Tholuck, August - Glaubens-, Gewissens- und Gelegenheitspredigten – Röm. 6, 12-14

Tholuck, August - Glaubens-, Gewissens- und Gelegenheitspredigten – Röm. 6, 12-14

Evangelische Christen. Wir haben die Worte des Apostel Paulus gehört, worin Luther seine Theologie gefunden; in seiner künstlerischen Seele zum schönen Sinnbild ausgeprägt waren dieselben das Siegel seines Herzens und Lebens geworden. Wollt ihr die einzelnen Stücke noch einmal hören: getauft in Christi Tod, darum das Kreuz in meinem Herzen; mit Christo zugleich mein alter Mensch gekreuzigt, darum kein anderes als ein schwarzes Kreuz; doch mit Christo gekreuzigt nur, um mit Christo auch zu leben, daher das schwarze Kreuz im rothen Herzen; mit Christo gestorben und daher in Christo von der Sünde gerechtfertigt und erlöset, darum um das rothe Herz ein Kranz von weißen Rosen, und das alles auf himmelblauem Felde, denn wie Christus, was er jetzt lebet Gott lebet, so lebt das Christenherz schon jetzt im Himmel; und um das alles den goldnen Reif, weil wie Christus nicht mehr stirbt, so auch des Christen Freude, Friede und Trost nicht mehr sterben. Aus dem Allen der süße Schluß: des Christen Herz auf Rosen geht, weil's mitten unterm Kreuze steht.

Das im Verdienste des Heilands feiernde, in diesem Verdienste beseeligte Christenherz haben wir in unserem Luther dem Reformator des Nordens kennen lernen, das weniger Lust hat, nach außen zu gehen, als nach innen sich zu versenken, das weniger darauf gerichtet ist, zu schaffen und zu raffen, als still in sich zu feiern und zu sinnen, das darum auch wohl manchmal von andern Völkern das träumende, das mystische Gemüth genannt worden ist. Laßt heute uns den Blick richten auf den Reformator des Südens, auf den christlichen Heldengeist, dessen Reformation im Süden nicht weniger Größe und Ausdehnung erhalten hätte, wäre ihr wie der des Nordens unter der Pflege evangelisch frommer Fürsten ein stilles Wachsen und Reifen vergönnt gewesen, wären ihre schönen Saaten, die in Frankreich, Belgien, Italien, Spanien auf. keimten, nicht gleich bei ihrem Aufkeimen im Blute erstickt worden. Manchen vielleicht auch unter euch ist es unbekannt, daß damals ganz Böhmen und Litthauen sich zum reformirten Glauben bekannt, ein großer Theil von Belgien, Frankreich, Ungarn, daß keine größere Stadt Italiens war von Ferrara bis hinab nach Neapel, welche nicht ihre Gemeinde evangelischer Bekenner hatte, daß selbst im fernen Spanien an zwanzigtausend Bekenner des evangelischen Glaubens auf Schaffot oder Scheiterhaufen den Märtyrtod gestorben. O Rom, Rom, welche Ströme vergossenen Blutes der Heiligen, die dich vor Gott verklagen! Von 1550 - 1580 nicht weniger als 900,000 evangelische Märtyrer, darunter nicht weniger als 39 fürstliche Personen, welche dem Herzoge ihrer Seligkeit auf der Bahn des Kreuzes zur himmlischen Krone gefolgt sind. Evangelische Kirche, mit tausend Flecken, die dich vor Gott verklagen, magst du befleckt seyn, aber - wenigstens Blutflecken sind nicht darunter!

Unmittelbar nach jenen Worten, welche den Text unserer letzten Predigt bildeten im 6. Kap. an die Römer finden wir nun andere, von denen wir sagen können, daß sie nicht weniger die Lebenstheologie des Reformators des Südens gebildet haben, als jene ersten die des Reformators des Nordens. Was göttliche Barmherzigkeit uns geschenkt, das hatten die schon betrachteten Worte ausgesprochen, und das hatte Luthers. Theologie gepriesen: was menschliche Dankbarkeit, der solche Barmherzigkeit zu Herzen geht, ihm zum Opfer bringen wird, das fügt Paulus in den folgenden Ermahnungen hinzu:

Röm. 6, 12 - 14.

So laßt nun die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe, ihr Gehorsam zu leisten in seinen Lüsten. Auch begebet nicht der Sünde eure Glieder zu Waffen der Ungerechtigkeit; sondern begebet euch selbst Gott, als die da aus den Todten lebendig sind, und eure Glieder Gott zu Waffen der Gerechtigkeit. Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen können: sintemal ihr nicht unter dem Gesetz seid, sondern unter der Gnade.

Was wir in diesen Worten gelesen haben, das ist des großen Calvins Lebenstheologie geworden. Stellt Luther euch immer auf's Neue vor Augen: „das that Er für dich. so läßt Calvin immer auf's Neue die Frage an euer Herz dringen: „was thust du für Ihn?“ Noch ein Mal - beides aus einander gerissen wäre beides eine Lüge; denn ohne das eine hat das andere keinen Kern und keinen Klang, wenn jedoch beide Männer Gottes Wurzel und Frucht des Lebensbaumes zugleich predigen, wenn aber das deutsche Gemüth sich vorzugsweise andächtig in die Wurzel vertieft, die französische Thatkraft sich auf die Früchte vorzugsweise richtet, wer sollte hierin nicht die Mannichfaltigkeit der Gnadengaben erkennen, welche schon durch die Verschiedenheiten, die Gott der Vater in dem Menschen angelegt, verschieden vertheilt sind? Nicht daß ich - wie ich von etlichen mißverstanden worden bin - die Lehrunterschiede von Religionen und Confessionen bloß zu Gewächsen eines verschiedenen Bodens machen wollte: würden doch schon jene Haufen von Märtyrern, die unter der Sonne des tiefen Südens für den evangelischen Glauben ihr Leben eingesetzt, dieses Lügen strafen! Diese Unterschiede beruhen ja vielmehr auf der verschiedenen Haushaltertreue gegen die uns in Gottes Wort anvertrauten Gnadenschätze. Aber das will ich sagen und lehren: wenn die lautere Wahrheit von solchen Herzen, die nach Volks- und Temperamentsverschiedenheit verschieden geartet sind ergriffen wird, so spiegelt sie sich nicht in einerlei Licht und Farben. Gewiß ist der Christus, den Paulus und Johannes predigen, ein und derselbe und doch predigt ihn jener als die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt und dieser als das ewige Leben, das den Durst auf ewig stillt.

Und was bei einem Calvin die Theologie seines Lebens geworden, er hat es ebenfalls in einem Sinnbilde zusammengefaßt, das er seinem Siegelringe aufgegraben, wie Luther. Schwere schmerzliche Stunden waren es, aus welchem diese Theologie seines Herzens geboren worden. In Paris in seinem Hause von Wächtern umstellt war er, wie Paulus in Antiochien, in einem Korbe herabgelassen, seinen Verfolgern entkommen; in dem noch kaum von den Banden des Papstthums befreiten Freistaat Genf hatte er Zuflucht gesucht und als Prediger des Evangeliums gefunden, aber den Scheiterhaufen einer verweltlichten Kirche war er entflohen um die Folter- und Marterwerkzeuge, mit denen eine widerchristliche Weltlichkeit die Knechte Gottes langsam zu Tode quälen kann, zu erfahren. Von der Knechtschaft des Pabstthums hatte das leichtfertige Völklein sich frei gemacht, um die Freiheit des Fleisches zu genießen. Die Zuchtruthe des Evangeliums will dort Niemand ertragen, als Verbannter muß der unerschrockene Prediger seinem Asyl den Rücken kehren; der als ein Bote des Friedens mit dem Evangelium des Friedens gekommen war, muß über angeschwollene Waldströme sich retten, und als diese ihn verschonen, bricht er in die Worte aus: „Die Fluthen sind barmherziger gegen uns als die Menschen!“ Eine Ruhe, statte wird ihm nun auf einige Jahre in Straßburg bereitet, da folgt eine neue Einladung nach Genf, wiewohl dort die Parteien noch wild durch einander nähren. Wie bei dieser Wahl seinem Fleische zu Muthe gewesen, bezeugen folgende Worte: Lieber gekreuzigt werden, lieber auf ein Mal in den Tod gehen, als in jener Marterkammer wieder langsam zu Tode gepeinigt werden. Da war es, wo er, nachdem der schwere Kampf der Entscheidung vor Gott durchgekämpft, ausruft: Ich bringe mein blutendes Herz Gott zum Opfer und sich abermals in die Marterkammer hineinstürzt, aus der er erst kaum entronnen - unter keinem andern Antriebe als dem des Geistes Gottes und seines erleuchteten Gewissens. Aus diesen Schmerzenskämpfen der Neigungen des Fleisches auf der einen Seite und des Gebotes des Geistes auf der andern ist das Siegel des Reformators des Südens hervorgegangen: ein ausgestreckter Arm und in der Hand ein Herz mit der Opferflamme.

Wenn nun der erste Theil jenes Textes uns aufgefordert hat, uns mit Luther andächtig in die Betrachtung der Gabe zu vertiefen, die uns Gott geschenkt hat, so ist es der zweite Theil, der uns auf. fordert, mit Calvin der Opferleistungen zu gedenken, die Gott zum Dank für solche Gabe von uns fordert. Vor unserm Auge ihr Gläubigen Gottes, soll der weiße Rosenkranz mit dem rothen Herzen auf himmelblauem Grunde stehen bleiben und uns Trost und Friede in's Herz predigen, aber es stehe auch unverrückt vor euren Augen der ausgestreckte Arm mit dem brennenden Herzen, den Calvin sich zu seinem Symbolum gewählt; denn was ist's wozu die Mahnung des Apostels in dem verlesenen Text uns auffordert? Erstens: ihr, die ihr begraben seid in Christi Tod und mit ihm auferstanden: mag die Sünde in eurem sündigen Leibe auch noch immerdar locken, so darf sie doch nicht mehr herrschen, ferner: allen Gehorsam, alle Gaben, die im Dienste des Ungehorsams gestanden, in den Dienst der Gerechtigkeit sollen sie treten, endlich: zum endlichen Siege muß es hinausgehen, weil wir nicht mehr unter dem Gesetze stehen, sondern unter der Gnade.

Mag locken noch die Lust, sie darf nicht mehr regieren,
Stirbst du in Christi Tod, wird Er das Scepter führen.
Was du an Kraft und Muth im Sündendienst verschwendet.
Das wird nun allzumal in Christi Dienst verwendet.
Was dir unmöglich schien, wirst du nun wohl erringen,
Was kein Gebot vermag, das muß der Lieb gelingen.

So laßt nun die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe, ihr Gehorsam zu leisten in ihren Lüsten. Mag locken noch die Lust, sie darf nicht mehr regieren, stirbst du in Christi Tod, muß Er das Scepter führen. Das Scepter darf sie nicht mehr führen, spricht der Apostel, ihr zu gehorchen in ihren Lockungen. Als der alte Mensch noch in mir lebte, da war ich ja nur Ein Mensch und der fuhr zu, wo die Lust ihn trieb und stieß. Zwar war noch ein anderer da, der sich vielleicht auch noch bewußt war, daß ihm eigentlich das Hausrecht gebührte, doch lag dieser rechtmäßige Hausherr im Menschen geknebelt und an Händen und Füßen gebunden und konnte sich nicht regen, denn ich bin fleischlich von Natur und unter die Sünde verkauft. Nun aber ist der alte Mensch zwar noch nicht gestorben, aber doch mit Christo an das Kreuz geschlagen. Nun sind zwei Menschen in dem Einen Busen, der eine, der sich bewußt ist, nicht nur das Recht von Gott zu haben, sondern auch die Macht: nun mag der alte Mensch zucken, er mag schreien und um sich beißen, aber um sich schlagen mit Händen und Füßen kann er nicht mehr. Unversehens mag er mich wohl noch überholen, wie eine giftige Natter auf einen zuschießt, aber umringeln darf sie mich nicht mehr. Im Namen meines Herrn mache ich es wie Paulus und schleudere sie von mir in das Feuer, denn der alte Adam ist mit Christo an das Kreuz geheftet, da muß, da wird er zwar langsam aber sichern Todes sterben. Mögen andere singen müssen: unter meinem Leichenstein schlafen meine Sünden ein. ein Christenmensch singt: über meines Jesu Grab sterben meine Sünden ab. Und zwar nicht die blos, die auf der Oberfläche liegen, nein die auch, die mit dem innersten Fleisch und Blut verwachsen sind. Wollt ihr ein Beispiel davon sehen? Was ist eher mit dem Muthe der Heldengeister verwachsen als der Uebermuth und mit ihrem Feuer als die Heftigkeit der Leidenschaft? Solche Zuckungen des alten Adams, gegen die haben ein Luther und Calvin vor Allem zu streiten gehabt, und wie ein Calvin dagegen gestritten und, wenn auch nur allmählig, den Sieg davon getragen hat, vernehmt darüber ein Zeugniß: In Wahrheit, spricht er, unter meinen vielfältigen Versuchungen ist kein Kampf mir schwerer geworden als der gegen meine Heftigkeit, etwas indeß ist in diesem Kampf gewonnen, aber überwunden ist diese wilde Bestie noch nicht. Etwas also ist doch darin gewonnen! Und das gerade im Kampf mit der Sünde, die am innigsten mit der Tugend seines Heldenmuths verwachsen war. Und daß dies Etwas nichts Geringes gewesen, sehet den Beweis! Luther und Calvin, diese zwei Geister, die in brüderlicher Eintracht sich ergänzend hätten Hand in Hand mit einander gehen sollen, sie haben sich zwar niemals feindlich gegenüber gestanden, im Gegentheil ist uns mehr als Ein freundliches Wort Luthers über ihn aufbewahrt, doch was hatten nicht seine Schweizer Freunde von Luthers Heftigkeit zu ertragen und nirgends ist uns der Reformator des Südens größer im Siege über jene unbändige Bestie in seiner Brust erschienen, als wo er ausruft: Und möchte Luther mich tausendmal einen Teufel nennen, niemals werde ich anders über ihn urtheilen, als daß er ein hohes Werkzeug und ein theurer Knecht Gottes ist. ' Aber auch der grollende Luther selbst, wie hat er das wilde Thier in seiner Brust gedämpft beim Ausruf jener Worte, in die er ausbricht, als sie ihm im Lehrbuch des jugendlichen Calvin dessen Aeußerung über die lutherische Abendmahlslehre zeigen: Laßt ihn, einem so großem Geiste muß man etwas verzeihen!“ - O meine Brüder, ihr seht es, auch die liebsten Schoßsünden sie müssen, wenn auch nur allmählig, sterben. Du sprichst: aber dieser und jener Fehler ist einmal mit dem besten Stücke meines Herzens so verwachsen, daß ich mein bisschen Tugend selbst preisgeben müßte, wollte ich gegen die Schoßsünde ankämpfen. Warum sagst du nicht lieber: selbst der beste Theil an mir ist vom Geäder meiner Schoßsünde durchzogen, darum muß mir eben Christus ein neues Herz geben. Ist denn etwa die neue Geburt nur ein Stück von einem neuen Menschen und ein Stück von einem alten? Nicht von einer Ausbesserung des neuen Menschen spricht die Schrift, sondern von der neuen Geburt. Sterben und Begrabenwerden mit Christo und Auferstehen mit ihm! so lautet's in unserm Text. Darum hat eben Luther das schwarze Kreuz in sein Herz hineingesetzt als die Mortificationskraft auch gegen das gröbste wilde Fleisch, und hält Calvin das Herz mit der Opferflamme hin als mit einem Feuer auch wider die roheste Schlacke!

Begebet vielmehr alle eure Glieder, die vorher Waffen im Dienste der Ungerechtigkeit waren in den Dienst der Gerechtigkeit. Was du an Kraft und Muth im Sündendienst verschwendet, das wird nun allzumal in Christi Dienst verwendet. Ist's nicht eine tief beschämende Wahrnehmung, was für Opfern, welchen Selbstverläugnungen wir uns zu unterziehen im Stande sind, um unseren sündlichen Treiben fröhnen zu können? Ehre und Lebensglück setzt der Träge, der Wollüstling, der Trunkenbold daran, um seiner Lust zu stöhnen, Gesundheit und Leben der Ehrgeizige, um Ehre vor den Menschen zu erjagen. Was für ein herrliches Schauspiel, nachdem bei einem Streiter Christi sein Herz in seines Heilands Dienst getreten - wie man allmälig beim Sonnenaufgange einen neuen Farbenstrahl nach dem andern anschießen sieht - so eine Gotteskraft nach der andern die vorher der Welt und dem eignen Ich diente, in den Dienst Christi treten zu sehen! Wie viel reicher können wir alle noch an Geistesfrucht nach Innen und nach Außen werden, als wir sind! Wie viele Stücke der Waffenrüstung, die uns Gott gegeben, um sie im Felddienste Christi zu gebrauchen, die wir jetzt ungebraucht verrosten lassen! Ich vergesst es nie, was mir die Frage eines großen Mannes genutzt hat, als ich noch in großer Jugend ihm klagte, in meinem Berufe so wenig Frucht schaffen zu können: Aber haben Sie denn auch würklich alle die Pfunde, die Ihnen Gott gegeben, auf Zins ausgelegt?“ Da habe ich mich hingesetzt in der Furcht Gottes, wie der Mann im Gleichniß, der einen Thurm bauen will, und habe zu rechnen angefangen und zu überlegen, wie viele von den verliehenen Kräften noch im Schweißtuch verborgen liegen möchten, was für neue Mittel noch aufzubringen wären um die Kosten des Baues zu decken. Und ihr Männer Gottes, Luther und Calvin, was habt ihr der Jugend, was habt ihr uns allen für Vorbilder eines Lebens hinterlassen, worin jede Stunde, jede Gabe, jedes Glied zum Werkzeuge an dem Werk eures Herrn geworden ist! Ein Calvin - wie viele Werke, von denen ein einziges unsterblich machen würde, zeugen von seiner Geistesarbeit als Gelehrter in der Klause, und derselbe Mann - der geistliche Regent eines ganzen Staates fast täglich in der Rathsstube wiederum als Prediger des Worts in manchen Wochen täglich auf der Kanzel, als Professor dreimal wöchentlich unter den Studenten, Rathgeber an den Höfen der Fürsten, Stimmführer in den Konventen der Theologen, das geistliche Orakel für nah und fern, für die Schweiz und Italien, für Frankreich und Belgien, für Polen und für Engländer, dabei ein Körper, der in den spätern Jahren wöchentlich unter der Folter des verzehrenden Fiebers, der Gicht und des Steins leiden muß. Unser Luther mit noch reicherer Mannichfaltigkeit der Gnaden und Gaben, gleicherweise der Rathgeber am Hofe bei Fürsten und Reichsconventen, der Professor auf dem Katheder vor den Studirenden, der Prediger des Volks auf der Kanzel, der Beichtvater bekümmerter Herzen im Beichtstuhl, im Dienste des Herrn mit der Gewalt seiner Predigt, im Dienste des Herrn mit der Dolmetschung der Sprache, im Dienste des Herrn mit der Lieblichkeit seiner Lieder und seiner Musika, und angelaufen in seiner Wohnung von den Sendboten der zum Wort erwachenden Christenheit aus dem Norden und Süden, aus dem Osten und Westen, und bei dem Allen bestürmt von einem Heere ununterbrochener Leibesplagen jetzt von Schwindel und Ohnmacht, jetzt von Fieber und Ruhr, jetzt von Kolik und Stein, aber - über das Alles hinaus die Tageslosung: die Liebe Christi dringet uns also!“ In dem Allen den ausgestreckten Arm mit der Opferflamme im Herzen!

Ihr steht beschämt und kleinmüthig da, denn ihr kennt eures Fleisches Trägheit. Aber nur würklich mit Christo gestorben und mit Christo auferstanden und ihr dürft nicht verzagen! Die Sünde wird nicht mehr herrschen können, denn ihr steht unter der Gnade. Auch ihr werdet sehen, wie ein Glied und eine Kraft nach der andern in den Dienst eures Herrn tritt.

Die Sünde wird nicht mehr herrschen können über euch, denn ihr steht nicht mehr unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade. Das ist der unbegreifliche Widerspruch der natürlichen Vernunft und der seligen Erfahrung der Kinder Gottes, das ist das wunderbare Wort, an welchem die Ausleger sich den Kopf zerschellt haben, deren Herz noch nicht zerschmolzen war von der Gnade - doch ist dem nicht so? das liebende Menschenauge, ist es nicht für das fühlende Kindesherz ein stärkerer Hebel als alle Drohung und alles Gebot? Der wehmüthig warnende Blick, den Jesus als er heraustrat, dem Petrus nach der Verläugnung zusandte, war er nicht mehr als Donner und Blitz in seine fühlende Seele? Ich sage in das fühlende Herz, in die fühlende Seele. Für andere freilich nicht. Von andern spricht aber auch Paulus gar nicht als von solchen, welchen schon das: das that ich für dich“ das Herz gebrochen hat. Die Liebe Christi dringet uns also- ruft Paulus und bekennt damit die treibende Kraft in allen seinen Heldenthaten, und diese und keine andere Macht hat die Rosen um Luthers Herz hervorgetrieben, hat den starken Arm Calvins himmelan gehoben, daß er Gott sein flammendes Herz zum Opfer hinreichen konnte. Wer das erfahren hat, der ruft mit Johannes aus: der, der in uns ist, ist stärker als der, der in der Welt ist. O ihr Jünglinge aus allen Facultäten, wenn ihr, die ihr hier versammelt seid, dahin kommt, daß ihr das Drängen dieser Liebe fühlt und unter ihrem Drange alle Güter, Gnaden und Gaben, die euch gegeben sind sammt eurem brennenden Herzen selbst dem Herrn zum Opfer darbringt, wie werdet auch ihr es erfahren: der, der in euch ist, ist stärker als der in der Welt ist!“ O gekreuzigte Liebe, wie lange stehst du und fragst: was thut ihr für mich? und wie lange sind unsere Herzen bei der Frage kalt geblieben. O laß sie endlich an unser Herz dringen, daß hier kein Arm sei, der sich dir nicht entgegenstreckte mit dem flammenden Herzen zum Opfer! Amen.

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