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Ahlfeld, Johann Friedrich - Die Verklärung der Gläubigen.

(VI. Sonntag Post Epiphanias. 1848.)

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.

Text: Ev. Matth. 17,1-9.
Und nach sechs Tagen nahm Jesus zu sich Petrum und Jakobum und Johannem, seinen Bruder, und führte sie beiseite auf einen hohen Berg, Und ward verkläret vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß, als ein Licht. Und siehe, da erschienen ihnen Moses und Elias, die redeten mit ihm. Petrus aber antwortete und sprach zu Jesu: Herr, hier ist gut sein; willst du, so wollen wir hier drei Hütten machen, dir eine, Mosi eine, und Elias eine. Da er noch also redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke, Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe, den sollt ihr hören! Da das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr. Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Stehet auf und fürchtet euch nicht. Da sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand, denn Jesus allein. Und da sie vom Berge herab gingen, da gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt dies Gesicht niemand sagen, bis des Menschen Sohn von den Toten auferstanden ist.

In Christo Jesu geliebte Freunde. Es ist heute der sechste, der letzte Sonntag nach dem Feste der Erscheinung unseres Herrn Jesu Christi. Selten wird dieser Tag begangen, selten kommt dies Evangelium an die Reihe. Nur wenn das Osterfest so weit hinausliegt wie in diesem Jahre, wird gepredigt von der Verklärung Jesu Christi. Es ist aber dies Evangelium ein hohes, wunderbares Feststück in dem Leben Jesu. Wer mag dasselbe ergründen, wer mag es ganz auslegen! Wir haben ja im eignen Leben noch so wenig Verwandtes erfahren. Doch gibt schon das, was wir davon erfassen, für unsere Zeit überaus reichen Stoff, sie zurecht zu weisen und auf den richtigen Weg zu bringen. Ja, für unsere Zeit! In keiner andern Zeit nämlich ist so viel gefragt, wer Christus gewesen sei, als in diesen Tagen. Wenn wir alle Antworten auf die Frage: „Wer sagen die Leute, dass des Menschen Sohn sei?“ aufstellen könnten, so möchten sie dastehen wie eine hohe Leiter, die mit ihrer Spitze in den Himmel reichet, und die mit ihrem Fuße in der Erde, ja unter der Erde stehet. Denn während die Gläubigen der evangelischen Kirche mit der Schrift und mit den Bekenntnissen lehren, dass Jesus Christus sei wahrhaftiger Gott vom Vater in Ewigkeit geboren, und auch wahrhaftiger Mensch von der Jungfrau Maria geboren, halten Andere in den verschiedensten Abstufungen anders von ihm. Etlichen soll er ein hoher Engel, ein Mittelding zwischen Gott und Menschen gewesen sein. Andere wollen in ihm einen ausgezeichneten Weisen, aber nur einen Menschen erkennen. Und wieder Andere wollen ihm nicht einmal die Ehre eines ehrlichen Mannes lassen. Das sind die Füße und Stufen der Leiter, die unter der Erde stehen. -

Schon bei seinen Lebzeiten bildeten sich die Leute verschiedene Urteile über seine Person. Etliche sprachen, er sei Johannes der Täufer; Andere, er sei Elias; Andere, er sei Jeremias oder der Propheten einer. Da fragt er seine Jünger: „Wer saget ihr, dass ich sei?“ Und es antwortet Simon Petrus: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn.“ Christus sagt darauf nicht Ja und nicht Nein. Er gibt eine lebendigere Antwort: „Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut hat dir das nicht geoffenbart, sondern mein Vater im Himmel. Ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeine, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.“ Das ist sein großes Bekenntnis von ihm selber. Das ist sein eigen Zeugnis von seiner himmlischen Herkunft und Abstammung. Und wer ihn verleugnet als den eingebornen Sohn Gottes, der macht ihn selbst zum Lügner. Er hat den Petrus selig gepriesen um dieses Bekenntnisses willen. Er hat auf dieses Bekenntnis, auf diesen Felsen seine Kirche gebaut. Er hat dies Bekenntnis beglaubigt mit seiner Verklärung. Er hat es beglaubigt, er wird es beglaubigen mit der Verklärung seiner Heiligen. O dass er es auch in uns täte! Dass er auch uns einen Blick tun ließe in die Herrlichkeit, die den Gläubigen dort bereitet ist! Ja Herr, du wollest es tun, damit uns deine Gnade rüste und stütze in dem Kampfe, der uns noch vorliegt. Amen.

Wir entnehmen unserm Texte heute das Lehrstück:

Von der Verklärung der Gläubigen.

Aus des Lebens Nöten rückt Gott sein Kind,
Rückt es in die Klarheit, die der Sieger find't.
Dass es fröhlich glaub' an seinen Herrn und Gott
Und die lichten Höhen nach der letzten Not.

I.

Etwas Großes musste in dem Herrn vorgehen. Sechs Tage nach jenem Gespräche mit den Jüngern und insonderheit mit Petro, nimmt Jesus zu sich Petrum, Jacobum und Johannem. Nur in etlichen großen Stunden seines Lebens liest er aus der Schar der Apostel wiederum diese drei aus. Sie allein waren Zeugen, da er Jairi Töchterlein auferweckte. Sie allein waren Zeugen seines Kampfes in Gethsemane. Sie allein nimmt er jetzt zu sich. Warum sie allein? Wir möchten die Schaar von Jesu Jüngern mit einer Schule vergleichen. Er hat eine reifere und eine unreifere Klasse. Diese drei waren die Geförderten im Glauben. Diese drei durfte er hineinschauen lassen in die tiefsten Geheimnisse seines Wesens. Wohl verstehen sie ihn auch noch nicht ganz. Aber sie hatten so viel Grund in sich, dass ein solcher Blick ihren Glauben nicht mehr verwirrte, sondern stärkte. Wenn wir hintreten an die tiefen Abgründe und Klüfte der Erde und hinunterschauen, so hat dies auf den Menschen eine doppelte Wirkung. Dem einen schwindelt und er verliert seine Gedanken. Der andere schaut fest hinunter und denkt an die Wunder, die Gott dort verborgen und beschlossen hat. Wenn die Starken hineinschauten in die Abgründe göttlicher Erbarmung und Herrlichkeit, die in dem Menschensohne beschlossen lagen, so ward ihr Glaube emporgetragen wie auf Adlersflügeln. Wenn die Schwachen hineinschauten, konnten sie mit dem Wenigen, das sie hatten, diese Fülle nicht begreifen, nicht einmal ahnen. -

Und Jesus führte die drei Jünger auf einen hohen Berg. Welcher es gewesen ist, wissen wir nicht. Die Überlieferung nennt den Berg Tabor. Auch dies Hinaufführen auf den Berg deutet etwas Besonderes an. Auf einem Berge hat er gelitten, ist er gestorben, auf einem Berge ist er gen Himmel gefahren. Auf Bergen lagen zumeist die Tempel des Altertums, auch der Tempel zu Jerusalem auf dem Berge Zion. Ja die Berge wie die Türme sind recht eigentlich Fingerzeige gen Himmel. Die Berge sind recht eigentlich Betestätten, und Jesus betete. -

Da ward er verklärt vor ihnen. Ihr wisset, Geliebte, dass sich sein Leben in zwei Stände teilet, in den Stand der Erniedrigung und in den Stand der Erhöhung. Er ward heraufgerückt aus dem Stande der Erniedrigung. Er stand an den Grenzen des Reichs der Herrlichkeit. Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne. Erhoben war er über die Trauer, die er so oft um den schwachen Glauben seiner Jünger getrauert hat. Weggewischt waren die Tränen, die er um die alte verhärtete Stadt und über die Sünde aller Welt geweint hat. Er stand wieder da an den Perlentoren der ewigen Gottesstadt, wo er regiert als ein König aller Welten, wo er auch das Böse lenket zur Ehre Gottes, und wo sein eigen Leiden als der herrlichste Baustein dieser Ehre vorliegt. - Seine Kleider waren weiß als das Licht, oder wie Marcus schreibet, weiß wie Schnee, dass sie kein Färber auf Erden kann so weiß machen. Licht ist Gottes Kleid, das er anhat. In diese Herrlichkeit des Vaters sollte auch der Sohn wieder eingekleidet werden. Seinen ungenähten Rock sollen seine Henker bekommen. Der Vater hat ein anderes Ehrenkleid für den erhöhten Sohn.-

Da erschienen ihm Moses und Elias, die redeten mit ihm. Wie er hingerückt war an die Pforten der himmlischen Herrlichkeit, so erschienen ihm auch Bürger der himmlischen Herrlichkeit. Er stand hier in seiner rechten Umgebung. Nicht mehr Krüppel und Lahme und Blinde. Vor Gott gibt es keine Krüppel und Elenden mehr. Es waren die Männer, die ihm den Weg bereitet hatten. Moses hatte das Gesetz gegeben, dass es ein Zuchtmeister sei auf Christum. Elias war durch das Volk gezogen mit seiner Bußpredigt, die wie Feuer brannte, zu vertilgen die Dornen und Disteln der Sünde, die das Erbteil des Immanuel bedeckten. Beide hatten dagestanden als reisige Kämpfer gegen die Sünde. Aber sie hatten nur hie und da ein böses Gewächs niederhalten oder ausrotten können. Nun war der gekommen, der den ganzen Boden erneuerte, den guten Samen ausstreute. Sie redeten mit ihm von dem Ausgange, welchen er sollte erfüllen in Jerusalem. Sie redeten davon, wie der Stecken des Gesetzes zerbrochen, wie die Strafe getilgt werden sollte, wenn er unsere Krankheit trüge, wenn er auf sich nähme unser Joch, wenn er für uns gestraft und gemartert würde. Sie redeten davon, dass er das letzte und ganze Opfer sein würde, dass in ihm alle Opfer erfüllet würden, die Moses im Gesetz geboten hatte. Sie freuten sich auf den Tag, wie sich ein armer versprengter Kämpfer freuet auf die Ankunft seines Königs, dessen Fahnen der Sieg nie fehlet. Aber in dies Gespräch erscholl eine Stimme herein: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe, den sollt ihr hören.“ Die Welt schilt ihn einen Samariter, die Welt sagt: „er hat den Teufel.“ Die Welt zweifelt und streitet hin und her, wer er sei. Aber der Vater bezeuget: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Oft geschieht es, dass Kinder unter einander über irgend eine Frage hin und herstreiten. Dieses will es besser wissen, und jenes auch. Nun tritt der Vater herein und erklärt ihnen die Wahrheit. Da schweigen sie alle. Alle beugen sich unter sein Wort, Hier ist der Vater auch hereingetreten und hat sich erklärt über den wunderbaren Wasser. Er hat seine Abkunft und sein Wesen angegeben. Er hat der Welt ihre Stellung zu ihm angewiesen: „Den sollt ihr hören.“ Vor diesem Gottesworte sollten auch die Zweifel schweigen, sollten sich die Wellen des Streites legen. Nimmer wirst du's besser wissen, als dein Gott, nimmer wirst du ihn zum Lügner machen. Menschenweisheit ist wie ein Schmetterling. Jeder Wind ändert seinen Flug. Jeder Platzregen schlägt ihm seine schönen Farben ab. In wenig Wochen nimmt er eine andere Gestalt an. Und wenn der Winter kommt, ist er nicht mehr da. -

In dieser letzten Epiphanie sehen die Jünger ihren Herrn an den Pforten seines himmlischen Reiches, Empfangen sie die Erklärung des Vaters über seinen Sohn. Mehr konnte in der Pilgerzeit nicht geschehen, ein festeres Siegel konnte ihrem Glauben und ihrem Hoffen nicht aufgedrückt werden. -

Doch steigen wir herunter von den Taborhöhen. Kommen wir zu uns in unser armes Leben. Wir sind in Christo Gottes Kinder geworden. Wir sind Nachfolger dieses seines eingebornen Sohnes. Das ist Christentum, dass der Christ eingepflanzt werde in das Wesen seines Herrn und Heilandes. Wer da saget, dass er in ihm bleibe, der soll wandeln gleich wie er gewandelt hat. Gibt es denn nun für den armen Menschen auch solche Verklärungen? O er braucht sie ja so nötig! Er muss ja wissen, dass er in Christo aus Gott geboren ist. Er muss wissen, wo er hingehöret und was er zu hoffen hat. Ja, auch dem Christen wird zuweilen die Herrlichkeit des Himmels gezeigt. Paulus ward entzückt in den dritten Himmel, in das Paradies. Er hörte unaussprechliche Worte, die kein Mensch sagen kann. Es ward ihm ein Blick in die Heimat aufgetan, dass er getrost seine Pilgerschaft vollende. „Aber,“ könntet ihr sagen, „das ist der erste Kranz derer, die um den Herrn stehen, das sind die ersten Nachbarn in seiner Herrlichkeit.“ Nein, Geliebte, auf keinen Stand hat der Herr solche Vorrechte gelegt. Wo Apostelglaube ist, da ist auch Apostelgnade. Wenn wir klagen wollen, haben wir darüber zu klagen, dass kein Apostelglaube mehr da ist. Aber auch nach dem Maß unseres armen Glaubens gibt es Verklärungsstunden. Auch du kannst hinaufsteigen auf den Verklärungsberg. Ist es kein Tabor, ist es kein Söller wie bei Petrus, so ist es dein Betkämmerlein. Du hast es ja auch wohl schon erfahren. Du rissest dich heraus aus der Mühe des Lebens, du ließest deine Sorgen dahinten und da unten, stiegest hinauf und beugtest im Glauben deine Knie. Und als du betetest, da ward es in deiner Seele so helle. Was erst Berge waren, über die du nicht hinwegkonntest, das wurden Hügel, das wurde ebenes Land. Du sahst Gottes Gnadenpfade in demselben. Was erst Fluten waren ohne Weg und Steg, da schlug Gott einen Pfad hindurch wie weiland durch das rote Meer. Dir ward so wohl. Es fiel ein Friede, ein Heimatsgefühl auf dich, in dem ein reicher Sieg lag über alles Kreuz der Pilgerfahrt. Wenn in den Monaten März und April die Luft voll hängt von Wolken, und die rauen Winde sie jagen wie Wölfe die Herde, dann bricht die Sonne hie oder da einmal hindurch, und ein Berg oder ein Dörflein oder ein Kirchenturm ist eine Weile beleuchtet vom lieblichsten Sonnenglanze. Dieser Glanz ruhet darauf wie Frühlingsweissagung. So ruhen jene Verklärungsstunden auf einzelnen Stellen deines Lebens. Sie sind auch Frühlingsweissagungen. Sie rufen dir zu: „Und hängen die Wolken noch so dicht hernieder zu der Erden; Ich weiß, mein Heiland lässt mich nicht. Es muss doch Frühling werden!“ Wir möchten diese Verklärungen im Laufe der streitenden Kirche einteilen in Verklärungen des Glaubens und der Liebe. Was ist es doch, das gerade in den schwersten Stunden die Gläubigen so stärkt und so fröhlich macht? Was ist es doch, das ihnen gerade dann, wenn die äußere Kraft zusammenbricht, eine solche Bekenntnis- und Siegesmacht gibt? Ihre eigene Kraft ist es wahrhaftig nicht, denn die ist gebrochen.

Lasset uns hier nur einige Beispiele aus der Geschichte unseres eigenen Vaterlandes nehmen. Winfried oder Bonifatius, der mit Recht „der Apostel der Deutschen“ heißt, wurde nach 30jähriger Arbeit im 74. Jahre mit seinen Begleitern von heidnischen Friesen überfallen. Sein Tod war ihm gewiss. Das sah er an Wehr und Waffen und Gebärden seiner Feinde. Da redet er sein Gefolge mit väterlicher Stimme an: „Fasset Mut, meine Freunde, und fürchtet euch nicht vor denen, die wohl den Leib, aber nicht die Seele töten können. Freuet euch in dem Herrn. Auf ihn werfet den Anker der Hoffnung. Er wird euch den Lohn der Treue, einen Sitz im Himmel unter den seligen Engeln anweisen. Ertraget standhaft den kurzen Augenblick des Todes, um ewig mit Christo zu regieren.“ So starb er den 5. Juni 755. Auf seinem Scheiterhaufen, mitten in den Flammen betete Johannes Huß getrost den apostolischen Glauben. Einer der Nachfolger dieses Johannes Huß im Glauben und im Tode war der Pfarrer Wenceslaus zu Arndrostowitz in Böhmen. Im Jahre 1417 ward er von den Reitern des Kaisers Siegismund, der die Hussiten drückte wie er konnte, mit seinem Amtsgehilfen gefangen genommen. Sie, samt 3 Bauern und 4 Kindern von 7 und 8 Jahren, wurden zum Feuertode bestimmt. Ehe sie auf den Holzstoß stiegen, ermahnte man sie, sie möchten ihre Ketzerei abschwören. Wenceslaus aber antwortete: „Das sei ferne. Wir sind bereit nicht nur einen, sondern wenn es möglich wäre, einen hundertfachen Tod lieber auszustehen, als eine solche sonnenklare Wahrheit des Evangeliums zu verleugnen. Des Herrn Wille geschehe.“ Auf dem Scheiterhaufen nahm Wenceslaus die Kinder in seine Arme, wie ein Hirte die jungen Lämmer, und sang mit ihnen Gotte ein Loblied unter den zusammenschlagenden Flammen. Das sind Verklärungen des schwachen Glaubens bei Alten und Jungen. Der Herr kommt in solchen Stunden und hebet die Seinen heraus aus der Trübsal und lässt sie blicken in die überschwängliche Seligkeit der Kinder Gottes.

Aber nicht allein in den Rauch und in die Todesflammen der Scheiterhaufen ist solche Klarheit gefallen. Sie fällt auch auf die Krankenbetten, sie fällt auch in die schweren Sorgenstunden, wenn nur der Tabor, der Glaube, und die Himmelsleiter, das Gebet, da ist. -

Doch wir haben ja auch der Verklärung der Liebe gedacht. Ihr kennt das arme Windlicht der Liebe in unserm Herzen. Ein Windzug von Feindschaft, von Verdruss, von Verstimmung und Laune kann es auslöschen. Habt ihr aber noch nie erfahren, dass in Stunden, wo die Feindschaft nicht als leiser, kalter Zug, sondern wie ein Nordsturm mit Schneeflocken oder kalten Regengüssen eindringt, die Liebe um so heller aufflammt? Habt ihr dies selige Gefühl noch nie gehabt? Gerade wenn der natürliche Mensch gar nicht lieben möchte, dann musst du lieben, du magst wollen oder nicht. Du weißt selbst nicht, woher es kommt. Die Geschichte ist voll von solchen Beispielen. Ein Stephanus sendet zum Dank für die Steine seiner Mörder den Weihrauch christlicher Fürbitte gen Himmel: „Vater, behalt ihnen diese Sünde nicht vor.“ Werner von Orselen, ein Hochmeister des deutschen Ordens, der unsere Provinzen Ost- und Westpreußen zum Evangelio bekehrt hat, ward in seiner Kapelle mitten im Gebet von seinem Feinde Johann von Endorf ermordet. Man sucht in diesen Rittern, die ihr Lebelang das Schwert wenig aus der Hand gelegt haben, schwerlich nach heiliger christlicher Bruderliebe. Als aber Orselen den Todesstoß empfangen hatte, sprach er: „Mag dir Gott vergeben, wie ich dir von Herzen vergebe.“ Und damit entschlief er. In den blutigen Verfolgungen, die Philipp II. von Spanien über die Evangelischen in den Niederlanden verhängte, jagten zwei Häscher des Königs einem armen Manne nach. Er floh auf das Eis. Ein weiter Riss wollte ihm den Weg versperren. Doch er sprang glücklich darüber. Sein erster Verfolger aber stürzte hinein, und schwebte zwischen Tod und Leben. Da kehrte der Verfolgte um und zog seinen eignen Häscher heraus, damit er tätlich das Wort erfüllte: „Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen.“ Er hatte noch mehr getan, als für seinen Verfolger gebeten. -

Meinest du, dass solche Liebe aus dem natürlichen Menschen komme? So wenig wie hier aus unsern Steinbergen Palmen und Zedern wachsen, so wenig wächst auch auf jenem Boden solche Liebe. Der Herr greift in solchen Augenblicken herunter, und verklärt das Herz, das schon angefangen hat in seiner Liebe, zu der völligen Liebe. O selig ist der, der seine Gnade und sein Licht schon so in sich verspürt hat. Er hat auch schon Epiphanienstunden erlebt, er ist auch schon auf dem Tabor gewesen. -

So gibt es auch in gewissen Gnadenstunden eine Verklärung der Erkenntnis. Aber wir können nicht Alles, was der Herr und König der Kirche an seinen Streitern tut, in eine Andacht zusammenfassen. Er wird uns schon noch Zeit dazu geben. Wir wollen ja heut noch hören, wozu solche Verklärungsstunden dienen sollen. Dazu

II.

Dass es (sein Kind) fröhlich glaub' an seinen Herrn und Gott,
Und die lichten Höhen nach der letzten Not.

Der Herr ist verklärt worden um seinetwillen. Bald sollten seine Kreuz- und Todeskämpfe kommen. Bald sollten die Stunden kommen, wo die Last aller Sünde auf ihm lag. Ja, da brauchte er Mut. Seine Leidenstage sind der große Weltkampf mit dem Fürsten dieser Welt gewesen. Da ließ ihn sein Vater vor der Schlacht hinüberschauen in das Siegesfeld, wo die ew'gen Palmen stehen, wo die Siegesfahnen wehen. Wer so vor dem Kampfe hinaufschauen kann in die Zeit nach dem Kampfe, in den Sieg, der holt sich von dorther auch den Siegesmut. Das hat der Herr getan. Er ist aber auch verklärt worden um der Jünger willen, um deinetwillen. Ewig werden solche Blicke in das Reich der Gnade, in das Reich des Schauens und der völligen Liebe, die reichste Stärkung für den Pilger sein. Sie sind eine himmlische Arznei für den schwachen Woller. „Er hat mich einmal so selig und fröhlich gemacht, er wird es wieder tun. Er hat mir ein Unterpfand gegeben. Er ist nicht ein Mensch, dass er lüge, noch ein Menschenkind, dass ihn etwas gereue. Er wird mir auch das Ganze geben. Er hat mich schauen lassen an der Himmelspforte, er wird sie mir einst ganz auftun.“ Es sind solche Stunden wie die Traube, die Josua und Caleb aus dem gelobten Lande brachten. Als das Volk diese Frucht sah, ward es entzündet zum Kampfe, zur Eroberung des Landes, wo diese Frucht gewachsen war. Und so dich dein Herr die Früchte des ewigen Lebens hat schmecken lassen, sollst du auch dadurch gelockt werden, ruhig fortzukämpfen, bis du volles Bürgerrecht darin habest. -

Hüte dich aber, dass du nicht meinest, du müssest alle Tage diesen Geschmack der göttlichen Freundlichkeit haben. Es ist nicht alle Tage Sonntag, noch weniger Festtag. Noch weniger kannst du alle Tage solche Verklärungsstunden haben. Petrus wollte oben Hütten bauen, dem Herrn eine, dem Moses eine, dem Elias eine. Der Herr antwortete gar nicht darauf. Petrus hat wieder mit heruntergemusst in die Pilgerarbeit, an den Ölberg, an das Kohlenfeuer, in die Strafe nach der Verleugnung und endlich an das Kreuz. Und auch du kannst erst volle Verklärungszeit haben, wenn die alte Finsternis, wenn die Sünde ganz in dir gestorben ist. Aber ihm und dir werden jene Gnadenzeiten eine dauernde Erquickung, ein festes Siegel deiner Hoffnung sein auch in der dürresten Dürre und in der schwersten Trübsal. -

Andere sind noch unter uns, die sagen: „Ich meine es auch ernstlich mit meiner Seligkeit, ich habe meinen Herrn auch von Herzen lieb, ich ringe auch alle Tage vor ihm, dass ich eingehe durch die enge Pforte. Aber ich habe solche Traube aus dem himmlischen Kanaan noch nicht geschmeckt. Mühselig und beladen, gebückt und gebeugt gehe ich meinen Pilgerweg dahin. Ich kenne den seligen Frieden noch nicht, den der Herr denen als Beilage gibt. welchen er ihre Sünden vergeben hat.“ Ihr, die ihr so sprechet, verzaget nicht. Glaubet fort, ringet fort. Zwölf Apostel hatte der Herr. Aber nur drei hat er mitgenommen auf den Verklärungsberg. Die andern waren auch seine Jünger. Sie sind es auch geblieben bis in den Tod - bis auf den einen, das Kind des Verderbens. Sie hatten auch ein Unterpfand. Sie hatten sein Wort, an dem mussten sie sich begnügen. Und die volle Verklärung am großen Tage der Gnade wird ihnen doch werden. Sie wird dir auch werden. Harre nur aus und sei unverzagt. Dann fehlt dir auch Nichts hinter den andern. Dann haben Alle eine gleiche große Offenbarung seiner Herrlichkeit. -

Hat denn aber die Welt auch ihre Verklärungen? Sie hat ihre Sünden, sie hat ihre Feste, sie hat ihre Phantasien, in denen sie sich eine Weile berauscht. Das sind ihre Verklärungstage. Aber diese weisen nicht hin auf eine ewige Verklärung; sondern je näher sie mit diesem Treiben an die Ewigkeit kommt, um so mehr verliert es seinen Schein, um so düsterer, um so grauer wird es. Denket euch zwei Bilder. Das eine ist auf Goldgrund gemalt. Der Glanz des Grundes fällt auch auf das Bild und vergoldet es. Das andere ist auf schwarzen Grund gemalt. Da spielen und düstern überall die dunkeln Farben hinein, bis es ganz finster wird. Der Goldgrund ist der Herr und seine Gnade. Der schwarze Grund ist die Welt und die Sünde. Wenn Gott ein Kind dieser Welt herausrückt aus seinem Treiben, wenn er es einmal verklärt d, h. verfinstert in das, was es einst sein wird, dann beben alle seine Gebeine, und es starrt das Haar auf seinem Haupte. Ein Jüngling, der ein wüstes, gottloses Leben geführt hatte, fiel in Folge seiner Sünden in eine schwere Krankheit. Sie nagte und zehrte auf seine Lebenskräfte los. Seine Mutter saß am Bette und weinte über ihren verlorenen Sohn, zwiefach verlorenen Sohn. Endlich schien das Leben aus ihm entschwunden zu sein. Er lag wohl einen ganzen Tag da wie ein Toter, und sie hielt ihn für einen Toten. Dennoch richtete er sich aus dem Scheintod noch einmal auf. Als er sich ein wenig gefasst hatte, sprach er seine Mutter an: „Mutter, ich habe vor Gottes Gericht gestanden. Ich bin auf einer Waage gewogen und bin zu leicht gefunden worden. Ich habe alle die Schrecken des Gesetzes gefühlt, die über den Sünder kommen, wenn das Zünglein der Waage des Gerichts hinüber schlägt auf die Seite, da die Schuld liegt. Und wenn ich noch tausend Jahre lebte, ich will diesen Augenblick der Höllenangst nie vergessen,“ Das sind die Verklärungen der Sünde in ihrer Völligkeit, in den Tod, in die Verdammnis. - Wem dergleichen in einer schweren Stunde, die doch eine Gnadenstunde ist, einmal durch die Seele geht, der nehme es an als die Donnerstimme Gottes, die in sein Grab dringen und ihn vom geistlichen Tode auferwecken will, - der tue Buße, damit ihm noch eine andere Verklärung übrig bleibe. Amen.