Wächter, Eduard - Ein kurzer Entscheid über verschiedene wichtige Fragen

Wächter, Eduard - Ein kurzer Entscheid über verschiedene wichtige Fragen

Am 25. und 26. Mai dieses Jahres fand im Saale der „Christlichen Gemeinde“, Taunusstraße 12, zu Frankfurt am Main eine Konferenz von Vertretern solcher Gemeinden und Gemeinschaften in der näheren und weiteren Umgebung von Frankfurt statt, welche bezüglich der Ordnung des Gemeindelebens den biblischen Weg gehen wollen. Auf dieser Zusammenkunft wurden verschiedene wichtige Fragen der Gemeindeordnung und des Gemeindelebens besprochen. Br. E. Wächter hatte die Freundlichkeit, die Fragen und das Resultat ihrer Besprechung aufzuzeichnen und uns zur Verfügung zu stellen. Wir geben im Nachstehenden seinen Bericht wieder.

1. Ist die Anstellung von Predigern und Evangelisten in Gemeinden und Gemeinschaften biblisch berechtigt?

Das Bedürfnis leitenden Dienstes in den Gemeinden ist heute dasselbe wie in der apostolischen Zeit, und der Herr ist heute noch bereit, den Gemeinden Hirten und Lehrer zu geben (Eph. 4,11). Das Fehlen von Hirten und Ältesten bedeutet einen Mangel (Tit. 1,5); und eine Gemeinde ist bezüglich der darin geschehenden Dienste erst ganz in Ordnung, wenn einzelne Brüder von der Gemeinde ausgesprochener Maßen als Hirten und Älteste anerkannt sind. Doch mag für kürzere oder längere Zeit in einzelnen Gemeinden (vergl. die Gemeinde in Korinth) der leitende Dienst auch ohne ausdrückliche Anerkennung von seiten der Gemeinde geschehen.

2. Sind besondere Bestrebungen wie "Blaues Kreuz", "Jugendbund" und dergleichen biblisch berechtigt, und sind sie der Ausgestaltung des Leibes Christi und dem Wachstum der Gemeinschaft dienlich?

Die Spezialisierung der Arbeit innerhalb der Gemeinde ist nützlich (vergl. das Schattenbild des Dienstes der Leviten an der Stiftshütte mit seiner genauen Arbeitsteilung; 4. Mose 4). Aber die besonderen Arbeiten, z.B. die Arbeit an Trinkern und die an der Jugend, sollten nicht selbständig neben der Gemeinde geschehen, sondern der Gemeinde eingegliedert sein. Auch ist es nicht wünschenswert, daß diese besonderen Arbeiten in der Form von Vereinen innerhalb der Gemeinde geschehen, da sonst leicht eine Kollision zwischen der Gemeinde und den Vereinen entsteht und die Gemeinde leicht durch die Vereine beeinträchtigt wird. Die richtige Form ist vielmehr die besonderer Versammlungen zur Rettung von Trinkern, für Jünglinge und dergleichen im Rahmen der Gemeinde. Der einzig biblische Verein ist die Gemeinde. Doch wird bei der bestehenden Verwirrung der kirchlichen Verhältnisse anerkannt, daß die Blaukreuz- und ähnliche Vereine vielfach ein dankenswerter Notbehelf sind und besonders eine Zufluchtsstätte, wo das Gemeinschaftsbedürfnis der Kinder Gottes innerhalb der Landeskirchen seine Befriedigung findet. An dem „Jugendbund für entschiedenes Christentum“ ist jedoch schon der Name zu beanstanden, da es ein anderes als entschiedenes Christentum nicht gibt; auch ist die vielfache Vereinigung der Jugend von beiden Geschlechtern in den Versammlungen als ein gefährlicher Mißgriff zu mißbilligen. Im übrigen können die hergebrachten christlichen Vereine, wenn der Heilige Geist in ihnen regiert, eine Brücke bilden zu einer christlichen Gemeinde.

3. Welche Stellung soll die Frau und Jungfrau in unsern Gemeinden einnehmen? Sollen Frauen beten? Frauen reden? Darf die Frau in geschäftlichen Angelegenheiten mit beraten?

Während in der Hauptsache, in der Stellung zum Herrn, kein Unterschied ist zwischen Mann und Weib (Gal. 3,28), ist bezüglich des Dienstes und der Stellung innerhalb der Gemeinde ein großer Unterschied zwischen Mann und Weib als Ordnung Gottes in der Heiligen Schrift des Neuen Bundes klar bezeugt. Nicht nur wird dem Weibe verboten zu lehren (1.Tim. 2,12), sondern auch überhaupt in der Gemeinde zu reden (1.Kor. 14,34-38). Indem das letztere Verbot sich an Aussagen bezüglich des Weissagens und damit des Redens zu den Menschen (1.Kor. 14,3) anschließt, ergibt sich aus diesem Zusammenhang, daß den Schwestern nur das Reden zu den Menschen, nicht das Reden zu Gott, d.h. das Beten in der Gemeinde, verboten ist. Und da 1.Kor. 11 den Frauen gesagt wird, daß sie nicht mit unverhülltem Haupte beten und weissagen sollen, und dabei wohl nur an das Beten und Weissagen in der Gemeinde zu denken ist, so kann auch das Weissagen in der Gemeinde, d.h. das Aussprechen von Offenbarungen, welche ihnen unmittelbar durch den Heiligen Geist zu teil werden, den Schwestern nicht verboten werden, wie sich auch nirgends in der Schrift ein Verbot für die Schwestern findet, das Evangelium öffentlich solchen zu verkündigen, welche noch draußen sind. Doch finden wir kein einziges deutliches Beispiel der öffentlichen Verkündigung des Evangeliums durch eine Schwester im Neuen Testament. Und ob die Weisung in 1.Kor. 11 sich wirklich auf das Verhalten in der Versammlung bezieht, ist immerhin nicht durchaus sicher; auch wäre es möglich, daß der Apostel in 1.Kor. 11 nur für den Fall, daß überhaupt von Frauen geweissagt wird, zunächst eine Mahnung bezüglich ihrer Kleidung gäbe und die Frage, ob Frauen überhaupt in der Versammlung reden sollen, erst hinterher in Kap. 14 behandelte und sie verneinte, so daß durch Kap. 14 auch das Weissagen der Frauen in der Versammlung nachträglich verworfen würde.

Der sichere und empfehlenswerte Weg ist daher, daß die Schwestern in den gemischten Versammlungen der Gläubigen schweigen und dies in der Regel auch bei Beratungen über das Gemeindeleben tun. In besonderen Versammlungen für Frauen, Jungfrauen und Kinder ist Raum für ihren Dienst, abgesehen von dem „Lehren“ im engeren Sinn. Bezüglich des Betens in der gemischten Versammlung ist es das Richtige, daß sie zuerst die Brüder beten lassen. Ein Unterschied zwischen Frauen und Jungfrauen ist in den betreffenden Weissagungen des Neuen Testamentes nicht gemacht, es wird vielmehr einfach der Unterschied der Geschlechter betont (vergl. besonders 1.Tim. 2,13).

Dem Einsträmen des englischen Nationalgeistes und damit Weltgeistes mit seiner Vermischung des Unterschieds von Mann und Weib in die Gemeinde Gottes ist auf Grund des Wortes Gottes mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten.

4. Ist Israel oder die Gemeinde Jesu Christi die Braut des Lammes?

Allerdings wird schon der alte Bund ein Ehebund und Israel ein ehebrecherisches Weib, mit dem der Herr sich aufs neue verloben will, dargestellt (vergl. besonders Hos. 2, 21-23). Aber wie Israel sonst in vielen Punkten ein Schattenbild der Gemeinde des Neuen Bundes ist, so kommt auch der Plan des Ehebundes in der Gemeinde Jesu Christi zu seiner Erfüllung. Sofern die Gemeinde mit dem Herrn geistlich verbunden ist, ist sie schon jetzt das Weib Christi (Eph. 5,22-33). Sofern aber ihre Verbindung mit dem Herrn doch noch keine vollkommene ist, indem sie den Herrn noch nicht schaut, ist sie jetzt noch die Braut des Lammes. In der Stelle von der Hochzeit des Lammes (Off. 19, 6-8) wird das Weib des Lammes bezeichnet als „die Heiligen“ (V. 8). Die Heiligen aber sind nach durchgängigem Sprachgebrauch des Neuen Testamentes nicht die Israeliten, sondern die Gläubigen des Neuen Bundes, d.h. die Gemeinde. Und der Ruf der Braut: „Komm!“ (Off. 22,17), ist nicht der Ruf Israels; denn in dem gegenwärtigen Zeitalter ruft Israel nicht: „Komm!“, und wenn Jesus in Herrlichkeit gekommen sein und Israel den gesehen haben wird, in welchen es gestochen hat, dann ruft es nicht mehr: „Komm!“ Der Brautruf: „Komm!“ ist vielmehr der Ruf der Gemeinde Jesu Christi, und das Ziel der Wege Gottes liegt, so gewiß auch der Herr auch mit Israel zum Ziele kommt, nicht in Israel, sondern in der Gemeinde, und die Bibel schließt nicht mit Israel, sondern mit der Gemeinde.

Es ist daher unrichtig, wenn gegenwärtig die Gemeinde vielfach einseitig als „der Leib Christi“ bezeichnet wird. Durch das Bild des Leibes ist allerdings die Lebensgemeinschaft zwischen dem Herrn und der Gemeinde am deutlichsten zum Ausdruck gebracht, nicht aber die Liebesgemeinschaft, welche vielmehr durch das Bild der Braut dargestellt ist. Es ist auch unrichtig, als den Inhalt des „großen Geheimnisses“ den Leib Christi zu bezeichnen. Vielmehr besteht das große Geheimnis darin, daß die Nationen Miterben sind und miteinverleibt und Mitgenossen der Verheißung in Christo Jesu durch das Evangelium (Eph. 3, 6), also daß eine Gemeinde aus Juden und Heiden durch das Evangelium gesammelt wird, ohne daß die Heiden die Beschneidung annehmen und dem Volk Israel einverleibt werden mußten. Ebenso ist es ein Irrtum, wenn behauptet wird, dieses Geheimnis sei nur dem Apostel Paulus als dem Apostel der Nationen geoffenbart worden. Vielmehr wurde es „seinen heiligen Aposteln und Propheten“ (Eph. 3,5) und „seinen Heiligen“ (Kol. 1,26) geoffenbart, und nirgends ist gesagt, daß es dem Apostel Paulus zuerst geoffenbart und erst durch ihn den anderen Aposteln mitgeteilt worden wäre. Wohl aber wurde ihm als dem Apostel der Nationen ein besonders tiefes Verständnis für dieses Geheimnis geschenkt (Eph. 3,4).

In der einseitigen Betonung der Wahrheit, daß die Gemeinde der Leib Christi ist, und in der Bestreitung der Wahrheit, daß die Gemeinde die Braut des Lammes ist, liegt daher eine Gefahr für die Gemeinde, gegen welche entschieden Stellung zu nehmen ist. - Zu einer solchen Stellungnahme kam es übrigens nicht von Seiten der ganzen Konferenz, da einige Brüder die Lehre, daß nicht die Gemeinde, sondern Israel die Braut des Lammes ist, festhielten. Die Leser dieser Mitteilungen werden daher noch besonders gebeten, das Anliegen mit vor den Herrn zu bringen, daß der Heilige Geist in dieser Frage, ob Israel oder die Gemeinde die Braut des Lammes ist, die ganze Gemeinde in die ganze Wahrheit leite.

Quelle: Gärtner - Eine Wochenschrift für Gemeinde und Haus 1908

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/w/waechter/waechter-ein_kurzer_entscheid_ueber_verschiedene_wichtige_fragen.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain