Im Propheten Jeremia am 20. lesen wir, daß er, der heilige Prophet, nachdem er aus Gottes Befehl geweissaget hatte dem Könige Zedekia und dem ganzen Volke und sie gestrafet wegen ihrer Sünde, auch ihnen die Verwüstung der Stadt und das babylonische Gefängniß verkündiget, da habe ein Oberster im Hause des Herrn mit Namen Passur den Propheten Jeremias geschlagen und in ein Gewölbe gefangen gelegt, da habe der Prophet solches Gott dem Herrn in seinem Gebete vorgetragen, und gesagt: Ach Herr, du Hast mich überredet, und ich habe mich überreden lassen zu weissagen, aber ich bin darüber zu Spott worden, und Jedermann verlachet mich. Ich höre auch, wie mich viel schelten, und allenthalben schrecken und sagen: Hui, verklaget ihn. Wir wollen ihn verklagen, sprechen alle meine Freunde und Gesellen, ob wir ihn übervortheilen und ihm beikommen mögen, und uns an ihm rächen. Aber der Herr ist bei mir als ein starker Held, und nun Herr, der du die Gerechten prüfest, Nieren und Herzen siehest, laß mich deine Rache an ihnen sehen, denn ich habe dir meine Sache befohlen. Rühmet den Herrn, der des Armen Leben aus der Boshaftigen Händen errettet!
Dieser Prophet Jeremias ist mit seiner Weissagung und Verfolgung ein Vorbild unsers Herrn Jesu Christi, welcher auch gefangen und gebunden zu den Hohenpriestern geführet wird, und um seines Bekenntnisses willen nicht allein in's Angesicht geschlagen, sondern auch darüber greulich verspottet und verachtet wird, und haben die Hohenpriester alle List versucht, wie sie ihn möchten verklagen vor Pilato, und um's Leben bringen. Wie aber Jeremias sagt, Gott sei bei ihm gewesen als ein starker Held und ihn aus der Boshaftigen Händen errettet: also tröstet sich auch der Herr Christus der Hülfe und Errettung, und daß er Gottes Rache an seinen Feinden sehen werde.
Wir wollen für diesmal drei Stücke hören:
Der Herr Christus ist zweimal gebunden worden. Erstens im Garten, da sie ihn griffen, darnach im Hause Hanna des Hohenpriesters, denn Hannas hat ihn gebunden gesandt zu dem Hohenpriester Kaiphas. Sie banden aber seine heiligen Hände als einem Uebelthäter, welches eine große Gewalt und eine große Schmach ist. Die Ursach aber seiner Banden sind unsere Sünden. Die bösen Leute haben ihn zwar mit Stricken gebunden, aber unsere Sünden haben ihn so hart gebunden mit Stricken des Todes. Wie am 116. Psalm geschrieben ist: Stricke des Todes überwältigten mich, der Höllen Bande umfingen mich. Unsere ersten Eltern hatten ihre Hände ausgestreckt nach der verbotenen Frucht, und hatten der Freiheit ihrer Hände mißbraucht. Solches zu büßen muß der Herr Christus diese schmählichen Bande an seinen heiligen Händen leiden. Ach, unsere Hände haben geraubet! Was haben diese heiligen Hände gethan? Sie haben Aussätzige gereiniget, der Blinden Augen aufgethan. Unschuldig sind sie gebunden um unsertwillen. Er muß bezahlen, was er nicht geraubet hatte.
2. Wir wären auch mit Stricken des Todes und mit der Höllen Banden und mit Ketten der Finsterniß gebunden geblieben in Ewigkeit, wenn sich Christus unser Herr nicht hätte für uns binden lassen. Darum sagt der 116. Psalm: Du hast meine Bande zerrissen. Gleichwie Simson Richt. 15, da ihn seine Brüder, die Männer von Juda, mit neuen Stricken banden, und ihn den Philistern übergaben, und die Philister über ihn jauchzeten, gerieth der Geist des Herrn über ihn und zerreißt die starken neuen Stricke, als wenn's einzelne Faden gewesen wären. Also hat dieser starke himmlische Simson durch seine göttliche Allmacht auch unsere Bande zerrissen, und uns in die ewige Freiheit gesetzet.
3. Die Anklage des Gesetzes, die Hölle und Tod, das sind starke Bande, damit unser Leib und Seele gebunden ist, aber Christus hat dieselben zerrissen und kraftlos gemacht, und uns die geistliche ewige Freiheit erworben, daß unser Gewissen frei ist von des Gesetzes Anklage, von dem Schrecken und Vermaledeiung, und von der grausamen Furcht des ewigen Todes. Denn gleichwie sich ein armer Gefangener allezeit fürchten muß vor dem Henker und vor seiner Marter, auch vor dem Gericht und Urtheil, und dann vor der Schmach und Tode: also hätten wir uns in Ewigkeit fürchten müssen vor dem Henker dem Teufel, der Qual des ewigen Todes, vor Gottes ewigem Zorn, wo uns Christus durch seine Bande von diesen höllischen Banden nicht hätte losgemacht. Ach, ein böses Gewissen, und die stetige Furcht und Angst sind schreckliche Bande der Seele; davon hat uns Christus erlöset. Die Vergebung der Sünden, das Blut Christi löset diese Bande auf, und machet das Gewissen frei und fröhlich. Sach. 9: Du lässest aus deine Gefangenen durch's Blut des Bundes aus der Grube darin kein Wasser ist. Dessen freuet sich David im 116. Psalm: Sei nun wieder zufrieden meine Seele, der Herr thut dir Gutes. Er hat deine Seele vom Tode errettet, deine Augen von Thränen, deine Füße vom Gleiten. Ich werde nun wandeln im Lande der Lebendigen immer und ewiglich. Von dieser geistlichen Freiheit sagt der 124. Psalm: Unsre Seele ist entronnen wie ein Vogel vom Netz und Strick des Voglers. Strick ist entzwei und wir sind frei, des Herrn Namen stehe uns bei, des Gottes Himmels und der Erde.
Als der Herr sich verantwortet wegen seiner Lehre und sagt, er habe ja frei öffentlich geredet, und beruft sich auf's Volk, ob sie etwas Unbilliges von ihm gehört hätten, das wider den Kaiser und zum Aufruhr geredet wäre, oder wider Mosen, da sollte der Hohepriester Nachfrage haben. Da giebt ihm der Diener einer einen Backenstreich und spricht: Sollst du dem Hohenpriester also antworten? Der Herr spricht: habe ich übel geredet, so beweise es, daß es unrecht sei; habe ich aber recht geredet, warum schlägst du mich? Der Herr will soviel sagen: ich kann ja nichts anders antworten, ich berufe mich auf's öffentliche Zeugniß des ganzen Volk's, was soll ich mehr thun? Das ist ja billig und nicht unrecht, warum schlägst du mich denn?
Ach, lieber Herr, du darfst nicht fragen, warum du geschlagen wirst. Der Prophet Jesaias antwortet am 53. Cap.: Er ist um unsrer Missethat willen geschlagen. Wir haben unrecht geredet und sollten billig in unsre Angesichter ewig geschlagen werden, du aber hast die Schläge erlitten. Adam hatte sein Angesicht wider Gott aufgerichtet durch Hoffart und Ungehorsam, und des Teufels Lügen zugehöret, darum mußte Christus in's Angesicht geschlagen werden. Ach, was hat ein Mensch, wenn er seinen eigenen Lüsten folget? Ein wild, frech und frevel Angesicht, darum hat Christi Angesicht müssen geschlagen werden. Aus manches Menschen Augen und Angesicht bricht hervor Zorn und Grimm, und der Mensch verstellet sein Angesicht scheußlich wie Cain, wenn er zornig ist. Siehe, darum ist Christus in sein freundliches Angesicht geschlagen worden. 5. Mose 25 hat Gott der Herr ein solch Gesetz gegeben, wenn einer vor Gericht böse und gottlos erfunden würde, sollte ihn der Richter heißen niederfallen, und man sollte ihn öffentlich schlagen vor Gericht und ihn schamroth machen. Wir sind die Uebelthäter, die wir alle in Gottes Gericht böse und gottlos erfunden werden, Christus aber nimmt die Schläge auf sich, unsre Bosheit zu büßen und uns von den ewigen höllischen Schlägen zu befreien. Bedenke auch, lieber Christ, das Angesicht, das geschlagen ist um deiner Sünde willen, ist es nicht das Angesicht, das auf dem Berge Tabor heller leuchtete denn die Sonne? Ist's nicht das Angesicht, davon der Psalm sagt: Du wirst mich erfüllen mit Freuden deines Angesicht's? Ebenso, laß leuchten dein Antlitz über uns, so genesen wir? Und das wir an jenem Tage der großen Herrlichkeit werden anschauen? Wie könnten wir in Ewigkeit genugsam einem so freudenreichen, tröstlichen, freundlichen, holdseligen, lieblichen, herrlichen Angesicht für die erlittenen Schläge danken!
Erstlich ist hier zu bedenken die Gelegenheit dadurch Petrus zu dem erbärmlichen Fall gekommen ist. Er gesellet sich zu den Gottlosen und wärmet sich bei ihrem Feuer. Es wäre besser gewesen er hätte bedacht, was der Herr ihm sagte: Wachet und betet, daß ihr nicht in Anfechtung fallet. Mancher denkt, es sei ein groß Werk der Welt Gunst haben, soviel lustige gute Gesellschaft in der Welt haben, daß man kann fröhlich sein, großer Leute Freundschaft haben, denn das stehet stattlich und ehrlich vor der Welt, giebt einen großen Namen und Ehre, machet berühmt, genießet auch ihre Wohlthat, wird reich dadurch und das heißet sich bei ihrem Feuer wärmen. Aber das ist sehr gefährlich, denn wer der Welt und hoher Leute Gunst haben will, der muß sich Alles gefallen lassen, was sie thun, darf nicht viel dawider reden; kommt's dann dazu, daß Christus und sein Wort verfolget wird, und er will Gunst, Ehre und Reichthum behalten, so muß er Christum mit verleugnen und verfolgen helfen, denn er ist mit Herren-Gunst und Wohlthaten gefangen und gebunden, als mit einer Kette. Will er sich bei ihrem Feuer länger wärmen, so muß er sagen wie sie. Durch diese Gelegenheit wird mancher hingerissen, daß er Christum verleugnet; darum ist's viel besser einfältig, niedrig, arm, verachtet bleiben und Christum behalten, denn groß und berühmt sein und Christum verlieren und verleugnen. Die Welt ist der schöne lustige Baum, der Adam und Eva betrogen hat; die Welt betrüget mit ihrem Schein und ihrer Pracht, ist gleich als eine Comödie, da die Personen königliche Kleider anziehen und güldene Ketten anlegen, im Grunde aber ist nichts denn ein Schein, da nichts hinter ist.
2. Petrus ist ein Spiegel menschlicher Schwachheit. Wie gar nicht ist doch menschlichen Kräften und Vermögen zu trauen. W/e bald fället ein Mensch dahin, wenn ihn Gott nicht erhält. Wir tragen unsern Schatz in irdenen Gefäßen. Jerem. 17: Es ist des Menschen Herz ein trotzig und verzagt Ding. Ach, es ist eine große Weisheit und Demuth, seine eigne Schwachheit und Nichtigkeit erkennen, daß Alles, was wir sind, reden, thun, gedenken, ohne Gottes Gnade nichtig und untüchtig sei. Der Mensch ist wie ein Schatten für sich selbst leblos und kraftlos. Das Leben ist Gottes, die Stärke ist Gottes. Wie bald kann Gott alle Gedanken des Menschen hinwegnehmen, daß ein Mensch, wenn er noch so klug ist, wie ein Vieh wird, wie Nebukadnezar. Wie bald kann Gott die Sprache wegnehmen? Wie bald den Verstand? Wie bald alle Kräfte des Leibes und der Seele? Es ist ja Alles Gottes, was du bist und hast. Warum verlässest du dich denn auf dich selbst und bist so vermessen, da du doch ohne Gottes Gnade und Kraft ein todtes Aas, ein verdammter Mensch bist?
Deßwegen bist du von Gottes Gnaden was du bist. Wer das nicht erkennet, der ist blind und weiß nicht, wenn er fallen wird, und Alle, die ihre Schwachheit nicht erkennen wollen, die sind ihren, Fall und Unglück nahe. Wenn du dich aber in deine eigene Schwachheit und Nichtigkeit selbst versenkest, so versenkest du dich in Gottes Gnade und in seine Stärke, so wird Gottes Kraft in deiner Schwachheit mächtig sein; denn Gottes Kraft wohnet nicht' bei den Starken, die in sich selbst stark sein wollen, sondern sie wohnet bei den Schwachen. Darum sagt der Herr zu St. Paulo: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum, spricht er: will ich mich am allerliebsten meiner Schwachheit rühmen, auf daß die Kraft Christi bei mir wohne. Solche Leute lässet Gottes Gnade nicht fallen, sondern erhält sie stets und leitet sie. Die andern vermessenen, hoffärtigen aber lässet Gott fallen, weil sie sich auf ihre Stärke und Vermögen verlassen. Weil Petrus das thut, fället er dahin.
Daß Christus von seinen Jüngern verlassen und verleugnet wird, ist nicht ein geringes Kreuz. Adam hatte Gott verleugnet, und wir alle sind Verleugner Gottes, wenn wir wissentlich wider Gottes Wort und Gebot handeln. Denn gleichwie Petrus gar wohl wußte, daß Christus sein Herr und Gott war, wie er selbst bekannte: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn, und doch gleichwohl Christum verleugnete: also wissen wir wohl, daß Gottes Wort und Gebot Gottes Willen ist, dennoch übertreten wir's muthwillig, als wenn kein Gott wäre, und wird also mit der That und bösen Werken Christus viel öfter verleugnet, denn mit Worten. Wie St. Paulus von den Heuchlern sagt, Tit. 1: Sie sagen wohl, sie erkennen Gott, aber mit der That verleugnen sie ihn. Und 1. Tim. 3: Sie haben einen Schein eines gottseligen Wesens, aber die Kraft verleugnen sie. Das hat Christus der Herr auch büßen müssen, indem er verleugnet und verworfen worden ist.
Das liebe Kreuz und die Schmach Christi bringt manchen dahin und ärgert ihn, daß er Christum verleugnet. Petrus siehet, daß Christus da stehet, gefangen in so großer Schmach, und schämet sich seiner, will sich nicht zu ihm bekennen; davon sagt der Herr: Wer sich meiner schämet in dieser Welt, deß wird sich des Menschen Sohn auch schämen in seiner Herrlichkeit. Wir wissen wohl, daß Christus gar einfältig und demüthig gewandelt hat und daß wir seinen Fußstapfen nachfolgen sollen, aber das wollen wir nicht, wollen lieber in Pracht und Hoffart wandeln, wie die Welt thut, und damit verleugnen wir Christum und gerathen immer aus einer Sünde in die andere, wie Petrus, der sich in Strick und Netz der Sünden und des Satans verwirret, wie ein Wild im Garn. Ach, wen der Satan erst mit einem Fittig oder Federlein in seine Schlinge bringt, denselben verwirret er darnach in seinem Netz und stürzet ihn in immer größre und gröbre Sünde. Petrus leugnet erst, darnach schwöret er, endlich verflucht er sich, und giebt sich dem Satan. Da war se/m Seligkeit dahin.
4. Christus aber siehet Petrum an, und der Hahn krähet zum andernmal. Da gedachte Petrus an die Worte Jesu: ehe denn der Hahn zweimal krähet, wirst du mich dreimal verleugnen, und gehet hinaus und weinet bitterlich. Dies Ansehen Christi hat Petrum bekehret.
So bekehret uns Christus noch durch Erinnerung unsrer Sünde, durch den Hahnenschrei bedeutet, und durch den Anblick des heiligen Evangelii von Gottes Gnade.