Ein geheimnißvoller Ausspruch ist im 9. Verse enthalten: „Michael aber, der Erzengel, da er mit dem Teufel zankend sich beredete über den Leichnam Mosis, wagte nicht ein Urtheil der Lästerung zu fällen, sondern sprach: der Herr schelte dich.“ Der Apostel berührt hier einen Vorgang, dessen sonst in der h. Schrift keine Erwähnung geschieht. Ob Judas die Kunde davon einer alten Ueberlieferung oder einer unmittelbaren göttlichen Offenbarung verdankte, verschlägt für die Glaubwürdigkeit der merkwürdigen Geschichte nichts, da sie in einer apostolischen Schrift verzeichnet steht. Der Erzengel stritt mit dem Erzfeinde aller göttlichen Ordnung um den Leichnam Mosis, vielleicht in dem Augenblick, als Gott sich anschickte letzteren aufzuerwecken und zu verklären; also wahrscheinlich unmittelbar nach Christi Auferstehung, wo viele Leiber entschlafener Heiligen neubelebt aus ihren Gräbern hervorgegangen sind. Da tritt Satan dazwischen und legt Protest dagegen ein, vielleicht weil Moses durch den ihm versagten Einzug in’s gelobte Land vor dem ganzen Volke als Sünder bezeichnet worden war; Michael beginnt zu Mosis Gunsten mit dem Fürsten der Finsternis zu rechten und bekämpft den Verkläger mit der Waffe der Vermittlung des Sohnes Gottes, wirft für seinen Schützling das Opfer des Lammes in die Waagschale, und spricht: Der Herr, nämlich Christus, der dorngekrönte Bürge, schelte dich, du Satan. Und freilich gegen das blutige Versöhnungswerk und die priesterliche Verwendung Christi für den Sünder konnte der Satan nicht weiter an. Der Allmächtige sprach sein Schöpferwort über dem Grabe Mosis, die Verwesung floh, und was in Unehre und Schwachheit gesäet worden war, stand in Macht und Herrlichkeit wieder auf. – Die Erkauften Christi sind Gottes nach Leib und Seele. Lebendig oder todt: sie ruhen in Seiner Liebe Schoß. Auch ihres im Grabe modernden Gebeins vergißt Er nicht. Sie sind dem Herrn heilig; sie bleiben’s in Ewigkeit! Amen.