Und Maria sprach: Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes meines Heilandes. Denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.
Zum Adventsprediger Johannes tritt heute eine Adventspredigerin, Maria. Und wie jener, will auch sie nicht sich selbst erheben als Mutter Gottes, nein, sie erhebt den Herrn. Das ist die rechte Art der Demut, dass sie sich selbst vergisst. Sie freut sich nicht der großen Ehre, die ihr vor allen Töchtern Evas widerfahren ist, sie freut sich Gottes ihres Heilandes. Ja, ihres Heilandes. Sie bedarf seiner auch. Sie hat auch das natürliche, unreine Herz. Nun hat sie dieses zwar in treuer Zucht des Gesetzes gehalten; aber dennoch hat es sein Wesen auch bei ihr in Worten und Werken offenbart. Sie hatte auch die Sehnsucht nach dem Heiland. Wir müssen ihr selbst mehr glauben, als allen Beschlüssen von Konzilien und Kirchenversammlungen über ihre Sündlosigkeit. Sie deutet ferner mit ihrer Niedrigkeit auch hin auf ihr Herz, auf ihre Sünde. Von ihrem Heiland schaut sie herab auf ihre Niedrigkeit, auf ihre Sünde und Unwürdigkeit. Gerade die treuesten Kinder Gottes haben die hellsten Augen für ihre Sünde. Die verborgene Sünde des Herzens und die Sünden der Tat, welche die Welt gar nicht rechnet, drücken sie schwerer, als Blutschuld, falsche Eide, Ehebruch und Tränen der beraubten Witwen und Waisen verhärtete Weltkinder drücken. So tritt dir denn Maria entgegen in dreifacher Demut: in Demut, weil sie Gott die Ehre gibt; in Demut, weil sie sich ihres Heils in dem eigenen Kind freut; in Demut, weil sie der hellleuchtenden Gnade ihre Unwürdigkeit entgegenhält. Das ist der Kranz um ihr Haupt. Und du, der du heute dich der Verkündigung des Heilandes mitfreust, seist du Mann oder Weib, greife nach demselben Kranz.
Herr unser Gott, wir danken dir, dass du deinen einigen Sohn, empfangen und geboren von einem Weib, in unser Geschlecht gegeben hast. Wir bitten dich aber auch, erhalte uns bei dem einigen Mittler. Es ist nur ein Mittler zwischen dir und uns, nämlich der Mensch Jesus Christus. Nur der Eine ist rein gewesen von Sünde. Nur der Eine ist für uns ein Schuldopfer geworden. Nur der Eine ist um unserer Sünde willen dahin gegeben, und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt. Nur der Eine sitzt zu deiner Rechten in der Herrlichkeit und vertritt uns. Erhalte uns bei dem Einen. Binde uns im Glauben immer fester an ihn und bewahre uns vor allen falschen Helfern. Wie Maria, so lass uns allezeit bekennen: „Anbetung, Preis und Dank und Ehre sei dem Vater, und dem Lamm, das erwürgt ward, und dem heiligen Geiste.“ Amen.
Der Herr hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist, und des Name heilig ist.
Maria singt und rühmt: Der Herr hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist, und des Name heilig ist. Es gibt unter allen Taten Gottes keine größere, denn diese, dass er sich herablässt und gibt seinen eingeborenen Sohn in unser Fleisch. Welten ruhen viele in seiner Allmacht und Weisheit; aber nur ein Sohn ruht an seinem Herzen. In keiner andern Gottestat ist so sein ganzes Wesen ausgeprägt, wie in dieser. Ja, es ist wahr, Gott ist die Liebe. Wer es nicht glauben will, muss es an dem heutigen Tage glauben lernen. Groß ist es, dass Gott uns arme Sünder, die wir tausendfach seine Ungnade und Strafe verdienet haben, noch trägt.
Größer ist es, dass er sich immerfort in Liebe noch um uns kümmert, dass er auch die verlorenen Kinder noch in seinem Herzen trägt. Und das Größte ist es, dass sein ewiger Sohn in unser Geschlecht eintritt, dass ihn sein Vater herniedersendet, um uns an ihm und durch ihn zu sich hinaufzuziehen.
Wir danken dir, allmächtiger, barmherziger Gott, dass du deinen eingeborenen Sohn als unsern Heiland in unser Geschlecht gegeben und in unsere Armut und Niedrigkeit eingepflanzt hast. O dass wir dir doch so recht danken könnten! O dass wir die Gnadenzeit, welche ja uns angeht, so tief verständen wie Maria. Dass wir doch mit ihr heute aus Grund des Herzens singen möchten: Der Herr hat große Dinge an mir getan! Verleihe uns doch, dass wir die Weihnachtsgnade in ihrer Tiefe ergreifen, und dass dann auch das Danklied und die Freude aus der tiefsten Seele hervorbreche. Verleihe uns, Herr, dass auch in unser Herz, in diese kleine Welt, der große Wendepunkt komme, dass auch unser Leben geschieden werde in eine Zeit vor Christo und nach Christo. Ach kein nach, wo er uns gleichgültig geworden wäre, wo wir ihn vergessen und verachten gelernt hätten; sondern ein nach, wo er unsere Gerechtigkeit, unser Leben, unsere Liebe geworden ist. Amen.
Und sein Vater Zacharias ward des heiligen Geistes voll, weissagte, und sprach: Gelobt sei der Herr, der Gott Israels.
Wann singt der Christ seine höchsten Jubellieder? Viele werden antworten: „Wenn die Bosheit der Welt einen Unschuldigen unter ihre Füße getreten hat und meinte, es sei nun gar aus mit ihm, der heilige, gewaltige Gott ihn aber erhöht, seine Unschuld sonnenhell an den Tag bringt und ihn krönt mit Gnade und Barmherzigkeit; wenn der Herr denen Recht schafft, die Unrecht leiden.“ Ja, da jubelt das Herz über den gewaltigen, gnädigen Gott. Aber noch mehr jubelt es, wenn wir uns durch unsere eigene Sünde und Schuld in Not gebracht haben und lange hart darniederliegen, und der Herr kommt dann, errettet uns aus der Not und versiegelt uns mit dieser Rettung zugleich, dass er uns unsere Sünde vergeben hat und dass alle seine Verheißungen Ja und Amen sind. Solcher Jubel erfüllte das Herz des Priesters Zacharias am achten Tage nach der Geburt seines Sohnes. An diesem Tag, da er dem Kind den befohlenen Namen Johannes geben will, löst Gott zugleich das Band der um seines Kleinglaubens willen verstummten Zunge. Zacharias schreibt und spricht: Er heißt Johannes! Das heißt: Gott ist gnädig. Darauf ward er des heiligen Geistes voll und sang seinem Gotte ein Loblied, das seinesgleichen wenige hat.
Herr, barmherziger Gott, du hast dich herrlich an uns ausgewiesen. Die Sünde war da, und der Tod als ihr Sold musste ihr folgen. Wir hatten uns losgerissen von deinem Herzen und hatten es wohl verdient, dass du uns für alle Ewigkeit hinausstießt in unsere Nacht. Aber deine Gnade war doch noch da. Wie ein Vater trauernd seinem verlorenen Sohn nachgeht, wie er trotz der Sünde des Kindes die Vaterliebe noch im Herzen hat, und auf die Stunde wartet, wo er dem Verlorenen zu seinem Heil dies Herz offenbaren kann, so bist du unserm armen, gefallenen Geschlecht nachgegangen. Endlich kam der Tag und die angenehme Zeit des Heils. Es haben darüber gejubelt Alle, die ihr Elend fühlten. Lass auch heute ein Loblied hervorbrechen wie zur Zeit des Zacharias, dass wir Deines Geistes voll dich loben und dir leben. Amen. (Fr. Ahlfeld)
Gelobt sei der Herr, der Gott Israels, denn er hat besucht und erlöst sein Volk.
Gott hat besucht sein Volk. Das ist der herrlichste Besuch, den je ein Mensch, den je die ganze Menschheit empfangen hat. Gott selbst besucht uns in unserm Elend. Gott wird Mensch dir Mensch zu Gute, Gottes Kind das verbindt sich mit unserm Blute! Gott besucht uns auf der Erde, in unsern Sünden, in unserm Geschlecht. Er besucht uns, um bei uns zu bleiben. Er besucht uns, um sich hineinzuleben in die ganze Tiefe unseres Elends und uns dann aus unserm Elend herauszuheben. Es freut sich der Kranke, wenn ihn der Arzt besucht. Es freut sich der Arme, wenn der Reiche, der ein Herz für seine Not hat, in die Hütte tritt. Es freut sich der verlorene Sohn, wenn ihm sein Vater nachgeht oder entgegenkommt, wenn er ihn wieder an sein Herz drückt und doch noch seinen Sohn nennt. Aber das steht Alles nicht im Vergleich mit diesem Besuch. So unscheinbar er auch kommt, ist er doch der größte, den die Welt je gehabt hat und haben wird. Und seitdem uns einmal besucht hat der Aufgang aus der Höhe, besucht der Herr die Aufrichtigen auf allen Stationen unseres Lebens. Freue dich und jauchze: Gelobt sei der Herr, der Gott Israels!
Herr, du hast erlöst dein Volk. Durch deine Erniedrigung hast du uns erlöst von unserer Erniedrigung. Es gibt ja keine tiefere Erniedrigung, als den Abfall von Gott und den Stand der ungesühnten Schuld. Durch deine Gerechtigkeit hast du uns erlöst von unserer Ungerechtigkeit. Durch deine Angst hast du uns erlöst von der Höllenangst, in der wir leben und dahinfahren müssten. Durch deine Bande hast du uns frei gemacht von den Banden, in denen wir sonst aus Furcht des Todes unser ganzes Leben Knechte wären. Durch dein Gericht sind wir dem Gericht entnommen. Durch deinen Tod hast du unsern Tod getötet, durch dein Grab ist unser Grab zerbrochen. Dieser Erlösung wollen wir uns getrösten alle Tage unseres Lebens, bis du uns dereinst die ganze volle Erlösung erfahren lässt. Amen. (Fr. Ahlfeld)
Gelobt sei der Herr, der Gott Israels!
Weltfreuden sind wie die Kometen am Himmel. Sie kommen und gehen, und wir wissen nicht, ob sie wiederkommen. Sie sind bald sehr hell und haben einen langen, glänzenden Schweif; bald sind sie arme, matte Pünktchen, und bald sind sie ganz weg. Die Gelehrten versichern uns, dass sie weder Kern noch Gehalt haben. Die Freude im Herrn ist wie ein stiller, fester Stern. Sie scheint aus jenem Heiligtume des Friedens Gottes. Sie ist ein Lichtstrahl aus der Sonne der Gnade und Gerechtigkeit. In ihr sollen wir uns freuen, wenn Gottes Erbarmen uns im Leben recht klar vor Augen tritt, wenn wir an irgend einem Tag ganz besonders rufen müssen: Das ist der Tag, den der Herr macht, lasst uns freuen und fröhlich darinnen sein. So vergiss nicht in deiner Freude, dass Gott sie dir verleiht, der Gott Israels, welcher sein Volk lieb hat, der Gott Israels, der nicht schläft noch schlummert, der uns behütet vor Leid und Verderben, der uns errettet aus unsern Nöten, der uns fröhlich macht in unverdienter Gnade und Barmherzigkeit. Ja, rufe aus tiefstem Herzen: Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! In solchem Lob sicherst du dir die Hilfe deines Gottes und die Dauer deines Glückes am besten.
Wir danken dir, barmherziger Gott, für deine unendliche Liebe. O lass uns durch dieselbe nur immer inniger an dich gefesselt werden. Behüte uns, dass wir uns deiner Barmherzigkeit nicht unwert machen in Undankbarkeit. Verdient haben wir sie ja gewiss nicht. Ja, mache uns demütig; ein demütiges Kind dankt ja am reinsten. Nimm als Gegengabe unser Herz ganz zu deinem Eigentum und mache es zum Altar, auf dem allezeit die Opfer des Lobes und Dankes brennen. Bleibe bei uns mit deiner Güte, segne uns weiter mit deinem Erbarmen. Amen.
Gelobt sei der Herr, der Gott Israels, dass er gedachte an seinen heiligen Bund, als er vor Zeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten.
Wenn man einmal zählen könnte, wie viel Seufzer nach dem Morgen nur in einer einzigen Nacht laut werden: wie viele möchten es sein? Und wie viele Seufzer in der langen Nacht des göttlichen Zornes! Nimm nur etliche heraus aus dem alten Bund. Jakob ruft: „Herr, ich warte auf dein Heil.“ David klagt: „Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott.“ Ein Anderer sagt: „Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, dann werden wir sein wie die Träumenden. Da wird unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein.“ Und der Prophet Maleachi verkündigt: „Bald wird kommen zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht, und der Engel des Bundes, des ihr begehrt.“ Gott hatte seinen Bund gemacht mit Abraham, er hat ihn später gemacht mit dem ganzen Volk. Sie sollten sein Volk sein, er wollte ihr Gott sein. Aber wie war dies Volk ihm abtrünnig geworden! Alle Gräuel der Heiden hatte es in das heilige Land getragen. Dennoch gedenkt er an seinen Bund. Alle unsere Untreue kann seine Treue nicht stören. Er gedenkt an die Verheißungen, die er gegeben hat durch seine Propheten. Darum freue dich und jauchze: Gelobt sei der Herr, der Gott Israels!
Herr, unser Gott, jeder neue Morgen, den wir erleben, jede Stunde, da du deine Gnadenhand über uns breitest, lehrt es uns aufs neue, dass du deine verheißene Barmherzigkeit nicht von uns wendest. Ob wir tausendfach den Bund gebrochen haben, den wir mit dir geschlossen, bleibst du uns dennoch treu. Dafür dankt dir heute unser Herz. Aber vor Allem danken wir dir, dass du auch unserm Volke deine Heilsverheißungen gehalten. Unsere Väter wussten nichts davon, dass du sie in deinen Gnadenrat mit eingeschlossen. Aber du hattest es gelobt, auch den Heiden einen Heiland zu senden. Ob dich keiner von ihnen an dein Versprechen erinnern konnte, deine Liebe hat dich daran erinnert. Auch für uns ist deine Weissagung wahr geworden. Und nun lässt du es uns wieder verkündigen, dass der Heiland vor der Tür ist. Darum jauchzen wir dir und lobsingen deinem Namen. Amen. (Fr. Ahlfeld)
Und der Engel sprach zu den Hirten: Fürchtet euch nicht; siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr in der Stadt Davids.
Wenig Worte sind es, aber eine Welt und ein Himmel voll Inhalt. In wenig Sekunden gesprochen, aber eine Ewigkeit voll Gnade ist darin eingeschlossen. Überschwänglich war die Freude der Hirten, da sie diese Engelsbotschaft hörten, wenn sie sich auch nicht in Worten äußert. Die größte Freude ist stumm, sie findet die Sprache erst nach und nach. Nun sage, hast du solche Christfreude, wo das Herz vor Freude zittert, aber nicht reden kann, auch schon erfahren? Wenn solche Zeit noch nicht dagewesen ist, o dass sie doch heute anhübe und heute die Klarheit des Herrn vor dir aufginge. In unsere innere Armut und Not hinein will es ja der Engel rufen: Fürchte dich nicht, siehe, ich verkündige dir große Freude. Der Engel kann sie nur verkündigen, der Herr erwirbt sie und schenkt sie, und bereitet auch dein Herz, dass du sie ganz nehmen kannst. Eine größere Freude aber kann weder verkündigt noch gegeben werden. Groß ist sie durch den Notstand in den sie gegeben wird. Überall kommt sie als Sonne in die Mitternacht und als Quell in die Wüste. Groß ist sie nach ihrem seligen Inhalt. Dein ganzes Heil ist darin beschlossen. Groß ist sie auch nach ihrem Umfang; denn sie soll allen Völkern zu Teil werden und soll ewiglich währen. O so ergreife die Christenfreude nach ihrer ganzen Tiefe und auch mit deinem ganzen Herzen und Gemüte, dass es so recht durch diese Tage hindurch klinge: O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit! Welt war verloren, Christ ward geboren, Freue dich, freue dich, o Christenheit.
Herr unser Gott, heute ist der Gnadentag, wo unser neues Paradies geöffnet ward, wo Gnade und Leben, Heil und Himmel in unsere Mitte trat. Heute ist der Tag, wo wir dein Herz unter uns empfingen, dafür danken wir dir mit den heiligen Engeln und allen Seligen. Wecke, Herr, den Dank, denn er schläft noch in vielen Herzen. Lass singen und jubeln Jung und Alt, Arm und Reich, Krank und Gesund, denn du hast allen dein teures Christgeschenk beschert. O gib doch auch dahin einmal Himmelsfreude, wo lange nur Weltfreude gewesen ist. Eine Stunde sich zu sonnen in deiner Gnade, und zu rühmen deine Erbarmung ist seliger, denn ein ganzes Jahr sich zu ergötzen an den Freuden und Schätzen dieser Welt. Herr, solche Stunde gib uns heute durch die teure, wahrhaftige Botschaft im heiligen Geist. Amen.
Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“
Diesen Chor zu singen wäre der Menschen Pflicht gewesen, denn den Menschen war der Heiland geboren. Die Menschen aber schwiegen, denn die zugegen waren, waren überwältigt von der großen Gnade Gottes. Sie konnten noch kein Wort des Dankes finden. Da singen die Engel aus alter Liebe und Treue den Dank und Lobgesang, da beschließen sie die teure Weihnachtsfeier. Nun aber haben wir Zeit genug gehabt, uns in die Gnade des Herrn zu versenken und uns in ihr Heil hineinzudenken. So lasst uns mit einstimmen in jenen Engelsgesang. Er soll weiter gesungen werden alle Weihnachtsfeste, aber auch unter aller Mühe und Arbeit, so oft wir dessen gedenken, der uns von unserer Arbeit zu trösten gekommen ist. Ehre sei Gott mit Herz und Mund für seine Gabe. Sein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel. Ein Himmel soll die Erde werden. Gottes Ehre sei unsere Lust, wie sie die Lust seiner Engel und Seligen ist. Dann wird allen Menschen ein Wohlgefallen sein an der Erneuerung, in der aller Streit ruht auf der Erde, in der aller blutiger Kampf und Ungestüm aufhört, in der der Held und Friedefürst uns zu Kindern des Friedens macht, in der die Gnade den Sieg davon getragen hat über die Sünde.
Herr mein Gott, nimm uns auch mit auf das Feld nach Bethlehem, umleuchte uns mit deiner Klarheit und sprich zu uns: „Fürchte dich nicht; siehe ich verkündige dir große Freude.“ Lass uns über alle die äußere Freude, die jetzt auf Erden die dunklen Tage erhellt, diese große Festfreude nicht vergessen: „Euch ist der Heiland geboren.“ Lass aber auch bei allen Sorgen und Mühen dieser Zeit das heilige: „Fürchtet euch nicht“ nicht verklingen, sondern gib uns so kindliche und gläubige Herzen, wie sie deine erste Christengemeinde, die Hirten auf dem Felde, hatten. Sende deine Engel wieder zu uns Tag für Tag, dass unser Haus und Herz zur Offenbarungsstätte deiner Liebe werde. Ja, mache deine Gemeinde zu einem Engelschore, dass sie im Munde wie im Leben den teuren Gesang nie verstummen lasse, der damals angestimmt ist: „Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden, und den Menschen ein Wohlgefallen.“ Amen.
Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten unter einander: „Lasst uns nun gehen gen Bethlehem, und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kund getan hat.“
Der Engel hatte die Hirten geweckt. Munter waren ihre Seelen, wacker ihre Augen geworden. Die Botschaft hatte gezündet wie himmlisches Feuer. Nun war kein Warten und Säumen. Hin wollten sie, wo das Kind geboren war. Ihre Herden befahlen sie in Gottes Hand. Alle eilten dem Städtchen zu. Da hieß es nicht: „Einer muss hier bleiben, wir können nicht Alle gehen, Einer muss die Herden bewachen, was sollte sonst aus ihnen werden!“ Wie selten ist solche Liebe in unseren Tagen. Wenn es dem Herrn einmal gelingt, sich eine Tür in dein Herz zu brechen, wenn es ihm gelingt, dich auf seinem heiligen Weg einen Schritt vorwärts zu treiben, dann wird an dieses oder jenes Rad der Hemmschuh angelegt. Es kommt dir dann in die Seele: „Ei, wenn ich so hingehe in seinem Zug und in seinem Willen, dann muss ja in meinem ganzen Beruf so Vieles anders werden, dann muss ich in Lust und Freude, in Handel und Wandel so Vieles ändern.“ Und der Gang zur Ehre Gottes wird langsamer und bald steht er ganz stille. Jene Hirten berieten sich nicht mit Fleisch und Blut, nicht mit Habe und Gut. Sie gingen in Gottes Namen vorwärts. „Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches Alles zufallen.“
Ja, du Geist der Gnade, ziehe bei uns ein und erfülle unsere Herzen mit lebendigem Glauben. Nimm uns mit in jene Stadt, wo die Allmacht in der Krippe ruhte. Mache unser ganzes Leben zu einem Laufe gen Bethlehem, hin zu dem Heiland, dem Helfer in Leben und Sterben. Lass nicht Erdenrücksichten, nicht Lust oder Leid, Sorge oder Sucht nach Erdengewinn uns aufhalten, dass wir immer eifriger dort suchen das Eine was not ist. Lass uns fühlen unsere Kindschaft, unsere Herrlichkeit und Seligkeit, die wir vor allen Heiden und Juden voraus haben. Wer aber in den letztvergangenen Tagen Weihnachtsfreude gehabt hat ohne seligen Weihnachtsglauben, den fasse heute noch an, wie du die toten Stämme im Frühling anfasst, dass der Saft des Lebens in ihm aufsteige, und er auch einmal erfahre, welche andere Freude es noch gebe, als die, so man sieht und mit Händen greift. Amen.
Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Joseph, dazu das Kind in der Krippe liegend.
Von allen Kindern, die in Bethlehem waren, war Jesus das ärmste. Welche Mutter legt denn ihr Kind in die Krippe, wenn sie nicht durch äußerste Armut und Not dazu gedrängt wird? Die Hirten aber haben kein Bedenken, die Krippe ist ihnen kein Anstoß; auch in der ärmsten äußeren Lage ist das Kind doch ihr ersehnter Heiland. - Wie aber dort reichere Nachkommen Davids alle besseren Plätze in der Herberge weggenommen hatten, so dass der Maria für ihr Kind kein Raum übrig blieb als die Krippe, so ist es auch jetzt. Welchen Platz weist denn die stolze Weltbildung dem eingeborenen Sohne Gottes an, den sie in gewissen Angststunden doch wieder den Heiland nennen möchte? Sie hat die Herberge eingenommen, das Kind liegt in der Krippe. Sehen wir die meisten Blätter an, aus denen Tausende und Millionen von Christen täglich ihre geistige Nahrung ziehen, so liegt in ihnen das Kind in der Krippe und wird mit Spott und Hohn übergossen. Und der Herr wird in der Krippe liegen bis an den großen Tag seiner herrlichen Zukunft. Helfe Gott, dass wir uns wie die Hirten vor der Krippe nicht schämen und nicht scheuen. Wir wollen bekennen: Die Liebe Gottes ist nie herrlicher erschienen, als da sie für uns herabstieg bis in die Krippe. Die göttliche Torheit ist weiser, denn die Menschen sind; und die göttliche Schwachheit ist stärker, denn die Menschen sind. Ich schäme mich des Evangelii von Christo nicht, denn es ist eine Kraft Gottes, selig zu machen Alle, die daran glauben.
Herr Jesu Christe. Du hast den Himmel, deine ewige Heimat, den Thron der Majestät, die Nähe deines Vaters und den Chor der Heiligen Engel, die da leuchten als die wahren Sterne im Himmel der Herrlichkeit, vertauscht mit dem Stall, mit der Krippe, mit der durch Sünde befleckten Erde, mit dem Volk, unter dem kein Reiner gefunden werden kann. Habe Dank für solche Liebe, über welche keine andere geht. O mache unser Herz zu deiner Krippe, baue es dir und lege dich selbst hinein, dass von dir aus Gnadenkräfte unser Leben durchströmen und wir dich mit deiner Hilfe bei uns haben bei Tag und bei Nacht, in der Arbeit und in der Ruhe. Hilf aber auch, dass wir unser Herz dir schmücken zu einer würdigen Wohnstätte mit Demut, Gehorsam, Glaube, Liebe, Treue. Amen.
Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kind gesagt war.
Die Hirten haben geredet von dem, was sie in der Nacht erfahren hatten. Und an wen haben sie zuerst die selige Botschaft gebracht? An Weib und Kind. Es kann nicht anders sein. Und weiter ging die Botschaft. Nachbarn und Freunde mussten sie auch hören. Wie weit sie dann das Wort noch ausgebreitet haben, wir wissen es nicht. Sie konnten es aber nicht lassen. Spott mag ihnen auch genug entgegengetreten sein: „Ihr armen Toren wollt allein jene wunderbare Erscheinung gehabt haben. Jene arme Pilgerin aus Nazareth soll die Mutter des Königs der Ehren sein?“ Aber kein Wasser des Unglaubens, keine Lauge des Spottes konnte das heilige Feuer auslöschen, das in ihnen brannte. Die Pflicht, das Evangelium auszubreiten, haben wir alle von jenen Hirten geerbt. Das Wort muss getragen werden von Herz zu Herz, von Haus zu Haus, von Land zu Land. Und wer soll es tragen? Die Gläubigen, die die Seligkeit der Kinder Gottes geschmeckt haben. Ihr Väter, ihr Mütter, habt ihr es wohl in dem Kreis eurer Kinder den Hirten nachgetan? Habt ihr die Euren fleißig hingeführt zu Christi Wiege? O breitet vor ihnen das Wort aus, was von jenem Kind gesagt ist; es ist das Köstlichste, was ihr ihnen mitgeben könnt ins Leben. Und auch zu den Freunden und Nachbarn rede von der Seligkeit der Kinder Gottes. Ob die Geschichte von Bethlehem noch so oft erzählt ist, bedenke doch, wie oft du andere Dinge erzählt hast, die deine Freunde auch längst wussten. Und welches ist es, das sich mit jener Erzählung, mit der Geburt des Herrn in Bethlehem und in dir messen könnte?
Herr, himmlischer Vater, wir danken dir, dass du uns auch heute wieder hast erwachen lassen. Täglich gibst du uns neuen Grund, dein Lob zu verbreiten und deine Treue zu rühmen, die mit uns geht und unsere Hilfe ist. Vor allem aber mache uns bereit zu rühmen deine Barmherzigkeit, die du uns erwiesen hast in der Sendung deines Sohnes. Gib uns fröhlichen Mut, das Wort von ihm auszubreiten. Wir entfernen uns mit jedem neuen Tage ja wiederum mehr vom Feste seiner Geburt, der Freudenjubel, der dieses begleitete, verstummt, o so hilf dass wir nicht verstummen. Lass uns der Maria gleichen, welche alle Worte, die an der Krippe gesprochen wurden, behielt und in ihrem Herzen bewegte. Mache uns aber auch den Hirten gleich, die mit Freuden verkündeten, was sie erfahren hatten. Amen.
Und da acht Tage um waren, dass das Kind beschnitten würde, da ward sein Name genannt Jesus.
Wenn wir die Grenzen eines Landes überschreiten, dann sind wir nicht lange in Zweifel, in wessen Land wir kommen. Die Grenzpfähle sind mit den Landesfarben bezeichnet und bald sieht man auch das Wappen des Landes mit den Namenszügen seines Fürsten. Heute Nacht um 12 Uhr sind wir ausgewandert aus einem alten, wohlbekannten Land, aus dem alten Jahr, in ein neues Land, in das neue Jahr. Wer ist denn Herr in diesem neuen, unbekannten Gebiet? Wir schauen uns um an der Grenze, ob wir keine Farben, keine Wappen, keinen Namen sehen. Und da tritt uns Christus entgegen in dem Weiß und Rot, in der Farbe seiner Unschuld und seines vergossenen Blutes. Da steht das rote Kreuz im weißen Feld, da steht der teure Name Jesus, der über alle Namen ist. Der Name hat einen guten Klang. Wenn in der vergangenen Nacht der Übergang aus dem alten ins neue Jahr hier und dort unter den schönsten Melodien gemacht ist, eine schönere Neujahrsmelodie gibt es nicht, als die: „Jesus Christus, der eingeborene Sohn Gottes, ist Herr und Pförtner der neuen Zeit. Jesus Christus gestern und heute, und derselbige in Ewigkeit.“ Der die Gebundenen löst, die Gefangenen frei macht, der die zerschlagenen Gewissen heilt, der da predigen lässt das gnädige Jahr des Herrn, der uns auftut die Perlenpforten des himmlischen Jerusalem, ruft uns am Eingang des Jahres zu: „Fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir, weiche nicht, denn ich bin dein Gott!“
Herr Jesu Christe, um deines Namens, um deiner Ehre willen neige und beuge heute unsere Herzen in deinen guten, gnädigen Willen. Segne diesen ersten Tag des Jahres mit stiller Andacht, mit reichem Gebet, mit festem Glauben. Bleibe bei uns mit deinem heiligen Geist bis zur letzten Jahresstunde. Alles was in diesem neuen Jahr uns begegnet, lass uns hindrängen auf dich. Willst du uns gute Tage geben, so mache sie zu Führern zu dem einen ewigen Gut. Willst du uns schlagen mit Kreuz, so mache dies zum Führer zu deinem Kreuz. Schenke uns in Gnaden zu deinen geistigen Gaben auch die irdischen; gib uns unser täglich Brot, Friede in Haus und Land. Segne Alt und Jung. Und soll dies Jahr das letzte sein das wir beginnen, so schreibe auch über die letzte Lebensstunde deinen Namen, der dem Tod die Macht nimmt und die Pforten ewigen Lebens öffnet: Jesus. Amen.
Und da die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, dass sie für ihn täten wie man pflegt nach dem Gesetz, da nahm Simeon ihn auf seine Arme, und lobte Gott und sprach: „Herr nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.“
Das alternde Jahr eilt seinem Ende zu, und redet zugleich von der Nichtigkeit und Vergänglichkeit aller Dinge. Das alternde Jahr ist uns dargestellt in der lieben, alten, grauen Gestalt des Simeon. Er weiß für seine Person von Nichts mehr zu reden als vom Sterben, von einem seligen Ende. Für sich will er nicht mehr leben auf der Erde; er will auch hier die Entfaltung und das Heranwachsen des Heilandes und des in ihm beschlossenen Heiles nicht mehr sehen. Für sich hat er nur den Ruf: „Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.“ Aber für die, welche noch länger und nach ihm auf der Erde leben, wird er Prophet und Tröster. Ihnen verkündet er, dass sie in Jesu den Himmel und die Seligkeit auf Erden haben und durch ihn in die Herrlichkeit eingehen können. Und der Maria, die in seligster Freude mit ihrem Kind dastand, ihr sagt er von tiefem Weh, welches über das Kind und mit ihm auch über die Mutter kommen sollte, wovon sie noch Nichts ahnte und wusste. Der alte Auswanderer aus dieser Welt musste sie nach Gottes Befehl darauf hinweisen. Er muss rüsten und wappnen helfen gegen den Schmerz, der nicht erspart werden kann.
O du treuer Gott, wie hast du doch die Leute so lieb! Wie richtest du doch alle deine Wege so ein, dass unser armes, schwaches Herz einen getrosten Mut für alle Zeit behalten soll! Wenn die Nacht kommt, wissen wir hinter ihr den Morgen. Wenn die Trübsal kommt, wissen wir deine Gnade darüber und dahinter. Das hast du uns bisher in dem davoneilenden Jahr erfahren lassen, das verkündigt uns heute dein alter Diener Simeon. So hilf denn, dass wir uns für uns und unsere Kinder nicht eitel gute Tage träumen. Musste Maria mit ihrem Kind einem Leben voll Leid und Sorge entgegengehen, wie sollten wir Anderes erwarten dürfen. Aber lass uns auch in jeder Trübsal, die kommt, dankbar den Segen sehen, welchen du damit schaffen willst, und die Freude, mit der du uns wieder erquickst. So bereite uns vor, dass wir, unseren Heiland allzeit vor Augen, wenn unser Leben über kurz oder lang zu Rüste geht, mit Simeon rufen können: „Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.“ Amen.
Und seine Eltern gingen alle Jahre gen Jerusalem auf das Osterfest. Und da er zwölf Jahre alt war, gingen sie hinauf gen Jerusalem nach Gewohnheit des Festes.
Es mag ein fröhliches Wandern gewesen sein, jener Ostergang der heiligen Familie. Ganze Scharen, ganze Orte zogen miteinander. Und wie man weiter ging, schlossen sich neue Pilgerzüge an. Ihr Gespräch unterwegs war die alte Gnadenzeit Gottes. Fast jeder Ort war eine Gedenkstätte an Gottes Erbarmung und an die frommen Väter. Hier hatte Abraham sein Zelt aufgeschlagen, und die Engel hatten mit ihm geredet; da hatte Jakob seine Herden geweidet; dort hatte der Herr dem Josua oder einem andern Kämpfer Sieg gegeben über die Feinde. Vor allem aber war der Auszug aus Ägypten das Wandergespräch der Pilger. An den Auszug knüpfte sich ja das Fest, das Fest der süßen Brote, an. Die höchste Blüte des ganzen Wanderlebens war aber die Hoffnung auf den Messias, in dem Jerusalem zur vollen Herrlichkeit und Ehre gelangen sollte. Und er war in ihrer Mitte. Er zog mit ihnen. Sie sahen ihn, und sahen ihn nicht. Die Zeichen vor zwölf Jahren waren teils nur von Wenigen gesehen. Etliche von diesen Wenigen waren gestorben. Es waren alte, bejahrte Hoffer gewesen. Teils hatte Gott die ganzen zwölf Jahre hindurch kein Wort von diesem Kind geredet. Diese Zeit lag wie ein Schleier über dem großen Anfang. Das Licht des Sternes und die Klarheit der Engel war blass geworden, das Hosianna klang nur in wenigen Herzen nach.
Herr Jesu Christe, auch mit uns willst du ziehen hinauf gen Jerusalem, unser ganzes Leben soll ja eine Pilgerfahrt sein nach dem Jerusalem, das droben ist. O halte uns treu auf diesem Wege. Du bist bei uns, ob wir dich auch nicht mit leiblichen Augen sehen. Deine segensreiche Gegenwart aber lässt du uns spüren Tag für Tag. So stärke uns denn, dass wir fröhliche Pilger nach oben sind, die in den alten Gnadenerweisungen an deiner Christenheit und in den Gedanken an die Erlösung aus der Knechtschaft der Sünde immer erquickt und ermutigt werden, auch wenn der Weg steil und heiß wird. Ja, lass auch diesen heiligen, stillen Tag wieder solch fröhlichen Pilgertag werden, der uns rüstig ausschreiten sieht, damit wir nicht zurückbleiben und träge seien auf unserem Heilswege. Amen.
Und da die Tage vollendet waren, und sie wieder zu Hause gingen, blieb das Kind Jesu zu Jerusalem, und seine Eltern wussten es nicht. Sie meinten aber, er wäre unter den Gefährten und kamen eine Tagereise und suchten ihn. Und da sie ihn nicht fanden, gingen sie wieder gen Jerusalem.
Hast du deinen Heiland verloren, so helfe dir der Herr, dass du ihn so bald vermisst, wie Joseph und Maria. Schon nach einer Tagereise vermissten sie ihn. Ach, wir sind flugs ganze Monate, ganze Jahre, ein ganzes Jünglings- und Mannsalter gewandert und haben nicht bemerkt, dass wir unseren teuersten Begleiter verloren hatten! Frage dich doch jetzt, ob du ihn wirklich hast, ob er dir zugesellt, ob er an dich gebunden ist mit den festen Banden des Glaubens. Und wenn du ihn nicht hast, was dann tun? Kehre um wie Jene. Der selige Friede, der etwa deine Jugend und etliche geweihte Stunden deines Lebens beschienen hat, kehrt sonst nicht wieder. Drei Tage suchen ihn Maria und Joseph. Die Zeit mag ihnen lang gedauert haben. Geh, suche! Wenn du auch länger suchen musst als drei Tage, wenn er auch auf dein Bitten und Anklopfen so schnell kein Ja antwortet, suche nur, er ist des Suchens wert. Suche ihn aber nicht am unrechten Ort, nicht hier und da bei den Gefährten auf der Straße, sondern in seinem Tempel, in seinem Wort.
Herr, barmherziger Heiland, wir danken dir, dass du mit uns gehst von Tag zu Tag. Du bist auch in der vergangenen Nacht wieder unser Schutz gewesen, und hast im Schatten der Finsternis deine Hand über uns gebreitet. O gib uns wachsame Augen, dass wir auch heute allezeit nach dir ausschauen. Wo du dann nicht bei uns bist, lass uns umkehren und dich suchen. Wo du nicht mit hingehen kannst, da lass uns auch fernbleiben.
Was dein Auge nicht sehen soll, das lass uns meiden. Hilf aber auch, dass wir dich nicht suchen an falscher Stätte, dass nicht unser Verstand oder unsere Werke uns zum Heiland werden, auf den wir trauen. Und wenn es dein Wille wäre, das Antlitz deiner Gnade uns zu verbergen, wenn Sorge und Leid uns träfe, so gib uns die rechte Geduld und das feste Vertrauen, welche nicht nachlassen, bis wir dich wiederhaben und deine Segensnähe spüren. Amen.
Und er sprach zu ihnen: „Was ist es, dass ihr mich gesucht habt? Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, das meines Vaters ist?“
Wunderbares Wort, das Kind spricht sich selbst aus über seine himmlische Herkunft. Verhüllt war in ihm die Gottheit in das arme Gewand unseres Fleisches. Hier leuchtet sie hindurch wie ein Stern durch die Wolke. Die dabei waren, verstanden zwar das Wort nicht. Aber der Maria war es eine Anknüpfung an die Wunder der Verkündigung und Geburt. Sie behielt alle diese Worte in ihrem Herzen. Nun, mein Christ, der du deinen Herrn sucht, der du nach Frieden verlangst, geh, suche ihn in dem, was seines Vaters ist. Hast ihn in manchem Kreis gesucht: suche ihn in der Gemeinde der Gläubigen. Die ist seines Vaters. Hast ihn in manchem Haus gesucht; suche ihn im heiligen Tempel Gottes, wo die Predigt der Apostel und Propheten Worte auslegt. Dieser Tempel ist seines Vaters. Hast ihn in manchem Buch gesucht; suche ihn in Gottes Wort. Das ist seines Vaters. An einer Stätte wirst du ihn finden. Ja in allen dreien wirst du ihn endlich erkennen als den eingeborenen Sohn vom Vater. Freude wird dann in dir sein, wie du sie noch nie gehabt hast.
Herr Jesu Christe! Ob wir hier auf Erden keine Heimat mehr hätten, ob kein Vaterhaus uns mehr seine Pforten öffnete: du hast uns eine Heimat gegeben, ein Vaterhaus, aus welchem Niemand uns ausstoßen kann. Gib uns nur das rechte Kindsherz, dass wir darin uns immer recht heimisch fühlen. Ob wir einsam daständen im Leben und Eins unsrer Lieben nach dem Anderen dahinginge: du hast uns eine Familie gegeben, die uns bleibt, bist selbst unser lieber Bruder worden und hast die ganze treue Christenheit uns zu Brüdern und Schwestern gemacht, auf deren Fürsorge und Fürbitte uns ein heiliges Recht zusteht. Und ob Keiner mehr hier zu uns väterliche Worte der Liebe und Ermahnung spräche: du redest zu uns die Worte deines und unseres Vaters, Worte voll heiliger Wahrheit, Weisheit und Barmherzigkeit. O lass keinen Tag dahingehen, ohne dass wir an jener Gemeinschaft uns freuen und aus diesen Worten unsere Weisheit nehmen. Ja, lass uns immer treuer bleiben in dem, das auch unseres Vaters ist. Amen.
Als aber das Volk in dem Wahn war, und dachten alle in ihrem Herzen, ob er vielleicht Christus wäre; antwortete Johannes, und sprach zu Allen: Ich taufe euch mit Wasser, es kommt aber ein Stärkerer nach mir, dem ich nicht genugsam bin, dass ich die Riemen seiner Schuhe auflöse.
Nachdem Johannes über seine Person und über sein Werk geurteilt hat, da fasst er seine Würde im Vergleich mit der des Herrn in ein Wort zusammen: „Ich bin nicht genugsam, dass ich ihm die Riemen seiner Schuhe auflöse, dass ich ihm seine Schuhe trage.“ Da kannst du Demut lernen. Der Mann, der sich und sein Leben dem Herrn geopfert hat, der mit dem Zeugnis von seinem Heiland vor Zöllner, Priester und Könige tritt, der seinen Kopf für die heilige Zucht Gottes auf den Block legt, der achtet sich nicht wert, dem Herrn die Schuhriemen aufzulösen. Und jetzt achten Tausende diesen Christus nicht wert, sich nur ernstlich um ihn zu bekümmern. Ob sie gleich im Glauben und in heiliger Zucht dem Johannes nicht an das Knie reichen, meinen sie dennoch keines Heilandes zu bedürfen. Tausende von Christen haben in ihrem ganzen Leben nie auch nur ein einziges Evangelium durchgelesen, um das ganze Bild ihres Heilandes in die Seele aufzunehmen. Sie begnügen sich mit etlichen hängengebliebenen Bruchstücken. Sie laufen ihren Weg in Sicherheit und Hochmut dahin, bis sie in den Abgrund hinunterstürzen. O dass sie doch mitgingen in die Wüste! Es ist Mancher nur einmal draußen gewesen und hat sich doch den Anfang zum Leben, ja zum ewigen Leben von dort mitgebracht. Der Anfang zum ewigen Leben aber ist die Demut.
Herr Jesu Christe, Johannes sagt von dir: „Er ist größer denn ich.“ wie groß bist du in deinem Wesen! Du bist ja der Abglanz der Herrlichkeit deines Vaters und seines Wesens Ebenbild. Wie groß bist du in deiner Macht! Du trägst alle Dinge mit deinem kräftigen Wort. Wie groß bist du in deiner Weisheit! Aller Weisheit höchste Fülle liegt ja in dir verborgen, und jede Seele führst du, wie es ihrer Seligkeit am Förderlichsten ist. O wie groß bist du in deiner Liebe! Es hat ja nie eine größere Liebe gegeben, denn die ihr Leben lässt für die Brüder. Dein Herz umschließt alle Sünder, welche je gelebt haben und je leben werden. O umfasse auch uns mit deiner Kraft und Weisheit und Liebe heute und allezeit. Amen.
Der wird euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen.
Das Feuer, mit welchem Christus tauft, hat eine doppelte Kraft. Es macht dir deine Sünde so zur Sünde, dass du keine Ruhe mehr haben kannst. Die Liebe Christi züchtigt gewaltiger als der Donner von Sinai. Der alte Mensch mit seinen Lüsten und Begierden, die Welt mit ihrem nichtigen Gut muss immer weiter zu Asche verbrannt werden. Lasst nur den Odem des göttlichen Geistes durch das Wort täglich frisch hereinblasen. Auf der andern Seite weckt dies Feuer ein heiliges Leben in Gott. Das Herz ist der Herd. Der Glaube und das Gebet schlagen in hellen Flammen darauf empor. Das Herz ist warm zu aller Gottseligkeit und christlichen Tugend. Wie der Magnet mit der einen Seite abstößt und mit der andern anzieht, so die Liebe Christi in uns auch. Was aus ihm ist, das zieht sie an; was wider ihn ist, das stößt sie ab. Dies Feuer brennt fort bis zum Tod. Im letzten Stündlein sinkt der letzte Rest der Welt in Asche, und im letzten Stündlein schlägt auch die Flamme des Glaubens am Mächtigsten zum Himmel empor.
Herr Jesu Christe, alles, was hoch ist, soll vor dir geniedrigt werden, und die Knie Aller, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, sollen sich vor dir beugen. Lass uns doch recht bedenken, dass alles Gute, was wir haben und hoffen, deine reine Gnade ist. Wir haben ja nicht allein die Erlösung und die Kindschaft und den Himmel von dir, auch das tägliche Brot, Gesundheit und Obdach gibt uns dein lieber Vater, unser Vater, um deinetwillen. Du bist der einige Mittler, welcher den Strom der Gnade auf uns herniederlenkt. Und dieser Liebe und Gnade gegenüber steht unsere Sünde. Wir sündigen täglich und stündlich. Täglich verdienen wir Gottes Zorn und Gericht. Wenn du mit uns handeln willst nach unserer Missetat, so haben wir unsern Teil mit den Übeltätern. Und nun erbarmst du dich unserer so gnadenreich! Du bist nicht allein in deiner Menschwerdung zu uns gekommen. Du kommst auch noch. Dir ist keine Seele zu schlecht, wenn es auch in ihr viel unsauberer aussieht als ehemals in deiner Krippe. Darum komme, du lieber Herr, und wohne in uns. Amen.
In desselben Hand ist die Wurfschaufel, und er wird seine Tenne fegen, und wird den Weizen in seine Scheuer sammeln und die Spreu wird er mit ewigem Feuer verbrennen.
Am Ende der Tage muss der Herr gewiss und wahrhaftig sein großes Scheidewerk vollenden. Alles Scheiden in dir im Leben ist allerdings schon seine Tat, es ist aber auch Weissagung auf die große letzte Scheidung. Alles Gericht im Gewissen, alle Seelenangst und alles Feuer, welches drinnen brennt, wäre ein armseliges Spiel, wenn nicht einst die ganze Scheidung und Reinigung erfolgte. Was aber wird der Herr da behalten? Wer findet Gnade vor seinen Augen? Scheinchristen wirft er schon im Leben einen nach dem andern mit seiner Wurfschaufel weg. Noch schlimmer ergeht es ihnen an dem großen Tage, wo er seine Tenne fegt. Da bleiben die Gottlosen nicht im Gericht, noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten. Wer aber bleibt? In wem ist Kern? Nur in dem Gläubigen, in dem Jesus Christus Wohnung gemacht hat. Nur wer erneuert ist aus dem wahrhaftigen Leben, hat selbst Leben.
Herr Jesu Christe. Wie der Kranke sich sehnt nach dem Arzt, so sehnen wir uns nach dir. Krank sind wir Alle, und du allein bist der rechte Arzt. Wie der Verschuldete nach dem Bürgen, so rufen wir nach dir. Verschuldet sind wir Alle. Leib und Seele, Zeit und Ewigkeit haben wir verwirkt, aber du bist der treue und reiche Bürge. Nichtig und vergänglich sind alle Dinge. Wieder stehen wir am letzten Tag einer Woche und sehen, wie schnell Stunde auf Stunde unsrer Gnadenfrist dahinrollt. Aber in aller Nichtigkeit und Vergänglichkeit bleibst du der lebendige Herr! Wann wird für unser Leben der letzte Tag kommen? O bleibe nur dann, wenn unser irdisches Teil zunichte wird und vergeht, unser Leben. Verwirf uns nicht wie die Spreu, die das Feuer verzehrt, sondern sammle uns und alle die Unsern in deine ewigen Scheuern. Amen.
Und er kam gen Nazareth, da er erzogen war, und ging in die Schule nach seiner Gewohnheit am Sabbattag.
Es liegt in jedem Menschen ein Zug nach seinem Heimatorte, nach der Stätte seiner Jugend. Und wenn es uns da auch kümmerlich ergangen und sauer geworden ist, so wird im weiteren Laufe des Lebens das Alles zwar nicht vergessen, aber mit lieblichen goldenen Farben überzogen. Mit stiller Freude denkt man sich dahin zurück, und gern möchte man an dem, was Gott uns später schenkt, den Jugendort und die Gefährten der Jugend teilnehmen lassen. Alles rein Menschliche finden wir nun auch in dem Herrn wieder. Etwa zwei Jahre alt war er mit den Eltern von Ägypten nach Galiläa, nach Nazareth, gezogen, und dort hatte er an 28 Jahre gelebt, gebetet, gearbeitet. Dort wohnten die Gefährten seiner Kindheit und Jugend; dort wollte er wenigstens für Galiläa mit seiner Predigt beginnen. Es war Sabbat. Der Herr kam in die Schule oder Synagoge nach seiner Gewohnheit. Also er selbst, das ewige Wort vom Vater, er selbst, der gepredigt werden soll in allen Kirchen und Schulen bis ans Ende der Tage, er kam jeden Sabbat in die Schule, wo Gesetz und Propheten vorgelesen wurden. Er, auf den Gesetz und Propheten geweissagt hatten, hielt es als feste Gewohnheit, Gesetz und Propheten zu hören. Wie viel mehr sollen wir, für die das Gesetz und die Propheten weissagen, für die das teure Evangelium verkündigt wird, uns treu zum Hause und Worte Gottes halten.
Herr Jesu Christe, nicht die Kirche allein ist die Stätte, wo das Wort von dir erschallen soll. Du sendest deine lieben Boten, die Evangelisten und Apostel auch in unser Haus, dass sie hier deine Ehre verkündigen. In jedem Hause, auch im kleinsten und ärmsten willst du ja weilen und segnen. O so komme auch zu uns und bleibe bei uns. Mache uns bereit dir zu lauschen und deine Wahrheit in uns aufzunehmen. Nicht der Sonntag allein ist es, wo wir dir dienen sollen. Du verlangst alle Tage unseren Dienst. Lass auch heute uns rechten Gottesdienst üben in der Liebe, die dir das Herz gibt und dem Nächsten hilft, in der Treue, die nicht vom rechten Wege weicht und jeden Tag als von dir gegebene Zeit ansieht, die nicht zum Vergeuden, sondern zum Arbeiten da ist. Lass uns dir dienen mit treuem Bekenntnis und willigem Gehorsam. Gehe selbst mit uns und leite uns mit treuer Hand bis zum Abend. Amen.
Und sie gaben Alle Zeugnis von ihm, und wunderten sich der holdseligen Worte, die aus seinem Munde gingen, und sprachen: „Ist das nicht Josephs Sohn?“
Was war die Frucht der Predigt Jesu? Sie wunderten sich der holdseligen Worte, die aus seinem Munde kamen, und sprachen: „Ist das nicht Josephs Sohn?“ O arme Frucht! Sie wundern sich, dass der, welcher in keine gelehrte Schule gegangen ist, welcher nicht zu den Füßen eines gelehrten Rabbi gesessen, so reden kann. Das ist Alles. „Ist das nicht Josephs Sohn?“ Er ist der Sohn, der Pflegesohn des alten Zimmermanns, der bei uns gelebt hat und gestorben ist, und nun kann er so reden. Woher hat er das? Das ist Alles. Obgleich er ihnen deutlich gesagt hat: „Heute ist diese Schrift erfüllt vor euren Ohren“, obgleich er sich damit als den Heiland kund getan hat, fragt doch kein Mensch: „Also du bist der Verheißene?“ oder: „Was soll ich tun, dass ich selig werde?“ Der Herr hat umsonst gepredigt. Denn wo unter der Predigt diese Frage nicht aufkeimt oder, schon vorhanden, lebendiger wird, da ist die Predigt umsonst. Sie hatten eigentlich so viel wie Nichts gehört. Es war eine schöne Predigt gewesen, aber sie wussten Nichts davon. Der Herr las auf ihren Gesichtern, wie sie auch die holdseligen Worte nicht befriedigt hatten, wie sie auf etwas Anderes warteten. Wunder wollten sie sehen. Er aber sieht der Menschen Herzen. Wo kein Glaube wachsen kann, da tut er auch kein Wunder.
Gnadenreicher Herr, du hast dort gepredigt, predige auch uns. O predige uns, dass du gekommen bist zu heilen die zerstoßenen Herzen, die Gefangenen zu lösen, den Blinden die Augen aufzutun und die Zerschlagenen gesund und ledig zu machen. Aber lieber Herr, lass uns doch auch zu der Erfahrung kommen, dass wir von Natur blind sind zu allem Guten, und dass wir gefangen sind in den Ketten der Sünde. Gib dem Gesetze die Kraft, dass es uns zerschlage, und uns die Demut und Klarheit, dass wir uns von ihm zerschlagen lassen. Herr, wir wollen nicht äußere Wunder sehen, sondern Wunder an unseren begnadigten Seelen. Behüte uns vor der fleischlichen Art derer zu Nazareth, die wohl eine schöne Predigt hören, aber sich dieselbe nicht wollten an das Herz kommen lassen. Herr, behüte uns vor ihrem Trotz, in welchem sie dich von sich stießen. Du bist nie wieder zu ihnen gekommen. Zu uns aber sollst du heute, morgen und alle Tage kommen. Ja, komm, bleibe bei uns im heiligen Geist. Amen.
Und sie standen auf und stießen ihn zur Stadt hinaus, und führten ihn auf einen Hügel des Berges, darauf ihre Stadt gebaut war, dass sie ihn hinabstürzten. Aber er ging mitten durch sie hinweg.
Weil er nicht wollte, wie sie wollten: weil er nicht predigte, wie ihnen die Ohren jückten, wollten sie ihn töten. Noch heute zeigt man bei Nazareth, bei der Maronitenkirche, die 4050 Fuß hohe Felsenwand, an die sie ihn stellten. Da sollte er sterben. Erst staunten sie über seine holdseligen Worte, und eine Stunde darauf wollten sie ihn in den Abgrund stürzen. Sie stürzten ihn aber nicht hinein. Er kehrt um, er geht mitten durch den Haufen hindurch. Wie die Fluten des roten Meeres Israel Bahn machten, so musste auch dieser wilde Haufen Jesu Bahn machen. Seine Würde und Majestät bricht sich einen Weg hindurch. Sie können, sie dürfen ihn nicht hindern. Schreckt ihn nun diese erste Erfahrung etwa? Steht er etwa ab von dem Zeugnis über verhärtete Herzen? Redet er fortan wie es die Leute gern hören? Nein, er zeugt bis ans Kreuz, und gekreuzigt, gestorben, auferstanden und aufgefahren gen Himmel, befiehlt er immer noch jedem seiner Knechte: „Rufe getrost, schone nicht, erhebe deine Stimme wie eine Posaune, und verkündige meinem Volke ihr Übertreten, und dem Hause Jakobs ihre Sünde.“
Herr Jesu Christe, weise uns immer mehr hinein in den heiligen Mittelpunkt deiner Lehre: „Lasst euch versöhnen mit Gott; lasst euch heilen von eurem Heiland; lasst euch versöhnen von eurem Versöhner.“ Hilf uns kämpfen gegen allen Schein des gottseligen Wesens, der die Kraft der Wahrheit nicht in sich hat. Und wenn du uns unsere Sünden vorhältst und mit der Kraft deines Wortes an unsere harten Herzen schlägst, o so lass uns nicht verstocken wie Jene, die dich töten wollten. Führe vielmehr du unseren alten eigenen Menschen mit seinem Trotz und seiner Trägheit zu solchem Felsen und stürze ihn hinab, dass er zerschelle. Ja, lass auch diesen Tag dazu dienen, dass wir uns demütigen vor deiner Wahrheit. Mache uns klein, damit du uns erhöhen kannst. Denn wer auf eigener stolzer Höhe hochmütig verharrt, der wird einst um so tiefer fallen. Davor behüte uns, lieber Heiland. Amen.
Es ging ein Säemann aus zu säen seinen Samen; und indem er säte, fiel etliches an den Weg und ward vertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen es auf.
Du lieber, himmlischer Säemann, Du hast Dich in den Tagen Deines Fleisches unter Sturm, Wetter und Sonnenbrand Deine saure Ackerarbeit nicht verdrießen lassen. Du hast auch nicht allein Dein Wort, sondern auch Dein teures Blut gesät. Du hast später durch Deine Knechte den Samen auch auf das Feld unserer Herzen gestreut. O, beweise doch an demselben Deine Treue! Lockere den Weg in unseren Herzen, dass Deine Saat darin Wurzel schlagen und gedeihen könne! Wandle ihn um in ein gutes Land! Ja segne auch heute die Verkündigung Deines Wortes im Gotteshaus, dass es überall Herzen finde, die bereit sind, es aufzunehmen! Behüte uns auch vor aller Zerstreuung und Leichtfertigkeit, die den Sonntagssegen uns nehmen möchte! Segne uns den Tag nach Deiner Barmherzigkeit!
„Ist nun dein Herz dem Wege gleich
Und einer Nebenstraßen,
Da auf dem breiten Lastensteig
Die Vögel alles fraßen?
Ach, prüfe dich! es ist kein Scherz,
Ist so bewandt dein armes Herz,
So bist du zu beklagen.“
Amen. (F. Ahlfeld.)
Und etliches fiel auf den Fels, und da es aufging, verdorrte es, darum dass es nicht Saft hatte.
Treuer, barmherziger Gott, wie oft haben wir es schon an uns erleben müssen, dass in der Hitze der Anfechtung unser Glaube wankt und weicht! Wie oft hat unser Herz dem Lande geglichen, auf dem es bald grünt und bald verwelkt! Aber Du kannst Felsen zerschmettern, dass sie Deine Samenkörner aufnehmen können in die Tiefe, Du kannst Wasser des Lebens aus ihnen fließen lassen, Deine Aussaat zu tränken. So mache auch unser hartes Herz weich mit dem Hammer, der Felsen zerschlägt, und wecke Leben aus dem dürren Gestein! Lass die Vorsätze, mit denen wir heute an den Tag herantreten, nicht auch wieder bald welken Halmen gleichen, sondern halte uns treu in Deinem Dienst!
„So trage nicht zerknirscht Dein Herz
Und vom Gesetz zerschlagen
Durch wahre Buße, Reu' und Schmerz,
So kanns nicht Früchte tragen,
Bedenk es wohl und tue Buß',
Glaub fest und falle Gott zu Fuß,
So ist Dein Herz genesen!“ Amen. (F. Ahlfeld.)
Und etliches fiel unter die Dornen. Und die Dornen gingen auf und erstickten es.
Behüt uns, lieber Vater, dass unser Herz nicht auch solcher Dornenhecke gleich sei! Jeder Tag bringt uns ja neue Sorgen, die uns wankend machen, oder neue Freuden, die uns von Dir abziehen. Und neben der Liebe zu Dir wuchert immer noch die alte Selbstgerechtigkeit, Selbstsucht, Lieblosigkeit und Unreinheit. O, mache Du uns rein! Säubere unser Herz von den Dornenwurzeln, die das wahre Leben nicht aufkommen lassen! Lass bald den Tag kommen, ja, mache den heutigen zu einem solchen, wo Deine Gnade uns so mächtig ergreift, dass wir rufen: „HErr, da hast Du mich, da hast Du mich ganz; nun ziehe auch die letzte Wurzel heraus und wirf sie ins Feuer! Ich will nicht mehr zweien Herren dienen, sondern nur Dir!“
„Oft ist das Herz auch dornenvoll,
Mit Sorgen ausgefüllet,
Oft lebet es im Reichtum wohl:
Da wird der Sam' verhüllet,
Ja, er ersticket ganz und gar,
Und wird nicht einmal offenbar;
Das ist wohl zu beklagen.“ Amen. (F. Ahlfeld.)
Und etliches fiel auf ein gutes Land; und es ging auf und trug hundertfältige Frucht.
HErr, wir möchten auch gern solch gutes Land werden. Da hilf uns denn, an uns zu arbeiten mit aller Kraft! Ach, segne unsere Herzen, dass sie Auen werden voll Korn und Frucht, Du sagst uns ja die Früchte, die in uns wachsen sollen: Liebe, Freude, Friede, Freundlichkeit, Gütigkeit, Geduld, Glaube, Sanftmut, Keuschheit. Du säst ja mit Deiner Barmherzigkeit immer aufs neue köstliche Samenkörner; unser ist die Schuld, wenn sie nicht Frucht bringen. Wir sorgen so eifrig, dass unsere Erdenarbeit nicht vergeblich sei, mühen uns um irdischen Erfolg und Anerkennung, möchten da gern hundertfältig und noch mehr ernten. Gib uns doch auf dem himmlischen Herzensacker gleiche Treue und gleichen Eifer, dann wäre kein Tag ohne Segen, auch wenn er uns irdisch noch so viel nähme!
„HErr JEsu, lass mein Herze sein
Zerknirschet und zerschlagen,
Damit der Same dring hinein,
Und lass ihn Früchte tragen,
Die mir im Himmel folgen nach,
Da ich sie finde tausendfach;
Das wünsch' ich mit Verlangen.“ Amen. (F. Ahlfeld.)
Verkauft man nicht fünf Sperlinge um zwei Pfennige? Noch ist vor Gott derselben nicht einer vergessen. Darum fürchtet euch nicht; denn ihr seid besser, denn viele Sperlinge.
Die Sorge steht bei so vielen Christen als Türhüterin an der Pforte des neuen Jahres. Einer sorgt ums Leben, ein Anderer um Gesundheit, ein Dritter um Brot. Einer sorgt um sich, ein Anderer um seine Freunde. Was richten sie denn Alle aus? Nichts. Die Sorge ist ein stetes Fragen, auf das keine Antwort erfolgt. Gott hat nie verheißen, dass er sich der Sorge offenbaren will. Die Sorge ist ein Bohrer, mit dem du in die Zukunft einbohren willst; aber in der Tat bohrst du in dein eigenes Herz. Die Sorge ist ein umherflatternder Vogel, der sich bald auf diesen, bald auf jenen wankenden Zweig niedersetzt. Aber nirgends findet er eine feste Stätte. Die Sorge kommt aus ungläubigem und kleinmütigem Herzen und macht wiederum das Herz noch kleinmütiger. Sie kommt von ihren Irrfahrten stets ärmer zurück, als sie ausgegangen war. Indem sie nach Nahrung und Stärke sucht, verzehrt und verstört sie auch das, was du in dir hattest. Denke doch an die Vögel unter dem Himmel. So wenig die Sperlinge wert sind, sie stehen doch in Gottes Liebe, doch hat er bei Saat und Ernte auch an sie gedacht, doch deckt er ihnen von Tag zu Tag den Tisch, doch darf ihr Tod keinen Augenblick eher erfolgen, als er es will. Und du, der du nach seinem Bild geschaffen, durch das Blut seines lieben Sohnes erlöst bist, du solltest vergessen sein? du solltest dich mit Sorgen um deine Jahre plagen müssen?
Herr, heiliger Gott. Wir sehen draußen arm, kahl und tot die Natur, nirgends ist ein Rest des Lebens zu spüren, und wir wissen doch, dass du mit deiner Macht in kurzer Zeit die Flur wieder mit Leben, Gras, Blumen und Früchten schmücken wirst. Auch unser Herz gleicht oft der winterlichen Flur, wo Hoffnung und Vertrauen unter Schnee und Eis begraben liegen. Ach wecke du darin das Leben des Glaubens, pflanze das Grün und die Früchte deiner Gnade hinein. Wo Klagen darin stehen, lass Gebete wachsen, wo Seufzer aufsteigen, da lass Danklieder für alle schon empfangenen Gaben an die Stätte treten. Lass unsere Seele nicht umherflattern wie einen Vogel, dem sein Nest zerstört, sondern mache sie still und zuversichtlich, es kann uns ja Niemand deine Hilfe und dein Erbarmen nehmen. Deine Gnadenschätze lassen sich nicht verzehren und dem Hungrigen versagst du sie nicht. So lass uns auf dich bauen als Kinder die ihres Vaters sich gewiss sind. Amen.
Ich sage euch: macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, auf dass, wenn ihr nun darbt, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten!
HErr JEsu Christe! Jener Haushalter hatte die Güter seines Herrn denen zugewendet, bei denen er wohnen wollte, wenn er darbte. Wenn wir dereinst darben müssen an allem, was wir haben, wenn der Tod uns alles nehmen wird, dann wollen wir eine Stätte haben bei Dir, in dem reichen Auszüglerhaus da droben. O, wir möchten uns bei Zeiten dort einkaufen und wir wissen den Preis, den Du forderst. Er heißt: Gib Mir, Mein Sohn, dein Herz und lass deinen Augen Meine Wege wohlgefallen! HErr, wir geben. Dir alles, was wir sind und haben; nimm es gnädig an und behüte uns auf allen unsern Wegen, dass wir nicht wankend werden, wie schon so oft, sondern im festen Glauben uns an Dich hängen, der Du allein unser Erretter bist am Tage des Gerichts! - „Er weiß schon nach Seinem Willen Mein Verlangen zu erfüllen; Es hat alles seine Zeit. Ich hab ihm nichts vorzuschreiben: wie Gott will, so muss es bleiben, Wann Gott will, bin ich bereit.“ Amen. (F. Ahlfeld.)
Und als JEsus nahe hinzu kam, sah Er die Stadt an und weinte über sie.
Ach, HErr JEsu, Du hast nicht allein über Jerusalem, sondern auch über uns geweint. Lass Deine Tränen nicht auf den steinigen Boden, wie vor jener Stadt, sondern auf unsere Herzen fallen. Mache mit solcher Liebe unsere harten und toten Seelen weich und lebendig, entzünde in ihnen die Sehnsucht nach dem Frieden Gottes und pflanze darinnen den Ernst, täglich an unsren Herzen zu arbeiten, bis Du im letzten Stündlein die Arbeit vollendest und wir die ganze, liebe, lange Ewigkeit lauter Gefäße der Ehre Gottes bleiben! HErr, das tue um Deiner Barmherzigkeit willen! „Du weinest vor Jerusalem, HErr JEsu, lichte Zähren; Bezeugst, es sei Dir angenehm, Wenn Sünder sich bekehren: Wenn ich vor Dir mit Buß erschein Und über meine Sünden wein, So wäsch'st Du ab aus lauter Gnad Die Missetat, So mich bisher gequälet hat.“ Amen. (F. Ahlfeld.)
Und es werden Zeichen geschehen an der Sonne und Mond und Sternen; und auf Erden wird den Leuten bange sein, und werden zagen; und das Meer und die Wasserwogen werden brausen. Und alsdann werden sie sehen des Menschen Sohn kommen in der Wolke, mit großer Kraft und Herrlichkeit.
Wie ist doch das heutige Evangelium, aus dem diese Worte genommen, so ganz anders als vor acht Tagen. Dort kam Christus vom Ölberg hernieder, hier vom Thron seiner ewigen Herrlichkeit. Dort inmitten eines armen Volks- und Kinderhaufens, reitend auf einer Eselin, hier inmitten der himmlischen Heerscharen in des Himmels Wolken. Dort unter dem „Hosianna“ seiner Begleiter, hier heißt es: „Das Meer und die Wasserwogen werden brausen.“ Dort zieht er in Jerusalem ein, hier in den ganzen Kreis der Erde. So steht in den beiden Evangelien die erste und letzte Ankunft des Herrn nebeneinander: sein Kommen in die Niedrigkeit, sein Kommen in die Herrlichkeit; sein Kommen in die Geschichte, sein Kommen zum Gericht. Daran sollst Du erkennen, wie Alles beschlossen ist in Jesum Christum, wie er das A und O, der Anfang und das Ende ist. Kann dich der Demutszug des Herrn nicht aufwecken, so soll dich sein Siegesgang, sein letzter Advent aufschrecken. Er wird kommen mit großer Kraft und Herrlichkeit. Dann werden alle Völker um ihn versammelt, die da waren und die da sind. Dann wird er Gericht halten, dann wird er den Weizen von der Spreu, die Schafe von den Böcken scheiden. Das ist der Schluss aller Geschichte. Sünde und Gnade haben ausgerungen miteinander. Die Gnade hat gesiegt. In wem sie aber nicht gesiegt hat, für den ist alle Gnadenzeit aus, er fällt in den Arm der Gerechtigkeit. Schrecklich ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.
Herr und König in deinen dreien Reichen. Der du uns schon aus Erbarmung in dein Gnadenreich gesetzt hast, ziehe an uns mit deinem teuren, mächtigen Wort, dass wir in demselben zu Bürgern des Reiches der Herrlichkeit heranreifen. Rücke uns immer mehr heraus aus dem Dienst des Fürsten dieser Welt. Richte unsere Sünden im Leben, damit wir im Tod nicht gerichtet werden. Halte unsere Herzen bereit auf Deine große Zukunft; gib uns Treue und Beharrlichkeit, dass unsere Lampen brennen und wir Öl haben in den Gefäßen. Amen. (Fr. Ahlfeld)
Also auch ihr, wisst, dass das Reich Gottes nahe ist wenn ihr dies Alles seht angehen. Wahrlich, ich sage euch, dies Geschlecht wird nicht vergehen, bis dass es Alles so geschehe.
Die Kirche Christi hat es erfahren, dass sein Wort die lautere Wahrheit ist. Seine ersten Weissagungen sind Ja und Amen geworden, und die letzten werden es auch.
Doch der Glaube an die Zukunft des Herrn ruht auch auf unserm eigenen Denken. Wer mit dem Saattuch still durch sein Feld geht und guten Samen ausstreut, ist der nun fertig? Kommt der nicht wieder zu ernten? Dein Herr hat auch gesät, er ist über das Land geschritten, das Johannes mit dem Pfluge der Bußpredigt aufgerissen hatte. Er hat gesät bis in den Tod. Vom Kreuz herab hat er die Saat noch mit seinem teuren Blut begossen. Soll er nun nicht kommen zur Ernte? Ja, er wird kommen. So Jemand ein Netz ausgestellt hat in den Fluss oder in das Meer, so geht er von dannen. Kommt er dann aber nicht wieder? Ja, er wird es ans Land ziehen, er wird zusehen, was er gefangen hat. Der Herr hat auch ein Netz ausgestellt. Das Netz ist seine Kirche. Er dehnt es immer weiter aus, damit es den ganzen Strom des Menschengeschlechts bespanne. Soll er nun nicht kommen und sein Netz ans Land ziehen? Ja, er wird kommen am letzten Tage. Er wird es an das einzige feste Ufer des großen Meeres ziehen; dies Ufer und Land ist sein ewiges Reich.
Herr, du wirst wiederkommen, und wir wissen nicht, wann. Wie ein Fallstrick wirst du kommen über Alle die auf Erden wohnen. Du kannst heute kommen und uns abrufen vor dein Gericht. Und doch sind wir in so tiefer Sicherheit vor deinem Kommen. Wir denken viel mehr der Lust des Lebens, und des Genusses den der Tag bringen soll, als daran, ob dein Reich uns nahe ist. Lehre uns fühlen, dass unsere Erdenfreude nichts ist als wilde Blumen und ein hohles Grab. Lehre uns ausschauen nach unsrer Erlösung. Wir sind viel mehr verstrickt in die Sorgen des Lebens, als besorgt um das ewige Leben. Hilf uns, uns losreißen aus den Banden der Lust und der Sorge, hilf uns wachen und beten, feststehen und glauben, und dir unser Leben heiligen. Amen. (Fr. Ahlfeld)