Zwingli, Huldrych - Eine treue und ernstliche Ermahnung an die Eidgenossen, daß sie sich nach ihrer Voreltern Brauche und Weise richten, damit sie sich nicht durch die Untreue und List ihrer Feinde in Schaden bringen lassen.

Zwingli, Huldrych - Eine treue und ernstliche Ermahnung an die Eidgenossen, daß sie sich nach ihrer Voreltern Brauche und Weise richten, damit sie sich nicht durch die Untreue und List ihrer Feinde in Schaden bringen lassen.

Ehrsame, weise, insbesonders günstige, liebe Herren und gute Freunde, getreue Eidgenossen! Wundert euch nicht, daß ich euch, ohne meinen Namen zu nennen, zu schreiben wage; denn solches geschieht mehr aus Demuth als aus Anmaßung. Und wenn mir auch erwidert werden sollte, warum ersparst du nicht dein ganzes Schreiben? was bedürfen wir dessen? so zwingt mich doch besondere Liebe und Gewogenheit zu euch, die ich nicht nur im gewöhnlichen Grade wie alle Menschen zu ihrem Vaterlande in mir fühle, daß ich nicht lassen kann, sondern zu euch in euren Gefahren reden muß. Denn ob ich schon jetzt nicht in meinem Vaterlande wohne, so ist doch eine löbliche Eidgenossenschaft nie aus meinem Herzen gekommen, sondern ihr Glück und ihre Wohlfahrt hat mich stets sehr gefreut, ihr Unglück aber tief geschmerzt. Darum hoffe ich, daß ihr mein schlichtes, einfältiges Schreiben nicht nach Klugheit der Worte oder nach Weisheit des Inhalts, sondern nach der Treue meines Gemüthes ermessen und in Gewogenheit annehmen werdet.

Nun weiß eure Weisheit zuerst wohl, was der fromme Bruder Nicolaus von Unterwalden ernstlich geredet hat im Betreff einer löblichen Eidgenossenschaft, daß kein anderer Herr sie zu überwinden vermöge als nur der Eigennutz. Desgleich sprach aus Philippus, der Vater Alexanders des Großen: es wäre keine Stadt noch Burg so fest, daß sie nicht, wenn ein mit Gold beladener Esel hineinkomme, erobert werden könne. Der allmächtige Gott hat unseren Vorfahren so viel Gunst und Gnade erwiesen, daß sie sich von der Willkür des Adels befreien konnten; und darnach haben sie so brüderlich mit einander gelebt, daß ihre Ehre und Gut sich herrlich bereichert hat. Auch haben sie so redlich Gericht und Recht gehandhabt, daß Alle, die auch in fernen Landen unbillig bedrängt wurden, bei ihnen eine Zufluchtstätte fanden, und gerettet und oft zu dem Ihrigen wieder gebracht wurden. Darob haben die muthwilligen Fürsten alle Zeit einen großen Schrecken gehabt; und wenn sie auch von sich aus zu Zeiten nicht Recht üben und handhaben wollten, haben sie euren kühnen Beistand des Rechtes fürchten müssen. Daran kann man wohl sehen, daß eure Freiheit von Gott nicht allein für euch, sondern auch zum Wohle der Fremden beschützt wurde, damit sie unter eurem Schirme, wie in der Freiheit, Schutz und Trost fänden.

Als die Fürsten hierauf gesehen, daß Gott so stark an eurer Seite stehe, so daß sie euch nichts abzugewinnen vermochten, haben sie euch (wie die Moabiter die Kinder Israels durch ihre schönen Töchter verleiteten) mit dem Köder der Gaben und Geschenke gelockt, damit sie den Eigennutz über euch brächten. Sie haben wohl ermessen, daß wenn Einer sähe, wie sein Freund oder Nachbar in kurzer Zeit und unversehens, ohne besondern Gewinn noch Erwerb, reich geworden sei, und aus Reichthum müßig gehen, sich schön kleiden, spielen, prassen, Muthwill treiben kann, er auch gereizt würde in solcher Weise nach Reichthum zu stellen (denn alle Menschen neigen sich von der Arbeit zur Zügellosigkeit und Willkür); und wenn ihm nicht solcher Reichthum bei dem würde, der seinen Nachbarn reich gemacht hat, so würde er sich zu der Gegenparthei desselben schlagen. Daraus würde dann Zwietracht erwachsen, also daß Vater wider Sohn, Bruder wider Bruder und Freunde und Nachbarn wider einander verhetzt würden; alsdann könne, wie Gott redet, das Reich, das in sich selbst zwieträchtig ist, nicht bestehen, und es würde auch die Eidgenossenschaft untergehen müssen.

Getreue und liebe Herren, sehet ihr nicht, daß dieser Anschlag zum Theile schon gelungen ist? Der Eigennutz ist unter euch gesäet worden und die Zwietracht ist daraus erwachsen. Nun ist die Eidgenossenschaft im Zerfalle; es sei denn, daß ihr den Eigennutz samt der Zwietracht entfernet; alsdann ist noch gewisse Hoffnung bei Gott. Ich weiß aber wohl, daß derer viele sind, die da sprechen: Nenn mich auch die Herren reich gemacht, so habe ich nichtsdestoweniger bei Eid und Gewissen alles gethan, was zum Wohle und zur Ehre einer frommen Eidgenossenschaft dienet. Solche Ausrede ist aber nicht stichhaltig; denn wenn auch du und noch ein Anderer so standhaft wäret, daß ihr euch durch keine Gaben bewegen ließet, so sind darneben hunderte, die um Gaben willen alle Schande über sich nehmen dürfen. Darum sollst auch du die Gaben meiden, damit nicht die große Menge durch dein Beispiel verleitet, um Gaben willen eine Eidgenossenschaft in Gefahr bringe; denn du rühmst dich ja, Alles zu thun, was zum Wohle der Eidgenossenschaft diene. Zeige nun, daß solche Ausrede nicht leichter gesprochen als gehalten sei. Gott, der die Herzen aller Menschen erkennt, und genau voraus weiß, woran wir uns lassen werden, verbietet allen Richtern, das ist, allen Vornehmen und Gewaltigen, Gaben anzunehmen: denn die Gaben verblenden auch die Augen der Weisen, und verkehren die Worte der Frommen. Nun lügt Gott nicht, er irret auch nicht; demnach muß man sich der Gaben enthalten; wo man redlich fahren will.

Deßhalb ist wohl zu ermessen, daß die, welche für so unbestechbar gelten wollen, dennoch dem Argwohne nicht zu entrinnen vermögen. Denn wenn man die Sache beim rechten Lichte besieht, so hat der Eigennutz ganz ein anderes Wesen bei euch aufgebracht, als euere Vorfahren es geübt haben. Diese haben den muthwilligen Adel vertrieben, und sich durch saure Arbeit ernährt und durch harte Kämpfe und Gefahren von der Herrschaft errettet.

I. Aber unter euch sehet ihr Einige aufwachsen, die nicht weniger Muthwillen treiben als der Adel es gethan; ja sie spielen, saufen, treiben Hoffart und Hurerei in dem Maße, daß unsere Vorfahren solches bei anderen nicht hätten ertragen mögen; und so ziehet man wieder den frevelhaften, muthwilligen Adel, den unsere Vorfahren nicht ertragen konnten.

II. Mit Arbeit will sich Niemand mehr nähren, man läßt die Güter an vielen Orten verwildern und wüst liegen, da man nicht Arbeiter hat, wiewohl man Volks genug hätte, dazu ein gutes Erdreich, das euch reichlich zu ernähren vermöchte. Trägt es nicht Zimmet, Ingwer, Malvasierwein, Gewürznelken, Pomeranzen, Seide und solches Weibergeschleck; so gewährt es uns Butter Milch, Pferde, Schafe, Rinder, Landluch, Wein und Korn in Fülle, daß ihr dabei schöne Leute erziehet, und was ihr in eurem Lande nicht habet, könnet ihr leicht gegen das Eurige, was anderen Menschen mangelt, eintauschen und kaufen. Daß ihr euch nicht daran haltet rührt vom Eigennutz her, den hat man unter euch gebracht, der führt von der Arbeit zum Müßiggang. Nun ist doch die Arbeit ein so gutes göttliches Ding, schützt vor Muthwillen und Lastern, gibt gute Frucht, daß der Mensch ohne Sorge und mit lauterem Gewissen seinen Leib speisen kann, und nicht befürchten muß, daß er sich mit dem Blute der Unschuldigen speise und beflecke; sie macht auch den Leib munter und stark, und tilgt die Krankheiten, die aus dein Müßiggange erwachsen; und was das allerschönste ist, es folgt der Hand des Arbeiters Frucht und Gewächse, gleich wie durch die Hand Gottes im Anfange der Welt alle Dinge lebendig wurden. So wird der Arbeiter in den äußeren Dingen Gott ähnlich.

III. Drittens hat euch der Eigennutz dahin gebracht , daß alle eure Stärke und Kraft, die man allein zum Schutze des Vaterlandes anwenden sollte, von fremden Herren in Anspruch genommen und verbraucht wird. Sehet, wie unähnlich euren Vorfahren ihr darin handelt. Diese wollten die fremden Herren nicht im Lande dulden, und wir geleiten sie herein, sofern sie viel Geld haben, und theilen uns in die Sache, daß etliche das Geld, etliche aber die Streiche auflesen müssen. Und wo ein frommer Mann einen wackeren Sohn erzogen hat, verleiten die Hauptleute ihm denselben, sodaß er in die allergrößten Gefahren geräth, Hunger, Krankheiten und Schlachten ertragen muß, ja, Schützen und Tod entgegengeführt wird. Und wenn er sein erübrigtes Geld nachrechnet, so hätte er daheim mit Dreschen, täglich um vier Pfenninge und Speise, mehr gewonnen; wenn es ihm nämlich noch so wohl ging, daß er vor der Rechnung nicht erstochen oder erschlagen wurde. Und darnach wird erst sein armer alter Vater, den er mit seiner Arbeit ernähren sollte, auch an den Bettelstab gebracht. Aber denen, die das Geld einnehmen, diesen mangelt dabei nichts. Ich hoffe aber zu Gott, Er werde sie erleuchten, daß sie einsehen werden, wie theuer solches Geld komme, das sie gar leicht gewonnen glauben. Sie führen euch wohl zu Bündnissen und Vereinungen, aber sie selbst müssen vorher mit schwerem Gelde dafür gewonnen werden. Wenn es nun an die Streiche geht, so stellen sie dir deinen, einem Anderen seinen Sohn dar. Und wenn sie auch Bündnisse und Verträge schließen, daß man Niemanden zwingen solle, so läßt man doch die Werber mit dem Gelde jedem zu seinem Sohne kommen. Da ist nun gut zu merken, was ein junges Blut thut. Daher ist ein solcher Vorbehalt nur ein Blendwerk; gleich wie wenn einer an der Verführung seiner Tochter unschuldig zu sein meinte, weil er die Tochter nicht geheißen hätte, sich dem Schwächer überlassen; und dabei hätte er mit demselben einen Bund gemacht, daß er ihn alle Zeit, so oft er wollte, zu ihr frei gehen und werben lassen müsse.

Daraus ist sodann fort und fort gefolgt, daß ihr euch unterstanden habet, ganze Reiche in euren Schutz zu nehmen, und alle Schläge aller Völker zu überbieten. Solches alles thut der Eigennutz, er überredet zuletzt den Menschen, es werde Alles glücklich gehen, wie er es auch ansehen möge; und so ihm darein regnet, so wüthet er dann und gibt diesem und jenem die Schuld. Gleich wie wenn einer seiner Stärke zu viel vertraut, und sich mit einer zu schweren Last überladet, Wenn diese ihn dann niederdrückt, spricht er nicht: Ich habe zu viel auf mich genommen, sondern: Ich bin ausgeglitten, oder: Ich habe es nicht recht aufgenommen, oder nicht recht zusammengebunden; und doch ist die Schuld Niemandes als desjenigen, der sich übernommen hat.

Es ist auch bei dem Vergelten der Herren das zu bedenken, daß diejenigen, welche die größten Geschenke empfangen, solches nicht offenbaren. Und wenn sie aber täglich höher und köstlicher einherziehen, so wird je der Nächste, der nicht geringer zu sein vermeint, auch bewogen, so köstlich zu fahren. Und wenn er solches nicht wohl vermag, so muß er an die Gnade des Gabennehmers kommen; und zuletzt verpfändet er ihm seinen Acker, Weingarten und seine Matten; dann hilft er ihm um ein kleines Pensiönlein, darauf verzehrt er viermal so viel. Und nachdem er gar nichts mehr hat, lauft er dann um Einen oder drei Monatsolde in Krieg, Schlacht und Sturm. Damit kommen wir um unsere redlichen Leute, und verbrauchen sie in fremder Herren Dienst um das schnöde Geld, und es werden nur Wenige reich dabei. Aber diese werden auch so reich, daß sie euch, die Uebrigen, bald auskaufen können. Doch wolle Gott, daß meine Sorge eitel wäre! Wo es aber geschieht, und ihr dann nicht einen schweren Adel habet, so habe ich unrecht geredet. Aber thut die Augen auf, sehet euch um, damit das Uebel euch nicht behage. Siehe, eure Kriegsknechte sind jetzt in Meyland, leiden Hunger, Durst und Krankheiten, werden auch oft auf den Streifereien erstochen. Nun haben sie heimgewollt, und verhält es sich, wie man gesagt, so haben eure Gewaltigen bei ihrem Leben geboten zu bleiben. Wenn sie nun, was auf dem Wege ist, belagert und vom Hunger angefochten werden sollten; wie wolltet ihr es verantworten, daß ihr sie geheißen habet bleiben, wozu die Vereinigung sie nicht zwingen konnte. Und vermöchtet ihr die Belagerung nicht zu bestehen, würde die Schuld der Kriegsknechte auf euch liegen, denn ihr habet sie geheißen bleiben. Und wenn sie erst überwunden und erschlagen werden sollten, wovor Gott sei, was meinet ihr, daß die biederen Leute dazu reden würden, denen Söhne, Brüder und Verwandte umgekommen wären? Und wenn sie euch, die ihr euch durch Gaben habet erkaufen lassen, der Gestalt angreifen würden, was möchte anders daraus werden, als großer Aufruhr und Unruhen? Denn es würde ohne Zweifel ein jeder Biedermann also denken: Schenkt man ihnen das, so werden sie noch Aergeres beginnen. Sehet, in diese Gefahr führt euch der Eigennutz, der alle Frevel unterstehen darf und ihnen einen guten Schein zu geben weiß.

Es ist auch das zu bedenken, daß jeder in der letzten Noth sich selbst hilft, wie er es kann. Wenn nun die Urheber solcher gefährlichen Dinge sehen würden, daß man sie angreifen und sie dafür suchen wollte, so würden sie, wo sie es vermöchten, um leichter Ursache willen einen neuen Krieg anheben, nur damit die Ungnade der Welt anderswohin gewendet werde, und man ihrer vergäße. Solches haben Etliche sich schon merken lassen, wenn es sich verhält, wie man sagt; die seien heimgekommen, haben ihren Preis verwahrt, und es habe sie Niemand zu den Kriegsknechten, die sie vormals weggeführt, zurückbringen können; sondern sie haben daheim begonnen das Predigen zu recht zu legen, und einige Orte wider einander zu richten um des Wortes Gottes willen, auf welches sie sich ohne Zweifel sehr wenig verstehen und würde ihnen ihr Rathschlag gelingen, so wäre die Eidgenossenschaft schon zu Grunde gerichtet. Denn es würde ihr sicher gehen, wie der Maus und dem Frosche, die so heftig mit einander kämpften, daß sie des Weihen nicht gewahr wurden, der hinzufuhr und beide raubte und sie fraß. Meinet ihr nicht, daß eure Feinde wachen? Und wenn sie euch schaden könnten, würden sie es nicht sparen. Darum erduldet lieber alles Uebel mit einander, als euch wider einander aufhetzen zu lassen; denn dieses wäre euer sicheres Verderben. Lasset eure Priester mit einander um des Glaubens und um der Sakramente willen kämpfen, so ernst sie wollen; und lasset diese Sache zu keiner Zwietracht führen, sondern hanget dem alten wahren Gotte an, der euren Vorfahren alle Zeit Glück und Heil verliehen hat, dieweil sie nach seinem Willen lebten. Lehret Jemand Unrecht, so wird es sich mit der Zeit wohl finden; denn, ist die Lehre von Gott, so vermag sie Niemand zu hindern; ist sie nicht von Gott, so wird sie von selbst untergehen. Es haben sich oft Irrthümer erhoben, sie haben aber keinen Fortgang gehabt. Ist nun die sogenannte neue Lehre ein Irrthum, so wird sie wohl niedergelegt werden; ist sie aber wahr, warum wollte sich Jemand vom Papste oder von den Bischöfen wider die Wahrheit einnehmen lassen? Sehet euch um, fromme Eidgenossen; haben euch die Päpste, Bischöfe und Legaten und Cardinäle nicht Drangsal genug bereitet? Gedenket der Vergangenheit. Darum, ehrenfeste, fromme, getreue, liebe Eidgenossen, leget ab solche Hoffart und Begierde voraus den Eigennutz, der euer größter Feind ist; und gedenket dessen, was auch die Heiden geredet haben: daß durch Eintracht kleine Staaten groß geworden seien, durch Zwietracht aber zu Grunde gegangen. Haltet euch zusammen, und lasset die fremden Herren mit einander kämpfen. Sehet auch Einmal dem Kampfe zu, und verdinget euch nicht, alle ihre Streiche aufzulesen; denn wahrlich, wahrlich mit der Zeit möchte euch solches sauer werden! Wenn aber Etliche so unzähmbar geizig sind, daß Niemand sie von ihrem Vornehmen bringen kann, also daß sie fort und fort sich mit fremden Herren einlassen, das Geld nehmen, und die Söhne frommer Leute hinsenden wollen, dafür Streiche zu empfangen: so könnet ihr wohl denken, was euch Gott und die Nothwehr mit solchen würde handeln heißen. Ich will euch solches nicht lehren. Gott hat allerwegen die auch gestraft, die den Sündigenden nicht widerstanden sind. Wenn nun Etliche so schamlos mit solchen Händeln umgehen, muß man entweder dieselben abstellen oder erwarten, daß Gott sein Schwert über das ganze Volk zücke und es brauche. Ihr sollet auch wissen, daß ich keineswegs Ansicht theile mit Etlichen, die sich freuen über euer Unglück; indem sie meinen, es sei um euch geschehen, eine Eidgenossenschaft werde in Kurzem zu Grunde gerichtet sein; denn die Einen haben sich dem König von Frankreich hingegeben, der sei nun zu Grunde gerichtet und die Eidgenossenschaft sei in sich selbst zerfallen. Dieser Ansicht bin ich keineswegs; denn ich weiß wohl, daß Gott seine Gnade denen nimmer entzieht, die sich besseren. So habe ich auch von unseren Vorfahren gehört, es solle sich Niemand in Zerwürfnisse der Eidgenossen mischen; sonst werde er so übel geklemmt, wie zwischen Brüdern.

Daher glaube ich fest, Gott habe die Frommen in der Eidgenossenschaft, die mit solcher Mißhandlung nichts zu thun haben, nicht vergessen, und er werde sie auch nicht wegen der Missethat Anderer entgelten lassen. Ich hoffe auch dabei, es werden auch die Pensionärs und die Miethgeding empfangen, ja auch die Kriegsknechte daran denken, welch eine große Uebelthat es sei, wenn einer Geld nimmt, und über einen frommen Mann hinzieht, der ihm nie etwas Böses noch zu Leide gethan hat, und ihm das Seinige nimmt, und ihn dann bei Weib und Kind todtschlägt, und darnach ihnen die Herberge verbrennt, und die Aecker verwüstet, daß sie endlich beinahe Hungers sterben müssen. O Gott, erleuchte die blinden Herzen! - Und wenn sie einsehen, daß sie unrecht gehandelt haben, werden sie zu Gott um Gnade flehen, und sich solcher Mißhandlungen entschlagen und von ihnen abstehen; damit ihr wieder zu Eintracht kommet. Und wenn ihr in Gott einträchtig seid, so fürchte sich für euch vor der ganzen Welt nicht, so reich seid ihr noch an mannhaften Leuten. Und wenn ihr innerhalb eurer Marken bleibet, so seid ihr nicht genöthigt gegen solche Geschütze, Schanzen und Vortheile zu kämpfen wie in fremden Landen. Ihr sehet, man läßt euch nie zum schlagen kommen; sondern man bricht euch den Hals durch Hinterhalte, Geschütz, Schanzen, Vortheile und List. Seid doch vernünftiger, und stürzet euch nicht um des schnöden Geldes willen im Dienste fremder Herren ins Verderben, und bringet nicht euer Vaterland in Gefahr, wiederum unter Tyrannen zu gerathen.

Denn gleich wie derjenige, der um eine Tochter zur Unehre buhlt, ihr größter Feind ist; also sind auch diejenigen eure größten Feinde, die euch nur zu ihrem Muthwillen und zu eurem Schirme gebrauchen. Ihr wähnet, weil sie euch Geld geben, seien sie eure Freunde. Solches Geld ist aber ein gefährlicher Pfennig, da er seinen Herrn umbringt. Wenn Jemand aber sprechen würde: „Wie sollen wir wiederum zu Eintracht kommen?“ Soll ihm die Antwort sein: durch Ablegen des Eigennutzes; denn wo dieser nicht wäre, würde eine Eidgenossenschaft fort und fort mehr ein Brüderverein als ein Bund zu nennen gewesen. Spricht aber einer: Eigennutz liegt in eines Jeden Herzen, daraus vermögen wir ihn nicht zu reißen; denn Gott vermag allein die Herzen zu erkennen und sie zu bessern. Eine andere Antwort: „So thut ihr ernstlich, was euch zusteht! Wo ihr den Eigennutz äußerlich findet, wie er freventlich Uebles thut, so strafet ihn, lasset ihn nicht wachsen. Und damit er aus den Herzen getilgt werde, so schaffet, daß das göttliche Wort getreulich bei euch gepredigt werde. Denn wo Gott nicht in eines Menschen Herzen wohnet, da ist nichts als der Mensch selbst. Wo nichts als der Mensch selbst ist, da gedenkt er nichts anderes, als was zu seinem Nutzen und zur Wollust dienet. Daraus folgt dann, daß man so untreu ist im Umgange mit einander. Wo aber Gott in eines Menschen Herzen wohnet, da sinnet der Mensch nur, was Gott gefällt, sucht Gottes Ehre und des Nächsten Nutzen. Nun kann die Erkenntniß Gottes nirgendsher klarer kommen, als aus seinem eigenen Worte.

Wollet ihr nun daß die Erkenntniß Gottes unter euch walte, damit ihr friedlich und gottesfürchtig lebet, so stellet allein darnach, daß euch das Wort Gottes ernstlich nach seinem natürlichen Sinne geprediget und ohne Zwang und Gewalt menschlicher Weisheit klar und verständlich an den Tag gelegt werde. Dann werdet ihr sehen, daß die Euren von selbst von schlechten Handlungen abstehen werden; wie denn bei uns öffentlich von etlichen Orten geredet wird, daß sie von fremden Kriegsdiensten allein durch den Unterricht des göttlichen Wortes abgestanden seien.

Horchet nicht auf die Pfaffen, die zu euch weinend kommen: es gehe ihnen an ihren Opfern und Pracht ab, und dazu schreien: Das ist ketzerisch, das ist lutherisch; sondern sehet und prüfet selbst, was man mit dem Worte Gottes vornimmt, ob man allein auf die Ehre Gottes und auf ein gutes Gewissen dringt, oder auf das Herkommen, auf die Gewalt und Pracht der Pfaffen. Und wenn ihr sehet, daß es nur zur Ehre Gottes und zum Heile der Seelen gereiche, so fördert es, möge dieser und jener sagen, was er wolle; denn durch das Wort Gottes werdet ihr zu frommen, gottesfürchtigen Leuten erzogen; und damit werdet ihr euer Vaterland erhalten; und ob es gleich dem Teufel leid wäre. Denn wo Gottesfurcht ist, da ist die Hülfe Gottes, wo die nicht ist, da ist die Hölle mit allem Jammer und Unrechte. Darum horchet auf das Wort Gottes, denn das kann euch allein wieder zurecht bringen. Nehmet diese meine herzliche und freundliche Warnung im Besten auf. Denn Viele (wie zu besorgen ist) möchten zu eurem Unfalle wohl lachen, und euch dann durch Schmähschriften zu Schanden machen. Solchen gewahrt ihre Freude um Gotteswillen nicht.

Gott wolle euch in seine Huld nehmen und euch behüten! Amen.

Auf den Montag nach dem Maitage im MDXXIV Jahre

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