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- | ======Tholuck, | ||
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- | An unseren letzten zwei Betrachtungen legte ich euch, meine Freunde, die Forderungen Gottes an uns an's Herz. Es ist aber das Auszeichnende evangelischer Predigt, dass sie nicht bloß von dem Menschen fordert, sondern ihm auch gibt. Vom Sinai herab ward nur gefordert, von Golgatha herab wird gegeben. So muss denn auch in unserer christlichen Predigt ein Wechsel sein zwischen Fordern und Geben. Gegeben wird nun aber nicht bloß in denen Aussprüchen der Schrift, welche in bestimmten Worten Verheißungen und Zusicherungen göttlicher Kraft und Gnade enthalten, sondern wo irgend uns der Heiland vorgeführt wird, da wird auch gegeben; denn ihn kannst du nimmer anschauen, weder in seinem Reden noch in seinem Tun und Leiden, ohne dass dir nicht dadurch gegeben werde. So sind denn nun auch jene Festtagsevangelien, | ||
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- | Wenn man den Text zur Geschichte der Himmelfahrt des Herrn auszusuchen hat, so kann man in Zweifel sein, welchen man wählen solle, da keiner von den verschiedenen Berichten der Schrift Alles, was dahin gehört, zusammenfasst. Da indessen der reichhaltigste Bericht uns im ersten Kapitel der Apostelgeschichte niedergelegt ist, so wollen wir diesen vor der christlichen Gemeinde verlesen: | ||
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- | Apostelgeschichte 1,1-14. \\ | ||
- | **“Die erste Rede habe ich zwar getan, lieber Theophile, von alle dem, das Jesus anfing, beides zu tun und zu lehren, bis an den Tag da er aufgenommen ward, nachdem er den Aposteln (welche er hatte erwählt) durch den heiligen Geist Befehl getan hatte. Welchen er sich nach seinem Leiden lebendig erzeigt hatte durch mancherlei Erweisungen, | ||
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- | Die erquickenden Gedanken, auf welche uns diese Geschichte leitet, sind folgende: | ||
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- | - Die Stätte seines Scheidens, die Stätte seines Leidens: | ||
- | - Verhüllet ist sein Anfang, verhüllet ist sein Ausgang; | ||
- | - Der Schluss von seinen Wegen ist für die Seinen Segen; | ||
- | - Er ist von uns geschieden, und ist uns doch geblieben; | ||
- | - Er bleibt verhüllt den Seinen, bis er wird klar erscheinen. | ||
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- | =====Die Stätte seines Scheidens, die Stätte seines Leidens.===== | ||
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- | Von dem Augenblick an, wo der Heiland aus dem Grab sich erhoben, und die Sterblichkeit in demselben zurückgelassen, | ||
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- | Ein kleines Häuflein wallen sie \\ | ||
- | Durch diese Erd' von Kampf und Müh', \\ | ||
- | Und tragen edlen Samen; \\ | ||
- | Einst wird der Tag der Ernte sein, \\ | ||
- | Wo die sich unaussprechlich freu' | ||
- | Die aus viel Trübsal kamen. | ||
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- | =====Verhüllet war sein Anfang, verhüllet war sein Ausgang.===== | ||
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- | Und so musste es sein. Urteilt selbst, meine christlichen Brüder, wie verändert er vor euch stehen würde, wenn es anders wäre. Wie, wenn er nur die Wiederholung gewesen wäre von dem Adamsbild, das wir alle an uns tragen! Wie, wenn vom irdischen Vater erzeugt, der Vater ihn hätte in die Arme schließen dürfen und sagen: „Kind, du bist mein Bild - mit deinen Tugenden und deinen Lüsten bist du mein Bild!“ Wie, wenn er am Ende ausgestreckt worden wäre auf dem Krankenbett, | ||
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- | =====Der Schluss von seinen Wegen ist für die Seinen Segen.===== | ||
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- | Ihr wisst es alle, meine Freunde, wie unendlich wert einem der letzte Blick eines scheidenden Freundes ist, wie damals sein Antlitz aussah - das Bild prägt sich am tiefsten in die Seele. Warum ist es schrecklich, | ||
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- | Indes wäre er völlig von dannen gegangen, meine Brüder, dann hätten doch auch die beim Scheiden aufgehobenen segnenden Hände sie nicht für immer trösten können. Und hätten sie, die es mit Augen gesehen, sich derselben fort und fort getröstet, so könnten doch wir es nicht. | ||
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- | =====Er ist aber von uns geschieden, und doch bei uns geblieben!===== | ||
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- | Ihr wisst es, Geliebte im Herrn, dass nicht alle Evangelisten uns die Geschichte seiner Auffahrt beschreiben. Warum sie es nicht alle beschreiben? | ||
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- | Was wär' ich ohne dich gewesen? \\ | ||
- | Was würd' ich ohne dich noch sein? \\ | ||
- | Zu tausend Schmerzen auserlesen, \\ | ||
- | Stund' ich in weiter Welt allein.\\ | ||
- | Nichts wüsst' | ||
- | Die Zukunft war' ein dunkler Schlund, \\ | ||
- | Und wenn mein Herz sich tief betrübte, \\ | ||
- | Wem tät ich meine Sorge kund? | ||
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- | Einsam verzehrt von Lieb' und Sehnen, \\ | ||
- | Erschien' | ||
- | Ich folgte nur mit heißen Tränen \\ | ||
- | Dem dunkeln Strom des Lebens nach, \\ | ||
- | Ich fände Unruh' im Getümmel, \\ | ||
- | Und hoffnungslosen Gram zu Haus. \\ | ||
- | Wer hielte ohne Freund im Himmel, \\ | ||
- | Wer hielte da auf Erden aus! | ||
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- | So sind denn die Seinen selig, bei denen er geblieben ist, selig und doch nur - auf Hoffnung. Denn mitten in dem seligsten Innewerden seines Naheseins empfinden wir doch, dass es eine noch innigere Gemeinschaft mit ihm geben muss, und danach verlangt unser Herz. O Geliebte, und das geht nicht bloß uns so, das ist nicht bloß als eine Schwäche unseres Glaubens anzusehen. Er ist bei dem Jünger der Liebe geblieben, wie bei wenig Anderen, und doch kann derselbe mit Sehnsucht ausrufen: „Es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden, wenn es aber erscheinen wird, werden wir ihm gleich sein.“ Er ist bei dem Jünger des Glaubens geblieben, und doch kann derselbe ausrufen: „Ich habe Lust abzuscheiden, | ||
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- | =====Verhüllt bleibt er den Seinen, bis klar er wird erscheinen.===== | ||
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- | Das ist das Trostwort, welches die himmlischen Boten in unserem Text den Aposteln zurufen: „dieser Jesus, welcher von euch aufgenommen ist in den Himmel, wird kommen, gleichwie ihr ihn habt sehen gen Himmel fahren.“ In diesem Wort, Geliebte, findet der Himmelfahrtstrost der Christen seine Vollendung. Es wird bei der geheimnisvollen, | ||
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- | O seht, welche Fülle der Gnade uns in jener Einen Tatsache dargeboten wird: das Unterpfand, dass wir in Seiner Gemeinschaft einst werden rufen können: es ist vollbracht! - die ausgebreiteten Segenshände, | ||
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- | O nehmt, nehmt meine Brüder Kraft um Kraft, Gnade um Gnade, die euch in dieser beseligenden Geschichte dargeboten wird! – | ||
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