Das Fürstliche Landesarchiv in Arolsen enthält in sorgfältiger Abschrift eine von der Gräfin Anna Katharina zu Waldeck 1655 verfasste „Christliche Unterweisung“ an ihre in fremde Kriegsdienste ziehenden Söhne Christian Ludwig und Josias, die sowohl als unmittelbares Zeugnis der in jenen trüben Zeiten deutscher und waldeckischer Geschichte im regierenden Hause herrschenden ernsten Auffassung sittlicher Lebensführung als auch zur näheren Charakteristik der edelen Frau selbst wertvoll ist.
Christliche vnterweisung
so
Die hochgeborne grävin vnd fraw, fraw Anna Catharina, grävin zu Waldeck vnd Piermont, fraw zu Tonna, wittibe vnd vormunderin, geborne gräfin zu Sain vnd Witgenstein rc. dero herren söhnen, herren Christian Ludwigen vnd herren Josiae gebrüderen, grafen zu Waldeck, als ihe. ihe. gn. gn.1) itzo in schwedische vnd brandenburgische kriegsdienste sich begeben, zur lehr mitgegeben d. 12 Septbrs anno 16552).
Herzgeliebte söhne, ich habe euch nun zum drittenmal von mir gelassen, aber niemal mit so großer sorge vnd bekümmernüs als itzo. Das erste mal ginget ihr in Niederland, vm ewer studieren daselbst fortzusehen. Das land stund in frieden. Zum andermal zoget ihr in Frankreich, die sprache vnd andere zur regierung und weltlicher conversation dienliche dinge zu lernen; das war sörglich. Doch weil ihr als studenten reysetet, so hattet ihr weniger gefahr. Itzo gehet ihr in den krieg. Das ist allzu sörglich vnd gefehrlich. Das hat mir manche nacht den schlaf gebrochen. Dann ein rechtschaffen kriegsmann, der gegen einen offenen feind trewlich dienen will, muß alle morgen sein todtenkleyd anziehen vnd gewärtig stehen, dass er den andern morgen nicht erlebe. Weil ichs aber nit habe abwenden können, so muß ichs Gott befehlen vnd tun, was ich kann. Zwey dinge kann ich durch Gottes gnade tun: beten vnd ermahnen. Ich habe beydes vor ewrem abzug zwar gethan, mit dem gebet auch hernach angehalten. Aber damit ist mein mütterliches herz noch nicht vergnüget3). Ich habe nit ruhen können, bis ich auch etliche lehren zu papier gebracht. Dann bey dem abzug, da zimliche unruh gewesen, habe ich nit alles mit euch reden können, wie ich gern gewolt.
So merket nun auf meine rede, nehmet sie zu herzen vnd achtet euch darnach gehorsamlich, davorhaltende, dass kein mensch in dieser welt euch herzlicher meyne, als ich, der ich euch mit nit geringer mühe vnd sorgfalt, sonderlich in meinem betrübten wittibenstand, erzogen. Merket, herzgeliebte söhne, auf meine rede, vnd lernet darab, wann ihr Gott gefällige kriegsleute seyn, auch von ihm beständigen schutz vnd kräftigen segen erlangen wollet, wie ihr euch gegen ihn, gegen die menschen vnd gegen euch selbsten verhalten müßet.
Gott müßet ihr vor allen dingen recht erkennen. Das ist sowohl der kriegsleute als anderer menschen wahrer ruhm, dass sie Gott wissen vnd kennen, dass er der herr sey, der barmherzigkeit, recht vnd gerechtigkeit übet auf erden (Jer. 9, 24). Solches gefält ihm. Wer Gott recht kennet, der spricht mit dem frommen kriegsmann David (Ps. 139, 1. 2. 3. 4. 5): „Herr, du erforschest mich vnd kennest mich. Ich size oder stehe auf, so weisestu es. Du verstehest meine gedanken von ferne. Ich gehe oder liege, so bistu um mich vnd siehest alle meine wege. Dann siehe, es ist kein wort auf meiner zungen, das du herr nicht alles wißest. Du schaffest es, was ich vor oder nach thue vnd heltest deine hand über mir. Wo sol ich hingehen für deinem geiste? vnd wo sol ich hinfliehen für deinem angesicht?“ Dies erkändnüs laßet den grund ewres ganzen wandels seyn. Das erwecket gottesforcht, maßen der tewre held sagt: „Ich fürchte mich für dir, dass mir die haut schauert vnd entsetze mich für deiner rechten (Ps. 119, 120).“ Weil der Satan, die welt oder ewer eygen fleisch euch zu sünden reizen, so laßet des großen königs wort in ewren ohren klingen: Fürchte Gott vnd halt' seine gebote, denn Gott wird alles werk für gericht bringen, das verborgen ist, es sey gut oder bös„ (Prediger Salom. 12, 13, 14). Das stehet allen menschen zu. Er sagt nit, das stehet den geringen zu; er faßet große vnd geringe zusammen, keiner mag sich hirvon ausschließen. Den königen vnd richtern wird gesagt (Ps. 2, 10, 11, 12): „Dienet dem Herrn mit furcht, vnd frewet euch mit zittern. Küßet den sohn, dass er nit zürne vnd ihr umkommet auf dem wege. Denn sein zorn wird bald anbrennen. Aber wohl allen, die auff ihn trawen.“ Diese furcht helt ab von sünden vnd dringet gutes zu tun. Sie ist der weißheit anfang vnd machet weißlich tun in allen sachen. (Sirach 19, 8). Dann es sol kein knechtische, sondern eine kindliche furcht seyn, dass ihr Gott fürchtet als ewren herren vnd liebet als ewren vater, der gestalt, dass ihr lieber die ganze welt als ihn erzürnet, auch alles lieber verlieret, als ihn verlaßet oder seine gebote übertretet.
Bey der liebe stehet das vertrawen: wer Gott aufrichtig liebet, der vertrawet ihm: vnd wer ihm vertrawet, der liebet ihn. So vertrawet, herzgeliebte föhne, dem trewen Gott in ewren ganzen leben nicht weniger als in vorhabendem kriegswesen. Kein mensch sei euch so lieb, darauf ihr ewer vertrawen setzet. „Verflucht ist der mann, der sich auf menschen verlest vnd helt fleisch für seinen arm vnd mit seinem Herzen vom herren weicht. Gesegnet aber ist der mann, der sich auf den herren verläst und der herr seine zuversicht ist“ (Jer. 17, 5, 7.) Ein kriegsmann, der Gott vertrawet, kann mit könig David sagen: „Mit dir kann ich kriegsvolk zerschmeißen und mit meinem Gott über die mauren springen. Gott rüstet mich mit kraft. Er lehret meine hand streiten vnd lehret meinen arm einen ehern bogen spannen, vnd giebst mir den schilt deines heils, vnd deine rechte sterket mich (Ps. 18, 30, 33, 35, 36). So hütet euch, dass ihr nicht zu bösen künsten vnd mitteln euch verführen laßet. Die sich vest machen4), die trawen Gott nicht. Die Gott nit vertrawen, bleiben nicht. „Aber der name des herren ist ein vestes schloß, der gerechte läuft dahin vnd wird beschirmet“ (Prov. 18, 10).
Auß dem kindlichen vertrawen muß gehen das gebeth, ohn welches nichts anzufangen ist. Was ohne gleubiges gebeth vorgenommen wird, das gerät nit. Gott will angerufen seyn. Den kriegsleuten ist eben wohl als andern gesagt: „Betet ohn unterlaß“ (Col. 3, 17). Das ist die beste kunst, sich vest zu machen. Darumb alles, was ihr thut mit worten oder mit werken, das thut alles im namen des herren Jesu, und danket Gott vnd dem vater durch ihn. Meynet nit, wenn ihr in ewerm beruf etwas gutes verrichtet, dass solches aus ewer witz vnd kräften geschehe. Erhebet vnd rühmet euch des nit. Die heyden „opfern ihrem netze vnd räuchern ihrem garn“ (Habac. 1, 16). Aber ein frommer kriegsmann sagt: „Ich verlasse mich nicht auf meinen bogen, vnd mein schwert kann mir nit helfen, sondern du hilfest vns von unsern feinden. Mache dich auf, hilf vns vnd erlöse vns vm deiner güte willen“ (Ps. 44, 7, 8, 27). „Wir danken dir, Gott, wir danken dir vnd verkündigen deine wunder, dass dein name so nahe ist“ (Ps. 72, 2).
Ist der name so nahe, so sehet zu, dass ihr den nicht mißbrauchet. Ihr wißet, Gott lob, aus ewerm catechismo, worin der mißbrauch des göttlichen namens bestehe. Ihr wißet, wie hart denselben zu strafen Gott ernstlich dräwet (Levit. 24, 15). Je gemeiner der mißbrauch ist, desto größern fleiß kehret an, dass ihr dazu nit verleytet werdet. Erschreckt davor vnd vnd straft euch selber, wann euch etwas entfehret. Im anfang ist leichter zu wiederstehn, als wann das böse durch gewohnheit gestärket worden. Darumb sagt der weise man: „Gewehne deinen mund nit zum schweeren. Wer oft schweeret, der sündiget oft vnd die plage wird von seinem hause nicht bleiben. Schweeret er vnd verstehet nit, so sündiget er gleichwohl; versteht ers vnd verachtets, so sündiget er zwyfältig“ (Sir. 23, 9, 12, 13).
Damit ihr nun Gott je mehr vnd mehr recht erkennen, über alles förchten, lieben, ihm vertrawen, anrufen, loben vnd danken möget, so gedenket, dass ihr sein heiliges wort vnd predigt nicht verachtet, sondern liebet, gern höret und lernet. Nehmet zum exempel könig David, leset vnd erweget seinen 119. psalm. Wie eine herzliche liebe vnd lust zu gottes wort läßet sich darin spüren? Sagt mit ihm aus herzen grund: „Ich habe lust zu deinen zeugnisen, die sind meine rathsleute“ (v. 24). Wann ihr die laßet ewre rathsleute sein, so werdet ihr wohlfahren. Dann gottes gebot lehret klüglich fahren in allem handel. Es treuget nicht, was voran im psalter stehet: „Wohl dem, der nit wandelt im rath der gotlosen noch tritt auf den weg der sünder noch sizet, da die spötter sizen, sondern hat lust zum gesetz des herren vnd redet davon tag vnd nacht. Der ist wie ein baum gepflanzet an den waßerbächen, der seine früchte bringet zu seiner Zeit, vnd seine blätter verwelken nit vnd was er macht, das geräth wohl“ (Ps. 1, 1-3).
Under Gott stehen die menschen, nemblich ewre herren, ober-, neben vnd vnderbefehlhaber, vndergebene soldaten, freunde vnd feinde. Gegen dieselben beobachtet ewre christliche kriegsgebühr. Ewren herren seyd hold, trew vnd gewärtig zu allen zeiten. Suchet ihr frommen ernstlich, beförderts tapfer, warnet ihren schaden, seyd nicht in einigem rath wieder fie, offenbaret nit ihre heimlichkeit. Erscheinet mangel, den zeiget zeitlich an an gehörigem ort vnd bindet nit deshalben bald auf, leidet auch mit den nothleidenden; fallet deswegen nicht ab.
Tragt nit auf beyden schultern. Solchen leuten gehets zuletzt übel. „Die blutgierigen vnd falschen werden ihr leben nit zur helfte bringen“ (Ps. 55, 24). Wann etwain andere sich zu meuteniren gelüften laßen, so gedenkt ihr an des weisen königs wort: Mein kind, förchte den herrn vnd den könig vnd menge dich nicht vnder die aufrührischen.“ (Prov. 24, 21).
Den oberbefehlhabern feyd underthan als den gesandten ihrer herren zur rache über die übelthäter vnd zu lob der frommen (1. Petr. 2, 14). Achtet sie hoch, ehret sie mit geberden, worten vnd werken. Decket ihre gebrechen mit dem mantel der liebe zu. Kommet ihnen zu hülf in der noth vnd gefahr, nehmet an von ihnen strafe. Wer sich gern strafen läst, der wird klug. Nehmet ihre gerechte, gemeinnützige befehl willig an, haltet sie verschwiegen, wo es noth thut, vollziehet sie unverdrossen, geschwind, klüglich, emsig bey tag vnd nacht. Ohne deren befehl und vorwitzen nehmet nichts wichtiges vor. Vermeßenheit hat manchen tapfern soldaten in unglück gebracht, deß er hätte geübriget seyn können, auch wohl ein ganz heer in gefahr gesezet. Da heist es: wer gefahr liebet, der wird darinn vmkommen. Lernet gehorchen vnd befehlen. Wer nit kann gehorchen, der kann nit recht befehlen. Gehorchen ist leichter dann befehlen.
Gegen alle nebenbefehlhaber seyd ehrerbietig vnd freundlich, haltet euch zu verständigen vnd erfahrenen, höret und lernet von ihnen. Die flücher, gotteslästerer, vnzüchtige, säufer vnd spieler meidet. Dann böse geschwätz vnd gemeinschaft verderben gute sitten (1. Cor. 15, 33). Haltet euch zu frommen, wahrhaftigen, keuschen, mäßigen vnd eingezogenen. Gedenket ahn des apostels worte: „Es werden menschen seyn, die von sich selbst halten, geizig, ruhmredig, hoffertig, lästerer, den eltern vngehorsam, undankbar, vngeistlich, störrig, vnversöhnlich, schänder, vnkeusch, wilde, vngutig, verächter, freveler, aufgeblasen, die mehr lieben wollust dann gott. Solche meide.“ (2. Tim. 3, 2-5). Zanket nit mit ihnen, meidet alle gelegenheit des haders, hetet sie nit aneinander, deutet zweifelhafts reden zum besten, gebet nit raum dem argwohn. Glaubet nit liederlich alles, was ihr höret, sprechet sie darum ahn, vieleicht haben sie es nit geredet oder gethan. (Sir. 19, 16, 17). Denn man leugt gern auf die leute. Sitzet nit auf der spötter bänken. Spotten bringt zorn. Zorn thut nit, was vor Gott recht ist (Jac. 1, 20). Werden sie vndereinander vneins, so rathet ihr zum frieden vnd helfet nicht balgen vnd kugelwechseln. Dann der beystand bekomt je zuweilen das beste. Laßet die alten weißheit reden, höret ihr zu, merket ihre löbliche thaten vnd machet sie euch auf vorfallende begebenheit zu nutz. Ihre gebrechen duldet, folget nit, wo sie sündigen. Redet weder obernoch nebenbefehlhabern übel nach. Neidet die nit, so sich durch dapferkeit hervortun. Neid ist eyter in beinen (Prov. 14, 30) vnd gebieret zank. Wo neid vnd zank ist, da ist vnordnung und böse ding. (Jac. 3, 16). Zeiget männiglich, dass ihr keinen gefallen daran habt. Das wird euch bey hohen vnd niedern lieb vnd angenehm machen.
Gegen ewre vnderbefehlhaber seyd nit vnfreundlich vnd störrisch, sondern freundlich. Bedenket wohl, was ihr befehlen wollet. Vnbedachtsamer befehl bringt geringe ehr, aber wohl gefahr oder verachtung. Ladet ihnen nit auf, was euch selbst zu tun gebüret; leydet nit, dass sie den gemeinen soldaten beschweren, vervortheilen oder tyrannisch halten oder sonst vnschuldigen gewalt tun. In billichen Dingen nemet euch ihrer an vnd redet vor sie. Nehmet rats mit ihnen, so oft es not thut. Aber machet euch nicht zu gemein, dann das schwächet das gebührliche ansehen vnd zeucht nach sich verachtung. Bringt das glück im krieg durch gerechte mittel etwas, so reißet nit zu euch allein, wozu ihr nit befugt seyd. Das giebt unwillen vnd verhindert oft viel guts. Dann wann die nachgesezte befehlhaber unwillig sind, so legt der obere je zu zeiten schimpf ein, da er sonst ehr erlangen könte.
Ewre vndergebene soldaten liebet vnd gewinnet ihre gegenliebe, doch dass bey der liebe forcht sey. Regieret sie bescheidentlich, übet sie fleißig, damit sie, wann es zum ernst kommt, bestehen. Lobet die tapferen, die faulen und nachläßigen erweket zu verrichtung der gebühr. Haltet under ihnen gute ordnung, gestattet weder fluchen, gotteslästern, hurerey noch andere laster. Straft die übertreter ernstlich. Welche ihre schuldige dienste leisten, die vertretet vnd sorget, dass sie ihren nötgen underhalt erlangen, wehret, dass sie an ihrem sold von niemand verkürzet werden. Wann es schmal hergehet, so bietet ihnen die hand nach vermögen. Die vom feind verwundet werden, denen schafet, dass sie verbunden vnd verpfleget werden. Laßet keinen mit willen in feindes hand. Wird einer oder mehr gefangen, so trachtet nach ihrer erlösung. Entkommen sie aus der gefangenschaft, vnd zwar bloß vnd hungrig, so erscheinet ihnen tröstlich vnd behülflich. Erreget sich etwa murren, so stillet dasselbe beizeiten. Verhindert, dass sie sich nicht zu mentenirern schlagen vnd haltet sie in schuldigem gehorsam des herrn, zu dessen diensten sie geworben seynd. Keinen, auch nicht den geringsten, greift an mit schmählichen, ehrenrührigen namen. Heißen sie bruder, wanns ans treffen gehet, so müßen sie außer dem treffen vnd würklichem dienst nicht hunde heißen. Hütet euch, dass ihr sie nicht gegen euch verbittert. Das hat mancher sonst tapfer kriegsmann, wo vnd wann er sichs am wenigsten versehen, hart gebüßet. Summa, wie ihr gern wollet, wann ihr gemeine reuter oder fusknecht wäret, dass ewre befehlhaber euch tun solten, das thut ihr ihnen auch, vnd zwar desto vorsichtiger, weil ihr nit vnden angefangen vnd den schilderstand nicht versucht habt.
Liegt ihr in feindes land, so wachet fleißig, haltet die ewrigen beysammen, thut ihm abbruch, so oft ihr könnet, gehet freudig an ihn, stehet fest, fechtet tapfer, gedenket nit an beute, ehe der völlige sieg erhalten vnd der feind genugsam verfolget ist. Viele beute hat oft dem geschlagenen flüchtigen feind den sieg in die hand gespielet vnd das obsiegende heer in verderben gestürzet. Dem feind, der sich willig ergiebt, sol keine gewalt geschehen. Wer quartier einmal erlangt, dem soll es, wie auch sonst, was zugesagt wird, ohne vnderscheid der religion redlich gehalten werden. Schonet in feindes land der frawen, jungfrawen, alten, kindern, kranken, findbetterinnen vnd andern presthaften leuten.
Freunden, wo ihr liegt oder durchziehet, thut vor euch keine gewalt, gestattets auch den ewrigen nicht, sondern schutzet vnd verthätiget5) sie. Die klagende höret vnd helfet ihnen, gebet wieder, was ihnen abgeraubet ist, damit sie vor euch beten vnd nicht fluchen. Laßet niemand über vermögen oder gegen billichkeit beschweren. Wo ihr ausziehet, da sehet zu, dass nicht durch mutwillen oder nachläßigkeit brand entstehe. Haltet die ewrigen auf, biß ihr höret, ob niemand gegen sie klage habe. Gut, das freunden abgeraubet oder heimlich entwand ist, reichet6) nicht, sondern drücket oft ein ganz regiment. In ewren vnd der ewrigen ohren sol alzeit klingen das wort, welches Johannes der täufer den kriegsleuten auf nachfrage gesagt: „Thut niemand gewalt noch vnrecht, vnd laßet euch begnügen ahn ewren sold“. (Luc. 3, 14.)
In gemein erzeigt euch gegen männiglich freundlich, friedlich, sanftmütig, vnärgerlich, gegen die alten ehrerbietig, gegen frawen vnd jungfrawen schamhaftig vnd züchtig, gegen dürftige mild und gutthätig, gegen kranke mitleydend vnd tröstlich, gegen die beleydiger versöhnlich. Redet wenig, höret viel. Dann „die narren haben ihr herz im munde, aber die weisen haben ihren mund im herzen“. (Sir. 21,28.) Verachtet niemand, haltet hoch von an= dern, von euch selbst niedrig. Heget keinen ohrenbläser vnd verleumder; meydet sie. Hütet euch vor aller böser geselschaft, vnd was ihr wolt, das euch die leute tun sollen, das thut ihr ihnen. Das ist das gesetz und die propheten. (Matth. 7, 12).
Endlich gedenket, dass ihr euch selbst in acht nehmet vnd nicht schaden thut. Hierher gehöret, dass ihr seyd nüchtern vnd meidet die trunkenheit, welche ist der schlüßel aller laster. Wo ist wehe? Wo ist leyd? Wo ist zank? Wo ist klagen? Wo sind wunden ohne vrsach? Wo sind rothe augen? Nemlich wo man beym Wein liegt vnd kommet, auszusaufen, was eingeschenkt ist. Siehe den wein nit ahn, dass er so fein im glase stehet; er gehet glat ein, aber darnach beißt er wie eine schlange vnd sticht wie eine otter. So wird dein auge nach andern weibern sehen vnd dein herz wird verkehrte ding reden, spricht der weise könig (Prov. 23, 29, 30-33). Ach, meine gewünschte söhne, last nicht den weibern ewer vermögen vnd gehet die wege nit, darinn sich die könige verderben (31, 3). Was der apostel schreibt, das gilt auch allen kriegsleuten nicht weniger als allen andern christen: fliehet die hurerey. Alle sünde, die der mensch thut, seind ausser dem leibe, wer aber huret, der sündiget an seinem eigenen leibe. Oder wißet ihr nit, dass ewer leib ein tempel des heiligen geistes ist, der in euch ist, welchen ihr habt von gott vnd seyd nit ewrer selbst? Dann ihr seyd thewer erkauft. Darum, preiset Gott an ewrem leibe vnd an ewrem geist, welche sind Gottes. (1. Cor. 6, 18-20). Hütet euch für zorn, denn „Zorn ist ein wütig ding“ (Prov. 27, 4), thut nicht was fur Gott recht ist. (Jac. 1, 20). „Großer Grimm bringt schaden“. (Prov. 19, 19). Pranget nicht, vergeudet nichts, seyd sparsam, wahret ewre gesundheit. Das werdet ihr tun, wann ihr mäßig vnd keusch leben vnd den zorn meiden werdet.
Dies ist, herzgeliebte söhne, was ich aus mütterlicher liebe euch erinnern wollen. Werdet ihr, wie ich hoffe, das alle zu herzen nehmen vnd tun, so werdet ihr gnade bei gott, gunst vnd lob bey allen frommen, auch glück vnd segen in ewrem beruf vnd ganzem leben alhier, dort aber zu rechter zeit die ewige seeligkeit erlangen, welches mein wunsch, bitte vnd seufzen zu gott sein wird, so lang der getrewe gott mich bey leben vnd verstand erhalten wird. Darum gehorchet ewrer mutter. Hier ist eine kurze zeit, dort aber wäret die ewigkeit ohn ende. Hier wird das ewige leben erhalten vnd verloren. Trachtet darnach, dass ihrs erhaltet. Gehabt euch wohl.