Waldenser - Von den Trübsalen und Widerwärtigkeiten.

Waldenser - Von den Trübsalen und Widerwärtigkeiten.

Der Gerechte muß viel leiden; aber der HErr hilft ihm aus dem allen: Und Paulus sagt, daß wir durch viel Trübsal müssen in das Reich GOttes gehen, und daß, wer keinen Theil hat an den Trübsalen, auch keinen Theil haben werde an den Tröstungen. Der HErr JEsus vermahnet deswegen selbst im Evangelio: Liebet eure Feinde, thut wohl denen, die euch hassen: Und Augustinus sagt: je mehr dir dein Feind zu schaden trachtet, je mehr sollst du ihn lieben, denn durch eine solche Liebe kannst du das ewige Leben haben. Eine solche Aufführung wird deinem Feinde, ehe er seinen Muth noch an dir kühlet, einen Stoß ins Hertze geben, und alles Uebel, so er dir anzuthun gedacht, wird auf seinen eigenen Kopf zurücke fallen. Desgleichen, so dir jemand mit Unrecht und Gewalt das Deinige nimmt, so wird er dabey allemal mehr verlieren als du; dann du nimmst nur Schaden an deinem Vermögen, er aber an seiner Seele. Wer seine Augen im Hertzen trägt, der wird das Elend seiner Seelen leicht erkennen: Denn viele haben nur Augen, Gold und Silber zu erkennen; aber sie haben keine Augen, die Verdammniß, so auf ihren Seelen ruht, zu sehen.

Der Heiland stärckt selbst die Seinen, und sagt: Fürchtet euch nicht für denen, die den Leib tödten, und die Seele nicht mögen tödten. Alle, die euch verfolgen, sind denen Rasenden gleich, die sich nicht sehen und nicht kennen, und nachdem sie einem andern den Zipfel vom Kleide weggeschnitten, ihnen selbst das Schwerdt in den Leib stossen; dann was das Kleid dem Leibe, solches ist der Leib der Seele. Leidet denn der Gerechte viel hier in der Zeit um des HErrn willen, so wird sein Lohn dafür groß seyn in der Ewigkeit. Bedencke, was der Heiland für dich ausgestanden hat: so viel Uebel darfst du um der Liebe GOttes willen nicht leiden; so viel würdest du auch ihm zu Liebe nicht über dich nehmen, als er dir zu Liebe über sich genommen hat. Zu dem, so hat ja dein Feind nicht mehr Gewalt über dich, als ihm GOtt zuläßt: so siehe denn nicht sowohl auf diese Gewalt, die GOtt dem Bösen zuläßt, als vielmehr auf den Lohn, den dir GOtt dagegen verheissen hat. Höre demnach, was er selbst von diesem herrlichen Gnaden-Lohn in seinem Worte sagt.

Meine Lieben, wir sind nun GOttes Kinder, und ist noch nicht erschienen, was wir seyn werden: wir wissen aber, wann es erscheinen wird, daß wir ihm gleich seyn werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Christus ist unser Leben; so laßt uns dann auch in seine Fußstapffen treten. Er kam in die Welt, für uns zu leiden, zu sterben, und aufzustehen: folge ihm nach. Dünckt es dir zu schwer zu seyn, so stelle dir nur den Gnaden-Lohn vor Augen, den dir GOtt dafür verheissen hat. Wie kannst du dir einbilden, die Freude des Paradieses ohne Mühe und Arbeit zu erlangen, da du nicht einmal der Freude dieser Welt ohne alle Mühe kannst theilhaftig werden!

Alle, die gottselig leben wollen in Christo JEsu, müssen Verfolgung leiden: sie werden verachtet, geringe, und den Thoren und Unsinnigen gleich geschätzt. Wer nun nicht mit Christo leiden will, der will auch kein Glied an seinem Leibe seyn, und wer hier sein Creutz nicht tragen will, der kann auch dort nicht zu ihm kommen.

Bete nicht allein vor deine Feinde, und vor die so dich beleidigen, sondern auch vor alle die, so die Welt lieb haben, denn sie sind übel dran. Sie dencken das Leben zu haben, und finden den Tod, sie meynen ihrer Glückseligkeit entgegen zu gehen, und stürtzen sich in ihr Verderben. Hält man dir gleich deine Frömmigkeit vor übel, so wird doch dein Lohn dafür nicht geringer, sondern desto grösser seyn; lässest du aber von derselben ab, wann man dich darum bestraft, so scheint es, als wärest du nur fromm gewesen, um vor der Welt gesehen und gelobt zu werden. Denn wer nur Gutes thut, um vor der Welt gesehen zu werden, der unterläßt es wieder so bald er deswegen eine oder die andere Nachrede erfähret.

Wie willst du die Gebote GOttes halten, und das Gesetz des Heilandes im Evangelio: liebet eure Feinde, erfüllen, wann du keine Feinde hast? So müssen dann Gute und Böse unter einander seyn.

Wie das Gold durchs Feuer, so werden die Frommen durch die Bösen geprüft. Die Frommen sind dem Golde, die Bösen aber dem Stroh gleich. Bist du nun gottloß, so wirst du wie das Stroh ins Feuer geworffen werden, und im Rauch aufgehen, wie der Prophet sagt: Feuer ward unter ihrer Rotte angezündet, die Flamme verbrannte die Gottlosen. Paulus sagt: Ich halte es dafür, daß dieser Zeit leiden der Herrlichkeit nicht werth sey, die an uns soll offenbaret werden. Und der heilige Augustinus schreibt: Darinnen wird dermaleins die Herrlichkeit bestehen, die an uns soll offenbaret werden, daß die Frommen sollen Kinder GOTTes und den Engeln gleich seyn.

Laßt demnach die Welt nur immer zornig seyn: laßt sie uns schmähen und lästern, ja mit Feuer und Schwerdt, und allen nur ersinnlichen Martern verfolgen. Alles Unglück, so sie uns immer zufügen kann, ist doch wenig und sehr gering gegen den Lohn, den uns GOtt dafür aus Gnaden schencken wird. Sie kann zwar deinen Leib, aber nicht die Seele tödten. Deinen Lohn kann sie dir nicht rauben: indessen bete du vor sie.

Aus Liebe zu GOtt müssen wir auch das angenehmste in der Welt, und zwar nicht nur was uns Vergnügen schafft, sondern auch dasjenige, wovor sich Fleisch und Blut entsetzt, Gefängniß, Bande, Armuth, Hunger, Frost, Schwerdt, ja den Tod selbst, nichts achten.

Kannst du dich hierinnen überwinden, und alles dieses geringe schätzen, so hast du deinen GOtt gefunden. Dencke nach, was vor Furcht und Grause würde dich nicht überfallen, wann du in ein finsteres Loch solltest geworffen werden? Und du wolltest dich nicht scheuen so zu leben, daß du dereinst in das höllische Gefängniß müsstest geworffen werden? Der deinen Leib tödtet, kann deine Seele nicht tödten, du aber kannst solches mit deiner eigenen Zunge thun.

Ein Mund, der läugt, tödtet die Seele: Prüfe dich demnach wohl, was du thun, und was du lassen sollst. Der würde ja thöricht handeln, der sich vor einem zeitlichen Kercker fürchten, und hingegen das ewige Gefängniß in der Hölle nicht achten, die Macht der Könige, Fürsten und Bischöffe auf Erden scheuen, und sich vor den Teufeln in der Höllen nicht fürchten; sich vor dem zeitlichen Tod, der in einem Augenblick vorüber gehet, entsetzen, nach dem ewigen Tode aber nichts fragen wollte. Hier wechselt ein kurtzes Leben mit einem so langen Tod, kurtze Freude mit ewiger Traurigkeit, das wenige Licht mit der äussersten Finsterniß, ein kurtzes Lachen mit ewigem Heulen, da die bittern Thränen der Verdammten in alle Ewigkeit fliessen werden, wie der Heiland selber sagt: Wehe euch, die ihr hie lachet, denn ihr werdet weinen und heulen; ein wenig Schönheit verwandelt sich in das entsetzlichste Scheusal, die größte Macht in die allerniedrigste Ohnmacht, und eine Sicherheit von kurtzer Dauer in solche Furcht und Angst, von welcher Augustinus sagt: Es sey eine vergebliche Furcht, wenn man sich fürchtet das Zeitliche zu verlieren, und darüber das Ewige in den Wind schlägt. Was hilft uns die Furcht, die Gesellschaft der Unsrigen einzubüssen, wenn wir uns des zukünftigen seligen Umgangs mit GOtt, und der Gebenedeyeten unter den Weibern, verlustig machen wollen?

Du willst Bruder und Schwester nicht verläugnen, wohl aber die Gesellschaft und Bruderschaft der heiligen Engel, von denen es in der Offenbarung Johannis, als dieser einen derselben anbeten wollte, heißt: Siehe zu, thue es nicht, ich bin dein Mitknecht und deiner Brüder, die das Zeugniß JEsu haben: Bete GOtt an.

Verändere demnach deine Furcht vor den Tod in eine Liebe zum Leben. Der Heilige Geist ist dein rechtes Leben: Wann du nun sündigest, so bist du ein Greuel in den Augen deines GOTTes: Nur der Gerecht kann sich wahrer Freyheit rühmen. Ein Kind, wann es gebohren wird, läßt weinen seine erste Stimme seyn, und wird damit ein Prophet, und auch zugleich schon ein Zeuge seines bevorstehenden Elends, und seiner zukünftigen Leiden. Wer gottselig leben will, der muß Verfolgung leiden: Geschiehet es gleich nicht allemal mit Feuer und Schwerdt, so verfolgen die Gottlosen die Frommen doch beständig. Petrus schreibt deswegen von dem gerechten Loth: Die schändlichen Leute quäleten seine gerechte Seele von Tage zu Tage. Und Paulus sagt: Er sey gewesen in Fährlichkeit unter den falschen Brüdern.

Aller andern Leiden und Verfolgungen kann der Mensch endlich noch überhoben bleiben: Aber den Verfolgungen der Bösen kann er nicht entgehen. Kommt dir dieses unglaublich vor, so fange nur an recht fromm zu werden: Der Glaube wird dir durch die Erfahrung bald in die Hand kommen. Ein Weiser sagt, ein Liebhaber GOttes müsse in dreyerley Fällen geduldig seyn: einmal, in allen Fällen überhaupt, da ihnen sowohl mit Wercken als mit Worten was zu Leide gethan wird: Zweytens in allen Leiden und Trübsalen, die ihm von Gott zugeschickt werden, und dann endlich in allen Versuchungen, durch welche ihn der Teufel von dem rechten Wege abzuleiten sucht. Nun aber wird niemand gecrönet, er kämpfe dann recht, und wo der Streit am heftigsten, ist die Beute am wichtigsten, und die Crone am herrlichsten. Daher sagt der Weise: ich rede mit euch nach göttlicher Geduld: dann wer in seinem Leiden, und unter den Verfolgungen der Gottlosen am geduldigsten wird ausgehalten, haben, wird einmal den grössten Lohn empfangen. Die Traube so am meisten gekeltert, und die Olive so am meisten gepreßt wird, gibt das schönste Oel, und den besten Wein. Je besser das Korn geworffen wird, je besser wird es von der Spreu gereiniget: und wer recht geläutert werden will, muß seinen Widersachern nur geduldig aus- und stille halten. Und der weise Mann sagt, daß, wer recht geduldig ist, gewisse Hoffnung habe, dereinst in die Brüderschaft der Engel aufgenommen zu werden.

Ein Geduldiger erzürnet sich nicht, und nichts ist gewisser, als daß GOtt den lieb hat, der die Welt hasset aus Liebe zu ihm. Der Fromme soll sich bey aller seiner Mühe, Arbeit und Armuth freuen, und mit dem ewigen Leben trösten, so ihm GOtt dafür verheissen hat: da hingegen der Gottlose bey aller Freude, Wollust und dem Ueberfluß so er besitzet, beständig zu trauren Ursache hat. Denn für solche irdische Freude, Wollust und Reichthum, schickt ihm GOtt dereinst ewige Pein.

GOtt selbst hat sein Vergnügen an demjenigen, der sein Creutz geduldig trägt, Der heilige Sixtus schreibt: Tödte dich nicht selbst, so dich aber jemand tödten will, so laß dirs gefallen, und so dir der Gottlose Schaden zufügt, so wisse, das GOtt mit dir ist. Und der heilige Johannes der gülden Mund, (Oder Chrysostomus) sagt: Ist Christus bey mir, vor wem sollt ich mich fürchten? wenn gleich alle Meeres Wellen wider mich brauseten, und alle Gewaltige der Erden sich wider mich empöreten, so achte ich dieses alles vor ein Körnlein Sand, ja noch vor weniger als Sand.

Dis sage ich nicht, als verlasse ich mich auf mich selbst, oder auf meine eigene Kräfte, sondern einig und allein auf meinen HErrn JEsum und sein allerheiligstes Gebot, welches ich sowol im Hertzen als in Händen habe. Das ist, welches ich zu erfüllen trachte, und welches mich stärcket. Laßt alle Wellen des Meeres auf mich stürmen, und alle Gewalt auf Erden sich wider mich rüsten; ich werde dennoch wohl bleiben. Weder hohes noch tiefes kann mir schaden, wann ich nur nicht selbst mein eigener Feind will seyn. Sind doch die Kinder GOttes zu allen Zeiten vielerley Trübsalen unterworffen gewesen: Johannes der Täufer wurde im Gefängniß von Herode enthauptet, weil er die Sünden des Hofes bestrafete. Laurentius wurde gebraten, und der grössere Jacobus, Zebedäi Sohn verlohr zu Joppen seinen Kopf.

Jacobus, der kleinere, Alphäi Sohn predigte zu Jerusalem, und wurde darüber von einem ruchlosen Jünglinge mit einem Prügel auf das Haupt, und todt geschlagen, Bartholomäus mit Ruthen gestrichen, und ihm darauf die Haut abgezogen, Petrus verkehrt gecreutziget, dem Andreas wurden Hände und Füsse am Creutze ausgereckt, Matthäus mit Pfeilen erschossen, Paulus gebunden, geschlagen, und zuletzt enthauptet.

Unser Heiland JEsus Christus erniedrigte sich selber dergestalt für uns arme Menschen, daß er aus dem Himmel sich in den Leib einer Jungfrauen herunter ließ. Er war GOTT, und ein HErr der Engel, und ward für uns ein sterblicher Mensch, ließ sich in eine Krippe legen, und in schlechte Windeln hüllen, um der Wuth Herodis zu entgehen, musste er ein Flüchtling aus Judäa an Egypten werden: ER ermüdete sich auf dem Wege, wurd vom Teufel versucht, litte Hunger und Durst vor uns, wurde von den Juden beschuldigt, daß er den Teufel hätte, und nur für eines Zimmermanns Sohn gehalten: Er wurde uns in allen Dingen gleich, ausgenommen die Sünde: Zuletzt ward er von einem seiner Jünger, als ein Mörder und Erzbösewicht verrathen; für uns überantwortet, verurtheilt, gehöhnet, verspottet, mit Dornen gecrönet, seine Seite mit einem Speer durchstochen, und endlich sein Blut bis in den Tod, um uns dadurch vom Tode zu erretten, vergossen.

Er, der heilig, unbefleckt, und von Sünden abgesondert war, litte dieses alles freywillig, ungezwungen und gerne.

Der heilige Stephanus wurde gesteiniget, Esaias mit einer Säge zerschnitten, Daniel in die Löwen-Grube, die drey Jünglinge, Sadrach, Mesach und Abed-Nego in den glühenden Ofen geworffen: und viele andere haben durch erlittene Zerstümmelung ihrer Glieder unter denen grausamsten Martern gekämpfet, aber auch das Feld behalten, und ihren Lohn, die Crone des Lebens davor im Himmel empfangen. Es saget deswegen der weise Lehrer: Sehet auf das Leben so vieler Märterer, beyderley Geschlechts, wie sie sich haben tödten, und auf das grausamste martern lassen. Warlich, hätten diese nicht gewußt, daß sie mitten unter solchen Peinigungen aus dem vergänglichen in das ewige Leben gehen würden, sie hätten nimmermehr so geduldig darunter stille gehalten. Darum schreibt auch Augustinus, an den Feyertagen der Heiligen sollen wir nicht vor sie, desto fleißiger aber vor uns zu GOtt bitten, daß er uns seine Gnade verleihe, in ihre Fußstapffen zu treten, Liebe zu üben, und einmal im Himmelreicht zu sitzen, wie sie daselbst sitzen. Und ihre Geschichte sind uns bloß zu einem Vorbild aufgezeichnet, daß wir wandeln sollen, wie sie gewandelt haben.

Quelle: Leger, Johann - Johann Legers allgemeine Geschichte der Waldenser

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