Strube, Philipp - Ist dieses oder jenes Sünde?

Strube, Philipp - Ist dieses oder jenes Sünde?

Es wird häufig die Frage aufgeworfen, ob dies und jenes auch Sünde sei. Gewöhnlich handelt es sich dabei um Dinge, welche die Welt gern für sittlich gleichgültig erklärt und für erlaubt hält, nämlich um weltliche Gewohnheiten, Vergnügungen, Beschäftigungen u. dgl. Da heißt es denn: Ist Tanzen auch Sünde? Ist Theatergehen Sünde? Aber die Frage beweist sogleich, daß der, welcher sie stellt, nicht die richtige, innere Stellung hat, daß er entweder die Gnade in Christo noch gar nicht kennt oder doch gesetzlich befangen und fern von der Einfalt des Glaubens ist, die sich einzig befleißiget, dem Herrn wohlzugefallen. Da ist das Gemüt gebunden von einer sündlichen Lust und Gewohnheit und versucht es nun, sich selbst in seinem Hang zu rechtfertigen und zu bestärken, indem es sein Tun für unsündlich erklärt. Aber das Gefühl des Zweifels und der Beunruhigung wird damit nicht überwunden, und so bleibt man denn am Fragen: Ist das auch Sünde?

Jedenfalls ist die Frage unevangelisch und entspricht nicht dem Standpunkte, welchen der Glaube einnehmen soll. Unter der Haushaltung des Gesetzes hieß es: Du sollst dies nicht tun, du sollst jenes nicht anrühren, du darfst das nicht kosten. Der Glaube an Christus aber befreit uns von der Herrschaft des Buchstabens und stellt uns unter das Gesetz des Geistes der da lebendig macht in Christo Jesu. Jetzt ist also nicht mehr zu fragen: Ist dies und jenes auch Sünde? sondern vielmehr: Stimmt es auch mit der heiligen Regel des Geistes Gottes überein? Ist es dem Glauben gemäß, der bei allem auf die Ehre Jesu sieht? Ist dieses Betragen oder jenes Vergnügen auch eines Kindes Gottes würdig, welches gekommen ist zu der Stadt des lebendigen Gottes, und zu der Menge vieler tausend Engel, und zu der Gemeinde der Erstgeborenen, die im Himmel angeschrieben sind, und zu Gott, dem Richter über alle, und zu dem Mittler des neuen Testaments und dem Blut der Besprengung? Ist man zu der Gemeinschaft der oberen Welt gekommen, so ist man in den göttlichen Adelsstand erhoben, und jetzt gilt in einem neuen Sinne die Regel: „Standesgemäß man wandeln muß.“ Diesen Maßstab legt eine Gott liebende Seele an alles an. Sie fragt, ob sie den Herrn in allem ehrt, und was zu seinem Preise nicht dient, das läßt sie fahren. „Alles, was ihr tut, mit Worten oder mit Werken, das tut alles in dem Namen des Herrn Jesu“, spricht der Apostel. Was wir in dem Namen Jesu nicht tun können, was unsere Gemeinschaft mit ihm stört, was unsere geistliche Kraft schwächt, was uns in Gleichstellung mit der Welt hineinzieht, das alles ist uns unerlaubt. Was nicht aus dem Glauben geht, das ist für den Christen Sünde (Röm 14,23)

Darum folge doch der Regel des Glaubens und frage: Was bin ich dem Herrn schuldig, der mich bis in den Tod geliebet hat? Wenn der Herr uns über eine Sache, die wir treiben, unruhig macht und darüber Zweifel in uns entstehenn, so ist es gewiß nicht gut für uns,, in der Sache zu beharren. Dann ist auf jeden Fall eine Gefahr damit verbunden, vor der uns die Liebe des Heilandes bewahren will. Sonst würde ja die sanfte Stimme des Geistes uns nicht warnen. Darum wollen wir doch diese Stimme nicht überhören, die uns so treulich rät, sondern ihr kindlich folgen, wie sie uns anweiset, damit wir nicht Schaden leiden.

Alles und jedes, auch das äußerlich Unschuldige, kann sündlich und verwerflich werden, wenn es nicht in dem rechten Maß und Ordnung geschieht. Wer wird das Klavierspiel für sündlich erklären? Und doch habe ich schon einen christlichen jungen Mann gekannt, dem das Klavierspiel so sehr zur Sünde wurde, daß ihm Gott darüber in eine ernste Zucht nehmen mußte. Er war ein leidenschaftlicher Verehrer der Musik. Die Musik nahm ihn gefangen. Darum war sie für ihn schädlich und sündlich, und der Herr mußte ihm ein beschwerliches Nervenleiden senden, um ihn von seiner unordentlichen Liebe zu reinigen. Sobald er Töne vernahm, griff ihn das so an, daß ihm die Tränen ausbrachen und er sich einschließen mußte, um nichts mehr zu hören. Sobald deshalb der Geist Gottes neben unsere Liebhabereien, sie mögen einen Namen haben, welchen sie wollen, ein Fragezeichen setzt, und uns darüber beunruhigt, so sollen wir prüfen, ob nicht in unserm Herzen eine unordentliche Liebe zu den Geschöpfen vorhanden sei, und dieselbe im Namen des Herrn von uns tun.

Bei dergleichen Dingen aber, die eine befleckende Gleichstellung mit der Welt, en Einstimmen in ihren Ton, ihre Sitten und Gebräuche enthalten, sollte ein Christ gar nicht fragen, was sich für ihn geziemt, sondern es ohne weiteres dem Herrn opfern. Alle die Dinge, womit die Welt sich die Zeit vertreibt, worin sie ihre Belustigung sucht: Bälle, Theater rauschende Feste, sind doch im Grunde nur feinere Formen der Fleischeslust. Nun aber steht geschrieben: Alles, was in der Welt ist, des Fleisches Lust, der Augen Lust und hoffärtiges Leben ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. Wie können wir uns also mit Dingen beflecken, welche nicht vom Vater, sondern von der Welt sind? Wie können wir uns an Orten blicken lassen, wo der Geist dieser Welt regiert, wo alle Lüste des Fleisches sich breit machen, wo in Worten und Werken dem Teufel gedient wird? Daß in manchen Kreisen der Fleischesdienst in so feinem Gewande und anständigen Formen betrieben wird, ändert an der Sache nichts und darf unser Urteil nicht bestechen; denn als Christen urteilen wir nicht nach dem äußeren Schein, sondern nach dem Lichte des untrüglichen Gotteswortes. Nach dem Worte Gottes aber ist es unzweifelhaft, daß die Lust der Welt, ob sie nun in feinen oder groben Formen auftritt, eitel und ungöttlich ist und daß darum der Christ an die Orte der Weltlust nicht gehört. Da wird der Wille Gottes mit Füßen getreten. Da will man vom Gebet und von dem teuren Jesusnamen nichts hören. Da sucht man bloß Nahrung für das Fleisch. Wenn ein Christ an solchen Orten sich aufhalten will, so muß er schweigen von dem, was ihm das Teuerste ist und sein soll. Er muß also den Charakter eines Bekenners Christi aufgeben. Er verleugnet den himmlischen Adelsstand, in welchen die Gnade ihn gestellt hat. Sein Licht hört auf zu leuchten und sein Salz wird dumm und kraftlos, während er doch vom Herrn berufen ist, ein Licht der Welt und ein Salz der Erde zu sein. Es ist fast unbegreiflich, wie ein Christ sich so weit von der Spur der Einfalt verirren kann, daß er es für möglich hält, Gottesdienst und Weltdienst miteinander zu vermengen, und zu fragen anhebt, ob es wohl sündlich sei, sich mit der Unreinigkeit dieser Welt zu besudeln. Wo eine solche Frage überhaupt entsteht, da muß das Glaubensauge schon gewaltig verdunkelt und getrübt sein, so daß es das helle Licht der Wahrheit nicht mehr von der Finsternis dieser Welt unterscheiden kann. Da tappt der ganze Mensch im Dunklen. So wenig es dem Adler, der sich königlich in die Lüfte schwingt, zukommt, sich mit den Säuen im Kot zu wälzen, so wenig ist es des Christen würdig, den Boden der Weltlust zu betreten. Man kann die teuren Jünger Jesu, welche den allerteuersten Namen des Heilandes bekennen, nicht ernstlich genug bitten und auffordern, sich doch ihrer königlichen Abkunft bewußt zu bleiben und sich im Geringsten nicht an etwas zu beteiligen, was unter ihrer Gottverlobten-Würde ist. Hier kann es gar nicht genau genug genommen werden. Wie manchem Jünger Jesu hat es schon zum ewigen Schaden ausgeschlagen, daß er eine sündliche Verbindung, Freundschaft und Gesellschaft mit der Welt unterhielt!

Dazu kommt auch noch der Ernst der Zeit, in der wir leben. Wir leben in Erwartung ernster Dinge. Unsere Augen richten sich mit Verlangen auf den kommenden Herrn; denn die Zeichen der Zeit weisen auf das Ende hin. Gewinnt da nicht das Wort Petri noch eine ganz besondere Bedeutung: „So nun das alles soll zergehen, wie sollt ihr denn geschickt sein mit heiligem Wandel und gottseligem Wesen! Die ihr wartet und eilet zu der Zukunft des Tages des Herrn?“ Ferner das andere Wort: „Darum, meine Lieben, dieweil ihr darauf wartet, so tut Fleiß, daß ihr vor ihm unbefleckt und unsträflich im Frieden erfunden werdet!“ 2. Petr. 3,11.14. Ist etwa nicht die Zeit für die Jungfrauen da, aufzustehen und ihre Lampen zu schmücken? Der Herr wolle selber uns lehren, was seinem Herzen wohlgefällt, damit wir reine Gefäße für seine unaussprechliche Gnade seien. Wie werden dann unsere Lampen so helle brennen bei seinem Empfang!


Der Verfasser stand dem Brüderverein nahe. Nachdem er sein Pfarramt wegen hohen Alters niedergelegt hatte, diente er noch bis zu seinem seligen Heimgang unserer verbundenen Gemeinde Elberfeld-Barmen als Prediger

Der Gärtner, 36/1922

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