Was hier der allerklügste König sagt: „Alles ist eitel,“ ist eben dasselbe, was Johannes schreibt: „Kindlein, habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist, denn die Welt vergehet mit ihrer Lust.“ Wo ist jemals unter allen, die in der Welt gelebt haben, Einer gewesen, der das mehr versucht hat, als Salomo? Er hatte es gewagt und sich ins Meer aller Eitelkeiten, auch mit Gefahr seiner Seele, hineingestürzt, ob er etwa in einigen Dingen ein beständiges Vergnügen finden möchte, und doch mußte er endlich seine Thorheit beklagen und Alles ganz eitel nennen. Er versuchte mit fleißiger Arbeit der Welt zu dienen; er bildete sich ein, daß gute Tage und Wohlleben ihn vergnügen könnten; er glaubte seines Lebens Lust in der Ehre und Herrlichkeit dieser Erde zu finden: Alles umsonst! O daß denn diese zentnerschweren Worte des weisen Herrschers möchten angeschrieben stehen in den Palästen der Großen, an den Wänden der Edlen, an den Läden der Kaufleute, an den Spiegeln der Stolzen, über den Tafeln der Schwelger: es ist Alles eitel, ganz eitel! Aber wie voll Blindheit und Thorheit, o Gott, Du höchstes Gut und bester Schatz unserer Seelen, sind doch unsere vereitelten Herzen Jahr aus Jahr ein! wie oft sehen wir die Welt und die irdischen Dinge nicht an in ihrem Nichts, sondern als etwas, das noch einiges Suchens und Liebens werth ist! Kaum haben uns die Stimmen Deines Worts und die Sünden Deiner Heiligen abrufen können, vorsichtig genug die gefährlichen Gruben zu meiden, in die so viele unvorsichtige Seelen sich gestürzt haben. Ach, nimm doch weg aus unserm Herzen alles, was Dir darin noch mißfällt, insbesondere alle sündliche Liebe zur Welt und ihrer Lust, und pflanze darin eine wahre und aufrichtige Liebe zu Dir, dem höchsten Gut, und Deiner allersüßesten Gemeinschaft. Laß das unsere einzige Freude sein, daß wir uns zu Dir halten und unser Vertrauen auf Dich allein setzen. Erwecke in uns ein heiliges Mißtrauen gegen die Welt und gib, daß wir uns dann am meisten fürchten, wenn sie uns am meisten liebkoset. Amen.
Im zweiten Kapitel zeigt Salomo die Nichtigkeit des Irdischen an seinem eignen Beispiele. Er beginnt mit der Weisheit und behauptet, sie sei kein Gut, sondern eine Plage. Denn der Gegenstand der Weisheit, die irdischen Dinge, ist nichtig, und diese Nichtigkeit tritt umso schärfer hervor, je tiefer sie erforscht werden. Die Weisheit, die nicht bei der Oberfläche der Dinge stehen bleibt, sondern ihnen auf den Grund geht, zerstört die Täuschungen, den beglückenden Wahn. So kann also der Besitz der Weisheit nur Kummer und Schmerzen eintragen. Je weiser, desto unglücklicher. In der Welt des Scheines ist ein weiser Mann ein armer Mann. Ist es mit der Welt nichts, so kann auch die Weltweisheit nicht viel werth sein. – Von der Weisheit wendet sich Salomo zum Besitz und Genuß der Güter dieser Welt. Alles hat ihm zu Gebote gestanden, er hat Freude gesucht und Sinnengenuß in großen Werken und Anlagen, in reichem Besitzthum, glänzenden Verhältnissen, aber nirgends hat er ein wahrhaftiges Gut gefunden, nirgends etwas, womit das Herz gestillt werden konnte, nirgends einen Ersatz für die mannichfaltige Qual und Unruhe, welche das Schaffen desselben bereitet. Der Gedanke an einen schlechten Nachfolger, den er nach der Welt Lauf zu erwarten hat und auch wirklich fand, an die mannichfachen Unfälle des Lebens, die oft in einem Augenblicke zerstören, was man mit so vieler Mühe geschaffen hat, an den Tod, für den kein Kraut gewachsen ist, an die Vergessenheit, welche in Zukunft nicht minder den Weisen deckt als den Thoren – alles dies vergällt ihm die Freude an seinen Schöpfungen. Da ist es doch besser, daß der Mensch, solchem Treiben und Jagen entsagend, dem Augenblicke lebt und die Freude genießt, die sich von selbst darbietet. Doch solch heitrer Genuß der Gaben Gottes steht auch nicht in der Menschen Macht, sondern kommt von Gott, der das Herz genußfähig machen und aus den Banden des Geizes erlösen muß. – Die Moral daraus ist: blicke nicht in schmerzlicher Sehnsucht auf Salomo und seine glänzende und vermeintlich freudenreiche Zeit. Ihr Reichthum an Freude ist, näher betrachtet, Eitelkeit. Der unscheinbare Quell der Freude, aus dem Salomo wirklich schöpfte, was er an Freude genoß, steht auch Dir noch offen in jedem, auch dem dürftigsten Verhältniß. Laß mich aus demselben schöpfen, o Herr, im neuen Jahre und allezeit. Amen.
In diesem Kapitel zeigt Salomo zuerst, daß für Alles, was der Mensch thut, eine von Gott bestimmte Zeit vorhanden sei, die man mit aller Arbeit und Mühe nicht verrücken oder ändern könne. Deßhalb darf er sich von seiner Thätigkeit nie einen bestimmten Gewinn versprechen V. 1-15. einer Ausgleichung dieses Mißverhältnisses darf man sich um so weniger getrösten, da der sterbende Mensch vor dem sterbenden Thiere nichts voraus hat. V. 16-21. Die Frage (V. 21): „wer weiß, ob der Odem der Menschen aufwärts fahre?“ ist nur vom Standpunkt gottloser Menschen aus geredet; kein Gottloser kann ja aus sich selbst irgend eine Gewißheit der Unsterblichkeit haben. Kap. 12,7 spricht Salomo es auf’s bestimmteste aus, daß der Geist zu Gott zurückkehrt, der ihn gegeben hat. Aus dieser Abhängigkeit des Menschen von Gott zieht er V. 22 den Schluß, daß derselbe nichts Besseres thun könne, als die Gegenwart weise zu benutzen und sich mit Sorgen um die Zukunft nicht zu quälen, sondern fröhlich zu sein bei seiner Arbeit. Denn nur der Augenblick, den wir in der Zeit leben, ist unser Eigenthum. Jede verlebte Stunde sinkt unwiderruflich ins Meer der Vergangenheit, die Zukunft ist ungewiß, und darum der ein Thor, welcher die Gegenwart ungenutzt vorübergehen läßt, in eitler Zerstreuung vergeudet oder in nutzlosen Klagen vertrauert. Dem wahrhaft Weisen ist jeder Augenblick heilig, um ihm Samen für die Zukunft anzuvertrauen, ums eine Freuden mit Dank zu genießen, seine Leiden mit Gelassenheit zu tragen und aus der Trübsal Segen zu ziehen für den inwendigen Menschen, da ja für den Christen jedes Leid eine verhüllte Gnade ist. Gib mir denn, o Herr, solche Weisheit, daß ich von den Ameisen lerne fleißig sein, so lange der Sommer meines Lebens währt, damit ich im Winter der Ewigkeit nicht darben müsse. Laß mich von den Kranichen und Schwalben lernen, die Zeit wohl in Acht zu nehmen, die kurze, bald verschwindende Gnadenzeit; und wenn ich einmal sterbe, von meiner Geistessaat das ewige Leben erndten. Amen.
Dies Kapitel enthält verschiedene Beispiele der Nichtigkeit und des Elends des menschlichen Lebens, welche noch immer sich wiederholen. Einerseits viel Druck und Jammer, neben unruhigem Trachten nach Glück auf rechten und unrechten Wegen, verbunden mit Lebensmüdigkeit und Aufgeben aller Lebenspläne; andrerseits eine peinigende Sucht, es Anderen zuvorzuthun, oder in grober Selbstsucht und Geiz sich auf sich selbst zurückzuziehen, wodurch man nur kälter, liebeleerer, mürrischer und unseliger wird; endlich falsche, eitle Vertröstung auf vermeintlich bessere Zukunft und eitle Hoffnung des kommenden Bessern im Vergleich mit dem drückenden Gefühle der Gegenwart, indem man von einer andern Regierung oder Verfassung alles Heil erwartet, statt von einem andern, neuen Herzen und Leben in Gott. So machen sich die Menschen meist selbst aus der Welt ein Thränenthal, wo eine Noth der andern die Hand bietet. Wir klagen über die Bosheit unseres eignen Herzens, durch die wir so oft genöthigt werden, harte und dem Fleisch und Blut unangenehme Wege zu gehen. Wir sehen in der argen Welt oft Thränen derer, die Unrecht leiden, aber wir sehen nicht die Ursachen, warum Gott solch Unrecht verhängt; wir sehen die Gerechtigkeit der Sache, aber nicht die Ungerechtigkeit der Personen, die wegen anderer Sünden wohl tausendmal mehr Züchtigungen verdient hätten; wir erfahren alle Tage, daß Gerechtigkeit nur ein Volk und einen Menschen erhöhet, die Sünder aber der Leute Verderben ist, und doch macht Schaden uns nicht klug, und wir wiederholen nichtsdestoweniger dieselbe Sünde und ziehen uns dieselben Strafen wieder zu. O Herr, öffne uns doch die Augen, daß wir sehen lernen, und die Herzen, daß wir auf die Stimme Deines Worts und der Erfahrung achten und dadurch klug werden, damit wir immer mehr uns selbst verläugnen, und nicht nach den Schätzen trachten, welche die Motten und der Rost fressen, sondern allein nach Dir und Deiner Gnade, und Deinen Willen zu dem unsrigen machen. Amen.
Aus der langen Erfahrung hatte Salomo sich allgemeine Grundsätze abgezogen, welche er auf Beispiele des Lebens zurückführt. Am eingehendsten hatte er die Hoheit des Reichthums kennen gelernt; daher ist der Hauptgedanke dieses Kapitels der: „Was sind dieses Lebens Güter? Eine Hand voller Sand, Kummer der Gemüther.“ Daneben stellt er spezielle Lebensgrundsätze auf, insbesondere verständige Abwartung des Gottesdienstes V. 17, herzliches und aufrichtiges Gebet V. 1. 2, gewissenhafte Erfüllung der Gelübde V. 3-6. Endlich warnt er vor unersättlicher Geldgier V. 7-16, und empfiehlt weisen Genuß der Gegenwart. Wir wollen seine Ermahnungen zu Herzen nehmen, wollen alle kümmerlichen und herzfressenden Sorgen weit weg aus unserm Herzen verbannen, und unsere Hoffnung auf den Herrn setzen, der als der Allmächtige für uns sorgen kann besser, als wir selbst, und als der Allgnädige uns in unserm Vertrauen zu Ihm nicht wird zu Schanden werden lassen. Wenn wir durch Buße, Glauben, Gebet und heiligen Wandel seine Gnade befestigen, in unserm Beruf treu und fleißig arbeiten, so wird ein fröhliches und in Gott vergnügtes Herz unsere Freude sein. Uebergibst Du uns, o Gott, nimmermehr an uns selbst, hältst Du uns bei Deinen Rechten, bewahrst Du uns davor, die Weltfreude für unsere Lust zu achten, ist vielmehr das unsere höchste Freude, daß wir an Dir einen gnädigen Gott im Himmel und bei unserm bescheidenen Theil auf Erden ein zufriedenes und fröhliches Herz haben, - was wollen wir hienieden mehr wünschen? Das Loos ist uns dann gefallen aufs lieblichste, und es ist uns ein schönes Erbtheil geworden. Darum gib und erhalte in uns solche Gewißheit Deiner Gnade und solche Genügsamkeit bei aller unserer Mühe und Arbeit, versüße uns dadurch alle Bitterkeit der Welt, daß wir nicht allzuviel denken an dies elende Leben, sondern in fröhlicher Hoffnung stets hinaufsehen und das bessere Leben droben im Himmel erwarten. Amen.
Wieder Worte voll reicher Wahrheit und Lebensweisheit! Zur Bekämpfung des thörichten Strebens nach Reichthum stellt Salomo noch einmal lebhaft dar, wie der Reichthum doch nur durch seinen wirklichen Genuß etwas werth sein könne; der sei aber zweifelhaft, indem so Viele dazu nicht kämen oder nur Qual davon hätten, sich getäuscht den Tod wünschten und in Verzweiflung dächten: für solch nichtiges, wenn auch noch so langes Leben lieber gar keines! Demuth vor Gottes Macht, die es allen Menschen in diesem Stücke gleich gehen läßt zur Läuterung, ist das Beste. Und darum, lieber himmlischer Vater, will ich allezeit auf Dich sehen; von Deiner Hand habe ich was ich habe, und besitze es, so lange es Dir beliebt: laß mich nicht in Eigenliebe verfallen, daß ich meinem Laufen und Rennen zuschrieben sollte, was ich allein durch Deinen Segen habe. Nein, Herr, nicht mir, sondern Deinem Namen die Ehre. Mache Du meiner Seele recht verhaßt das schändliche Laster des Geizes, welches so viele unvorsichtige Gemüther in die Hölle gestürzt hat; denn warum sollte ich meine Seele mit dem Frohndienst Mammons belegen, die doch der Sohn Gottes frei gemacht hat? warum sollte ich im Finstern sitzen und der Sonne nicht froh werden, da Du mich zum Licht berufen hast und die Sonne der Gerechtigkeit mein Herz erfreut? Gib mir ein demüthiges und zufriedenes Herz, damit ich mich des eitlen Reichtums nimmermehr überhebe, sondern durch irdischen Segen aufgemuntert werde, Dich mehr zu lieben und zu loben und Deinen Namen mehr zu verherrlichen. Laß mich als einen treuen Haushalter meine Gabe und mein Talent, so klein es auch sein mag, zu einem heiligen Wucher anlegen, damit ich am Tage der großen Rechenschaft als ein treuer Knecht eingehen möge zu Deiner Freude. Laß gelingen alles, was ich mit Dir, o Gott, anfange, und gönne mir die Wonne, daß ich die Frucht meiner Arbeit sehen möge in Deinem Segen. Ich weiß nichts, Du aber weißt alles; ich bin nichts, Du bist Alles; ich thue nichts, Du thust Alles; durch Deine Gnade bin ich allein, was ich bin: möge sie denn an mir niemals vergeblich sein! Amen.
Auch dies Kapitel enthält Aussprüche über die Weisheit des Lebens, oder die Kunst, glücklich zu sein, wobei der Prediger insbesondere V. 1. 2. zur Erstrebung eines guten Rufs ermahnt, dann V. 3-7 vor Umgang mit gottlosen Menschen warnt, V. 8-11 Gelassenheit empfiehlt, V. 15-19 auf die Nachtheile zu großer Strenge aufmerksam macht, und V. 20-30 kluges Nichtachten auf manche Urtheile der Welt fordert. Sehr wahr ist es, daß die Freude und das Glück der Welt einem Flackerfeuer gleicht, das heftig auflodert, aber schnell verlöscht; daß die Heiden und alle Ungläubigen ein thöricht Volk sind, weil sie ihrer eignen Vernunft überlassen und von dem Quell aller Weisheit abgeschnitten sind, unter Israel aber, dem Volke der Offenbarung, und allen Kindern Gottes die Weisheit ihren Sitz aufgeschlagen hat. Der Vorzug der Gläubigen und Frommen ist namentlich, daß ihnen die Zukunft angehört; denn wo die Weisheit ist, da muß auch seiner Zeit sich das Leben einstellen, die Fülle des Heils, der Sieg über die Welt, so gewiß als Gott dem Volke, dem Er die edelste Gabe gegeben, die niederen nicht versagen wird. Ein weiser Mann ist ein starker Mann, sollte er auch noch so schwach von außen anzusehen sein. – Zugleich ist der doppelte Trost wahr, mit welchem Salomo in den Leiden tröstet; einmal der Trost, daß im Leiden die Gerechtigkeit Gottes sich offenbare, welche auch bei den Frommen die Sünde, die noch in ihnen wohnt, nicht ungestraft lassen kann; dann der andere, daß jedes Leiden eine verhüllte Gnade ist, ein unentbehrliches Mittel der Förderung, welches Gott den seinen nicht ohne Härte entziehen kann. Denn des Vaters Liebesruth ist uns allewege gut. Wahre Christen nennen daher das Kreuz das liebe Kreuz; es stimmt zum Ernste, es führt zur lebendigen Erkenntniß der Nichtigkeit alles Irdischen, es drängt an Gott heran und eröffnet in der Gemeinschaft mit Ihm den einen Quell wahrhaftiger Freude. – Heilige denn, o Herr, alle unsere Freude und unsere Traurigkeit; jene, daß wir nicht anders als in Dir uns freuen, diese, daß wir auch rühmen können mitten in der Trübsal und sie uns zum Besten diene. Amen.
Nachdem Salomo zum rechten Gehorsam gegen die Obrigkeit um des Gewissens willen ermahnt hat, auch wenn sie gewaltthätig verfährt, versichert er im obigen Kapitel; wer ruhig in dem Gebote Gottes bleibt und nicht von Menschengunst sich abhängig macht, weiß, daß ihm Niemand wesentlich schaden könne, daß Gott jeder Sache ihre Zeit bestimmt hat, also auch dem Unrecht, daß etwa ein Mensch thun kann; daß außerdem einmal viel Uebles dem Menschen auferlegt ist, in das er sich finden muß. Dabei berührt er die oft erhobene Bedenklichkeit, ob Gott wirklich gerecht sei, da die Erfahrung lehre, daß die Strafen der Gottlosen nicht allein aufgeschoben werden, sondern es ihnen auch wohlgehe und den Frommen dagegen mehrentheils schlecht, und übel; woraus dann zu schließen sei, daß zwischen den Frommen und Gottlosen kein Unterschied sei oder gehalten werde, und es nicht darauf ankomme, ob man Gottes Gebot halte oder nicht. Darauf antwortet er nun und gibt die Thatsache zu, fügt aber hinzu, daß der Weise sich dadurch nicht im Geringsten irre machen lassen soll an der gerechten Vergeltung Gottes, vielmehr sich bescheiden solle, daß auch diese Thatsache ein Stück der Eitelkeit alles Irdischen sei, und daß ein gewisses Maß von Freude Gott einem Jeden in seiner Mühseligkeit schenke, es komme nur darauf an, daß er, das Geringe dankbar hinnehmend, sich unter Gottes gewaltige Hand demüthige, und unter dem Elend dieser Welt, das er ausstehen müsse, gutes Muthes in und mit Gott sei, und das, was er von Ihm empfang, auf erlaubte Weise genieße. – Wie wichtig und lehrreich! Gebet’s denn den Gottlosen, als hätten sie Werke der Gerechten, so gib, o Herr, daß wir uns an ihrem Scheinglück nicht ärgern, sondern bedenken, daß nicht die Welt, sondern der Himmel der Ort der Gnadenbelohnung sei. Laß uns in der Welt niemals suchen, was sie nicht hat, nämlich etwas Vollkommenes; uns aber auch nie vergessen, daß auch unser Wissen lauter Stückwerk ist. Herr, wenn wir Dich haben, dann haben wir Alles, und wir brauchen nichts mehr zu fragen nach Himmel und Erde. Amen.
Salomo führt seine Betrachtungen über die Unerforschlichkeit der Weltregierung Gottes weiter aus in diesem Kapitel. Der forschgierige Mensch möchte so gern in Gottes Geheimniß-Cabinet eindringen und hienieden schon völlig und überall begreifen, wie Gott waltet, warum so oder so? Umsonst; er weiß nicht einmal, was im Innern der Menschen ist, die vor den Augen sind, viel weniger, was in Gott ist, ob er in Liebe oder Haß bei Gott stehe. Gott regiert alle Dinge; die Werke der Menschen ordnet und vergilt Er nach Seinem Wohlgefallen; und es ist durchaus eine Sache des Glaubens, und nicht des Schauens, die göttliche Weltregierung in ihrem Walten hienieden zu erkennen. Der Glaubende und Gott Alles Vertrauende thut immer hellere Blicke in die Gründe Seines Verfahrens; daher alle diejenigen, welche an diesem Glauben nicht festhalten, darüber toll werden und in dem Tode nichts als den Untergang all’ ihrer Freude und Hoffnung erblicken. In diesem Bewußtsein, daß Alles in Gottes Hand stehet, und nur von Ihm uns gegeben wird, daß an Seinem Segen Alles gelegen ist, daß wir Ihm unser Leben, unsere Ausbildung, die Verhältnisse und Umstände, unter welchen wir unsere Fähigkeiten anwenden, und den Erfolg unserer Bestrebungen verdanken, daß Er ja unserm Thun Sein Ja und Amen geben muß, wenn es gelingen soll, können wir, von allen Sorgen und Zweifeln frei, freudig unsere Berufspflichten heilig achten und mit gewissenhaftem Fleiße erfüllen, und unter allen Verhältnissen dann auf des Herrn Gnade warten. Des Christen ganzes Leben ist auf diese Weise eine Arbeit für Gott; und wie wechselnd und beschwerlich es auch ist, der Herr blickt freundlich auf ihn herab und nimmt auch den kleinsten Dienst an, der um Seinetwillen gethan ist. Herr, hilf mir denn also meine Zeit auskaufen, dann wird weder die Thätigkeit am Tage, noch die Erholung am Abende jemals verlorne Zeit sein. Amen.
Göttlich-Weise und ungöttliche Narren sind sich in Allem entgegengesetzt: diesen Satz führt Salomo im zehnten Kapitel in Sentenzen aus. Er beklagt das Unglück, wenn Unwürdige die höchsten Stellen einnehmen, während Würdige in niederen Posten stehen V. 5-7; da solche Mißgriffe, wie Alles, was ohne Vorsicht und Umsicht geschieht, von nachtheiligen Folgen begleitet sein müssen, V. 8-111; wie dies in der Rede der geschwätzigen Thoren deutlich an den Tag tritt, da nur der Weise sich durch seine Worte Gunst zu erwerben vermag V. 12-15. Schließlich wird das Land glücklich gepriesen, an dessen Spitze ein edler König und weise Minister stehen, da unwürdige Führer den Staat in Verfall bringen. V. 18-20. Salomo mag dabei wohl an seine Thronfolger Rehabeam und Jerobeam gedacht haben, obwohl es für alle Zeiten gilt. Aus der tiefen Rührung, mit der er dies sagt, läßt sich schließen, daß er mehr die Zukunft seines eignen Reichs, als eines idealischen, in Gedanken gehabt habe. Denn er wußte schon, wie es werden, wo es hinausgehen würde. Er hatte bei den einzelnen Aussprüchen gewiß Zweck auf gewisse Menschen, für die er zunächst einzelne Dinge schrieb, die es lesen sollten, und die es auch verstehen mußten, wenn sie es lasen. Die häufigen Wiederholungen des: „wer weiß, was künftig ist? was nach ihm geschehen wird? wer will ihm das entdecken?“ zeigen, wie sehr Salomo durch solche Gedanken bekümmert gewesen sei. – Segne denn, o Herr, und oberster Regent aller Welt, auch unser König und Herrn, und durch ihn unser ganzes Vaterland; und da Du uns alle zu geistlichen Königen gemacht hast, die Kriege genug tagtäglich zu führen haben, um die kleine Festung des menschlichen Herzens wohl zu verwahren, so bewahre uns vor Nachlässigkeit in unserm Christenthum, damit wir nicht in einen großen Schlaf der Sicherheit hineinfallen, sondern unsere Seligkeit schaffen mit Furcht und Zittern. Dann wirst Du uns geben, was unser Herz wünscht, hier die süße Empfindung Deiner Gnade und dort ein Gesicht Deiner ewigen Herrlichkeit im Himmel. Amen.
In diesem Kapitel zeigt Salomo die besseren Mittel, wie man ohne eitles Sorgen und Grämen eine weise Anstalt fürs Zukünftige zu machen habe, und zwar erstens durch Wohlthätigkeit gegen Arme V. 1-6, durch fleißige Arbeit V. 6, erlaubte, aber mit Gottesfurcht geheiligte Freudigkeit V. 7-12,7. Die Schlußverse enthalten einen zusammenfassenden Beschluß: alles Irdische, wenn es auch lieblich wäre, ist doch eitel durch Vergänglichkeit und Wechsel V. 8. Die höhere Freude darin ist das Beste; darum suche sie von Gott, indem du sein Gericht fürchtest, die Sünde meidest, und in Demuth genießest V. 9. Und dann kannst du das Bisherige gerade umkehren und dich freuen, weil deine Jugend nur vergänglich ist mit ihren irdischen Gütern und als Morgenröthe ein schöneres Licht vorbereiten will. V. 10. Der Schluß aus allem bisher Betrachteten ist: Richte so früh als möglich aus aller irdischen Eitelkeit den Blick zu deinem Schöpfer, daß du nicht erst, wie Salomo, durch lange, schwere Erfahrung klug werdest. – Herzlich sagen wir Deinem Namen Dank, o Herr, daß Du an uns gedacht hast in unserer Jugend, ehe wir an Dich denken konnten, und uns von Kindesbeinen an hast auf Adlers Flügeln getragen und lassen an Seilen der Liebe gehen. Unser Leben ist eine Reise durch die Wüste dieser Welt nach dem Canaan des Himmels; wenn wir in einer geheiligten Andacht auf unsern Pisga steigen, und an die Wege denken, die wir zurückgelegt haben, so sind wir wahrlich ein rechtes Wunder vor Deinen Augen, ein Wunder wie Deiner Allmacht, so Deiner Liebe. Wie treu und gnädig hast Du uns bewacht, geleitet, beschützt, zu Dir gezogen und erhalten bis auf diese Stunde! Herr, gedenke nicht der Sünden unserer Jugend und unserer vielfachen Uebertretungen, sondern gedenke unserer nach Deiner Güte und Barmherzigkeit. Hilf uns auch ferner durch diese arge und gefahrvolle Welt hindurch, bis es einmal heißt: Es ist genug, genug gekämpft und gelitten, gehe ein zu deines Herrn Freude. Amen.
Der Prediger Salomonis ermahnt in diesem letzten Kapitel die Jugend zur frühen Gottesfurcht; denn sie sei die Zeit der Frische und der Kraft, welche empfänglicher mache für Gemeinschaft mit Gott und fähiger, Wechsel und Verlust des Zeitlichen würdig zu tragen. Er schildert die Beschwerden des Alters nach Erfahrung. Zuerst seine trübe Stimmung: der Lebenshimmel ist trübe und mit Wolken bedeckt (V. 2.) Dann die Schwachheit der Hände und Füße; Kopf und Arme zittern, die Füße können die Last des Körpers kaum mehr tragen (V. 3); - den Mangel der Zähne: die Müller stehen müßig; - die Dunkelheit der Augen: die Gesichter werden finster durch die Augenlieder; - die eingefallenen Lippen: die Thüren nach der Gasse werden geschlossen (V. 4); - die schwere Aussprache: die Stimme wird leise; - die Schlaflosigkeit: Greise erwachen schon mit dem leisen Morgengesang der Vögel; - die Harthörigkeit: es erfreuen sie nicht mehr die Sängerinnen; - den Schwindel: sie scheuen sich vor den Anhöhen und fürchten sich vor jedem Wege (V. 5); - die weißen Haare, wie beim verblühenden Mandelbaum; - den krummen Rücken, wie bei der Heuschrecke, die im Frühlinge über breite Meere fliegt, aber im Herbste, wenn sie alt, fett und schwer geworden, hineinstürzt; - und die Verdrossenheit zu allen Dingen: es verliert sich endlich alle Lust und Begierde. Denn der Mensch geht in sein ewiges Haus, seinen Tod kündigen die an, die ihn auf den Straßen beklagen. Es hören endlich alle Lebensbedingungen, besonders das Atemholen, auf, wie beim Ziehbrunnen, wenn Rad, Eimer und Strick nicht mehr in gutem Stande sind. (V. 6.) Denn der Staub muß wieder zur Erde werden: wie demüthigend! – aber der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat: wie tröstend und aufrichtend! (V. 7). – Das Buch schließt mit der Nachweisung der Erfahrung und Weisheit seines Verfassers, daß seine Worte wahr und gefällig, auf Eingeben des h. Geistes geschrieben, Spieße, d.h. Leiter und Führer auf dem Lebenswege, wie Stachel, die das Zugthier leiten, und Nägel, die im Herzen haften, seien, und daß sie die Hauptsache des ganzen Lebens lehren, die Gottesfurcht innerlich und das Halten der Gebote äußerlich. Mögen sie auch uns das sein immer und ewiglich! Amen.