmwind, der die Felsen zerriss und die Erde erschütterte; nein, sondern Deine Gegenwart gehe an uns vorüber wie ein gelindes, sanfte Säuseln, und Dein Geist gebe uns die Zuversicht, dass wir Dir nachrufen können: Herr, Herr Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue, der Du bewahrest Gnade an tausend Glied und vergibst Missetat, Übertretung und Sünde. Ach, wir haben es ja aufgegeben, uns selbst zu rechtfertigen; wir sehen ja, wohin wir blicken, in uns und außer uns nichts als Sünde und Vergehungen; wir wissen ja, dass Du auf Erden nichts findest, was Dir wohlgefallen könnte. Aber Einen Ort gibt es dennoch auf Erden, auf den Du nicht herabschauen kannst, ohne von Gnade und Erbarmen gerührt zu werden. Es ist der, wo Dein Sohn sein großes Opfer für uns dargebracht, wo Er sein Blut verströmt hat, das noch immerfort um Vergebung für unsre Sünden bittet. O wenn Du beschließest, was unserer Kirche, unserem Volke widerfahren soll, wenn Du die Schicksale unseres häuslichen Lebens bestimmst, wenn Du dereinst unser Loos die Ewigkeit hindurch feststellen wirst: dann, Herr, dann siehe nicht auf unsere Sünden; dann richte Deinen Blick auf das Verdienst Deines Sohnes; dann gedenke, dass Er für uns gestorben ist; dann, Sohn Gottes, bitte für uns und nimm Dich derer an, für die Du Dein Leben hingegeben hast. Wir begehren nicht bloß Deines Geistes Trost für unsere zerschlagenen Herzen; wir begehren auch Deines Geistes Kraft, unsere Herzen umzuwandeln und zu heiligen. In unserer Kirche herrsche ein unverfälschter Glaube, der durch Liebe tätig sei, und die Gemüter in Eintracht verbinde! Unter unserm Volke herrsche Zucht, Ordnung, Gehorsam, treue Anhänglichkeit für den König! Jedes Haus werde Dir zu einem Tempel geweiht! Der Fromme werde immer vollkommener; der Sünder bessere sich; der Leidende werde getröstet; das mit Kummer und Sorge beladene Herz erleichtert! Gib uns allen, wenn unsere Stunde gekommen ist, ein sanftes, seliges Ende; und nimm uns auf unter die Zahl der Deinen, dass wir in Deinem höheren Heiligtum Dich loben und preisen mögen in alle Ewigkeit! Amen.

Psalm 52

Ja, Deine Heiligen haben ihre Freude an Deinem heiligen Namen, Freude daran, dass Du Alles wohlmachst in ihrem Leben, in Freude und Leid, im Kreuz und in guten Tagen, Freude an ihrer Gnadenwahl, dass Du ihren Namen im Himmel angeschrieben hast, dass Dein Wort ihr süßer Trost ist, Dein Tisch mit den reichen Gütern Deines Hauses ihre Seele vergnügt, und dass Deine Treue und Wahrheit bleibet ewiglich. Und doch will das arme Herz manchmal in allzu große Traurigkeit versinken! Manchmal sind wir so stark, dass wir wohl mit Petro in den Tod gehen; manchmal wieder so kleinmütig, dass wir mit Elias ausrufen: „Es ist genug, Herr, so nimm nun meine Seele von mir.“ Zuweilen brennt Glaube und Liebe wie eine Flamme des Herrn, bald glimmt beides wie ein kleines Fünklein unter der Asche. Ach, Herr, verstoß uns nicht um unserer Schwachheit willen, zerbrich nicht das zerstoßene Rohr, lösch nicht aus den glimmenden Docht. Bewahre uns vor der sündlichen Weltfreude, dass wir unser Vergnügen nicht suchen in den eitlen Geschöpfen und in einer Lust, die kaum einen Augenblick währt und nie so rein ist, dass sie nicht sollte das Gewissen verletzen, sondern lass das unsere einzige Freude sein, dass wir mit bewegter Seele sprechen: „Herr, wenn wir nur Dich haben, so fragen wir nichts nach Himmel und Erde.“ Gib, dass wir uns stärken in Dir. Lass uns immer wachsen an Erkenntnis, damit wir nicht Kinder bleiben am Verstande, sondern hinankommen zu einem vollkommenen Maß des Alters Christi. Lass uns stark werden im Glauben und Dir, unserm Bundesgott, fest anhangen in Lieb und Leid, dass nichts in der ganzen Welt so mächtig sei, uns von Deiner Liebe zu scheiden. Mache uns stark in der Hoffnung, auch in den äußern Verlegenheiten, stark in der Geduld und kindlichen Gelassenheit in Deinem allerheiligsten Willen. Sei unsere Stärke und bleibe bei uns an dem Abend dieser Welt, und lass auch uns bleiben wie grüne Ölbäume in Deinem Hause ewiglich. Amen.

Psalm 53.

Herr Gott, der Du nicht fern bist von einem Jeglichen unter uns, in dem wir leben, weben und sind, dessen Hilfe aus Zion über uns gekommen ist und der sein gefangenes Volk durch Christum Jesum erlöset hat, welcher ein Trost ist mir’s, zu denken, dass Alles, sowohl in mir als außer mir, Dein Werk ist und Du allezeit bei mir und in mir bist! Wenn ich Böses tue, bist Du in mir, indem Du mich des Bösen, das ich tue, zeihest, mir Leid erweckest über das Gute, das ich verlasse, und mir eine Barmherzigkeit zeigest, die mir die Hand bietet. Wenn ich das Gute tue, so bist Du es, der in mir das Verlangen dazu erweckt und es in mir und mit mir tut: Du bist es, der Du das Gute liebst und das Böse hassest in meinem Herzen, der Du geduldig bist, betest, den Nächsten erbauest, Werke der Liebe übest; ich tue alle diese Dinge, aber ich tue sie durch Dich; Du machest sie mich tun, Du legest sie in mich. – Du bist denn, und mein Herz freuet sich, es denken zu können, ohne Aufhören wirkend in meinem innersten Wesen; Du arbeitest darin, ungesehen, wie ein Bergmann, der am Erz in den Eingeweiden der Erde arbeitet; Du tust Alles, und die Welt sieht Dich nicht; daher schreibt sie Dir nichts zu. Ich selbst war auf Irrwegen, und suchte Dich durch eitle Bemühungen weit von mir, und dachte nicht daran, Dich im Grunde meines Herzens zu finden, wo Du nicht aufhörtest zu sein. Herr, Du bist uns näher, als wir uns selbst sind. – O Gott, Du bist so groß und so vertraulich zugleich, so über die Himmel erhaben und so der Niedrigkeit Deiner Kreatur angemessen, so unermesslich frei und so inwendigst in dem Grunde meines Herzens eingeschlossen, so schrecklich und so liebenswürdig, so eifrig und so freundlich: o möchte ich Dich doch immer eifriger in dem tiefen Grunde meines Herzens suchen, und dieses ein Heiligtum werden, wo Du im Geist und in der Wahrheit willst angebetet sein! Ich will die Augen gegen alle die äußern Gegenstände, die nur Eitelkeit und Jammer sind, geschlossen halten, und in dem Innersten meines Herzens eine innige Vertraulichkeit mit Dir suchen durch Jesum Christum, Deinen Sohn; da will ich trunken werden von dem heiligen Geiste, wie die Apostel, und wie sie erwählen, ein Spott der Welt zu sein. Amen.

Psalm 56.

Jesus trägt sein Kreuz hinaus nach Golgatha; die Feinde scheinen zu siegen; sie streiten und ängstigen Ihn, wie die Philister den David, als er den gedachten Psalm sang, - und doch war auch dieser Todesgang ein Siegesgang und ein Liebesgang für meine Sündenschritte. O lass sie alle dadurch versöhnet sein, und heilige zugleich auch alle meine Gänge. Herr Jesu, wenn ich zum Tore hinausgehe, frische Luft zu genießen, so lass mich in wahrer Buße und Glauben an Deine Hinausführung gedenken. Wenn ich wieder zurückkehre, so lass mich bedenken, dass Du nicht wieder hast umkehren können, sondern draußen vor der Stadt Dein teures Leben hast lassen müssen. Ja, lass alle meine Gänge aus der Stadt und in die Stadt in Deinem süßen und seligen Andenken und zu Deiner Ehre geschehen; sonst sind sie sündlich. Da Du Deinem Tode entgegengehest mit dem schweren Kreuz auf Deinem Rücken, wie sollte ich’s doch anders begehren? Genug, dass ich mich nicht mit der Last meiner Sünden schleppen darf, die Du weggetragen hast. Nun lass mich aus herzlicher Dankbarkeit für diese Deine Liebe mein übriges Kreuz Dir willig und geduldig nachtragen. Lass dies meinen täglichen Vorsatz sein: „Ich will, dieweil ich lebe noch, das Kreuz Dir willig tragen nach. O Heiland, mache mich dazu bereit, es dient mir ja zum Besten allezeit.“ Und wenn wieder Dein Kreuz mir zu schwer werden will und das Herz matt wird und die Kniee wanken in den Trübsalen, die Du sendest, und wenn mir die Füße wund werden in den Dornen, durch welche Du mich führest, o dann stärke die müden Hände und erquicke die strauchelnden Kniee und sprich zu dem verzagten Herzen: „Sei getrost und fürchte dich nicht.“ Dann heiße es in mir: Frisch, frisch hinauf, mein Geist und Herz, auf Jesu Dornenwegen! Bekrieget mich hier Leid und Schmerz, auf Siegen folget Segen. Nur fröhlich aufgefasst die leichte Liebeslast! Das Leiden dieser kurzen Zeit ist doch nicht wert der Herrlichkeit.“ Amen.

Psalm 57.

David sprach’s; ich spreche es ihm nach. Gerechter Gott, barmherziger Vater, welche Geduld, Gnade und Barmherzigkeit ist es doch, dass Du mich, der ich die Verdammnis tausendmal verdient hätte, bis heute in der Gnadenzeit noch gelassen hast. Ich habe Todsünden begangen, und lebe noch! Ich habe Dein strenges Gebot übertreten, und Dein Fluch ist nicht auf mich gefallen! Ich habe getrotzt wider Dich mit Herz und Hand und Mund, und Du hast mich nicht von Dir gestoßen! Ach heute, da ich Deine Stimme gehört habe: „So das geschieht am grünen Holz, was will am dürren werden,“ lass mein Herz nicht verstockt bleiben, sondern mich herzliche Tränen der Buße finden, solche Tränen, wie sie mein Heiland finden will, wenn er spricht: „Weinet nicht über mich, sondern über euch selbst und eure Kinder.“ O warum wollen doch diese Tränen so schwer aus dem Herzen und den Augen quillen? Warum stehe ich so bewegt an Krankenbetten und weine heiße Tränen an Totenlagern und Gräbern, und finde doch so selten die Tränen in meiner größten Krankheit, die ich von den Vätern her ererbt, und bei dem Gedanken an den geistlichen Tod, den ich, armer Sünder, mir selbst bereitet habe? Warum andere Tränen so viel, warum Magdalenentränen so wenige? Du zeigest, Herr, auf mein trotziges und verzagtes und an die Welt verkauftes Herz. Ach, das ist kalt und starr und will nicht brechen, ist felsenhaft und liebeleer. Du aber, o gnadenreicher Gott, hast einen Hammer, der Felsen zerschmeißt; darum bitte und flehe ich: zerschlage auch mein Herz, lass das Drohen Deines Gerichts mich schrecken, lass die Stunde, wo die Verdammten verzweifeln werden, mir heute schrecklich mahnend vor die Seele treten, und weil ich weiß aus Christi eignem Munde, dass Niemand zu Ihm kommt, es sei denn, dass ihn ziehe der Vater, so bitte ich Dich, barmherziger, allmächtiger Vater, ziehe mich auf Deines Sohnes Marterstraße. Siehe nicht auf meine Missetat, sondern um Seiner Gerechtigkeit willen erbarme Dich meiner. Siehe nicht auf meine Werke, sondern um Seines Verdienstes willen erbarme Dich meiner! Siehe nicht auf meine Irrwege, sondern um Seines Kreuzweges willen, den Er dort wandelt, erbarme Dich meiner! Amen.

Psalm 60

Ja, mit Gott können wir Taten tun! rechte Heldentaten, dass alle Welt sehen und gestehen muss, unser Vertrauen ist bei Ihm unendlich besser als bei Menschen angelegt gewesen! Auf eignes Vermögen kommt es dabei gar nicht an. Ruft Er uns an irgend ein Werk, in irgend einen Dienst, so gibt Er uns, was wir dazu bedürfen, Verstand und Kraft; denn Alles ist Sein im Himmel und auf Erden, und was Sein ist, soll unser werden. Wie verkehrt ist es daher auch, wenn wir gegen irgend ein Gebot, möge es auch noch so Großes fordern, das Mindeste einwenden, da es bloß darauf ankommt, wie wir es auffassen, ob im Sinne des Werk- oder des Gnadenbundes! Wie verkehrt, wenn wir Ihm unsere Ohnmacht entgegenhalten oder gar in der Forderung eine Beeinträchtigung der Rechtfertigung allein durch den Glauben wittern! Die Forderungen und Ermahnungen Gottes in der heiligen Schrift sind eben so geeignet, unsern Geist zu erquicken, als die eigentlichen Verheißungen. Es kommt dabei nur auf das hörende Ohr und das sehende Auge an, welche beide der Herr macht. Also getrost Gebote her, und wenn es hieße: „Ihr sollt vollkommen sein, gleich wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ Teile Du das Meer! Mögen spitzfindige Leute es denn erläutern, wie der Herr dem Menschen das zuschreibt, was Er doch selber tut, oder was für einen Anteil der Mensch an dem Werke hat, oder nicht hat, das Gott durch ihn ausrichtete: wir wollen indes Glauben lernen und im Glauben darreichen die Tugend. Dann dürfen wir auch mit Paulus sprechen: „Ich vermag Alles durch den, der mich mächtig macht, Christus,“ und mit dem Liede: „Ich darf Alles tragen, ich darf Alles wagen, will Du bist mein Pfand. Ewig bei mir bleibe, meine Not vertreibe, führ’ mich bei der Hand.“

Hilf Deinem Volk, Herr Jesu Christ,
Und segne, was Dein Erbteil ist,
Wart’ und pfleg’ ihrer zu aller Zeit,
Und hol’ sie einst zur Seligkeit. Amen.

Psalm 62.

Christe, Du Lamm Gottes, der Du trägst die Sünde der Welt, erbarme Dich unser, und gib uns Deinen Frieden. Amen.

Gott, man lobet Dich in der Stille zu Zion: ach, so mache denn auch mein Herz durch Deinen sanften heiligen Geist in der Wahrheit stille zu Deinem Lobe. Meine Seele singet Dir, und meine Lippen preisen Deinen heiligen Namen, dass Du mich, nach Deiner ewigen Erbarmung, diese große und stille Woche hast erleben lassen, in welcher Du Deinen eingebornen Sohn für die ganze Welt, und auch für mich elenden Sünder insonderheit, in so unzählige Marter Leibes und der Seele bis zum Tode am Kreuze dahingegeben. Nun so müsse mir denn in dieser großen Woche aufs neue groß werden meine ewige Erlösung, die mir durch diesen Deinen einigen Sohn geworden ist. Herr Jesu, ach dass alle Welt vor Dir stille würde in dieser Woche, stille in den Häusern, stille auf den Straßen und Gassen, stille bei Tag und Nacht. Doch mache nur vor allem andern mein Herz, das unruhige Übel, stille zu, in und vor Dir, Du stiller Jesus. Sammle mein zerstreutes Herz, dass ich deine Stimme mit hörenden Ohren höre, wenn Du mir insbesondere in mein Inneres rufest: „Mir hast du Arbeit gemacht mit deinen Sünden, und du hast mir Mühe gemacht mit deinen Missetaten; ich aber, ich tilge deine Übertretung um meinetwillen, und gedenke deiner Sünde nicht.“ Ja, dass auf Deinen himmlischen Zuruf: „daran gedenke, Jakob; Israel, vergiss mein nicht!“ aus dem innersten Grunde meines neuen Herzens wiederschalle: Ich denke daran, lieber Herr Jesu, und will Dir dafür von heute an aufs neue dankbar sein! Ich will Dein Leiden und Sterben nicht missbrauchen; sondern mit allem Ernst verehren. Ich begehre, Deinem Kreuz untertänig, gleichförmig und gehorsam zu werden, bis ich in der Wahrheit sagen kann: „Ich bin mit Christo gekreuzigt; ich bin mit Ihm gestorben, auf dass ich Gott lebe; ich lebe, aber nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir.“ So segne denn, erbarmender Heiland, Deines Leidens Anfang, Fortgang und Ausgang an mir Elenden. Segne den Anfang desselben zu einem gründlichen Anfang des ersten und völligen Glaubens mit wahrhaftigem Herzen an Deinen Namen. Segne den Fortgang Deiner Leiden zur Gründung in der Erkenntnis des Geheimnisses Deines Kreuzes, zur Einwurzelung in der Liebe und zur willigen Einsenkung in die Gemeinschaft Deines Todes. Segne den Ausgang Deiner Leiden an mir durch die Geduld in der Hoffnung, dass ich Dir stille bleibe unter allen Widerwärtigkeiten, Deinem Willen mich ganz in meinen äußeren und inneren Umständen aufopfere, und so aushalte durch Großes und Kleines, durch Böses und Gutes bis an’s Ende, dass ich mich dann ewiglich bei Dir in Deiner Herrlichkeit erfreuen könne, um Deines allerteuersten Verdienstes willen. Amen.

Psalm 63.

Der 63. Psalm ist köstliches Bekenntnis eines nach Gott und seiner Gnade schmachtenden und seine Erquickung in der innerlichen Gemeinschaft mit Ihm findenden Herzens, das in seinen Händen auch sein äußerliches Schicksal wohl aufgehoben weiß; verbunden mit der Erinnerung an die gesegneten Stunden in seinem Heiligtum und an die Verheißungen, die ihm zu Teil geworden. Und ist das nicht Adventstimmung? Soll uns jetzt nicht auch das Bewusstsein durchdringen, dass die Gemeinschaft mit Gott in jeder Lage ein sicheres Unterpfand des Heils ist, und daraus ein inneres Suchen und Sehnen nach solcher Gemeinschaft entstehe? – Nach der Überschrift hat den Psalm David gedichtet, als er war in der Wüste Juda, auf der Flucht vor Absalom. Jahrelang war jene Einöde an der westlichen Seite des toten Meeres Davids Zuflucht gewesen in den Zeiten, wo Saul ihn verfolgte. Nachdem er einmal die Krone trug, hatte er wohl nicht daran gedacht, dass er sie noch einmal würde betreten müssen. Dennoch aber hatte er sie abermals betreten als flüchtiger König. Eine traurige Lage! Die Krone war ihm vom Haupt gerissen, der leibliche Sohn selbst ein Empörer, vor seiner Seele stand eine trübe Gegenwart, eine ungewisse Zukunft, ringsumher öde Wüste, - dennoch ist sein Herz gesättigt und sein Mund bricht in Loblieder aus; er ist voll Hoffnung und Wehmut, voll Sehnsucht und Gewissheit zugleich. Sein ganzer Sinn ist: nichts soll mir den seligen Genuss Gottes hindern, obgleich mich verlangt nach feierlichem Gemeinschafts-Gottesdienst (V. 2-6); ich hange auch hier Tag und Nacht an meinem Gott und Helfer (V. 7-9), der meine tückischen Feinde wiedervergeltend so stürzen wird, wie sie mich stürzen möchten (V. 10-12). Ist das nicht Adventslage? – Der Psalm soll ein Leibpsalm des seligen M. Schade in Berlin zu Speners Zeit gewesen sein, den er täglich mit solcher Brünstigkeit gebetet und sich zugeeignet, dass es nicht ohne innige Bewegung anzuhören gewesen. – Gib mir denn auch solche Adventstimmung je mehr und mehr, dass ich an Dich denke, wenn ich mich zu Bette lege, und, wenn ich erwache, noch von Dir rede. Amen.

Psalm 64

Gott regiert die ganze Welt, und es geschieht in ihr nichts ohne seinen wohlgefälligen oder zulassenden Willen; doch ist seine Hand nicht bei allen seinen Werken in gleichem Grade offenbar. Wenn eines Gottlosen Seele in die Hölle fährt, so sieht es Niemand, und die Sterblichen dürfen sich gewöhnlich nicht einmal erkühnen zu sagen: Gott habe sie in die Hölle verschlossen. Auch werden viele in der Welt gestraft: weil aber ihre Sünden und der Zusammenhang der Strafe mit denselben nicht genug bekannt sind, so kann man Gottes dabei bewiesene Gerechtigkeit nicht mit klarer Einsicht preisen. Es gibt aber auch Fälle, wo man es kann, wo, wie bei den Leuten im 64. Psalm, der Zusammenhang zwischen Strafe und Sünde auf der Hand liegt. Es geht Gericht und Vergeltung durch die Geschichte, und die Weltgeschichte ist oft ein Weltgericht. Da sehen wir große und kleine Tyrannen oft wieder in die Hände harter und unbarmherziger Menschen fallen; sehen Blutgierige und Falsche ihr Leben nicht bis auf die Hälfte bringen; sehen Ausschweifende und Ehebrecher an ihren Leibern und durch die bitterste Armut gestraft; sehen unrecht Gut nicht gedeihen und nicht bis an den dritten Erben kommen. Gott misst wieder mit dem Maße, mit dem der Mensch gemessen hat, und ist ein eifriger Gott, der da heimsucht der Väter Missetat an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied, die Ihn hassen, wenn nämlich der Hass Gottes, den die Väter ausgeübt haben, von den Kindern fortgesetzt wird. Übrigens muss man warten können, wenn man es sehen will, und dabei an das höchste Recht Gottes gedenken, nach welchem es Ihm freisteht, die Gottlosen heimlich oder öffentlich, in dieser oder in jener Welt zu strafen. Schrecklich aber ist’s, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen; denn unser Gott ist ein verzehrendes Feuer. Darum will ich Gnade suchen und haben, und durch dieselbe Ihm dienen, Ihm zu Gefallen, mit Zucht und Furcht. Führe mich denn allezeit, o Gott, auf ebener Bahn, und erhalte mein Herz bei dem Einigen, dass ich Dich fürchte. Amen.

Psalm 65 und 67

Ewiger, unveränderlicher Gott, der Du nie alterst und wechselst, sondern bliebst, wie Du bist, zu Dir blicken wir empor aus dem Unbestand der Erde. Umgeben von Bildern des Dahinwelkens und Absterbens, vergegenwärtigt sich uns der ernste Gedanke, dass auch wir einst hinsinken werden zu einer langen Ruhe, aus welcher kein irdischer Morgen uns wieder erwecken wird. Rings um uns her wohnt in den herbstlichen Fluren der Odem des Todes. Alles erinnert uns jetzt an die Stunde, wo unsere Lebenskraft erlöschen wird, und wir von Allem, was uns hienieden lieb und teuer ist, scheiden müssen. Aber mitten unter den welkenden Fluren fühlen wir unsere Christenwürde, vom Grabe erhebt sich unser Blick über die vergängliche Erde zu Dir, der unserem Geiste ein höheres Ziel gesteckt hat. Der Gerechte ist dem fruchtvollen Baume gleich, und seine Blätter verwelken nicht; seiner wartet nicht Vernichtung und Auflösung; sein besseres Teil bleibt, lebt fort und schwingt sich auf in eine bessere Welt.

Preis sei Dir für diese selige, durch die Auferweckung Deines Sohnes so herrlich bestätigte Hoffnung! Sie belebe uns mit heiligem Eifer für das Bleibende und Ewige; sie lehre uns jeden Tag weise auskaufen und wohl anwenden; sie waffne uns im Kampfe mit der Welt und Sünde, und flöße uns Frieden und Trost in das Herz unter den Bürden der Zeit! Nur der Gerechte ist im Tode getrost, nur ihm winkt jenseits des Grabes das Morgenrot der Vollendung; nur ihm folgen seine Werke zum Segen nach. Dieser Gedanke schwebe stets vor unsrer Seele, und lehre uns die höhere himmlische Weisheit, die nur nach Dem trachtet, was ewig bleibt und ewigen Frieden beut. Diesem Ziele wollen wir, gestärkt durch Deine Kraft, stets nachstreben und unsere Sorgfalt auf solche Güter richten, die der Sturm des Todes nicht verwehen und der Strom der Zeit nicht entführen kann! Dann nahe sich, früher oder später, die letzte Stunde unsers Erdenlebens, sie wird uns nicht unbereitet treffen; wir werden vielmehr voll gläubigen Vertrauens auf Jesum, den Urheber unserer seligen Unsterblichkeit, durch die dunkle Pforte des Todes eingehen in das Land des Lichts und der ewigen Freude. Amen.

Psalm 66.

Wie lieblich ist die Jahreszeit, in welche wir durch Deine Gnade, Herr und Vater unseres Lebens, zurückkehren. Durch Täler und Höhen beginnt der Odem des Lebens und der Freude zu wehen. Schön ist die Erde, ein unermesslicher Schauplatz täglich sich erneuernder Wunder. Der Himmel, der im milden Sternenlicht über uns glänzt, verkündigt Deine Ehre, o Herr; die Vögel, die ihr Lied wieder hören lassen; das Würmchen, das im Grase wie ein Edelstein funkelt; die Blume, die mit lieblichen Farben und süßen Wohlgerüchen prangt; alle mannigfaltigen Reize, die jetzt die Natur zu schmücken beginnen, sind lauter unwiderlegliche Zeugen Deiner Macht und Liebe, Du aller Wesen Vater und Freund! Verherrlicht, in ihrer ganzen Fülle anerkannt und verehrt sei überall Deine unaussprechliche Größe!

Auch unsere Seele erhebe Dich, Schöpfer des Frühlings! Du erneuerst die Gestalt der Erde, die brausenden Stürme des Winters verstummen auf Dein Geheiß, durch Dich erwachen die Fluren vom Todesschlafe und kleiden sich, neu belebt, mit jugendlicher Anmut und Fülle. Denn Du hältst die Sonne in ihrer Bahn und die Erde in ihrem Kreislaufe, dass, so lange sie stehet, nicht aufhöre der Wechsel der Saatzeit und der Ernte, des Frostes und der Hitze, des Tages und der Nacht. Dir sein Anbetung und Ehre! Zu Dir erhob sich in der Morgenstunde dankvoll unser Herz; mit dem Gedanken an Dich wollen wir auch den heutigen Tag enden; ja, der Gedanke an Dich sei unsere selige Beschäftigung, so lange wir hienieden noch leben. Stärke, o Herr, unser Herz, dass die seligen Gefühle des Dankes, der Liebe, des Vertrauens nie in uns erkalten. Denn Du hast uns ja nicht für diese vergängliche Erde geschaffen, sondern willst uns durch Jesum Christum, Deinen Sohn, unsern Erlöser, mit ewigen Gütern und Freuden beseligen. Gib uns Deinen Geist, dass auch wir hienieden blühen und reifen für die Gefilde ewigen Friedens, zu denen Du Deine Treuen dereinst erheben willst. Jetzt umfang uns die Ruhe der Nacht, und der Schlummer schließe unsere Augen. Dir, treuer Vater, übergeben wir uns, und liegen und schlafen ganz im Frieden; denn Du, Herr, behältst unsere Seele im Leben und lässt unsere Füße nicht gleiten, Du verwirfst unser Gebet nicht und wendest Deine Güte nicht von uns. Amen.

Psalm 68.

Ein ungemein lebendiges, bilderreiches Siegeslied, gesungen, als nach beendigtem Kriege die Bundeslade auf den Berg Zion zurückgebracht wurde. Es schließt sich frei an ältere Lieder, besonders an das der Debora Richt. 5. an. Mit den uralten Worten Mosis preist es V. 2-7 die heilige Siegesmacht Gottes, dann V. 8-15 die Erweisungen derselben in den alten Zeiten des Volks, V. 16-19 den Berg Zion, auf welchem der Herr und Gott Israels, mächtig und herrlich wie einst auf dem Sinai, Wohnung genommen, nachdem Er seine Feinde gedemütigt hat, V. 20-24 die Hoffnungen, welche Israel bei einem solchen Gotte auch für die Zukunft haben darf. V. 25-28 folgt dann eine Beschreibung des Triumphzuges, der mit der Bundeslade den Berg hinaufgeht, und V. 29-35 schließt der Psalm mit herrlichen Aussichten auf den endlosen Sieg über alle Feinde des Gottesreichs, auf die Bekehrung aller Heiden zu diesem herrlichen Gottes Israels, und mit der Ermahnung an alle Völker der Erde, Ihm zu huldigen. Der 19te Vers: „Du bist in die Höhe gefahren und hast das Gefängnis gefangen, Du hast Gaben empfangen für die Menschen“ wird Eph. 4,8-10 auf Christum bezogen, und mit vollem Recht. Das Herabsteigen Gottes zum Besten seiner Gemeinde und die reiche Gabenspendung an dieselbe, wovon hier die Rede ist, war ein Vorspiel und Unterpfand der Erscheinung Gottes in Christo und des ganzen Reichtums seiner Güter und Gaben, der in Ihm seiner Kirche zu Teil wurde: „Du hast die von Dir erworbenen Gaben nun in Deiner Erhöhung mit völliger Macht empfangen und eingenommen und teilst sie unter die Menschen wirklich aus.“ Köstliche Gewissheit! Ist Jesus für uns gen Himmel gefahren, so ist unsere Höllenfahrt gewendet. Hat Er das Gefängnis gefangen geführt, und sind wir von Sünde, Tod, Teufel und Hölle erlöset, so sind wir recht frei, weil uns d er Sohn frei gemacht hat, und können jubeln: Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? Seitdem Jesus für die Menschen Gaben empfangen hat, haben wir sie auch zu genießen. Er das Haupt, wir die Glieder. Wären wir zuvor einer von den Abtrünnigen gewesen, Er spricht: „Komm wieder zu mir, bei mir sollst du Ruhe finden für deine Seele.“ So komm denn, es ist Alles bereitet! Amen.

Psalm 70 u. 71.

Ist das nicht der wesentliche Inhalt der Bitte des bußfertigen Schächers? Wie beschämt er mich mit seiner Buße und mit seinem Glauben nach allen Stücken desselben! Wie hell ist seiner Erkenntnis von Dir, Herr Jesu, wie gewiss sein Beifall, wie zuversichtlich sein Vertrauen auf Dich! Und Du lässt ihn nicht nur keine Fehlbitte tun, sondern antwortest ihm so, wie er es gewiss nicht erwartete; denn Du versprichst ihm viel mehr als er von Dir gebeten. Wer Dein Herz noch nicht kennt, der mag nur auf Golgatha gehen und auf Dein Verhalten gegen Sünder Achtung geben, und auf Deine so süßen Worte. So oft Du Deinen Mund öffnest, so oft schüttest Du gleichsam Dein Herz mit den Worten aus. Wie froh bist Du, wenn Dich ein armer Sünder um etwas bittet! Wie wartest Du gleichsam mit Verlangen darauf, damit Du nur Deine Willigkeit ihm zu helfen beweisen kannst! Wie bittet man doch nie zu viel von Dir! Du gibst immer noch mehr; denn Dein Herz ist eine unerschöpfliche Segensquelle. Und weil oft einer schüchternen Seele Deine Antwort zu köstlich für sie dünkt: so bekräftigst Du ihr die teuersten Verheißungen mit einem Eidschwur und mit einem doppelten Wahrlich. - Je größer die Not, je mehr eilest Du mit Deiner Hilfe. Der Schächer hatte wenig Zeit zu leben, da er Dich um Dein Andenken in Deinem Reiche bat; darum eilest Du, die Verheißung an ihm zu erfüllen: „Ich will Dich nicht verlassen noch versäumen;“ Du versäumest ihn keinen Augenblick, sondern nimmst diesen Sünder als eine Kreuzesbeute mit ins Paradies. Ach, da sehe ich wohl, dass Du Dich nicht nur der Sünder nicht geschämt hast auf der Welt, sondern dass Du Dich ihrer auch im Himmel nicht schämest, ja, mit ihnen prangest als mit einer Siegesbeute. Du magst ohne errettete Sünder nicht im Himmel sein, auch nicht einmal hineingehen, ohne einen mitzunehmen; so sehr liebst Du ihre Gesellschaft. – Herr, ich bin auch ein Sünder, ein großer, todeswürdiger Sünder; ich muss auch schreien: „Herr, gedenke an mich;“ o erbarme Dich denn auch über mich und sei mir armen Sünder gnädig jetzt im Leben und dereinst in meinem Sterben. Amen.

Psalm 74.

Ein rechter Klag- und Trostpsalm! Das Heiligtum mit seinem wunderbaren Bau- und Bildwerk ist zertrümmert, alle Gottesstätten im Lande sind verbrannt, alle Spuren der Gegenwart Gottes unter seinem Volke sind verschwunden; auch kein Prophet ist da, der verkündigt, wann des Elends Ende komme. Da lässt der Psalmist zu seinem Troste alle alten Erweisungen göttlicher Allmacht über menschliche Bedrückung aus der Geschichte, ja, die Denkmale göttlicher Allmacht aus der Natur vor seinem inneren Auge vorübergehen. So aufgerichtet, wagt er zu flehen, dass die schüchterne Turteltaube von dem Gott, welcher der Gott der Dulder und der Armen ist, nicht den Gewalttätigen Preis gegeben werde; ja, von Hoffnung neu belebt ruft er sogar den Arm des Ewigen noch einmal zum Angriff auf. Es zeigt mithin dieser Psalm, wie die Gemeinde des Herrn und der einzelne Gläubige sich in Zeiten zu verhalten hat, wo Alles verloren zu sein scheint, wo ein gänzlicher Ruin eingebrochen ist. Namentlich gibt er uns Anleitung, wie wir in solchen verzweifelten Umständen es uns zu vergegenwärtigen haben, dass es sich nicht um unsere, sondern um Gottes Sache und Ehre handelt. – Herr, ich will von Assaph lernen, in Zeiten großer Drangsal und Heimsuchung mich ebenfalls steif und fest an Deinen Gnadenbund zu halten. Nichts ist so mächtig, dass es ohne Deinen Willen mich sollte aus diesem Bunde herauswerfen. Was Du mir einmal in der Taufe versprochen und zugesagt hast, dass Du wollest mein gnädiger Gott und Vater, und ich solle Dein liebes Kind und Erbe aller Deiner Herrlichkeit und Seligkeit sein, das kannst Du niemals wieder zurücknehmen. Meine Untreue kann Deine Treue nicht aufheben. Es ist mir unverwehrt, Dir zu sagen und zu klagen, was mir von der Welt wird angetan, und Dein Brauch ist es nicht, dass Du ließest die Deinigen beschämt und unerhört von dannen ziehen. Ist es doch die Sache des Herrn, und das Amt unseres Gottes. Amen.

Psalm 75.

In diesem Psalm preist Gottes Volk den Herrn, seines Heils gewiss; denn Er hat verheißen, zum Gericht zu erscheinen und mit der Allmacht, die Er bei der Schöpfung bewiesen, die wankende Erde zu befestigen. Sich stützend auf diese Verheißung Gottes wendet sich Israel an seine übermütigen Feinde und ermahnt sie, ihren Stolz fahren zu lassen, da es die Hoffnung seiner Errettung nicht auf seine irdischen Umgebungen gründe, sondern auf Gott in der Höhe, der eben jetzt zum Gericht sich anschickt über die vermeintlichen Sieger. Zum Schlusse spricht das Volk den Vorsatz aus, den Herrn beständig zu preisen für das Heil, dessen es im Glauben gewiss geworden, und die freudige Zuversicht, dass es im Herrn über die Bosheit triumphieren werde. – Gleich zuversichtlich ist die Ermahnung, welche König Hiskias zu seiner Zeit an das Volk richtete: „Seid getrost und frisch, fürchtet euch nicht, und zaget nicht vor dem Könige von Assur, noch vor allem dem Haufen, der bei ihm ist, denn es ist ein Größerer mit uns, als mit ihm. Mit ihm ist ein fleischlicher Arm, mit uns aber ist der Herr, unser Gott, dass Er uns helfe und führe unsern Streit.“ (2. Chron. 32,7.8.) Es ergeht im 75. Psalm daher die Ermahnung an die Kirche aller Zeiten, durch gleichen Glauben gleichen Heiles teilhaftig zu werden. – Hilf mir denn zu solchem Glauben, o Herr, Du kennst meinen Schwach- und Kleinglauben. Wohl weiß ich’s, dass Dein Name: „barmherzig, gnädig, geduldig und von großer Güte und Treue“ eine Wahrheit ist, und doch stelle ich sie oft in Abrede. Ich weiß, dass Du nur auf die gelegene Zeit wartest, dann muss auch eine ganze Welt voll Tumult und Unruhe sich zur Ruhe begeben und den Frevlern wird ein Taumelkelch gereicht, der von ihnen bis auf die giftigen Hefen muss getrunken werden, - und doch wird mir dies Warten so schwer. Ich weiß, dass wenigstens am Ende die Gerechten siegen müssen, - und doch kämpfe ich als ein Überwundener und Geschlagener. O hilf mir, auf Dich trotzen und mich Deiner rühmen: dann ist mir geholfen immer und ewiglich. Amen.

Psalm 76.

Es ist dieses Loblied auf die Errettung Jerusalems aus Feindes Hand wohl bald nach derselben gedichtet worden, wie Ps. 75 vor derselben. Der Herr, der unter Israel durch seine Taten sich verherrlicht, und zu Zion seine Wohnung aufgeschlagen, hat dort die Macht des Welteroberers gebrochen. Er ist mächtiger als die raub- und eroberungssüchtigen Weltreiche: dies zeigt die durch seine Allmacht bewirkte Niederlage der mächtigen Feinde, die durch sein Gericht bewirkte Ruhe der wildempörten Erde. Darum fordert zum Schlusse der Sänger die Gläubigen auf, Gott zu danken, und die Heidenvölker, Ihm durch Gaben ihre Huldigung darzubringen. – Was liegt in diesem Psalm doch für ein Trost für alle Kinder Gottes, da es einmal als eine ewige Wahrheit fest steht, dass alles, was in der Welt eine Hand oder einen Fuß regt, die Gottlosen wie die Frommen, auf gleiche Weise Gott dienen müssen, freiwillig die Einen, unfreiwillig die Andern, und der ewige und selbstständige Gott aus allem Wüten der Menschen sich nur eine Ehrenkrone verfertigt. O welchen starken Schutzherrn hat doch die Kirche und in derselben jedes wahre Glied an Gott und seinem Heiland! Wie manche feurige Pfeile hat Er schon zerbrochen! Wie manches Schwerdt hat Er schon stumpf gemacht! Er kann eherne Türen zerschlagen und eiserne Riegel zerbrechen. (Jes. 45,2.) Was ist deshalb billiger, als dass du, liebe Seele, diesem deinem starken Gott dich in seinen Schutz kindlich ergebest mit herzlichem Vertrauen und eifrigem Gebet? Er ist ja dein Licht: vor wem wolltest du dich fürchten? Er deines Lebens Kraft: vor wem sollte dir grauen? Unter Seinen Schirmen bist du vor den Stürmen aller Feinde frei, lass den Satan wittern, lass die Welt erschüttern, dir steht Jesus bei. Ob es jetzt gleich kracht und blitzt, obgleich Sünd’ und Hölle schrecken, Jesus will dich decken. Das Toben der Feinde, das dich zuweilen angst und bange macht, dient, Gott desto herrlicher zu machen, wovon der Nutzen dein eigen, die Ehre aber des Herrn deines Gottes ist. David sagt: Ich danke Dir, dass Du mich gedemütigt hast, auf dass ich Deine Rechte lerne. Amen.

Psalm 77 (78.79)

Ein wehmutsvolles Klagelied mit Tröstung durch die großen Taten Gottes vor Alters! In tiefem Schmerze schreit die Gemeinde des Herrn zu Ihm um Hilfe, und die Erinnerung an das, was der Herr früher an ihr getan, gereicht nicht nur Milderung dieses Schmerzes, sondern dient vielmehr dazu, ihn zu steigern, und verleitet sie zu Zweifeln an der Fortdauer ihrer Erwählung. V. 2-10. Aber bald erhebt sich kräftig der Glaube und führt zur Ergebung, indem er sich der Tatsachen als sicherer Unterpfänder des Heils bemächtigt, in denen früher der Zweifel Nahrung gesucht hatte, namentlich der Erlösung aus Ägypten und der Durchführung durchs rote Meer. V. 11-12. – Wie gut ist es doch, durch gute Gedanken über die bösen zu siegen, und eben deshalb sich einen Vorrat heiliger Gedanken zu sammeln und aufzubewahren, um sie gegen sich selbst in Stunden der Zweifel und der Anfechtungen zur Anwendung zu bringen! Es muss ja Gott angenehmer sein, wenn von uns ein Tag im Halleluja des Herzens zugebracht wird, als das beständige Klagen, Seufzen und furchtsame Schreien über Not, die man oft selbst verschuldet hat. Der Wohltaten und der Langmut Gottes ist ja eine solche Summe, dass man sie nicht zählen kann; aber das wird ein Teil des ewigen Lebens sein, und dass dort unser Lob dafür ohne Sünde sein wird. Ach, aus guten Gedanken entstehen gute Triebe und Entschließungen, und aus diesen entstehen gute Handlungen! – Wache daher täglich über deine Gedanken, mein Herz, und züchtige, heilige, berichtige sie durch Gottes Wort. Fällt dir ein böser Gedanke ein, so sinne bald auf einen guten Gedanken und verscheuche jenen auf alle Weise. Denke insbesondere an die großen Taten, Führungen und Fügungen Gottes in der heiligen Geschichte, die wie nichts anderes den Glauben stärken und jede Bangigkeit heben für Gegenwart und Zukunft. Das Gute und Göttliche hat einmal eine Macht, die alles Böse und bloß Menschliche überwindet. Amen.

Psalm 80

Ein Klagepsalm aus einer Zeit, wo es mit Israel noch nicht bis zum Äußerstes gekommen war, wo jedoch vielfach verschiedene heidnische Völker das Land zerrütten. Der Sänger des schönen Liedes ruft V. 2-4 die alten Zeiten wieder zurück, wo der Herr wie ein Hirte vor seinem Volke herzog, wenn es in die Schlacht ging, wo hinter der Lade zunächst die drei Söhne der Rahel, die drei Stämme Ephraim, Manasse und Benjamin, folgten, wo der Ruf Mosis, so oft die Lade aufbrach, ertönte: „Herr, stehe auf, lass Deine Feinde zerstreuet werden, und die Dich hassen, flüchtig werden vor Dir,“ und der Segen Arons erschallte: „Lass Dein Antlitz über und leuchten.“ Nun in der Gegenwart aber sind Tränen des Volks Speise und Trank, und abwechselnd gerät es in die Gewalt der Nachbarn und Feinde. (V. 5-8.). Und doch hat Gott selbst diesen edlen Weinstock wunderbar gepflanzt und sich ausbreiten lassen, warum muss er jetzt von wilden Tieren unterwühlt werden? (V. 9-15.). Wie Unkraut wird er behandelt, kann auch Der, der ihn pflanzte, geduldig zusehen? (V. 16 bis 20.) Es ist nicht möglich. Auch die traurigsten Zeiten können doch so traurig nicht sein, dass nicht der Glaube die Hoffnung festhalten dürfte und müsste, dass ein Gewächs, welches Gott mit so vieler Sorgfalt gepflanzt hat, Ihm am Herzen liegen werde. Ein Volk, das sich Gott erzogen hat, kann Er zwar in vielfache Trübsal geraten lassen; aber sobald das Ziel seiner Züchtigung erreicht ist, hilft Er ihm auch wieder. In jedem Augenblick kann alle Finsternis, wie dicht und schwer sie sei, ein Ende nehmen, und können alle Wunden genesen, sobald es nur dem Herrn gefällt, den Glanz Seines Antlitzes aufgehen zu lassen. Wen der Herr anblickt, den beglückt Er. Dreimal wiederholt der Psalm die Bitte: „Lass Dein Antlitz leuchten, so genesen wir“; - so viel ist der Gemeinde des Herrn an diesem Stück gelegen. Und in der Tat, wenn Gottes Gnade als ein Licht in unser Herz scheint, so erquickt und erfreut sich Leib und Seele daran, und es wiederholt sich die Jacobs-Erfahrung: „Ich habe den Herrn von Angesicht gesehen, und meine Seele ist genesen.“ Lass auch mich, o Herr, in dieser Erfahrung stehen, bleiben und wachsen, so ist mir wohl, und ich kann loben und danken. Amen.

Psalm 81.

Ein Osterfestlied, das zugleich eine Predigt Gottes an sein Volk enthält! (Luther hat übersetzt: in unserm Feste der Laubrüst; aber V. 6. weist auf Ostern.) Der Sänger hebt fröhlich an mit der Ermahnung, nach Gottes Befehl mit liebreicher Musik und Psalmen das Passahfest zu begehen. Die Sabbate, die Neumonde und die drei jährlichen Feste Israels, Ostern, Pfingsten und Laubhütten, waren lauter Dank- und Freudentage, teils um der Wohltaten willen im Reiche der Natur, teils um der Wohltaten willen in Israels Geschichte. Warum zu Ostern insbesondere fröhliche Psalmen unter dem dumpfen Schall der Pauke, der hellen Harfe und der Laute? Es ist das Fest der Erlösung Israels aus großer Not und tiefem Elende durch seinen Gott und Herrn. Ostern war Israels Geburts- und Lebensfest. Da hat sich der Herr seinem Volke geoffenbart und ihm seinen Namen kund getan. Da hat Er in der Wüste durch seine Wunderwerke sich an ihnen bewährt. Dafür verlangt Er aber auch als ein Recht, das Er fordern kann, dass Israel Ihm allein diene und der Welt ihre erdichteten Götter überlasse, dass Er allein ihm genug sei und sie bei keinem Andern weiter Hilfe suchen sollten. Leider entsprach Israel der Forderung Gottes nicht und stürzte sich dadurch ins Elend. Gott ließ es dahin gehen, damit es aus Erfahrung lernte, was es ohne einen solchen Gott ist. O dass es endlich zum Gehorsam des Herrn zurückkehrte! Gott selber ladet dazu ein durch die lieblichsten Verheißungen; Er wollte die Seinigen nähren und wehren, und nicht allein ihr Kriegsmann sein, der für sie stritte, sondern auch ihr Ackermann, also dass denen, so Ihn fürchten und Ihm vertrauen, nichts mangeln solle, was zu diesem Leben vonnöten sei. – Auch wir sind erlöst worden durch eine noch größere Erlösung, und noch größere Wunder hat der Herr an uns getan: haben wir dem Herrn dafür gedankt durch unsern Gehorsam? oder muss Er auch über uns klagen: Israel will meiner nicht? O dass wir auf seine Bitte zur Umkehr hörten, damit Er uns wieder höre! dass wir Gott nicht länger aus dem Wege gingen, wir gehen damit nur unserm Glück aus dem Wege! Herr, Du bist allein Gott, keinen andern wollen wir anbeten, fürchten und lieben. Mache uns in Deinem Dienst immer gehorsamer, damit wir einst das große Erlösungsfest des ewigen Lebens erreichen. Amen.

Psalm 84.

Lob und Dank sei Dir gesagt, o Du ewiger und allmächtiger Gott, dass Du mich diese Tage, welche zur Ehre der Sendung des heiligen Geistes gewidmet sind, in Friede und Ruhe hast überleben lassen. O was ist es für eine große und unaussprechliche Wohltat, dass Du mich nicht allein im Schoß Deiner christlichen Kirche hast lassen geboren werden, sondern dass Du mich auch bis auf diese Stunde in derselben gnädig erhalten hast. Insonderheit aber erkenne ich Deine väterliche Güte und Barmherzigkeit, dass Du mich diese Tage mit dem himmlischen Troste Deines heiligen und allein seligmachenden Wortes erquickt, und dass Du mir die gnadenreiche Sendung Deines heiligen Geistes hast verkündigen lassen, welcher das göttliche Licht ist, das unsere Seelen heiligen, erleuchten und auf den rechten Weg zum Himmel führen kann. Für diesen Deinen heiligen Geist, den Du im Namen Deines lieben Sohnes Jesu Christi gesandt hast, sei Dir ewiger Dank gesagt. Vergib mir aber auch, gnädiger, barmherziger Vater, dass meine Pfingstandacht mit eitlen Gedanken, unnötigen Sorgen und anderer Unruhe des Gemütes vermischt gewesen ist. Ach, ich bekenne Dir mit bußfertigem, zerknirschtem Herzen, dass ich diese Tage nicht also zugebracht, wie es die Dankbarkeit für ein so großes Geschenk und der schuldige Gehorsam gegen Deine göttliche Majestät erfordert hätten

O Gott, heiliger Geist, Du Tröster in aller Not, Dir sei Lob und Dank für Dein gnadenreiches Kommen am ersten christlichen Pfingstfeste, und für alle Segnungen, die mit Dir über die Apostel und über die ganze Christenheit ausgegossen worden sind. Ach, kehre Du auch in mein und aller Menschen Herzen, damit wir recht zu Dir bekehret und durch Dein himmlisches Licht erleuchtet werden. Entzünde in mir die göttliche Liebe, und mache meine Zunge feurig, damit sie tüchtig werde, von Deiner unaussprechlichen Liebe Tag und Nacht zu reden und Deine Wunder zu verkündigen; lösche dagegen die Liebe der Welt in meinem Herzen aus, damit ich mich von ihrer Eitelkeit gänzlich befreie und die törichten Lüste des Fleisches meide, welche wider die Seele streiten. Lösche aus in mir allen Hochmut, allen Geiz und die Begierde zu zeitlichem Reichtum; lass mich aber mit brünstiger Liebe und himmlischem Verlangen Dich allein, als das ewige und unendliche Gut, mit herzlichen Seufzern und stetem Gebet suchen. Lösche aus in mir allen Hass und Neid gegen meinen Nächsten, und entzünde in mir die wahre christliche Liebe, dass ich mich befleißige, alle Menschen ohne Unterschied zu lieben und ihnen nach allen Kräften und Vermögen Gutes zu tun. O Du Geist der Weisheit und des Verstandes, lehre mich die rechte Weisheit von oben, dass ich in meinem ganzen Lebe vorsichtig wandle und in keine Sünde willige, damit Du, als ein reiner Geist, nicht wiederum aus meinem Herzen vertrieben werdest. Wie bin ich doch glücklich zu preisen, dass ich in einem noch höheren Sinne als die Kinder Korah im 84sten Psalm, im Besitze des höchsten aller Güter, des Wohnens im Hause des Herrn, der Gemeinschaft mit Dir bin; dass ich darum auf Dich mein Vertrauen setzen kann, mein Elend zuletzt in lauter Heil sich verwandelt und das Ende meines Weges Loben und Danken ist! Lass mich die bevorstehende Nacht in Deiner Liebe einschlafen und in derselben auch wieder erwachen. O Du heilige und hochgelobte Dreieinigkeit, Gott Vater, Sohn und heiliger Geist, schütze mich in der Finsternis der Nacht an Leib und Seele, Hab und Gut, und erbarme Dich aller Menschen, welche Du in der Wahrheit erhalten, oder sofern sie dieselbe noch nicht erkannt haben, durch Deine himmlische Erleuchtung bekehren und auf den Weg des Lebens führen wollest, der Du lebest und regierest von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Psalm 85.

Ein Klage- und Trostpsalm zugleich! Er zeigt uns, was es für ein großer Vorteil ist, wenn wir uns mit den Beispielen der heiligen Schrift recht bekannt machen und daraus einen Schatz und Vorrat solcher Geschichten sammeln, in denen Gott ehemals seine Gnade und Barmherzigkeit erwiesen hat an den Seinigen. Sie gereichen nicht nur Gott zu Ehren, sondern auch uns selbst zu Nutzen. Durch sie wird die Allmacht, Weisheit und Barmherzigkeit Gottes, die Er vormals erwiesen hat, in frischem Gedächtnis erhalten und verehrt; wir aber können unser Herz daraus in seiner Hoffnung und seinem Vertrauen zu Gott stärken, dass es den Schluss machen lernt: wenn Gott ehemals so gnädig und so herrlich sich hat erwiesen gegen die Seinigen, so kann und wird Er’s auch noch jetzt tun. Denn Er bleibt ja, wie Er ist. Bei Ihm ist keine Veränderung. Seine Hand ist inzwischen nicht zu kurz geworden, dass Er nicht noch helfen könnte, und seine Ohren sind unterdes nicht dicke worden, dass Er nicht hören sollte. In welche Umstände wir dann auch kommen mögen, so wird es uns, wenn wir anders glauben, dass das wahr ist, was in Gottes Wort steht, niemals an Beispielen solcher Leute fehlen, die vielleicht in eben solchen oder noch größeren Verlegenheiten als wir gesteckt haben, von Gott aber auf eine augenscheinliche Weise dennoch sind herausgerissen und erhalten worden. Wenn wir diese stummen und doch so beredten Prediger mit Aufmerksamkeit anhören, so werden sie gewiss unserm Glauben mehr Stärke und Kraft geben als der allerbeste menschliche Zuspruch. Daher auch Jesus Matth. 16,9. seine Jünger, als es ihnen an Brot gebrach, an das Wunderwerk, welches Er nicht lange vorher getan, gemahnt hat. Ja, das gibt im Gebet den allerkräftigsten Beweggrund, Gott um Hilfe anzurufen. Darum hat sich desselben auch die Kirche Gottes zu allen Zeiten bedient, und in ihr bis auf diesen Tag viele fromme Herzen. Besonders ist es wirksam, wenn uns unsere Sündennot ängstigt. Die alten Beispiele begnadigter Sünder können noch bis auf diese Stunde den besten Mut machen, den erzürnten Gott zum Erbarmen und Schonen zu bewegen.

O barmherziger und getreuer Vater, der Du von Anbeginn Dich Deines Volks so gnädig angenommen hast und, ob es Dich gleich oft erzürnt, doch immer wieder Deiner ewigen Gnade eingedenk gewesen bist, siehe, dessen erinnern wir uns billig, Dir zum Preise und zur Stärkung unserer Zuversicht. Zu solcher Zuversicht berufen wir uns denn auf Deine teure Gnade, und bitten Dich demütig, Du wollest uns derselben auch jetzt noch täglich und reichlich genießen lassen. Wir können doch ohne Deine Gnade nicht eine Stunde froh sein. Siehe, unsere Herzen sehnen sich nach der seligen Botschaft Deines Friedens, die lasse uns doch fort und fort hören und versiegle sie durch Deinen Geist in unseren Herzen. Wir wollen uns alsdann nicht bange sein lassen, wie es uns weiter gehen möchte in der Welt; Güte und Treue, Gerechtigkeit und Friede samt allem andern Segen wird zu unseren Hütten und Herzen sich nahen, und unseres Lebens Mühseligkeit so lange versüßen, bis wir in Kraft der uns geschenkten Gerechtigkeit zum ewigen Frieden gelangen, um unseres Friedensfürsten Jesu Christi willen. Amen.

Psalm 86

Herr, mein Gott, der Du bist barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte und Treue, ich danke Dir von Herzen mit David und ehre Deinen Namen ewiglich; denn Deine Güte ist bisher reich und groß an mir armen Sünder gewesen, und Deine Barmherzigkeit hat noch kein Ende. Wie oft hätte ich meiner Sünden halber in die unterste Hölle verfallen können; Du aber hast mich durch Deine mächtige Gnade herausgerissen! Wie oft bin ich von außen durch andere Menschen angefochten und bedrängt worden; Du aber hast’s nicht zugegeben, dass sie mir haben schaden können! Hättest Du mit mir nach meinen Sünden handeln wollen, so hätten mich sowohl geistliche als leibliche Feinde längst verschlungen und aufgerieben. Aber Du hast in der Tat gezeigt, dass Du gern vergibst Allen, die Dich anrufen. Doch nun höre mich, getreuer Gott, denn ich bin ja arm und elend genug. Ich rufe von ganzem Herzen, ach, merke auf die Stimme meines Flehens. Ich rufe, wie alle diese Abende: Erhalte mein Herz bei dem Einigen, dass ich Deinen Namen fürchte. Habe ich dieses Einige und werde dabei durch Deine Kraft und Gnade erhalten, so habe ich Alles. Die Furcht Deines Namens ist ja das einige Notwendige zur Seligkeit und der einige Grund wahrer Weisheit und Frömmigkeit. Bewahre deswegen meine Seele und den inneren Menschen durch diese Deine göttliche Furcht, dass ich nichts wider Deinen heiligen Willen denke, rede und tue, sondern dass ich Alles denke, rede und tue als vor Deinen heiligen Augen und Deinem Angesichte; dass auch mein inneres Auge allein auf Dich gerichtet und gewandt sei also, dass ich alle meine Worte und Werke in Deiner Furcht zuvor wohl bedenke, und in allen Dingen Deine göttliche Weisheit, Allmacht und Hilfe zuvor demütig anrufe; dass ich mich auch durch kein zeitlich Ding, Ehre, Reichtum, weltliche Lust oder Menschenfurcht von Deiner göttlichen Furcht lasse abwenden; denn wer hier in diesem Leben Deiner Furcht sich recht ergeben, findet auch nach dieser Zeit durch sie stete Seligkeit. Amen.

Psalm 87.

O Vater aller Barmherzigkeit, der Du Dir eine heilige Gemeinde auf Erden durch Dein Wort und heiligen Geist sammelst und erhältst, und in Deinem Zion, der geistlichen Geburtsstätte und Heimat aller Völker, herrliche Dinge predigen lässt in allerlei Sprachen, ich bitte Dich, Du wollest Deine kleine Heerde, die Dein Wort durch Deine Gnade angenommen, ehret und befördert, bei der rechten, erkannten, reinen und seligmachenden Lehre, auch bei rechtem Gebrauch der hochwürdigen Sakramente stets und fest erhalten, wider die Pforten der Hölle, wider alles Wüten und Toben des Teufels, wider alle Bosheit und Verfolgung der argen Welt. Erhalte Dein Schifflein samt Deinen Christen mitten auf dem ungestümen Meere unter allen Wellen und Wasserwogen, dass es nicht sinke und untergehe. Lass Deine Kirche fest unbeweglich stehen auf dem Grundfels, darauf sie erbauet ist. O Gott Zebaot, schaue vom Himmel, und siehe an, und suche heim Deinen Weinstock, und halte ihn im Bau, den Deine Rechte gepflanzt hat, und den Du Dir festig erwählet hast, auf dass sein Gewächs ausgebreitet und seine Zweige groß werden. Nimm uns, Deine Schafe, in Deinen Schutz, dass uns Niemand aus Deiner Hand reiße. Lass Dein liebes Wort, das helle, unwandelbare Licht, das uns jetzt schient, nicht unterdrückt oder ausgelöscht werden, sondern tue Hilfe durch Deinen ausgestreckten Arm, und erhalte Deine Kirche und Gemeinde unter so vielen Anstößen, auf dass Du unter uns hier auf Erden habest ein Volk, das Dich erkenne, ehre, anbete und Deinem heiligen Namen diene. Ach, Herr, schone Deines Volkes, und lass Dein Erbteil nicht zu Schanden werden; lass uns nicht entgelten unsere Sünde, der Du die Missetat vormals vergeben hast Deinem Volk und alle ihre Sünde bedecket; der Du dich vormals gewendet von dem Grimm Deines Zornes, tröste uns, Gott, unser Heiland, und lass ab von Deiner Ungnade über uns. Beschütze Deine arme Christenheit, welche sich auf Dich allein verlässt, und sonst keinen Schutz hat. Höre unser Gebet, Herr, und vernimm unser Schreien, und schweige nicht über unsere Tränen; denn wir sind Deine Pilger und Bürger in Christo Jesu, unserm Herrn. Amen.

Psalm 88.

Gnädiger, liebreicher Vater, Du hast mir befohlen zu beten, und Dein lieber Sohn hat es mich gelehrt, Dein heiliger Geist erinnert mich oft im Herzen des Gebets. Ich weiß, dass alle vollkommenen Gaben von Dir, dem Vater des Lichts, kommen müssen, und dass kein wahres, beständiges Gut, keine Hilfe und kein wahrer Trost ohne Gebet erlangt werden könne. Dennoch bin ich so lässig und träge zum Gebet, und rechne mehr auf meine Arbeit und Klugheit als auf Deine Hilfe und Gnade. Ach, vergib mir solche Sicherheit und Torheit und Verachtung Deiner hohen Verheißung. Wende von mir die Strafe, die Du den Verächtern Deiner Gnade drohest, und gib mir den Geist der Gnade und des Gebets. Lass mich Deine tröstliche Verheißung bedenken, dass selig werden soll, wer Deinen Namen anrufet, dass Du antworten willst, wenn wir zu Dir reden, dass Du nahe bist brünstiger Andacht, dass mein Gebet Dir angenehm sei und gehe nicht vor mir vorüber. Erwecke in mir einen heiligen Durst nach Deiner Gnade, und lass mich Deine Herrlichkeit im Glauben sehen, wenn mein eignes Elend mich niederbeugt und meine Augen mit Tränen füllet. – Ach, Herr, der Du die Herzen kennest und prüfest, Du weißt, wie unbeständig menschliche Gemüter sind, viel beweglicher als die Welle von dem Winde. O befestige Du meine Seele und nimm von mir den zerstreuten Sinn, dass ich nicht durch mancherlei Gedanken hin und her beweget werde, dass ich Dich ohne Hindernis anschaue und in himmlischer Stille mit Dir vereinigt bleibe. Führe mich in die Abgeschiedenheit, wo ich die Welt vergesse und Du Dich mir offenbarest. Erneue Herz, Sinn und Gemüt und nimm weg durch Deine Gnade alles, was Deine Liebe hindert, jegliche Reizung des sündlichen Willens und stolzen Unglaubens. Lass meine Brust eine Wohnung Deines heiligen Geistes sein, dass ich Dich anrufe, Dich lobe und Dir danke und ein Zeugnis meiner Kindschaft empfange. Lass mich mit Dir immer völliger vereinigt werden und mache mich zu einem lebendigen Gliede der Gemeinde im Himmel und auf Erden, die Deinen Willen tut und Dich mit gläubiger Zuversicht der Erhörung im Namen Jesu Christi anruft. Amen.

Psalm 89,1-19.

Liebster Herr Jesu, ich habe Dich am Anfange dieser stillen und großen Woche um ein stilles Herz gebeten; nun bitte ich Dich auch am Schlusse derselben bei Deinem Grabe: gib mir Gnade, dass ich meine Seele setzen und stillen könne. Dein Tod am Kreuze hat Alles unter Deinen Freunden und Feinden stille gemacht, was zuvor voll Unruhe war. Alle, die dabei waren, fühlten Deine Macht in Deinem Tode, Du Kraft des Höchsten. Deine Feinde sind erschreckt und bestürzt, das lärmende Volk wendet wieder um; Maria, Deine Mutter, durch deren Seele bei Deinem Kreuze das scharfe Schwerdt drang, und Deine Jünger und die übrigen heiligen Seelen sind stille den Sabbat über nach dem Gesetz. Nun, so heilige auch mir Deinen Todestag und den Tag Deines Begräbnisses zu einem Tage heiliger Stille. Wenn mir das Wort von Deinem Kreuz, welches ich diese Woche über gehört, in meine Seele gedrungen, mein Gemüt ergriffen und mich im Gefühl meiner Mitschuld heilsam beunruhigt hat: so gib mir Gnade, die Du auch mir durch Dein heiliges Leiden erworben hast. Lass mir aber, O Herr, die Schätze des Heils, die in dem Geheimnis Deines Kreuzes verborgen liegen, nicht von neuem vergeblich in dieser Woche so reichlich gezeigt worden sein, sondern lass mich in stillem Geist des Glaubens dieselben ergreifen und genießen, dadurch mein Herz zu brünstiger Liebe gegen Dich entzünden und mich zu heiligem Wandel in Deiner Nachfolge antreiben, so dass mir diese erneute Erinnerung Deines Leidens reichlich gesegnet sei in Zeit und Ewigkeit. Du bleibst mein Herr, ich lebe oder leide, sterbe oder liebe als ein Toter begraben in der Erde. Ach, lass mich mit Dir, dem gekreuzigten, begrabenen, und nun in alle Ewigkeit lebenden Heiland und Haupt der Gemeinde, die in Christo Jesu ist, in meinem Leben so bekannt werden, dass es im Leben, Leiden und Sterben als von Dir versiegelt, fest im innersten Grunde meiner Seele bleibe: Mein Freund ist mein, und ich bin sein. Amen.

Psalm 90.

Es war auf dem Zuge in der Wüste, während das ganze Volk, täglich zu hunderten, umherstarb, dass Moses diesen Schwanengesang sang über die Kürze und Vergänglichkeit des menschlichen Lebens, so wie über seine Mühsal und Plage, den Grund davon in der Menschen Sünde und in Gottes Zorn fand, und Gott anflehte, Er möge der langen Plage ein Ziel setzen und sich wieder in Gnaden Israel zukehren. Er vergleicht das Leben bald mit einem gestrigen Tage und einer Nachtwache, bald mit einem früh blühenden und schnell verwelkenden Grase, bald mit einem Schlafe, bald mit einem Vogelfluge durch die Luft, bald mit einem Geschwätz, das in kurzer Zeit ausgeredet und vergessen ist. Moses hat Recht. Nichts ist vergänglicher als die Lebenszeit. Kaum geboren, werden wir schon allüberall an das Sterben gemahnt; die Jahre schrumpfen, je älter wir werden, zu Tagen und zu Stunden zusammen, und täglich bewährt sich das herrliche Lied, unter den christlichen Nachbildungen unseres Psalmes die schönste: Wie fleucht dahin der Menschen Zeit, wie eilet man zur Ewigkeit, wie Wenige denken an die Stund von Herzensgrund, wie schweigt hiervon der träge Mund! Wie viele unserer Lebensjahre sind schon verflossen, und wie nahe liegt die Betrachtung, ob wir sie gut ob übel angewandt haben! Wie dringend ist die Pflicht, dass wir uns angelegen sein lassen, die gegenwärtigen Tage wohl anzulegen und aufs künftige so hinaus zu denken, wie wir dieselben selig enden mögen. Auch das laufende Jahr eilt seinem Ende zu, noch wenige Stunden, und wir stehen an seiner Bahre. Wird der Herr von demselben über uns sprechen: Man hat dich gewogen und zu leicht gefunden; haue ihn ab, was hindert er das Land? O lass die letzten Tage des Jahres Bußtage sein! Ende gut, Alles gut. Wer mag vor Gott bestehen, wenn Er will Sünde zurechnen? So viele Tage das Jahr zählt, so viele Ankläger erheben sich gegen uns vor Gottes Gericht. Gottlob, dass wohl das Jahr zu Ende geht, aber nicht Gottes Wohltaten, dass seine Barmherzigkeit kein Ende hat, und wir nicht so viel Sünde heute und morgen vor den Heiland bringen können, als Er uns vergeben kann, dass sein Blut am Ende des Jahres noch nicht die Kraft verloren hat, die es beim Anfange desselben hatte! So fleh’ ich denn auch über dieses Jahr: Mein Gott, ich bitt’ durch Christi Blut, mach’s nur mit meinem Ende gut. Amen.

Psalm 91.

Wie soll ich dem Herrn vergelten alle seine Liebe und Treue, die Er an mir getan? Der Herr hat Großes an mir getan, des bin ich fröhlich. Also. o Du dreieiniger Gott, Vater, Sohn und heiliger Geist, spricht meine in Deiner Gnade sich freuende Seele, da ich nun abermals unter Deinem Schutz und Beistand ein Jahr glücklich zurückgelegt habe. Ach, Gott, wie teuer ist Deine Güte, dass Menschenkinder unter dem Schatten Deiner Flügel trauen! Sie werden trunken von den reichen Gütern Deines Hauses; Du tränkest sie mit Wonne, wie mit einem Strom; denn bei Dir ist die lebendige Quelle, und in Deinem Lichte sehen wir das Licht. Mein Gott, der Tage im Jahre sind viel, aber der Wohltaten noch viel mehr; Stunden und Minuten im Jahre kann man zählen, aber Deine Wohltaten, die Du mir erwiesen, sind unzählig. Ich danke Dir, dass Du mir dieses Jahr Dein heilig Wort gegeben, und darin mir den Weg zum Himmel und zu meinem ewigen Heile gewiesen hast. Ach, versiegele dasselbe in meinem Herzen, und gib mir Deinen heiligen Geist, dass ich mein Leben darnach einrichten möge. Ich danke Dir, dass Du mich in Deinem heiligen Mahle mit Deinem heiligen Leib und Blut hast gespeist und getränkt. Ach, lass es mir zur dauernden Glaubensstärkung und Lebensheiligung gedeihen. Ich danke Dir, dass Du mir oft die Sünde vergeben und die verdienten Strafen abgewendet hast. Ach, gib Kraft, dass ich mich im neuen Jahre davor hüte und sie nicht wieder vorsätzlich begehe. Ich danke Dir, dass Du meinen Beruf gesegnet, mir Nahrung und Kleidung beschert, mir Gesundheit verliehen, und Unglück abgewendet, mein Kreuz erleichtert, in meinem Elend mich in Gnaden angesehen hast. Du hast mich behütet wie einen Augapfel im Auge. Du hast in Not mich erhört und mein Gebet durch die Wolken vor Deinen Thron lassen dringen. Du hast in meiner Trübsal mir Hilfe gesendet vom Heiligtum, und mich gestärkt aus Zion. Du hast Deinen Segen über mich ausgeschüttet, Du hast Dein Angesicht nicht vor mir verborgen, da ich zu Dir schrie. Du liebreicher Vater hast mich, Dein Kind, an Deiner Hand geführt; Du mächtiger König hast mich, Deinen Untertan, wider meine Feinde beschützt; Du getreuer Hirt, hast mich, Dein Schäflein, auf grüner Aue geweidet. Deine Weisheit hat mich das ganze Jahr hindurch geleitet, Deine Liebe hat mich bedeckt, Deine Hilfe hat mich erfreut, Deine Gnade hat mich erhalten, Deine Allmacht hat mir jederzeit ausgeholfen, Deine milde Vaterhand hat mir Alles gegeben, was ich bedurfte, Dein allsehendes Auge hat Acht auf mich gehabt und meinen Aus- und Eingang behütet, dass mir kein Übel begegnete. Hast Du mich auch zuweilen erfahren lassen viele und große Angst, so hast Du mich doch wieder lebendig gemacht. Hatte ich auch zuweilen viele Bekümmernisse in meinem Herzen, so haben doch Deine Tröstungen meine Seele ergötzt. War mir oftmals Gefahr und Not nahe, so war auch Deine Hilfe nahe, und Dein Engel hat mich behütet auf allen meinen Wegen.

Ach, mein Gott, verzeihe mir aus Gnaden alle Sünden, die ich in diesem Jahre getan habe. Ach, strafe mich deswegen nicht in diesem neuen Jahr, sondern verzeihe sie mir um Jesu willen. Herr, gedenke nicht der Sünden meiner Jugend und meiner Übertretung, gedenke aber meiner nach Deiner Barmherzigkeit um Deiner Güte willen.

Herr, Herr, so beschließe ich denn das Jahr mit Danken, Loben und Beten, und flehe Dich demütig an: bleibe auch mein Schutz und gnädiger Gott in dem neuen Jahre, halte Deine Hand über mich, und lass mich Deinem Schutz, Deiner Liebe und Gnade fernerhin befohlen sein. Amen.

Psalm 92.

Dieser Psalm war zum gottesdienstlichen Gebrauch am Sabbat bestimmt, wie Ps. 81 zum Gebrauch beim Pascha. Es erklärt die Gemeinde V. 2-5 ihre Bereitwilligkeit zum Lobe Gottes, und preist dann zuerst im Allgemeinen, darauf im Besonderen Gottes Größe in der Vernichtung des Bösen; denn nicht minder groß, wie die Erschaffung von Himmel und Erde, ist die Erhaltung der Kirche inmitten der bösen Welt. Zum Schluss schildert der Psalm dem gegenüber das Heil der Gerechten. Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum, der das ganze Jahr hindurch, in der Kälte des Winters wie in der Sonnenglut, sein grünes Laubdach behält! er wird wachsen wir eine Zeder auf Libanon, die ihr Alter nicht nach Jahren, sondern nach Jahrhunderten zählt. Die gepflanzt sind in dem Hause des Herrn, werden in den Vorhöfen unseres Gottes grünen, d.h. in seiner beseligenden Gemeinschaft und aus derselben ihren Lebenssaft ziehen. Selbst im hohen Alter, und wenn alle andern geistigen Vermögen schwinden, werden sie dazu frisch und kräftig sein, die Rechtschaffenheit und Treue des Herrn zu verkündigen, bis sie endlich versetzt werden in das Paradies des Himmels, wo sie erst recht erkennen, wie Gott ihr Hort mit ihnen Alles wohl gemacht hat. Ist das nicht große Seligkeit? Und diese ist unser eigen, wenn wir im Glauben stehen; dem Glauben wird die Gerechtigkeit Christi zugerechnet; wer diese hat, der ist gerecht. Während der Gottlosen Flor und beste Glückseligkeit nur wie das Grünen und Blühen des Grases ist, das frühe blühet, aber allzubald abgehauen und welk wird, ist die des Gerechten wie das Blühen und Grünen des Palm- und Zedernbaumes. Wünsche jenes Glück dir also nicht: es ist von kurzer Dauer, das deine ist besser. Vermehre es durch heilige Sabbatfeier, durch tägliche Betrachtungen der großen Taten Gottes und durch Lobgesang; lass dich aber auch durch den bösen Tag nicht verstimmen und lerne, dem Herrn allezeit und für Alles Dank zu sagen. Genießest du doch täglich leiblich und geistlich das Gnadenbrot. Wohn Gott doch unter dem Lobe Israels, und alle, die in seinem Hause wohnen, loben Ihn immerdar. Es ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken und lobsingen Deinem Namen, Du Höchster. Amen.

Psalm 93.

Der Psalm besingt die Siegesmacht unseres himmlischen Königs. Wir mögen Ihn ansehen, wie wir wollen, es ist Alles herrlich an Ihm. Betrachten wir Ihn nach seiner Gottheit: Licht ist sein Kleid. Betrachten wir Ihn nach seiner Menschheit: so besteht dieselbe aus der allerreinsten Unschuld, mit welcher sein In- und Auswendiges nicht nur überzogen, sondern ganz durchwirkt ist. Sehen wir seine Gaben an, mit welchen Er nach seiner Menschheit geziert und ausgerüstet ist, so sind sie so schön, dass auch Salomo sich dagegen mit aller seiner Herrlichkeit muss schämen. Ein solcher ist ein König vor allen Königen der ganzen Welt. Ach, dass wir Ihm denn im heiligen Schmuck auch nur allezeit begegnen möchten! – So herrlich Er selbst ist, so herrlich ist auch sein Reich. Irdische Thronen und Herrschaften können wohl umgekehrt und die Stühle der weltlichen Fürsten wohl über den Haufen gestoßen werden: wer wollte sich aber an den Stuhl unseres himmlischen Ehrenkönigs wagen? Am Tage des Gerichts werden wir beschämt gestehen müssen: was habe ich mir doch des Reiches Christi halber oft für unnötige Sorgen gemacht, als ob es fallen würde! Wenn tausend Welten sich Ihm hätten widersetzen wollen, so hätten sie an Ihm wohl müssen zu Schanden werden! Mag daher die Macht dieser Welt immerhin einherbrausen gleich dem ungestümen Meere; herrlicher und mächtiger als das Meer mit seinen tobenden Wellen ist der Herr in der Höhe. – Er hat es ja selber gesagt in seinem Worte, dass sein Reich unumstößlich ist, und des Herrn Verheißungen sind zuverlässig: Er wird sein Haus schützen immerdar. Dies Wort soll dir gewisser sein, und ob das Herz spräch’ lauter Nein, so lass doch dir nicht grauen. Nach diesem Worte, als einer unumstößlichen Richtschnur, regiert Christus die Welt; nach diesem Worte wird Er sie einst auch richten und vernichten. – Aber freilich ist Er ein heiliger König, und darum auch Heiligkeit die Zierde seines Hauses ewiglich; Jerusalem eine heilige Stadt, der Tempel ein heiliges Haus, die dargebrachten Opfer und Tugenden heilige Gaben. Ich will daher meiner Seele keine Ruhe lassen, bis sie eine heilige und gerechte Dienerin ihres Herrn geworden ist. Amen.

Psalm 94.

Ein Klage- und Bittpsalm, in Zeiten gesungen, wo die Heidenvölker das Volk Gottes mit Schmach überhäuften und in seinem Lande Unrecht übten. Der Sänger klagt sehr über die Hoffärtigen und Gottlosen, welche trotzig reden, himmelschreiende Gewalt üben und dabei sagen: der Herr sieht’s nicht, der Gott Jacobs achtet’s nicht. Er selber bekennt zugleich, auch sein Fuß habe gestrauchelt, die Gnade des Herrn aber habe ihn gehalten, und häuft dann einen Trost über den andern zur Stärkung der Verzagten in ähnlichen Lagen und Versuchungen. Er preist V. 12. 13. den selig, den der Herr züchtigt, weil solche Züchtigung aus Liebe hervorgeht und zu unserm Besten gereicht. Anfechtung lehre aufs Wort merken, und mit dem könne man sich schon aufrecht halten, bis den Gottlosen, die uns plagen, die Grube bereitet werde. Augustinus sagt: „Gott verschiebe Etlicher Strafen bis nach diesem Leben, auf dass wir gewiss sein mögen, dass ein höllisches Feuer sei, worin die Gottlosen einst mit allerlei Pein und Marter sollen gestraft werden; hingegen halte Er darum in dieser Welt bisweilen mit seiner Gnade und Belohnung an sich, auf dass wir gewiss schließen mögen, dass ein ewiges Leben sei, worin den Gläubigen Alles wird eingebracht werden.“ Er trotzt V. 14. 15., dass der Herr sich sein Erbe und Eigentum, seine teuer erworbenen Gläubigen, nimmer werde nehmen lassen, und wie Er selber lauter Recht und Gerechtigkeit sei, auch ihnen zuletzt jedes Mal Recht schaffen. Er richtet sich V. 16-19 durch die reichen Erfahrungen der göttlichen Erquickungen und Durchhülfen auf, welche er und alle Gläubigen in ihrem bisherigen Leben schon oft gemacht haben, und bestätigt damit Pauli Aussage: Haben wir des Leidens Christi viel, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christum. Er schildert den Widerspruch des göttlichen Richterstuhls mit dem weltlichen: was auch möglich sei in der Welt, das sei unmöglich, dass Gott jemals könnte eins werden mit den Gottlosen oder es mit ihnen halten und ihre Lehren und Taten billigen, oder ihre Bosheit ihnen immer hingehen lassen. Jene graben sich zuletzt nur ihre eigne Grube. Luther sagt dazu: „Wer nun solches glaubt und von Gott gelehrt ist, der kann geduldig sein, die Gottlosen toben lassen, und aufs Ende schauen und der Zeit harren.“ Amen.

Psalm 95.

Ein schönes Festlied, dessen sich, namentlich des sechsten Verses, die römische und auch die englische Kirche zur Einleitung ihrer Gottesdienste bedient. Es beginnt mit der Aufforderung zum fröhlichen Lobe Gottes: Er ist preiswürdig über alle Gegenstände der Anbetung, die sonst auf Preis Anspruch machen. Es muss Ihn Israel vor allen preisen, denn Er hat Israel zu seinem Volk gemacht und als ein treuer Hirt geweidet. Und auch was wir von Natur und Gnade sind und haben, das haben wir Ihm zu danken. Da bleibt’s nun eine ausgemachte Sache: das Werk seiner Hände kann und will Gott nimmermehr lassen. Endlich schließt unser Festlied mit der Ermunterung: Möchten sie an dem dem Herrn geweihten Tage aufs neue seiner Stimme Gehör geben! Möchten sie sich ein Beispiel nehmen an den Vätern, die nach so vielen Wohltaten doch sich verstockten, dafür aber auch ausgeschlossen wurden von der Ruhe Gottes! – Mit Israel hatte Gott ehedem 40 Jahre Mühe genug gehabt; mit manchem Christen währt es noch länger. So wenig achtet man heut zu Tage die rufende Stimme Gottes, dass, ob Er schon täglich ruft und beide Arme ausstreckt, die Meisten doch weder hören noch folgen wollen. Indessen läuft das Heute zu Ende und die Zeit der Gnade verstreicht. Das Herz wird je länger je mehr von der Welt bezaubert, so dass endlich die Stimme Gottes nicht mehr durchdringt und der Herr in seinem Zorn ein unwiderrufliches Urteil fällt. Ach, es ist gar zu gefährlich, die Gnadenzeit zu versäumen und mit der Buße es auf die Zornzeit ankommen zu lassen. Ach, Herr, lass mich alle Tage, lass mich heute Buße tun. Lass mich meine Belehrung keinen Augenblick aufschieben. Lass mich Dir heute meine Herzenstür öffnen, weil ich nicht weiß, ob es morgen noch Zeit ist. Ich will hören und will durch Deine Gnade ferner hören, so wollest Du mir dann auch in Gnaden helfen zu der hochgewünschten Ruhe, darin ich ewig jauchzen und frohlocken kann, für alle Deine Liebe und Treue, die Du an mir erwiesen hast. Amen.

Psalm 96.

Es dünkt Manchem in diesem Weltgetümmel, es regiere der Zufall oder die Willkür oder gar Niemand. Die heilige Schrift aber belehrt uns im obigen Psalm, dass der Herr König ist, dass diese Wahrheit einen Teil des neuen Liedes ausmacht, das man sonderlich in der Zeit des neuen Testamentes singen soll, das man aber erst recht singen wird an dem großen, schönen Neujahrstag, der anbrechen soll und wird, wann alles Bewegliche, das gemacht ist, Platz wird gemacht haben dem unbeweglichen Reiche, das da kommt. Jesus Christus also ist der Herr, und fürwahr kein bloßer Titular-König, sondern wahrhaftig und wirklich regierender König des Himmels und der Erde, dessen Regierung wir freilich jetzt nur erst stückweise übersehen können, die dereinst aber nach der Ausführung und Vollendung des ewigen Ratschlusses Gottes Allen entgegenleuchten wird wie die helle Sonne. Er, Er herrscht mit einer Macht und Energie, womit Er sich alle Dinge untertänig machen kann: alle Macht der Hölle ist wie ein Strohhalm dagegen, und alle Macht und Herrlichkeit dieses Fleisches wie eine Grasblume. Er herrscht mit einer Gerechtigkeit, die durch die große Geschichte unseres Geschlechts, wie in dem Gewissen der Einzelnen oft augenscheinlich an den Tag tritt. Gott weiß es, was schon längst aus uns Allen geworden wäre, wenn diese geheime Macht der regierenden Gerechtigkeit unsers Herrn nicht von Zeit zu Zeit aus dem Dunkel hervorträte, und den Übermütigen nicht zeigte, dass sie noch einen Meister über sich haben und dass die heiligen Gesetze seiner Weltordnung nicht ungestraft verhöhnt und übertreten werden können. Er herrscht hohepriesterlich, das ist, versöhnend, barmherzig wartend, bis Er alle feindseligen Gegensätze auflösen oder wegräumen, sich unterwerfen oder auf ewig unschädlich machen kann; und dieses barmherzige Warten ist die Rettung schon vieler tausend Seelen geworden und wird es noch werden, bis diese rettende Wartezeit abgelaufen sein wird. Deine Geduld, Herr, ist auch meine Seligkeit! Dir will ich auch ferner allein meine Wege befehlen, und keinen Schritt tun ohne Dich und wider Dich: Du wirst Alles wohl machen. Amen.

Psalm 97.

Luther sagt von diesem Psalm: „Dieser Psalm ist eine Weissagung vom Reiche Christi; und ist immer die Meinung, dass Er solch Reich anrichtet und erhält durchs Evangelium, damit donnert und blitzet Er, und verbrennet seine Feinde, und zerschmelzet Berge usw., d.i. er demütigt alle Heiligkeit, Weisheit, Gewalt und was groß ist, dass sie allein durch Ihn müssen heilig, weise, groß und mächtig werden, und sonst nicht. Mit diesen Feinden und Bergen gehen unter auch der Juden Reich und Gottesdienst und alles, was nicht Christus ist. Denn Er soll’s allein sein, und alles Andere nichts.“ Die Ankunft des Herrn als Richters der Erde in furchtbarer Majestät wird hier wie Psalm 18 beschrieben; alle Völker sehen seine Ehre, den Götzendienern das Gericht zur Beschämung, aber Zion gereicht es zur herzlichen Freude. Alles Böse wird aufgehoben, der Fürst dieser Welt gerichtet und der Sieg Christi über die ungläubige Welt gefeiert. – Freue dich denn über dies Freudenreich deines Königs, meine Seele, und vergiss nie, was du in seinem Reiche von Ihm, deinem Haupt und Heiland, zu erwarten hast! Kein weltlicher Fürst kann seinen Untertanen versprechen, dass er ihre Seelen bewahren wolle; er kann nicht einmal ihren Leib und ihr Hab und Gut, geschweige ihre Seelen, über welche er keine Gewalt hat, schützen. Christus aber verspricht es, und was Er zusagt, hält Er gewiss. Und darum bleibt es wahr, womit der Psalm schließt: „Den Gerechten wird das Licht gesät und Freude den frommen Herzen.“ Christus hat für sie so viel Trost, Segen, Friede, Freude und Seligkeit bereitet, als alle Ackersleute der Welt vermögen Samen auszustreuen. Aber wie der Same Zeit haben will zum Wachsen und nicht eher aufgeht, bis seine Zeit kommt, so geht es auch mit der Freude und verheißenen Herrlichkeit der Reichsgenossen Jesu Christi; sie ist denselben schon bereitet, aber meist noch verborgen, bricht aber endlich desto reichlicher hervor zu ihrem ewigen Vergnügen. Kein Acker kann alsdann so voller Ähren stehen, als eine solche Seele Segen zu genießen hat. Der Himmel selbst kann mit so vielen Sternen nicht besäet sein, als sich an einem solchen Reichsgenossen Christi wird Herrlichkeit sehen lassen. Des tröste dich, meine Seele, und preise dafür ewig deines Jesu Freundlichkeit! Amen.

Psalm 98.

Mit diesem Psalm beginnt in der Kirche der Gottesdienst am heutigen Tage, weshalb er auch Cantate, d.h. singet heißt. Er ist der einzige Psalm, welcher bloß: ein Psalm ohne Beisatz überschrieben ist, was, da er der lyrische Begleiter des mehr prophetisch gehaltenen vorhergehenden 97. Psalms ist, andeuten soll, dass er der Psalm im Psalm ist. Er zerfällt in drei Strophen; in der ersten V. 1-3 wird nach einer kurzen Aufforderung, den Herrn zu preisen, der Gegenstand des Preises angegeben; der Herr hat sein Volk auf wunderbare Weise gelöst; die zweite Strophe V. 4-6 zeigt, wie der Preis beschaffen sein soll: alle Mittel, die überhaupt zu Gebote stehen, sollen dazu benutzt werden; die dritte Strophe V. 7-9 sagt, von wem der Preis ausgehen soll: von der ganzen Erde. Mithin ein rechtes Cantate! – Singet dem Herrn ein neues Lied, nicht mehr das alte Lied des Gesetzes, das nur schreckt, flucht und verdammt, sondern das neue Lied des Evangeliums von der fröhlichen Botschaft der Gnade Gottes in Christo Jesu. Warum? Denn Er tut Wunder. Die Versöhnung mit Gott, die Überwindung des Todes, des Teufels und der Hölle, die Erlösung des menschlichen Geschlechts, die Wiederherstellung der vor Gott gültigen Gerechtigkeit und ewigen Seligkeit sind ja recht eigentliche Wunder über alle Wunder. Er sieget mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm Der heilige Arm Gottes, durch den Er die Erlösung der Welt, die Wiederaufrichtung seines Reichs vollbringt, ist die in Christo vom Himmel herniederreichende Kraft des Höchsten, oder so zu sagen Christus selbst, wie Jes. 52,10 lehrt. Tröstlicher Ausspruch! Wir dürfen also nie verzagen, wenn uns auch überall nichts als Schwäche und Ohnmacht entgegentritt oder der Zweifel, ob uns auch Gott zu solcher reichen Gnade in Christo bei unserer Unwürdigkeit wolle kommen lassen, oder ob wir jemals über unsere Sünde werden den Sieg erhalten. Der Herr lässt sein Heil verkündigen, vor den Völkern lässt Er seine Gerechtigkeit, die Jedem das Seine gibt, denn Er hat ihm Heil verheißen, also seine Treue offenbaren; Er gedenkt an seine Gnade und Wahrheit dem Hause Israel, aller Welt Ende sehen das Heil unseres Gottes. O wie hat Gott das so reichlich getan in den 4 großen und 12 kleinen Propheten, in Jesaias mit seinem Heilsbrunnen, in Jeremias mit seinem neuen Bunde, in Ezechiel mit seinem teuren Gotteseid, in Daniel mit seiner messianischen Offenbarung, in Hoseas mit seinem Seelenbräutigam, in Joel mit seiner Geistesausgießung, in Amos mit seinem süßen evangelischen Freudenwein, in Obadia mit seinem Heiligtum auf Zion, in Jona mit seinem Wallfischbauch, in Micha mit seiner Trostpredigt, in Nahm mit seinem Frieden, in Habakuk mit seinem Glauben, in Zephania mit seinen freundlichen Lippen, in Haggai mit seinem Heidentrost, in Zacharias mit seinem Zionskönig, in Maleachi mit seiner Sonne der Gerechtigkeit! Vollends im neuen Testament von Johannes dem Täufer an bis zur Offenbarung St. Johannis, in den Aposteln, von denen jeder sagen kann: ich habe euch nichts verhalten vom Rate Gottes zu eurer Seligkeit. Darum gilt die Aufforderung: Jauchzet dem Herrn alle Welt, singet, rühmet und lobet! Lobet den Herrn mit Harfen und mit Psalmen, indem ihr eure Menschenstimmen mit dem Saitenklang vereiniget; mit Trompeten und Posaunen jauchzet vor dem Herrn, dem Könige! Und gibt’s nicht immer einen starken Trompeten- und Posaunenschall, so sehet doch wenigstens zu, dass es an einem schwachen Harfen- und Zymbelspiel nicht fehle. Und wenn auch dies nicht allezeit wollte von Statten gehen, so rufet Gott desto eifriger um den Geist der Gnade und des Gebets an: bläst dieser Gnadenwind ins Herz, so wird’s bald stärker tönen. O der Herr ist’s wert, dass Alles Ihm lobsinge. Es dröhne denn das Meer und seine Fülle, der Erdkreis und die auf ihm wohnen; die Ströme mögen klatschen in die Hände und alle Berge jubeln als Stimmen frohlockender Huldigung vor dem Herrn, denn Er kommt, den Erdkreis zu richten und ihn aus einer Stätte des Jammers durch sein gerechtes Regiment in eine Stätte des Heils und der Freude zu verwandeln; Er wird den Erdboden richten mit Gerechtigkeit und die Völker mit Recht und die ganze Welt wird sich dann ihrer endlichen Erneuerung durch das Kommen des Herrn freuen. So lobe denn auch mein Mund und meine Zunge, und mein Tun und Lassen allewege den Herrn! Halleluja.

Psalm 99.

Ein ermahnender Psalm, dessen Sinn unstreitig der ist: Unter dem Druck der gegenwärtigen traurigen Zeit denket an die Zukunft, wo, wie wir aus Seiner untrüglichen Verheißung wissen, der Herr nicht bloß seinem Bundesvolke, sondern allen Heiden in Gnade und Gericht sich offenbaren wird; durch diese Aussicht gestärkt, tut schon jetzt, was nach den Zeugnissen der heiligen Geschichte euch allein den Segen des Herrn bringen kann; rufet Ihn unablässig an in der Not, so wird Er euch erhören. So machte es Moses 2. Mose 32, und betete so gewaltig für das Volk, dass Gott gleichsam gebunden sagen musste: Lass mich, und endlich von seinem Zorn ließ. So machte es Aron und trat mit dem heiligen Rauchwerk und mit seinem Gebet mit solcher Kraft zwischen Todte und Lebendige ein, dass die Plage, welche bereits 14,700 Israeliten getötet hatte, sofort aufhörte. So machte es Samuel und betete mit seinem Gebet die Philister zu Boden und erlöste Israel von zwanzigjähriger Bedrängnis. Das sind denkwürdige Exempel, die uns insbesondere in der Exaudiwoche, in der Rüstzeit auf Pfingsten, billig sollten zu einem heißeifrigen Gebet ermuntern. Und sind wir auch keine Propheten, wie jene Männer, besitzen wir auch keine außerordentliche Gebetsgabe, so ist doch gewiss, dass bei Gott kein Ansehen der Person gilt, Er sieht das Herz an, seine Augen schauen allein nach dem Glauben. Je mehr wir uns demütigen und erniedrigen und uns des heiligen Geistes bedürftig fühlen, desto mehr will Gott unser Gebet sich wohlgefallen lassen, und uns die Gabe aller Gaben geben. Er hört gern die Elenden, die sich unwürdig achten seiner Erhörung. Diese großen Heiligen sind ja auch Sünder gewesen, und mussten auch um Vergebung ihrer Sünden bitten, und Gott vergab ihnen auch. Der Herr ist nahe allen denen, die Ihn anrufen, die Ihn mit Ernst anrufen. Wir sind ja überdies nicht bloß Sünder, sondern in Christo auch Kinder Gottes, und als solche berechtigt, mit unserm Vater frei und freudig uns zu besprechen und auf Seine Treue uns zu verlassen. Und wenn Er uns leibliche Gaben auch wohl ohne unser Gebet gibt, die geistlichen Güter gibt Er uns nur durchs Gebet. Herr, hilf uns denn, dass wir nicht um Steine, sondern um Brot bitten, und nicht um Schlangen, sondern um Fische, um Deinen heiligen Geist, dass Er zu uns komme, bei uns bleibe und in uns wohne ewiglich. Amen.

Psalm 100.

Komm, meine Seele, wir wollen anbeten und knien und niederfallen vor dem Herrn, der dich gemacht hat; denn Er ist unser Gott, und wir das Volk seiner Weide und Schafe seiner Heerde. Ich erscheine jetzt vor Deinem Angesicht, o Vater der Barmherzigkeit, und begehre Deine Gnade und Deinen Schirm für diese Nacht und allezeit. Vergib mir zuvörderst alle meine Sünde, damit ich Dich den ganzen Tag und die Zeit meines Lebens beleidigt, es sei mit leichtfertigen Worten, eitlen Gedanken, lieblosen Werken oder sonst womit geschehen. Ich bereue von Herzen alle meine Sünden und Fehler, und kehre mit dem abtrünnigen Israel wieder zu Dir. Gedenke diesen Abend meiner, mein Gott, im besten, und lass mich nimmermehr vergessen all’ des Guten, das ich von Dir empfangen. Vergiss, gütiger Vater, was geschehen, und hilf, dass ich fortan vor Dir wandle und fromm sei. leite mich stets in Deinem Rat, dass meine Füße nicht gleiten noch straucheln, mein Herz nicht wanke, sondern in die Fußtapfen Jesu Christi, Deines Sohnes, trete, Dir gehorsam zu sein bis an’s Ende. Erfülle meine Seele mit herzlicher Liebe zu Dir, bewahre meinen Geist in kindlicher Furcht und Verehrung Deines heiligen Namens und Gesetzes, und das Hauptwerk meines ganzen Lebens sei, Dir zu dienen und Deine Ehre zu verwahren. Lehre mich, o Herr, meine Tage zählen und bedenken, dass es ein Ende mit mir haben wird, mein Leben ein Ziel hat und ich davon muss. Lass Deine Engel diese Nacht eine Wagenburg um mich schlagen, besuche mein ganzes Haus und lass mich und alle, die darin sind, Barmherzigkeit finden vor Deinen Augen. In Deine Hände, Jesu, befehle ich meine Seele und meinen Leib, Du hast mich erlöset mit Deinem teuren Blute. Segne und heilige meinen Schlaf wie Deines Knechtes Jacob, und hilf, dass ich mit meinem Geiste stets zu Dir wache, Dein zu bleiben im Wachen und Schlafen, im Leben und Sterben. So schlaf ich ein in Gottes Namen, ganz mit Frieden; denn Du allein, Herr, hilfst mir, dass ich sicher wohne. Amen.

Psalm 102.

Das konnte David von allen seinen Tagen bekennen, dass sie wie ein Rauch vergangen waren. So wenig man einen aufgeflogenen Rauch wieder sammeln und eine Spur davon finden kann, so wenig kann man die vergangenen Tage zurückrufen. Aber David empfand auch, dass unter den mancherlei Demütigungen seine Kräfte abnahmen und seine Tage verkürzt wurden. Bei dem Zunehmen der Jahre werden die Kräfte schwächer, und bei der Verkürzung unserer Lebenstage sinken wir endlich ganz kraftlos hin. Jetzt sind die kürzesten Tage im Jahre; aber der kürzeste wie der längste Tag im Jahre haben ihre Gleichheit darin, dass man an beiden viel Gutes unterlassen und viel Böses ausüben kann. Wie oft sind die kurzen Tage im Jahre gerade diejenigen, wo sich die Menschen am meisten den Sünden der Wollust, der Üppigkeit, des heimlichen Betrugs und so mancher Werke der Finsternis überlassen, weil sie sie für weniger schändlich halten, da sie nicht von der Sonne erleuchtet und von Menschen gesehen werden. Ach, es ist keine Finsternis, wo Gott ist. Er sieht uns immer in seinem Lichte. Und wie jetzt auf eine Reihe kurzer Tage doch wieder längere Tage folgen, so wird auch einst ein Licht des großen, letzten Tages alles entdecken, was im Finstern verborgen war. Selig, wer sich alsdann vor diesem Lichte nicht fürchten, sondern sich darauf freuen darf! – Gott sei Lob und Dank, dass Er uns Jer. 33,20-26 an den Bund erinnert, den Er mit Tag und Nacht gemacht hat, und daraus den Schluss zieht: so lange dieser Bund dauert, wolle Er auch seinen Gnadenbund halten. Es kann sein, das in der Erfüllung seiner Verheißungen uns zuweilen ein Tag zu kurz und einer zu lang wird; aber das hebt Seine Treue nicht auf. Er wird Sein Licht nicht ganz von uns nehmen und nicht uns uns selbst überlassen. Wir werden auch noch einmal fest werden, und das geschieht durch Gnade. Darauf bauen wir alle unsere Hoffnung, dass wir einmal, wenn es keine langen und kurzen Tage, sondern nur einen Tag geben wird, in dem keine Nacht ist, zum Anschauen des hellen Angesichts Gottes gelangen werden. Amen.

Psalm 103.

Mit diesem Davidischen Lobgesange schließe ich billig diese Buß- und Betwoche des Jahres. Mein Herz ist von Natur gar träge und verdrossen zum Lobe Gottes und zum Danke für die von Ihm empfangenen Wohltaten. Darum ist gewiss eine Aufmunterung nötig, mich selbst also anzureden: Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, Seinen heiligen Namen! Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was Er dir Gutes getan hat! Nicht genug ist’s, mit dem Munde Gott zu loben und mit den Lippen Ihn zu ehren; sondern die Seele muss selbst in Lob und Dank Gottes übergehen, alle ihre Kräfte und alle Blutstopfen müssen mit dem Preise des Herrn beschäftigt sein. Es fordert ja Gott für alle Seine Wohltaten nichts mehr als nur einen Dank. Das müsste demnach eine verfluchte Kreatur sein, die sich dessen weigerte. Die Wohltaten Gottes sind freilich unzählbar; aber die größten sind doch die, welche David im obigen Psalm anführt, und an welche mich namentlich diese Bußwoche erinnert. An ihrer Spitze steht die Vergebung der Sünden: wer kann sie in ihrer erquicklichen, tröstlichen Kraft gebührend genug beschreiben? Darauf folgt die Heilung unserer Gebrechen: ach, Seele und Leib haben tausend Gebrechen, der Herr aber ist unser Arzt, der sie alle durch sein Macht- und Gnadenwort heilt! Daran reiht sich die Erlösung vom Verderben, in welches Sünde und Teufel uns stürzt, und von welchem kein Mensch uns erretten kann: Er hat uns die Augen geöffnet, dass wir es sahen und erschraken, Er hat uns auf allen Seiten mit Seiner Gnade gekrönt wie mit einem Schilde und Seine Barmherzigkeit uns zu einem Walle und einer Mauer gesetzt, dass uns der Sünde und des Satans List und Macht nichts hat schaden können. Endlich hat Er uns nach dem Schmerz der Reue auch den Mund wieder fröhlich gemacht und die Kräfte unseres Geistes und Leibes erneuert durch die reichen Mitteilungen Seiner göttlichen Gnade. Darum Halleluja! Wer recht danken kann, kann auch recht genießen. Dein Lob soll immerdar in meinem Munde sein. Amen.

Psalm 104

Ein köstlicher Psalm! Wie der 103. Psalm das Lob Gottes aus den Wundern der Gnade, der 105. das Lob Gottes aus den Wundern der Geschichte enthält, so besingt der 104. Psalm das Lob Gottes aus den Wundern der Natur. Während die alten Griechen und die ungläubigen Naturforscher die Natur außer und ohne Gott beklügeln oder sie uns sich dabei vergöttern, sieht die Bibel in Allem Gottes Hand, erhebt vom Werk zum Werkmeister, vom Körper zur Seele, von der Gabe zum Geber, und schließt zuletzt mit dem erhabensten aller Wünsche, mit dem Blick auf die erneuerte Erde. In diesem Psalm gehen die sechs Tagwerke der Schöpfung Gottes an uns vorüber, zuerst die Schöpfung des Lichts V. 1; dann die der Himmelsveste V. 2-4; darauf die Scheidung von Land und Wasser und die Entstehung der Pflanzenwelt V. 5-18; hiernach die Lichter am Himmel, Sonne, Mond und Sterne V. 19-24; nun die lebendigen Geschöpfe des Wassers und der Luft V. 25. 26, endlich am sechsten Tage die Landtiere und die Menschen V. 27-30. Den Schluss bildet die Ehre und Freude des Herrn an seinen Werken, am Ende der Tage wieder wie ursprünglich am siebenten Tage nach vollbrachter Weltschöpfung, ein freudiger Vorblick auf das, was Gott noch künftig mit der Erde vorhat V. 31-35. Hier kommt das Halleluja zum ersten Male im Psalmbuch vor, und wenn das, was David vorausgesehen, in freudige Erfüllung gehen wird, so wird im Himmel und auf Erden das Halleluja und Lob Gottes in vollen Schwang kommen. Das ist ja der würdigste Zweck des ganzen Daseins, eines solchen Gottes Ehre zu singen und Ihn besonders durch Heiligung zu verherrlichen.

Dir gebühret Lob und Ehren,
Dein ist alle Herrlichkeit,
Alles soll Dein Lob vermehren
Jetzo und in Ewigkeit.
Lass nur bald von dieser Erden
Der verruchten Sünder Rott’
Gänzlich ausgerottet werden;
Ich hingegen lobe Gott. Amen.

Psalm 110.

Luther nannte diesen Psalm den rechten, hohen Hauptpsalm von unserm lieben Herrn Jesu Christo. Jesus selbst gibt ihm das Zeugnis, dass er im heiligen Geiste gesungen sei, und er wird im neuen Testament häufiger angeführt oder klingt durch als irgend eine andere Stelle des alten Testaments. (Die alte Kirche sang diesen Psalm an allen Festtagen, Weihnachten, Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten. Cassiodor nennt ihn die Sonne unseres Glaubens, einen Spiegel des himmlischen Geheimnisses, eine Rüstkammer der h. Schrift. Er ist kurz in Worten, aber groß durch das Gewicht seiner Gedanken, weshalb Chrysostomus sagt, dass wir viele Augen haben müssen, ihn recht zu lesen und genau zu verstehen.) David besingt in demselben den Sieg des Messias als eines priesterlichen Königs, der beide Gewalten, die des Priesters und des Königs, in sich vereinigt. Er sieht Ihn zur Rechten des Herrn, als Genossen der Macht und Herrschaft des Allmächtigen, der darum mit seinen Feinden leichtes Spiel haben wird. Er erblickt zugleich ein heiliges Volk Ihm von oben geschenkt, das sich dem Herrn willig opfert, dem der Sieg nicht fehlen kann. Er schaut zuletzt Gott den Herrn, wie Er zur Rechten seines Gesalbten kämpft und alle Widerstrebenden überwindet, wie der Gesalbte Gottes weithin unter den Heiden seine Siege verbreitet, und ohne Rast und Aufenthalt kämpft und sein Haupt kühn erhebt, gleich dem rechten Helden, der unverwöhnt und ohne sich aufhalten zu lassen, vom Bache am Wege trinkt. – Was hier David prophetischen Geistes schaut, ist vom Himmelfahrtstage an erfüllt worden und erfüllt sich fortwährend bis ans Ende der Tage. Wir haben in Christo einen solchen König, der der Herr zu Gottes Rechten, und also ewig, allmächtig, allwissend, allgegenwärtig, gerecht und heilig, zugleich aber von großer Güte und Treue ist; und zugleich einen Hohenpriester in Ewigkeit, auf dessen vollgültiges Opfer, kräftige Fürbitte und reichen Segen wir im Glauben uns allezeit verlassen dürfen. Mangelt’s uns je an irgend einer Gabe: der Vater weiset uns mit höchster Beteuerung selbst zu seinem Sohne, dem Segensmann, der Alles in Händen hat und uns immer mehr Licht, Gnade, Kraft und Heil kann mitteilen aus seiner unendlichen Gottesfülle. Mögen wir nur Sein rechtes Volk sein und bleiben immerdar! Amen.

Psalm 111.

Dieser Psalm preist den Herrn wegen seiner großen Werke, namentlich der Erlösung aus Ägypten V. 9. der Speisung in der Wüste V. 5, der Einsetzung Israels in das Erbe der Heiden V. 6, also der großen leuchtenden Grundwohltaten, die Er seinem Volke erwiesen und die für dasselbe ähnliche Bedeutung hatten, wie für die Gemeinde des neuen Bundes die Tatsachen der Erlösung durch Christum. Mit dem ersten Worte desselben beginnt daher auch das feierliche Halleluja oder Lobgesang der alten Israeliten, welches sie jedes Mal beim Genuss des Osterlamms zu singen pflegten, und zwar Psalm 111 und 112 vor dem Becher der Danksagung und die sechs folgenden nach dem Trinken dieses Bechers. Im Hebräischen fängt überdies jede Hälfte eines Verses mit einem Buchstaben des Alphabets an, und erhebt Psalm 111 mehr die Gnade Gottes, Ps. 112 mehr die Seligkeit seiner ächten Bundeskinder. Der Zweck ist, wie der Schluss zeigt, dem allen Eifer im Wandel in den Geboten Gottes lähmenden Kleinmut zu begegnen, zu welchem die traurige Lage des Volks Gottes so leicht verleitete. Die großen Tatsachen der Vergangenheit sind Grund zu neuen Hoffnungen für die Zukunft, tatsächliche Weissagungen und Bürgschaften, dass das Elend der Gegenwart nur ein vorübergehendes sein kann. Die Gottesfurcht ist der Ausgang für alle wahre Weisheit, so dass es kein Forschen über himmlische oder irdische Dinge gibt, das nicht durch Gottesfurcht auf den rechten Weg geleitet würde; nicht weniger ist aber auch Gottesfurcht als die wahre Quelle aller Lebensweisheit zu betrachten. Die Furcht des Herrn lehrt wachen und beten, misstrauisch sein gegen sich selber, die bösen Gelegenheiten fliehen, und auf ebener Straße bleiben. Sie heißt eine feine Klugheit, weil sie die feinen Regungen des heiligen Geistes spürt und das Gewissen wieder wach werden lässt. Was wollen wir mehr, wenn wir uns bewusst sind, dass wir unter seinen Augen wandeln? Auf diesem Wege allein wird das Herz fest und hat auch das Gebet seine Kraft: Gott weiß, was die Gottesfürchtigen begehren, und hört ihr Schreien, und hilft ihnen. Wie viel Segen liegt in der Furcht des Herrn, wie viel Pein in der Furcht vor dieser Furcht! Eine einzige überhörte Gottesstimme raubt uns den Himmel. Erhalte uns denn, o Herr, bei dem Einen, dass wir Deinen Namen fürchten: dann können wir Dir auch Halleluja singen für und für. Amen.

Psalm 112.

Wie hat der Herr dich doch je und je geliebt, meine Seele, und sich mit dir verlobet in Ewigkeit, und wie hast du Grund, Ihn zu fürchten, zu lieben und Lust zu haben zu Seinen Geboten! Er nennt dich in der Schrift seinen Augapfel, seine liebe Seele, seinen Schatz und Eigentum, seine Braut, seine Turteltaube, seine Herrlichkeit. Groß war Jakobs Liebe gegen Rahel, vierzehn Jahre diente er um sie; Jesus diente um seine Rahel, die christliche Kirche, drei und dreißig Jahre. O welch eine elende Wahl! Der Schönste unter den Menschenkindern vermählt sich mit der Abscheulichsten, der Reichste mit der Allerärmsten, der Unsterbliche mit einer Sterblichen, der Fürst des Lebens mit dem Kinde des Todes, der Allerheiligste mit der Unreinsten, der Schöpfer mit der Kreatur. O Wunder über Wunder! Wie hat der Herr die Leute so lieb! – Christi Liebe gegen dich kann ich nicht aussprechen. Wenn schon das Meer zu Tinte, der Himmel zu Papier, alle Bäume im Walde zu Federn, alle Engel zu Schreibern, und alle Tiere in der Welt zu lauter Zungen würden: dies Alles würde zu wenig sein. Ach, wer doch voll Gegenliebe sein könnte, wie Jesus lauter Liebe ist! Was aber macht’s, dass du nichts von seiner Liebesflamme empfindest? Dein erkaltetes Herz. Nasses Stroh nimmt kein Feuer an. Jesus und die Welt können nicht beisammen wohnen. So jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. Wie hässlich ist die Welt, wie schön wie holdselig, wie liebreich hingegen Jesus! Lege zusammen die Herrlichkeit der ganzen Welt: dieses Alles wird gegen Christum geringer sein als ein Tropfen des Regens gegen das große Meer. Stoß denn die Welt zu deinem Herzenshause hinaus, und lass Jesum allein den wertesten Liebhaber deiner Seele sein. Die Welt gibt dir keine Gegenliebe, sie ist falsch, ihr Herz ist nicht mit dir; Jesus aber liebt dich bis ans Ende. Ich liebe Dich, mein Jesu, liebe mich. Du reichst mir ein liebebrennendes Herz, hier hast Du meines wiederum; ist es nicht recht feurig, entzünde es.

Geuß das Feuer Deiner Liebe,
Geuß es in mein Herz hinein.
Lass durch Deines Geistes Triebe
Seine Glut recht brünstig sein.
Kein Wasser der Trübsal verlösche die Flammen,
So bleiben wir ewig und ewig beisammen. Amen.

Psalm 113

Dieser Psalm enthält eine allgemeine Aufforderung zum Lobe Gottes, hergenommen teils von der Hoheit Gottes, teils von seiner Herablassung zu den Niedrigen und Geringen. Und in der Tat, denken wir an Gottes Größe, und himmelhohe Herrlichkeit, mit der Er das Größte und Erhabenste im Himmel und auf Erden, Engel, Könige und Kaiser unendlich übertrifft und nichts außer Ihm da ist, welches mit ihm verglichen werden könnte, und wir sagen müssen: Wenn die Welt oder auch ein einzelnes Geschöpf noch viel tausendmal vortrefflicher würde, so wäre doch der Unterschied zwischen Gott und diesem Geschöpf noch eben so unermesslich groß als vorher, - so können wir nicht anders, wir müssen den Allerhöchsten loben und anbeten und seinem Namen danken, dass Er so tröstlich ist. Ja, Herr, gelobet und gebenedeit sei Dein herrlicher Name von nun an bis in Ewigkeit! Es ist Dir zwar Niemand gleich an Majestät und Herrlichkeit; dennoch übersiehst und verachtest Du uns nicht, sondern lässt Dich gnädig herab in unsere Tiefe und Dürftigkeit, und wohnest, wie in der Höhe und im Heiligtum, so bei denen, die demütigen und zerschlagenen Herzens sind. Mit Recht schreibt Luther: „Weil Gott der Allerhöchste und nichts über Ihm ist, mag Er nicht über sich sehen, mag auch nicht neben sich sehen; dieweil ihm Niemand gleich ist, muss Er notwendig in sich selbst und unter sich sehen. Und je tiefer Jemand unter Ihm ist, je besser Er ihn sieht.“ So verschmähe denn auch mich nicht in meinem Elende und meiner Sünde, bewahre mich vor Stolz und Überhebung, lass mich nicht stecken im Schmutz der Sünden, befreie mich vielmehr daraus und lass mich Dich mit aller Kindlichkeit ansehen und anlaufen als meinen Vater, der mein Elend ansieht und meine Seele erkennt in der Not, ja der mich endlich selbst aus der Niedrigkeit erhöhen wird, dass ich Dich dann erst recht als den Allerhöchsten anbeten und preisen werde. Amen.

Psalm 115

Ein Lehrpsalm, in welchem der Gott Israels, der im Himmel ist und der Alles tut, was Er will, und die Götzen der Heiden, Silber und Gold, Werk der Menschenhände, gegenübergestellt und die Nichtigkeit und Ohnmacht der letzteren und ihrer Diener geschildert wird; daran schließt sich die Aufforderung an Israel, auf den Herrn seinen Gott zu vertrauen, und die Zuversicht, dass Er das Volk segnen werde, Er, der die Erde den Menschen gegeben hat und nicht zulassen kann, dass sein Volk von der Erde ausgerottet und Ihm also der Preis desselben entzogen werde. Im Grabe ist’s stille, die Toten, welche darin liegen, regen und rühren sich nicht mehr (V. 17.); darum müssen die Lebenden um so angelegentlicher Gottes Ruhm verkündigen. Nicht als ob der Tod der Gläubigen nicht auch ein Lob Gottes wäre; auch nicht, als ob die Seelen der Verstorbenen Gott den Herrn gar nicht mehr lobten, oder als ob sie gleichsam schliefen, und gleichsam, als wären sie tot, die Zeit der Auferstehung erwarteten, wo sie gleichsam wieder erwachen, mit dem Leibe vereinigt werden und alsdann ihre vorigen Verrichtungen wieder abwarten werden, wie das irriger Weise manchmal geglaubt worden ist. Das Alles meint der Psalmist nicht, wenn er sagt: „Die Toten werden Dich, Herr, nicht loben, noch die hinunterfahren in die Stille,“ sondern er redet nur von den toten Leibern im Grabe, und setzt darum hinzu: „sondern wir loben den Herrn von nun an bis in Ewigkeit.“ Wie wir alle Tage nur Wohltaten Gottes zu sehen und zu genießen bekommen, so wollen wir auch alle Tage das Lob des Herrn anstimmen und ausbreiten. Ob unser Lob Gottes ernst und aufrichtig sei, erkennt man nur an seiner Beständigkeit. Dann ist es Vorspiel des himmlischen Halleluja und gegenseitige Auffrischung des Himmels und der Erde zu solchem Engelgeschäft. Sei denn unser ganzes Dankopfer, Dir gegeben, der du lebest und regierest in Ewigkeit! Amen.

Psalm 116.

“Sei nun wieder zufrieden, meine Seele:“ so redet David seine Seele an, um sie wieder in die Stille und Ruhe zu bringen, nachdem er in großer Angst und Unruhe gewesen war. Nicht aber ist es David allein gewesen, dessen Herz bald durch dieses, bald durch jenes beunruhigt wurde, sondern es ist dies das Loos aller menschlichen Herzen, auch aller frommen und christlichen Herzen. Ach, mein Gott, wie wird nicht unsere arme Seel beunruhigt, jetzt durch Amts- und Berufsgeschäfte, jetzt durch den Umgang mit andern Menschen und in der täglichen Gesellschaft, jetzt durch die mancherlei unvorhergesehenen Widerwärtigkeiten, die uns im Leben treffen, jetzt durch die bösen aufsteigenden Lüste und Begierden unseres sündlichen Herzens! Wie nötig ist’s uns da, unserer Seele zuzusprechen, um in die Ruhe wieder einzukehren! – David brachte sein Herz zur Ruhe durch die Erinnerung an die göttlichen Wohltaten, er setzte hinzu: “denn der Herr tut dir Gutes. Du hast meine Seele aus dem Tode gerissen, mein Auge vor den Tränen, meinen Fuß vom Gleiten.“ Dies sind ja wohl hohe und große Wohltaten des lieben Gottes, die Er seinen Kindern schon hier in der Zeit vielfach widerfahren lässt. Dafür danke eine fromme Seele ihrem Gott mit David und gelobt: „Ich will wandeln vor dem Herrn im Lande der Lebendigen. So muss es sein. Das Leben, das du gleichsam aufs neue durch die Erlösung und Auferstehung Jesu Christi erhalten hast, musst du von nun an emsiger zu dem Dienste und Wohlgefallen Gottes anwenden. Wandeln musst du vor dem Herrn, dass du Ihn stets vor Augen hast und dich in allem deinem Tun und Lassen nur einzig und allein nach Seinem Wink und Willen richtest, wie es Gott von Abraham gefordert, und das alles im Lande der Lebendigen, so lange du noch hier auf Erden zu leben hast.“ Dazu gib mir Freudigkeit und Kraft, o Herr; dann kann ich getrost sein und fest glauben, dass Du immer ein wachendes Auge auf mich haben und mich bis ans Ende behüten, regieren, trösten, führen, beschützen und bewahren wirst. Amen.

Psalm 118.

Ein schwungreicher Festpsalm, am Pascha- und Laubhüttenfeste in Israel gesungen, das voll ist von Dank für seine Errettung und aufs neue Mut gefasst hat, alle Gefahren und Kämpfe, die ihm verordnet sind, im Namen des Herrn zu bestehen. Da, seitdem Christus seine Kirche gegründet, das leibliche Israel in das geistige übergegangen und der Verheißungen und Vorrechte des alten Gottesvolks teilhaftig geworden ist, so hat Christi Kirche das Recht, auch diese hier ausgesprochene Zuversicht sich anzueignen und in die erhabenen Worte dieses Psalms einzustimmen. Luther hat sich denselben zum besonderen Trost zugeeignet, den 17ten Vers daraus in seiner Studierstube aufgehangen, und schreibt: „Das ist mein Psalm, den ich lieb habe. Wiewohl der ganze Psalter und die heilige Schrift gar mir auch lieb ist, als die mein einiger Trost im Leben ist, so bin ich doch sonderlich an diesen Psalm geraten, dass er muss mein heißen und sein, denn er sich auch redlich um mich gar oft verdienet und mir aus manchen großen Nöten geholfen hat, da mir sonst weder Kaiser, Könige, Weise, Kluge, Heilige hätten helfen mögen.“ Und auch ich trete, o treuer himmlischer Vater, hiermit in die Gemeinschaft aller Gott lobenden Seelen und danke Dir nicht weniger als alle Deine Auserwählten für Deine ewigwährende Güte. Du bist und bleibst allezeit meine einzige Stärke, mein Psalm und mein Heil; absonderlich mein ewiges Heil; denn dieses zu erwerben, hast Du auch mir zu gut Deinen Sohn in die Welt gesandt, der nach vollbrachtem blutigen Angst- und Todeskampf den Sieg über meine geistlichen Feinde, Sünde, Tod, Teufel und Hölle erstritten und seine Gotteskraft zu meinem und aller Menschen Heil so herrlich erwiesen hat; dieses mir zuzueignen, hast Du Deinen heiligen Geist ausgegossen, die Kirche gegründet, Wort und Sakramente eingesetzt, und treibest Dein Werk fort bis an das Ende der Tage. Davon singet man mit Freuden in den Hütten der Gerechten, und ich sollte Deines Lobes vergessen? Nein, Dich will und muss ich preisen in Ewigkeit, für Dich Alles gern leiden und zu Deiner Herrlichkeit eingehen. Erhalte mich durch Deinen Freudengeist nur immerzu in solchem Glauben und Vertrauen, und gib, dass ich allezeit bereit bin, wenn Dein Sohn kommen wird zum Gericht, Ihm mein Hosianna anzustimmen: Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herrn! Amen.

Psalm 120,122

Beide Psalmen ergänzen sich gegenseitig, der 120. schildert unsern Notstand hienieden, wo wir Fremdlinge und Pilger sind, fern vom Vaterlande, unter streitsüchtigen und gehässigen Menschen, der 122. gibt den Trost der Wallfahrer: dass es ja nach Jerusalem gehe, der prächtig gebauten Friedensstadt mit ihren Festen und Versammlungen. Wir Christen haben aber ein doppeltes Jerusalem, ein irdisches und ein himmlisches; beides ist unser Trost und unsre Erquickung. Jenes ist die Kirche Christi, gegründet auf den Fels des Heils, Jesum Christum, unsern Herrn, fest und unzerstörbar und mit viel herrlicheren Vorrechten und Gütern ausgestattet als das alttestamentliche Jerusalem; denn unsere Bundeslade ist das Evangelium, unser Gnadenstuhl das Kreuz Christi, unser Tempel das Reich Gottes, durch Erde und Himmel verbreitet. Sie ist die Pflanzstätte aller wahren Freuden und Tugenden; kein Übel kann so gefährlich, kein Schmerz so empfindlich, keine Anfechtung so groß sein, wofür dieser Berg des Herrn nicht heilsame Kräuter darreichen sollte. Von ihr gilt im höchsten Sinne das Wort Ps. 87: „Herrliche Dinge werden von dir gesagt, Stadt Gottes“ und Ps. 84: „Wie lieblich sind Deine Wohnungen, Herr Zebaot! Meine Seele sehnet sich nach Deinen Vorhöfen.“ In ihren Mauern ist der wahre Friede und das bleibende Glück, es geht wohl ihren Bewohnern und kommt nichts als Segen über alle ihre Freunde. Und doch ist auch sie nur Vorbild des zweiten, des himmlischen Jerusalems, des Jerusalems da droben, die unser Aller Mutter ist, mit ihren ewigen Friedenshütten. Wer ist nicht entzückt, wenn er an sie gedenkt und an ihre Schönheit und Heiligkeit, an ihre Sicherheit und Lust, an ihre Pracht und Beständigkeit? Herr, erhalte uns auf dem schmalen Wege zu diesem Ziele; stärke, was schwach; verwahre, was gering; richte auf, was träge und matt ist; gönne uns vor allem den geistlichen Frieden mit Dir und hilf uns widerstehen allen Versuchungen der Welt, bis wir am Ziel sind und in Dein himmlisches Jerusalem eingehen mit Freuden. Amen.

Psalm 121.

Hochgelobter Heiland! Du ließest Dich heute einen Jesum nennen und versprachst damit Dein Volk selig zu machen von ihren Sünden. Herr, Dir sei Dank, dass Du diesen Deinen heilsvollen Namen auch das vergangene Jahr an uns bewiesen hast. Sei nun auch ferner unser lebendiger Jesus, unser Heiland in der Tat und Wahrheit. Erlöse uns vor allen Dingen von unsern Sünden, als dem ärgsten und gefährlichsten Schaden. Siehe, unser Herz sehnet sich nach Deiner neuen Schöpfung, darin Du Alles neu machen willst. so schaffe in uns einen neuen, gewissen Geist, damit das Alte alles vergehe, das uns geplagt und beunruhigt, auch Dich an Deinem Segen gehindert hat. Erneure mit diesem Wechsel des Jahres Dein Gedächtnis in uns, dass Du nun von neuem uns vor Augen gemalt werdest durch den Glauben, den Gott selber wirket. Werde uns, was Dein Name mit sich bringet, lauter Heil und Seligkeit. Schenke uns zum neuen Jahre neue Gerechtigkeit, neue Heiligkeit, neue Weisheit, neue Erlösung. Lass uns mit ganz neuem Sinn und Ernst dieses Jahr anfangen, und nicht in dem alten Sauerteig der Sünden und bösen Gewohnheiten. Ach, dass wir nun Alle ein Herz erflehten, dass Dich kindlich fürchtete, herzlich liebte, brünstig anriefe und treulich kämpfte! Werde uns Alles in Allem, denn in Dir liegt Alles, was wir bedürfen, du allerkostbarste Neujahrsgabe. Werde unserer Obrigkeit das rechte Gesetzbuch in Deinem heiligen Namen, der da ist Gottes Wort; sei ihr gerades Zepter, dass Dein Wille nur durch sie geschehe, und ihr Schirm und Schutz, Lohn und Kron. Sei Du allen Lehrern das wahrhaftige Licht, das allen Menschen vorleuchte, und die Irrigen zurechtweise, die Unwissenden lehre, die Schwachen stärke, die Traurigen tröste. Allen Gemeinden werde mit Deinem heiligen Namen ein Tempel, darein sie in Einigkeit des Geistes versammelt werden zur gemeinsamen Besserung. Dein Name sei und bleibe der Armen Schatz, der Kranken Heilung, der Elenden Zuflucht, der Verlassenen Rat und Trost, der Witwen Versorger, der Waisen Vater, ja Allen Alles. Denn Du kannst uns im Tode erwecken und in Schwachheit neue Kraft geben, den Zorn in Liebe und den Fluch in Segen verwandeln. Ja, lehre Du uns selbst Dein Wohlgefallen, und ohne Dich lass uns nichts reden, tun oder denken. Wir empfehlen uns Dir ganz und gar mit Allem, was wir sind und haben, auf ewig. Amen.

Psalm 123 u. 125.

Diese beiden Psalme sind Wallfahrtslieder im höheren Chor. Als das Jammerlied, welches die gefangenen Juden an den Wassern von Babylon sangen, verstummt war und sie auszogen aus dem Lande ihrer Knechtschaft, sollen sie auf dem Wege gen Zion diese Pilgerlieder gesungen haben; sie sollen sie ferner auf ihren jährlichen Festzügen begleitet haben nach der Davidsstadt. Jedenfalls sind’s Lieder, mit welchen man sich Trost und Freude auf Pilgerwegen ins Herz singen kann. Sie verkürzen uns des Weges Länge, sie ebnen uns den Weg, sie machen ihn lieblich und breiter, sie rücken uns unser Ziel näher vor Augen. Wir sind, wenn auch Fremdlinge und Pilgrimme, doch zugleich des Herrn Knechte und Mägde, nicht bloß seine Leibeigenen, sondern auch seine Herz- und Seeleigenen. Wohl uns, wenn wir, wie die Knechte und Mägde, auf Seine Hand allezeit sehen; auf diese Hand, die uns winkt und weiset, die uns leitet, lenkt und regiert, die uns schützt und schirmt, die uns aber auch straft und züchtigt, wenn’s Not tut, und uns dadurch heilt und segnet! Ach, diese Hand hat sich am Kreuze für uns durchbohren lassen; diese Hand zerreißt unsere Sündenbande und macht uns von uns selbst, von der Welt und der Sünde los; diese Hand hat uns in der Taufe gesegnet, am Nachtmahlstische gespeist und will uns noch aus dem Tode erretten und gegen die Schrecken des letzten Gerichts uns sicher stellen. Habe Dank, Herr, Herr, dass wir uns allezeit des Besten zu Dir versehen können und es von allen Gläubigen gilt: Sie sehen hinauf, der Vater herab, an Treu und Lieb’ geht ihnen nichts ab, bis sie zusammen kommen. Lass uns denn auch ferner nicht und ziehe Deine Hand nicht von uns ab, sondern trage auch inskünftige Sorge, dass, wenn gleich die Menschen oder der Satan sich wider uns setzen, sie doch an uns zu Schanden und wir aus ihren Zähnen errettet werden. Du wirst es tun; denn unsere Hilfe stehet doch nur einzig und allein in Deinem Namen, Herr, der Du Himmel und Erde gemacht hast. Amen.

Psalm 124.

So steht es auch mit mir: ohne Dich, o Herr, bin ich verloren und mache es wie Petrus im Vorhofe des Hohenpriesters. Während Du die Misshandlungen und Verspottungen übernahmst, wurdest Du in eben der Zeit von ihm verleugnet, welches Dir gewiss tiefe Wunden in Dein treues, zartes Herz geschnitten, zumal Du ihn so nachdrücklich gewarnt und zum Wachen und Beten ermahnt hattest. O wie oft habe ich auch Dir dieses Leiden zugefügt! Mein Herz ist gar zu geneigt, sich Deiner zu schämen, und gar zu abgeneigt, Dich vor den Menschen zu bekennen, wenn auch schon keine Gefahr vorhanden ist. Wie oft habe ich in leichtsinniger Gesellschaft, wenn ich darauf angesehen wurde, ob ich auch Einer der Deinen sei, aus erbärmlicher Menschenfurcht Böses gut und Gutes böse geheißen, und durch dieses schmachvolle, feige Betragen erklärt: Ich kenne Ihn nicht, ich bin Sein Jünger nicht! O wie muss Dir meine Untreue, die ich unzählige mal an Dir begangen, so nahe gegangen sein! Ich darf mich mit Petro nicht einmal vergleichen, denn ich war noch nie in solcher Gefahr wie er, und doch habe ich mich oft gescheut, Deiner auch nur mit einem Wort zu gedenken, wo ich besorgte, ich würde scheel darüber angesehen werden. Es drohte mir kein blutdürstiges Gericht, kein offener Kerker, kein aufgerichtetes Kreuz, kein angezündeter Scheiterhaufen, kein bewaffneter Henker, wie einst jenen Blutzeugen, welche in dem Angesicht dieser Schrecknisse dennoch Deinen Namen bekannten. Ach, Herr, ich wollte auch nicht die leichteste Schmach für Dich erdulden, der Du für mich Dich hast anspeien und verhöhnen lassen, der Du für mich die blutige Geißel erduldet und die Dornenkrone getragen, der Du für mich alle Not und Höllenstrafe meiner Sünde auf Dich genommen hast und in die Marter Deines Kreuzes gegangen bist. Ach, Herr, Herr, verwirf mich nicht von Deinem Angesicht! entziehe mir armen Sünder Dein Mitleiden nicht! Sei mir gnädig nach Deiner Güte, und tilge meine Sünde nach Deiner großen Barmherzigkeit! Herr, höre! Herr, erhöre! Herr, vergib! Amen.

Psalm 125.

Ein merkwürdiger Triumphwagen fährt durch die Zeiten hin. Christus sitzt darauf, mit Dornen gekrönt und mit Schmach beladen, mit Geißeln zerschlagen, mit Blut bespritzt. In der Linken trägt er das Kreuz, in der Rechten die beiden Testamente. Freudig und rüstig haben sich die Apostel in das Joch gespannt, um den Zug zu bewegen; ihnen voraus schreiten die Patriarchen und Propheten. Zu beiden Seiten des Wagens gehen große Scharen der Märtyrer, und neben ihnen die Lehrer der Kirche mit aufgeschlagenen Bibeln. Als Gefolge erblickt man eine unzählige Menge Menschen beiderlei Geschlechts aus verschiedenen Ständen und Völkern, Juden und Heiden, Reiche und Arme, Gelehrte und Ungebildete. Sie alle jubeln und klatschen vor Freude in die Hände. Rings um den Zug aber stehen große Haufen von Feinden, Kaiser und Könige, Fürsten, Weise und Große dieser Welt mit Völkern von allen Zungen, mit Sklaven und Freien, Männern und Frauen; und unter gewaltiger Anstrengung stürmen sie auf die Schar der Frommen ein. Allein mit ihrer Macht ist nichts getan. Die Götzenbilder stürzen und werden zertreten; das Kreuz Christi siegt und führt das Gefängnis gefangen.

Verherrlichter Jesus, verherrliche Dich an unsern Herzen und erfülle an uns das Wort des frommen Sängers: „Die auf den Herrn hoffen, werden nicht fallen, sondern ewiglich bleiben, wie der Berg Zion.“ Lass uns nicht entfallen von des rechten Glaubens Trost. Sei um uns und Dein armes Häuflein selbst eine feurige Mauer, schütze uns wider alle Anläufe der Feinde, führe uns von Sieg zu Sieg, und bewahre uns vor Misstrauen und Ungeduld; ja, mache uns durch Deinen Geist Dir immer gefälliger, und dann tue wohl an Zion nach Deiner Gnade; Friede, Glück und Segen sei über Deinem Israel von nun an bis in Ewigkeit. Amen.

Psalm 126.

Köstlicher Psalm! Du hast es mir möglich gemacht, Herr Jesu, ihn mir zuzueignen; denn Du hast mich erlöset und mein Gefängnis gewendet durch dein versöhnendes Lieben und Leiden, Schweigen und Bekennen, Verlästert- und Beleidigtwerden und das Alles erdulden um der Ehre Deines Vaters und der Seelenrettung der Menschen willen. Grässlicher Widerspruch! Du verherrlichst durch all’ Dein Tun und Leiden den Vater, und sollst Gott gelästert haben! Das musste aber freilich so gehen, weil Du an meiner Stelle standest. Ich bin ein Gotteslästerer, Herr Jesu; mir gehören die Misshandlungen, die Du erleidest: ich sollte als ein solcher verspeiet, geschlagen und zum Tode verdammt werden; Du aber fängst den Speichel und die Faustschläge auf, damit mein Angesicht glänzen kann in ewiger Klarheit. Du wirst verspottet, und ich soll von Deinem Vater und allen heiligen Engeln als Deine Braut geehrt werden. Du lässt Dein Angesicht verdecken; aber Deine Braut, Herr Jesu, kennt Dich auch unter Deiner Decke, sie schauet durch den Vorhang Deiner Niedrigkeit hindurch, und da findet sie lauter Herrlichkeit, die ihr Auge und Herz auf Dich ziehet. Dein Bekenntnis, Du seiest Gottes Sohn, ist für die Deinen ein so fester Grund ihres Glaubens, dass sie auch nicht einen Augenblick an Dir irre werden. Lass nur Dein prophetisches Amt verspotten, sie wissen doch, dass Du ein wahrhafter Prophet bist, der Amen und wahrhaftige Zeuge. Das können Deine Gläubigen an Deinem verspeieten Angesicht lesen. Weil Du alle die Beschimpfungen vorher verkündigt hast, welche Dir hier begegnen, das stärket den Glauben. Nun, mein Heiland, so wie Du am verhöhntesten, so bist Du mir am schönsten! Dein Verspotten, Dein Verspeien lass zu Ehren mir gedeihen. Tausend, tausend Mal sei Dir, liebster Jesu, Dank dafür! ich will nun auch gern wie Du mit Tränen hienieden säen, denn ich weiß: durch Dich werde ich einst mit Freuden ernten und kommen und eine Garben bringen. Amen.

Psalm 129.

Barmherziger Gott, ich preise Dich, dass ich diese Verheißung mir auch aneignen darf, dass Dein Volk, so oft unterlegen und misshandelt, doch immer wieder sich aufgerichtet hat und seine Feinde zuletzt hoffnungslos zu Grunde gehen. Was bin ich doch, Herr, dass Du mich bis hierher gebracht hast? In mir war keine Kraft und Würdigkeit, die Dich hätte bewegen können, mich vor Andern lieb zu haben. Deine freie Gnade hat mich in dem Schoß Deiner Kirche lassen geboren werde, und hier lässt Du mir Dein teures Wort verkündigen, hier erquickest Du mich mit himmlischen Gaben in Christo, und gönnest mir im Geist und in der Wahrheit Dir zu dienen. Das Alles hab’ ich Deiner Erbarmung zu danken, und durch sie allein bin ich, was ich bin. – Gedenke, Herr, an Deinen Bund und Deine gnädige Verheißung; Du kannst die Deinen nimmermehr vergessen, in Deine Hände hast Du sie gezeichnet. O lass sie durch die Liebe verbunden sein als ein Herz und eine Seele. Lass sie Dein Wort lieb haben und mit einem gottseligen Wandel einander ermuntern, dass sie ihr Licht lassen leuchten und ihre guten Werke zu Deines Namens Ehre gepriesen werden. Stärke unsere Brüder, die unter den Feinden der Wahrheit wohnen, dass sie durch keine Not noch List sich lassen abwendig machen; schütze sie vor ihren Feinden, tröste sie in Traurigkeit, und hilf ihnen in aller Bedrängnis, dass sie beständig bleiben im Glauben, gottselig im Leben, geduldig in Trübsal, und unbesiegt bis in den Tod. – Führe, o Herr, bald die herrliche Zeit herbei, wo Deinem Zion Kinder sollen geboren werden, wie der Tau aus der Morgenröte. Lass Babel fallen, lass die Fülle der Heiden eingehen und ganz Israel selig werden, dass Dein Name herrlich sei vom Aufgang bis zum Niedergang, und alle Welt ein Hirt und eine Heerde werde. Hat nun endlich Deine Kirche genug gestritten und geduldet, so führe ihren Kampf zum Siege aus! O wie herrlich wird die Versammlung Deiner Heiligen sein, wann wir Dich aus einem Munde werden loben in unaussprechlicher Freude! Bringe uns da zusammen, Herr Jesu, und lass uns Deine Herrlichkeit sehen, die Dir der Vater gegeben hat. Amen.

Psalm 130.

Ach, lieber Vater, aus meiner Sündentiefe rufe auch ich jetzt zu Dir, höre mich armen Sünder, erhöre mein Geschrei, das ich zu Dir erhebe; ich will mein Herz vor Dir ausschütten und Dir bekennen, wie ich so schwer gesündigt und Dich so oft und sehr erzürnt habe. Ich bin durch Deine Gnade ein wenig zu mir selbst gekommen, habe mein sündliches Leben erforscht, und finde nichts bei mir als ein verfinstertes Herz voller Sünden, ein Gewissen, das die Anklage großer Missetaten beschwert und mich zu ernstlicher Buße dringend auffordert.

Ich weiß kein Laster, damit ich mich nicht auch befleckt finde, als mit Zorn, Hoffart, Unbeständigkeit, Unsauberkeit des Mundes, Lästerung und Schmähungen, Ungehorsam, ärgerlichen und bösen Sitten, Übermut, Betrug, Halsstarrigkeit, Nachlässigkeit im Guten; ich bin von Jugend auf nicht recht geneigt gewesen zu Einigkeit und Frieden; ich habe meinem Nächsten nicht willig und gern gedient; ich bin fertig gewesen, mit meiner Zunge zu reden, wozu ich wenig Grund gehabt habe, und geschickt, meinen Nächsten zu übervorteilen, freventlich zu richten; zänkisch, spöttisch, undankbar, lügenhaft; und dass ich’s gar heraussage, so finde ich mich, lieber Gott, aller Sünden schuldig und deswegen würdig der ewigen Verdammnis. Meine Sünde ist mir zur Sünde geworden, Deine Pfeile stecken in meinem Gewissen, und in meinem Herzen ist lauter Jammer und Not.

Aber, Herr, Du sagst, Du wollest nicht den Tod des Sünders, sondern dass er Buße tue, sich bessere und lebe. Du sprichst, dass Dir auch kein Opfer besser gefalle als ein zerknirschtes Herz. So nimm nun an, o Herr, mein armes, betrübtes und zerschlagenes Gewissen; erbarme Dich über mich armen Sünder um Deines lieben Sohnes willen, und wirf alle meine Sünden in die Tiefe des Meers, auf dass derselben in Deinem strengen Gericht nicht mehr gedacht werde, und gib mir Gnade, dass ich mich hinfort davor möge hüten und nach Deinem Willen leben. Denn was hülfe mir alle Vergebung, wenn sie nicht auch eine Heilung von der Sünde wäre und einen Schrecken und Hass derselben bewirkte? Amen.

Psalm 132.

Himmlischer Vater, wir haben es gar wohl verdienet, dass Du uns strafest; aber strafe Du selbst uns, und nach deiner Gnade, und nicht nach Deinem Grimm. Es ist besser, in Deiner Hände Staupe uns geben, wie David auch hat; denn groß ist Deine Barmherzigkeit. Wir haben Dir gesündigt, und Deine Gebote nicht gehalten. Aber Du weißt es, allmächtiger Gott, dass wir dem Teufel, Pabst, Türken, nicht gesündigt haben, sie auch kein Recht noch Macht haben uns zu strafen; sondern Du kannst und magst ihrer brauchen als Deiner grimmigen Rute wider uns, die wir an Dir gesündigt und alles Unglück verdient haben. Ja, lieber Gott, himmlischer Vater, wir haben keine Sünde wider sie getan, darum sie Recht hätten uns zu strafen: sondern viel lieber wollten sie, dass wir samt ihnen aufs gräulichste wider Dich sündigten. Denn sie fragen darnach nicht, ob wir Dir ungehorsam wären, Dich lästerten, allerlei Abgötterei trieben, wie sie tun, mit falscher Lehre, Glauben und Lügen umgingen, Ehebruch, Unzucht, Mord, Diebstahl, Räuberei, Zauberei und alles Übel wider Dich täten; da fragten sie nicht nach. Sondern das ist unsere Sünde wider sie, dass wir Dich, Gott Vater, den rechten einigen Gott, und Deinen lieben Sohn, unsern Herrn Jesum Christum, und den heiligen Geist, einen ewigen Gott, predigen, glauben und bekennen; ja, das ist die Sünde, die wir wider sie tun. Aber wo wir Dich verleugneten, würde uns der Teufel, Welt, Pabst, Türke wohl zufrieden lassen, wie Dein lieber Sohn spricht: wäret ihr von der Welt, so hätte die Welt das ihre lieb.

Hier siehe nun drein, Du barmherziger Vater über uns und ernster Richter über unsere Feinde, und wenn sie uns verfolgen und schlagen, so verfolgen und schlagen sie Dich selber. Denn das Wort, so wir predigen, glauben und bekennen, ist Dein, nicht unser, alles Deines heiligen Geistes Werk in uns; der Teufel aber will solches nicht leiden, sondern an Deiner Statt unser Gott sein, und an Deines Wortes Statt Lügen in uns stiften. Ist’s nun Sünde, dass wir Dich den Vater und Deinen Sohn und den heiligen Geist für den rechten, einigen Gott halten, bekennen und rühmen, so bist Du selbst der Sünder, der Du solches in uns wirkest, heißest und haben willst. Darum so hassen, schlagen und strafen sie Dich selber, wenn sie uns um solcher Sache willen hassen, schlagen und strafen. Darum wache auf, lieber Herr Gott, und heilige Deinen Namen, den sie schänden, stärke Dein Reich, das sie in uns zerstören, und schaffe Deinen Willen, den sie in uns dämpfen wollen, und lass Dich nicht um unsrer Sünde willen also mit Füßen treten von denen, die nicht unsere Sünde in uns strafen, sondern Dein heiliges Wort, Namen und Werk in uns tilgen wollen, dass Du kein Gott sein sollest und kein Volk haben, das Dich predige, glaube und bekenne. Amen.

Dr. Luther.

Psalm 133

Bei diesem holdseligen Liede von der holdseligsten aller Tugenden, von der Eintracht christlicher Brüder und Schwestern unter einander verkennt gewiss Keiner die Herrlichkeit derselben, und wie ihr nach der Verheißung Segen und Leben immer und ewiglich auf dem Fuße folgt. Allein der Weg zur Eintracht ist mit der Ahnung ihres Werts noch nicht gefunden, nicht betreten; und doch ist eben dies Finden und Wandeln die Hauptsache. Ich möchte gern in solcher lieblichen Eintracht leben mit denen, an welche Gott mich geknüpft hat; nichts lieber möchte ich als das; nur, wie fange ich’s an? – so fragt und seufzt die verlangende Seele. Höre die Antwort: Vergegenwärtige dir oft das Feinde und Liebliche, Schöne und Verschönernde der Eintracht und Friedensliebe; sodann: suche die Schuld der in deinem nächsten Kreise fehlenden oder nur mangelhaften Eintracht bei dir selbst nach; ferner: greife bei dir selbst das Übel an der Wurzel an und übe dich in der Selbstverleugnung, und dann auch die Deinen mit dir; vergiss überdies nicht die günstigsten Augenblicke auszuwählen für Herstellung des unterbrochenen Friedens und Feststellung des friedfertigen Sinnes selbst; endlich: singe dir selbst oft und singe oft vor den Deinen und mit ihnen solche Lieder der Eintracht, wie der obige Psalm ist, singe vom Frieden, bete um Frieden. Wie man sich den Kummer aus dem Herzen wegsingen und wegbeten kann und den Mut hereinsingen und beten, so lassen sich auch Hass und Bitterkeit, Streit und Zank vertreiben, Eintracht aber und Friede herbeilocken durch Gesang und Gebet. O Du Gott des Friedens, wir schämen uns über unsere Lieblosigkeit und Unfriedfertigkeit gegen einander; wir bitten Dich, steure dem unseligen Störenfried, und mache uns fleißig, zu erhalten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens, dass auch wir aus eigner Erfahrung sagen können; Siehe, wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder einträchtig bei einander wohnen! Amen.

Psalm 134. 135.

Wer Gott nicht lobt, der erkennt auch Gott nicht; denn es ist unmöglich, dass ein Mensch, welcher Gott erkennt, Ihn nicht auch von Grund seines Herzens loben sollte. Wer nur einen einzigen Blick in seine Güte und Barmherzigkeit tut, der wird sich des Lobes Gottes eben so wenig enthalten können, so wenig ein Brunnen unterlassen kann, seine Quellen von sich zu geben. Da nun Gott uns Menschen unter allen Geschöpfen die Sprache gegeben hat, dass wir Ihn mit derselben loben können, so müssen wir Ihn auch stets mit unserer Zunge loben; doch soll das auch vornämlich mit dem Herzen geschehen, denn wenn in dem Lobe Gottes das Herz nicht mit dem Munde übereinstimmt, so ist es Gott kein angenehmes Opfer unserer Lippen. Soll Gott dein Lob, das du Ihm bringest, angenehm sein, so musst du aber auch fromm und gottesfürchtig zu sein dich befleißigen: es ist Ihm ja an deinem Lobe nichts gelegen, wenn es nicht aus aufrichtigem Herzen geschieht. Er bleibt in alle Ewigkeit ein lobwürdiger Gott, wenn Ihn schon kein einziges Geschöpf lobte: es stehen aber die Engel und Auserwählten vor Seinem allerhöchsten Thron und loben Ihn immerdar. Willst du nun nicht mit ihnen einstimmen, so gehet Seinem Lobe im mindesten nichts ab, sondern der Schade ist dein, indem du nicht unter die Seligen gehörst, die Ihn loben, sondern unter die Verdammten, die Ihm fluchen. David lobte: „Herr, tue meine Lippen auf, dass mein Mund Deinen Ruhm verkündige,“ – also musst du auch Gott bitten, dass Er selbst dich lehren wolle, wie du Ihn loben sollst, weil du es von Natur nicht kannst. Herr, Du hast mich zu Deinem Lobe erschaffen, ich aber habe meinen Mund öfter zu eitlen Worten als zu Deinem Lobe gebraucht, und hätte verdient, dass Du mir längst den Gebrauch der Zunge genommen und mich stumm gemacht hättest. O vergib mir meine Schuld und öffne mir meine Lippen, damit ich die übrige Zeit meines Lebens nicht ablasse, Dich mit Mund und Herz zu preisen; bis ich Dich in der Ewigkeit unter den Engeln vollkommener loben und preisen werde. Amen.

Psalm 137

Sitzen wir auch nicht, wie Israel um seiner Abgötterei willen, zur Strafe an Babels Flüssen in der Gefangenschaft, so ist doch Babels genug sowohl in der Welt außer uns als in der Welt unseres verderbten, fleischlichen Herzens, dass wir davor nicht eines recht fröhlichen Augenblicks genießen können. O wie quält uns unser Fleisch von innen, wie drückt und verhöhnt uns die Welt von außen! Was ist das für ein Babel, Wie schallt nicht immer fort das Edomslied: rein ab, rein ab, bis auf ihren Boden! Ginge es nach den Kindern dieser Welt, so würde längst nichts mehr von uns übrig sein. Wahrlich, wir leben in einer Welt, da wir mehr Ursache haben, in Traurigkeit zu weinen, als in eitler Freude zu lachen. Vor allem sind es unsere Sünden, unser Undank gegen Gottes Wohltaten, die uns fortwährend anklebenden Schwachheiten, die Kaltsinnigkeit unseres Gebets, die Mattigkeit unseres Glaubens, unserer Geduld und Hoffnung, namentlich unsere vielfachen Untreuen, über die wir Blut weinen möchten. O bewahre uns nur, getreuer Gott, dass wir uns ja nicht verführen lassen, in das Weltlied Babels mit einzustimmen und Deiner, unseres Herrn, darüber zu vergessen; wir wollen uns eher lassen unsere Zungen an dem Gaumen kleben, als dass wir Deiner nicht gedenken sollten. Mache uns nur stark durch Deinen Geist, dass wir die fleischlichen Lüste und Begierden in uns als rechte Babelskinder und Feinde unserer Seelen bei Zeiten zerschmettern und also das Böse überwinden, auf dass wir unser Harfen dort in dem neuen Jerusalem wieder nehmen und Dir und dem Lamme, das für uns erwürget war, das neue Lied anstimmen dürfen: Heilig, heilig, heilig heißt Gott der Vater, Sohn und Geist. Amen.

Psalm 138.

„Psalm 138“, sagt Luther, „ist ein Dankpsalm insgemein für allerlei Hilfe von den Feinden, und wünschet, dass Christi Reich komme, und auch Könige sein sollen sein Wort und Lehre annehmen und dafür danken und rechten Gottesdienst tun und lernen, dass Christi Reich sei: hoch sitzen und den Niedrigen helfen, die in Not und Angst stecken, trösten, die Sünder und Elenden erretten, und beschließt mit Bitten, Gott wolle solches angefangene Reich und Werk nicht lassen, sondern vollbringen in Ewigkeit.“ Wie selig war David, da er die Gnadenführungen seines Gottes und dessen Heilswerk in seinem Herzen und Leben so recht im Lichte und Zusammenhange des ganzen, ewigen Erlösungsplans schaute, dessen einstige Offenbarung und Verherrlichung auf der ganzen Erde er hier im prophetischen Blicke wie schon vollendet sieht! Und wie viel seliger müssen wir sein, da wir sehen, was Könige und Propheten haben sehen wollen und nicht gesehen haben, und hören, was sie haben hören wollen und nicht gehört haben; wie vielmehr müssen wir unsere Seligkeit in die Worte dieses Psalms ausströmen! Der Psalm ist ein freudiger, im voraus dankender Blick des Einzelnen in dem allgemeinen Dank nach Vollendung des Heils Gottes auf Erden: Ich danke Dir von ganzem Herzen für die überschwängliche Größe der von Dir empfangenen Wohltaten; vor den Göttern, d.h. vor allen, die sonst noch Götter heißen im Himmel und auf Erden, vor den Engeln und Gotteskindern, auch vor den Fürsten, ja, zum Trotze aller heidnischen, falschen Götzen, will ich Dir lobsingen und Dich, den einigen höchsten Gott bekennen. Ich will anbeten zu Deinem heiligen Tempel und Deinem Namen danken um Deine Güte und Treue, um Deine Güte und Huld, welche die Verheißung des Heils gab, und um Deine Wahrheit und Treue, welche sie in Christo erfüllt hat, denn Du hast herrlich gemacht über allen Deinen Namen, über alles, wodurch Du Dich bis dahin kund gegeben, Dein Wort, Deine Verheißung von Christo. Alles, was wir bisher und sonst von Gott wissen und kennen, wie wir Ihn nennen und preisen, kommt nicht gleich der über Alles gehenden, alle frühere Offenbarung von seiner und Erwartung auf unserer Seite übertreffenden Erfüllung des Verheißenen, der eigentlichen höchsten Verklärung seines Wortes und eben damit seines Namens. Preisen werden Dich, Herr, alle Könige der Erde, wenn sie hören die Worte Deines Mundes, und singen auf den Wegen des Herrn, die sie nach ihrer Bekehrung betreten und einschlagen, dass sie groß ist die Ehre des Herrn; denn erhaben ist der Herr, und sieht auf den Niedrigen, der seine Niedrigkeit fühlt, den alle Welt von Ihm vergessen glaubt, und erhöhet ihn, und kennet den Stolzen von ferne, von der fernen Himmelshöhe, in welchen der Stolze Gott hineinbannt, und stürzt ihn, so dass der Niedrige über ihn triumphieren kann, wie im Vorbilde David über Saul. Wenn ich wandle inmitten der Not, so belebest Du mich, gegen den Zorn meiner Feinde streckst Du aus Deine Hand und errettest mich mit Deiner Rechten. Der Herr wird vollenden für mich; Herr, Deine Huld währet in Ewigkeit. Die Werke Deiner Hände wollest Du nicht lassen. Was Gott David verheißen, hat Er in Christo vollendet. Er kann keines seiner Werke liegen lassen, am wenigsten ein so herrlich begonnenes. So wahr Er Gott ist, muss Er es auch weiter noch herrlich zu Ende führen. Er ist ewig ein und derselbe. Das ist auch meine Zuversicht in Beziehung auf die Durchführung des Heils an meiner Seele und in meinem Leben. Amen.

Psalm 139

Gott, Du erfüllest mit Deiner heiligen Gegenwart Himmel und Erde. Wo sollen wir hingehen vor Deinem Geist? Lehre uns doch zu Dir beten in wahrem Glauben an Deine heilige und gnädige Gegenwart. Ach, wir bekennen vor Deinen heiligen Augen, dass wir nicht würdig gehandelt haben dem hohen Beruf und den großen Absichten, die Du mit uns hast. O Herr, wie haben wir nicht so zerstreut, so unachtsam, so abgewichen von Dir so manche Stunde zugebracht! Du hast Dich über uns erbarmt und uns aus vielen Banden gerissen, und Deine Gnade in Christo erfahren lassen. O dass wir uns Deiner Gunst hinfort durch nichts weiter verlustig machten! Erneuere in uns den Glauben an Deine gnädige Gegenwart. Lass diese Deine Gegenwart einen beständigen Grund sein zum Frieden, zum Vertrauen, zum Mut auf unserm Pilgerwege. Hast Du Dich zu uns geneigt in Gnaden, o so neige uns doch auch zu Dir, dass wir Dich im Glauben mögen gegenwärtig sehen und gegenwärtig behalten in einem andächtigen und liebenden Herzen! O Herr, lass die Welt je länger je mehr aus unsern Sinnen und Gedanken verschwinden, dass wir von allen nichtigen Dingen mögen absehen. Deine gnädige Gegenwart nehme unser ganzes Herz ein, dass wir mit Dir uns beschäftigen und Dich niemals vermissen mögen. Wir gewöhnen uns nicht genug an Dich: o mache uns doch andächtiger; lass unser Herz unverwandter bei Dir bleiben, dass die Gedanken an Deine Gegenwart und das Gespräch unseres Herzens mit Dir uns immerdar so begleiten, dass wir Deiner weder lebend noch sterbend vergessen können. – Bringe uns zum wahren Herzensgebet. lehre uns auf Deine Stimme lauschen und Deines Geistes Wirkungen Raum geben. Lass uns vor Dir als ein recht priesterliches Geschlecht wandeln. Gib Gnade, dass wir unser Liebstes nirgend scheuen, sondern alles unsrige Dir gern zum Opfer bringen. O lass Alles verzehret und vernichtet werden in unsern Herzen, was nicht von Dir und von Deiner Gnade herrührt, dass endlich nichts in uns lebe, als Du allein. Ist doch unser Herz von Dir erkauft, berufen und erwählt, dass es dir sollte zum Tempel und Heiligtum werden. Nun komm, wir bringen Dir unser armes Herz zum Opfer. Komm und erfülle Dein Heiligtum, und lass ewig nichts Unreines hineinkommen. Amen.

Psalm 141.

Der Herr ist mit mir; darum fürchte ich mich nicht, was können mir Menschen tun? Also spreche ich mit David, liebreicher Gott, in dieser Abendstunde und sage Dir Dank, dass Du mich diesen Tag unter Deinem väterlichen Schutz und reichen Segen hast zurücklegen lassen. Herr, Deine Güte ist groß, und Deine Barmherzigkeit hat kein Ende. Ach, mein Gott, wie geschwind geht doch ein Tag dahin, wie ein Pfeil wird abgeschossen, so geschwind verfließen unsre Jahre. Darum lehre mich doch, dass es ein Ende mit mir haben muss, und mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muss. Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, dass ein Jeglicher empfahe, nach dem er gehandelt hat bei Leibes Leben, es sei Gutes oder Böses. Darum richte ich mich selbst und frage: Meine Seele, wie hast du heute den Tag hingebracht? Hast du auch etwas Gutes gedacht? Ist Gott heute mit dir vereinigt geblieben, oder hast du Ihn mit vorsätzlichen und wissentlichen Sünden von dir gestoßen? Mein Mund, was hast du heute geredet? Ist das Lob Gottes von dir ausgebreitet, die Wahrheit von dir bekannt, die Liebe des Nächsten von dir bezeugt worden, oder bist du mit törichten, unwahren und lieblosen Worten übergeflossen? So seid ihr hingegangen, ihr Füße? Was habt ihr verrichtet und verübt, ihr Hände? Was habt ihr gehört, ihr Ohren? Ihr Augen, wonach habt ihr gesehen? Was ist heute dein Verlangen, Dichten und Trachten gewesen, mein Herz? – Ach, mein Gott, wenn ich auf alle diese Fragen antworten soll, wie werde ich bestehen? Herr, nimm weg mit dem entweichenden Tage meine Übertretungen. Jesu, tilge meine Sünden mit Deinem heiligen Blut. Heiliger Geist, versichere mich der Vergebung aller meiner Sünden, ehe ich noch einschlafe, dass ich nicht, wenn diese Nacht die letzte sein sollte, verloren werde. – Bin ich also von meiner Schuld, dreieiniger Gott, freigesprochen, so schlafe ich mit Ruhe und hüte mich morgen mit größerem Fleiß vor Allem, was Dich betrüben kann. Mein Vater, Deine Liebe decke mich und die Meinigen. Mein Jesu, in Deinen Wunden ruhe ich sanft und wohl. O heiliger Geist, tue Du den letzten Seufzer in meinem Herzen, ehe ich einschlafe, mit welchem ich meinen Geist in die Hände Gottes empfehle. Amen.

Psalm 142.

So konntest Du auch seufzen, Herr Jesu, als Du Dich binden ließest an meiner Statt, zur Erwerbung der so nötigen, völligen und seligen Freiheit. O erreiche doch auch hierin Deinen Liebeszweck an mir. Du wirst noch manche Bande finden, Bande im Herzen, Bande der Finsternis und Vorurteile im Verstande, Bande der Eigenliebe und Widersetzlichkeit im Willen; von allen diesen Banden der Sünde in mir wirken; lass mir das Gefühl auch der kleinsten Fessel zur größten Last werden. Binde aber Du mich mit den Seilen Deiner Liebe, dass ich Dein Gefangener sei. Binde mein Herz an Dein Herz, meine Hand an Deine Hand, und führe mich immer wie ein kleines Kind, das nicht allein gehen kann, an dem Gängelbande Deiner Aufsicht, Liebe und Gnade, und lass mich ja keinen Schritt allein gehen. Dein von Dir gebundener Sklave zu sein, lass mich für meine größte Ehre und Freiheit halten. In allen Stücken und bei allen Schritten von Deiner Leitung und Führung abzuhangen, lass mir eine wahre Seligkeit sein. Nun, Herr Jesu, so fange denn an zu zerschmelzen, zu sengen und zu brennen in mir und an mir, was mir Ketten, Fesseln, Bande und Fäden sind, durch das Feuer Deiner Liebe.

Trage Holz auf den Altar, Und verbrenn’ mich ganz und gar. O Du allerliebste Liebe, Dass doch nichts mehr von mir bliebe!

Behüte mich, dass ich nie wieder in die Bande der Sünde mich verwickeln möge, sondern Dir ewiglich dafür verbunden bin. Glaube und Liebe wird das schönste Band sein, mich und Dich unauflöslich zu verbinden. Sollte es auch geschehen, dass ich wiederum um Deinetwillen Bande und Trübsal tragen müsste: so lass mich aus Deinen Banden Zuversicht gewinnen. Und endlich löse mich auch von dem Joch der Eitelkeit und bringe mich zur ewigen und himmlischen Freiheit. Amen.

Psalm 143.

Herr Jesu, Du bekennest Dich für den Sohn Gottes vor dem Hohenpriester, bekennest dich so aufrichtig für das, was Du bist und zwar vor Deinen Feinde, die aus der schönen Blume Deines Bekenntnisses wie die Spinnen Gift saugten: lass auch mich nach Deinem Exempel und ohne Rückhalt aufrichtig bekennen, was ich bin. David tat’s im 143. Psalm; lass mich ein gleiches Bekenntnis vor Dir ablegen. Ich darf ja nicht sorgen, dass mir etwas Übles darauf begegne, wie Dir auf Dein Bekenntnis, vielmehr je offenherziger ich gegen Dich bin, meinen allergetreuesten Freund, desto mehr Hilfe, Gnade und Seligkeit habe ich mir von Dir zu versprechen. Ich bekenne es Dir denn, Herr Jesu, auch jetzt, was ich nach der Wahrheit bin, nämlich ein armer Sünder, der seinem Erbschaden nach durch und durch verdorben ist, von Natur keinen guten Funken in sich hat und keinen redlichen Blutstropfen; dem die Feindschaft gegen Dich angeerbt ist, der sich durch unzählige wirkliche Sünden entsetzlich verschuldet und die Hölle Millionen mal verdient hat, der daher in einem solchen Jammer liegt, daraus ihm keine Kreatur im Himmel und auf Erden helfen kann; der einen allmächtigen Arzt braucht, welcher ihn aus dem Grunde heile, nämlich Dich, Herr Jesu, Du Sohn Gottes, Du ohne Maß gesalbter Christus. Ja, so verschuldet bin ich, o Herr, dass Niemand als Du die ungeheure Schuldensumme für mich bezahlen kann. Wüsste ich nun Dein Bekenntnis nicht, so müsste ich in meinem Jammer verzagen und ewig verderben. Da ich aber aus Deinem Wahrheitsmunde weiß, dass Du mein Hoherpriester, Prophet und König, ja, der Sohn Gottes bist, dessen Leiden und Tun von unendlichem Werte für mich ist, so darf ich nicht verzagen. ja, mein Helfer, Du hast schon den Anfang gemacht, mir zu helfen, mich zu retten und zu heilen; Du wirst nun als ein guter Meister Dein Werk nicht liegen lassen, sondern mich in Deinen Händen unaussprechlich schön vollenden zu Deiner Ehre und meiner Seligkeit. Ja, wenn ich mich in Dir ansehe, so bin ich schon wirklich vollkommen gerecht, rein, heilig und selig. Da Du zum Tode verdammt worden, so habe ich in Dir und durch Dich das Leben, das ewige Leben. Halleluja.

Psalm 145.

Auch der leiblichen Not der Deinigen nimmst Du Dich an, o Herr Jesu, wie es der 145. Psalm lehrt und besingt. Das war immer Deiner Weise in Deinem Lehramte. Wenn Du einen Elenden vor Dir sahst, so hieß es zuerst: Sei getrost, deine Sünden sind dir vergeben; hernach halfest Du auch seinem leiblichen Elend ab. Damit bestätigtest Du Deine eignen Worte: „Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das Andere alles zufallen.“ So gibst Du denn auch am Kreuze Deiner betrübten Mutter einen andern Sohn an Johannes. Du hättest dies auch nach Deiner Auferstehung bestellen können; das schien aber Deiner Liebe gleichsam zu lange; Du wolltest die gute Maria gern auf der Stelle mit etwas erfreuen, und ihre Treue, dass sie unter Deinem Kreuze stand, gern sogleich vergelten, so gut Du es jetzt konntest. Da sehe ich wohl, dass es damit nicht getan wäre, wenn ich Tag und Nacht nach irdischen Dingen rennen und laufen wollte; Deine segnende Hand kann mich in einer Stunde reich machen. Du darfst nur sprechen: siehe, das soll dein sein; so ist es mein. Aber ohne Dein Geben und Sprechen will ich auch nichts haben; Du wirst mir das Nötige zu meiner Pflege nicht versagen. Lehre mich, mein Heiland, besonders auch in der Mittagsstunde, wo Du so liebreich für deine Mutter gesorgt, alle Gaben aus Deiner Hand empfangen und nehmen. Ach, Du einziger Erwerber alles Guten, wie oft hast Du mir schon in der Mittagsstunde den Tisch reichlich gedeckt, nicht nur zur Notdurft, sondern auch zu meiner Erquickung; aber wie muss ich mich vor Dir schämen, dass ich über dem Essen Deiner so wenig gedenke. O vergib mir diese Sünde und schenke mir die Gnade, dass ich jedes Mal meinen Tisch gleichsam vor Deinem Kreuze decke, und in jedem Bissen, den ich genieße, deine Liebe schmecken möge. Lass mich daher auch deine Gaben mäßig gebrauchen, und nicht den Bauch zum Gott machen, wodurch ich ein Feind Deines gesegneten Kreuzes werden würde. Dein guter Geist lehre mich auch hierin tun nach Deinem Wohlgefallen. Amen.

Psalm 146.

Ja, Herr Jesu, Du bist König ewiglich, unser Gott für und für. Du allein hast uns wieder den Zugang zu Deinem und Deines Vaters Herzen erworben, dass wir mit Dir und Ihm recht kindlich umgehen mögen, - denn ohne Dich wäre uns Gott ein verzehrendes Feuer und wir könnten kein Vertrauen zu Ihm fassen; durch Dich aber, Herr Jesu, haben wir den Zugang zum Vater und zu aller durch Dich erworbenen Gnade. Ach, lass uns doch Dein großes Versöhnungswerk recht offenbar und unser Herz davon recht kräftig überzeugt werden, dass wir von Herzen glauben, wir seien durch Dich mit Gott vollkommen ausgesöhnt, und dein Vater habe nun über uns lauter Gedanken des Friedens. Dadurch wollest du die uns angeborene Feindschaft und alles daher entstehende Misstrauen recht im Grunde heben, und uns kräftig reizen und locken, dass wir ungeachtet unserer Sünde dennoch mit allem unserem Elende zu Dir, unserem einzigen Sündentilger, und durch Dich zu dem lieben Vater kommen; denn Du hast ja die Scheidewand unserer Sünde abgetan und Alles aus dem Wege geräumt, was uns an der seligen Gemeinschaft mit Dir hindern will. Nun ist ja Dein und Deines Vaters Herz uns recht weit aufgetan und recht bereitwillig, uns auf- und anzunehmen und uns alle gläubigen Bitten zu gewähren. Nun erlaubst, ja gebietest Du uns gar, dass wir unser ganzes Herz vor Dir ausschütten und Dir Alles klagen, was wir auch dem vertrautesten Freude nicht sagen können. O ziehe mich nur besser zu Dir in Deine selige Gemeinschaft. Erhalte mich unverrückt an Dir, und lass mich in Dir gerecht und rein, in Dir voll Frieden, in Dir stille und ruhig, in Dir voll Liebe, Dir willig und von Herzen nachwandeln, in Dir stark und mächtig, auch recht treu und ernstlich Alles überwinden, dass mich nichts mehr in dem seligen Umgange mit Dir hindern oder den Frieden stören, viel weniger das Ziel verrücken könne. Amen.

Psalm 147.

Die vier letzten Psalme im Psalmbuch bilden ein Ganzes, sie fangen alle an und schließen mit Halleluja, sie bewegen sich nur in einem freudigen Tone, ohne Hintergrund der Wehmut, sie verbinden alle das Lob Gottes aus der Natur mit dem Preise seiner Gnade gegen sein Volk, sie beziehen sich alle auf ein großes Israel widerfahrenes Heil. Das Volk ist damals aus der Zerstreuung gesammelt V. 2., Jerusalem wieder erbauet, befestigt und gegen alle feindliche Anläufe gesichert V. 13. 14. Es ist also ein Tempelpsalm, bald nachdem Israel aus der babylonischen Gefangenschaft zurückgekehrt war und Jerusalem sich von neuem aus dem Staube erhoben hatte. Feurig und lieblich lobsingt er V. 1-6 Gottes Gnade, die an dem gebeugten Israel und seinen demütigen Verehrern sich als die Gnade des Allmächtigen offenbart, rühmt darauf V. 7-11 Gottes väterliche Güte auch gegen die verlassensten seiner Geschöpfe und wie Ihm gerade die Geringen unter den Menschen lieb sind, endlich tröstet er V. 12-20 das neu auferstehende Jerusalem mit dieses Gottes Beistand und erquickt sich an dem Gedanken, dass eben dieser allmächtige König sich dieses Volkes angenommen habe vor allen Völkern der Erde. – Nicht umsonst hat uns der h. Geist die Fürsorge und Regierung Gottes so oft vorhalten lassen, wie hier an den Sternen, Himmel, Wolken, Regen, Bergen, Vieh, Vögel, Schnee, Tau geschieht: wir sollen aus dem Allen den kräftigen Schluss machen, dass wir vielmehr Seiner allmächtigen, allweisen und getreuen Fürsorge und Regierung uns zu versehen haben. Mehr noch als Er die Sterne zählt und mit Namen nennt, zählt Er seiner Kinder Gedanken, Worte und Werke, ihren Eingang und Ausgang, ihre Seufzer und Tränen. Wie Er den Himmel mit Wolken bedeckt, so bedeckt Er auch zuweilen ihr Herz mit finstern Wolken des Kreuzes und der Traurigkeit, lässt aber doch das schmachtende Herz nicht ohne Erquickung. Wie Er für das Vieh und die Raben sorgt, so sorgt Er noch vielmehr für uns, die Er zum ewigen Leben berufen und erlöset hat. Wie Er durch einen warmen Wind Frost und Kälte ändert, so ändert Er auch gar leicht unser trostloses und kaltsinniges Herz durch seinen heiligen Geist, wärmt und erquickt es. Ach ja, stehe auf, Nordwind, und komm, Südwind, und wehe auch durch meinen Herzensgarten, dass seine Würze triefen. Amen.

Psalm 148.

Herr Jesu, mein Heiland und Seligmacher, nachdem die liebe Sonne mit ihrem Glanz von uns gewichen ist, treten an ihrer Stelle so viel tausend hell leuchtende liebliche Sterne auf, welche mir alle von Deiner unbegreiflichen großen Güte predigen. Denn die Himmel erzählen Deine Ehre und die Veste verkündigt Deiner Hände Werk. so stimme denn nun auch ich billig ein in den Preis Deiner Kreatur mit Lob und Dank für Deine überschwängliche Gnade, welche auch diesen Tag mein Himmel, meine Decke und mein Schutz gewesen ist. Denn von Rechtswegen hätten meine mannichfaltigen Sünden und Übertretungen nichts denn eitel Strafe verdient. Die wollest Du mir aber um Deiner heiligen Wunden, Deines vergossenen Bluts und ganzen teuren Verdienstes willen gnädig vergeben, und mir diese Nacht eine friedliche Ruhe und sanften Schlaf verleihen. Ich lege mich schlafen, mein Herr Jesu, mit dem Leib ins Bette, mit der Seele aber an Dein gnädiges Herz. Du bist bei mir auch in der Finsternis der Nacht mit Deiner Macht und Gnade. Wolltest Du aber etwa diese Nacht mich aus der Welt abfordern, wie ich denn Deinen verborgenen Willen, zu meinem eignen Besten, nicht wissen kann: so wollest Du mich, erhöhter Heiland, gezeichnet mit Deinem Blut zum ewigen Leben einführen. Wo nicht, soll ich nach Deinem göttlichen Gefallen noch länger leben, so lass mich morgen durch Deine Gnade gesund und fröhlich wieder aufwachen und aufstehen, und Dich mit freudigem Herzen loben und preisen. Hilf, dass die höllischen Feinde, die Du selbst überwunden hast, in dieser Zeit und alle Zeit weder an mir, noch an den lieben Meinigen, noch an allen frommen Christen einige Macht und Gewalt finden mögen.

So segne mich denn nun, Gott Vater, der Du mir Leib und Seele gegeben, und mich bisher gnädig erhalten hast. Es segne mich Gottes Sohn, Christus Jesus, der meinen Leib und Seele durch sein Blut sich zum Eigentum erkauft hat. Es segne mich Gott der Heilige Geist, der meinen Leib und Seele durch sich selbst zum ewigen Leben versiegelt hat! Diesem dreieinigen Gott sei Lob, Preis und Dank in Ewigkeit. Amen.

Psalm 149. 150.

Wie Israel in diesen Psalmen Dich lobte, o Herr, für das große Heil, das ihm zu Teil geworden war, so preise ich Dich insbesondere dafür, dass Du Deinen Ratschluss von unserm Heil durch die Predigt des Wortes uns offenbaren wolltest. Von Natur sind wir Finsternis, und sitzen am Ort der Schatten des Todes; Du aber vertreibst durch das helle Licht des Evangeliums jene Finsternis. Mit dankbarem Herzen preise ich daher jene große Wohltat, dass Du uns durch das Wort des Evangeliums den Schatz der Wohltaten Deines Sohnes geoffenbart hast. Ich war auf die Abwege der Irrtümer geraten, als ein elendes und schwaches Schäflein; Du aber hast mich durch das Wort auf den Weg zurückgerufene. Ich war verdammt und verloren; Du aber bietest mir im Wort des Evangeliums die Wohltaten Christi an; in den Wohltaten Christi Deine Gnade; in Deiner Gnade die Vergebung der Sünden; in der Vergebung der Sünden die Gerechtigkeit; in der Gerechtigkeit das Leben und die ewige Seligkeit. Wer kann diese Deine herzliche Barmherzigkeit mit Worten würdig preisen? Was hätte es uns genützt, geboren zu werden, wenn Du uns nicht durch Christum befreit hättest, die wir durch die Sünde gefangen waren? Was hätte es uns genützt, erlöst zu werden, wenn Du uns nicht die unermessliche Wohltat der Erlösung durch das Wort verkündigt hättest? Du reckst Deine Hände den ganzen Tag zu uns aus; Du klopfst täglich an die Tür unseres Herzens, und rufst uns Alle durch Dein Wort zu Dir, gütigster Herr! Wie viele Millionen Menschen leben in der Blindheit und den Irrtümern des Heidentums, denen kein solches Licht eines himmlischen Wortes erschienen ist, wie uns höchst Undankbaren Deine Güte gestattet hat! Ach, wie oft verdienen wir durch unsre Geringschätzung und Undankbarkeit, dass Du den Leuchter des Wortes von uns wegnehmest; Du aber bist langmütig, und übersiehst unsere Sünden, und bewahrst uns noch jene heiligste Beilage des Worts, den kostbarsten Schatz, aus unaussprechlicher Barmherzigkeit. Für diese Wohltat sagen wir Dir ewiglich Dank, und bitten Dich demütig, Du wollest uns denselben ferner erhalten. Amen.