Spoerlein, S. - Wir sind auf den Tod und die Auferstehung Christi getauft.

Spoerlein, S. - Wir sind auf den Tod und die Auferstehung Christi getauft.

Predigt über Römer 6, 3 - 12.

von S. Spoerlein,

Prediger der deutsch-französischen Gemeinde zu Antwerpen.

Text: Röm. 6, 3 - 12.

„Wisset ihr nicht, daß alle, die wir in Jesum Christ getaufet sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir je mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf daß, gleich wie Christus ist auferwecket von den Todten durch die Herrlichkeit des Vaters, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln. So wir aber sammt ihm gepflanzet werden, zu gleichem Tode, so werden wir auch der Auferstehung gleich sein; dieweil wir wissen, das unser alter Mensch sammt ihm gekreuziget ist, auf daß der sündliche Leib aufhöre, daß wir hinfort der Sünde nicht dienen. Denn wer gestorben ist, der ist gerechtfertiget von der Sünde. Sind wir aber mit Christo gestorben, so glauben wir, daß wir auch mit ihm leben werden; und wissen, daß Christus, von den Todten erwecket, hinfort nicht stirbt; der Tod wird hinfort über ihn nicht herrschen. Denn daß er gestorben ist, daß ist er der Sünde gestorben zu Einem mal; das er aber lebet, das lebet er Gott. Also auch ihr, haltet euch dafür, daß ihr der Sünde gestorben seid, und lebet Gott in Christo Jesu unserm Herrn. So lasset nun die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe, ihr Gehorsam zu leisten in seinen Lüsten.

Es ist schon oft wiederholt worden, Gel. im Herrn! daß in keinem der Apostel Jesu Christi die Gnade Gottes mächtiger gewesen sei, als in Paulo. Und das ist auch wahr, denn Keinem war mehr vergeben worden, Keiner hatte so reiche Fülle des heil. Geistes empfangen, Keiner war so wie er, in die geheimnißvollen, lebendigen, beseligenden Tiefen des Evangeliums hinabgestiegen. Und wie hat er diese Tiefen erfaßt? Durch den Gedanken doch wohl nicht allein, denn was ist Vorstellung und Gedanke ohne die volle Fluth des Lebens? Nein, im Leben selbst durch eigene Erfahrung hat er die göttliche Kraft des Evangeliums empfunden, hat in sich geschmeckt die Liebe und Gütigkeit des Herrn, die sich in Christo Jesu geoffenbaret und uns zu Theil geworden ist. Und darum eben, weil Christus so überaus mächtig in ihm war, spricht er so hochbegeistert von dem neuen Leben, das er in ihm gefunden, und legt so schön auseinander, in klarem, deutlichem Worte, was ihm selbst geworden und was durch den Erlöser Allen denen werden soll, die berufen sind.

Wie Jesus, unser liebreicher Mittler, gelebt und gewirkt, was er gelitten, wie er gestorben und auferstanden, in verklärtem Leibe umhergewandelt und sich hinaufgeschwungen in die seligen Räume der Geisterwelt, sich gesetzt zur Rechten seines Vaters, um auf immer als Gottes glorreicher Sohn über alle Welt zu herrschen - das Alles können wir gar wohl in die Vorstellung aufnehmen, aber was gewinnen wir, wenn wir diese heiligen Wahrheiten so nur gleichsam auf der Oberfläche unseres Geistes besitzen.

Im Leben, durch die Erfahrung müssen wir sie verstehen, dann bleiben sie nicht Vorstellung, sie werden unser wahres, ewiges Eigenthum, wie aus uns selbst erzeugt und geboren. Und das will Paulus in unsern Textesworten sagen, wenn er an seine liebe römische Gemeine schreibt: Ihr seid mit Christo auf seinen Tod getauft, und wie er ist auferwecket von den Todten durch die Herrlichkeit des Vaters, also sollet auch ihr in einem neuen Leben wandeln. Wir sollen uns den Tod und die Auferstehung des Herrn nicht nur so vorstellen, wir müssen sie in ihrer ganzen vollen Gotteskraft, in ihren erlösenden, heiligenden, beseligenden Wirkungen an unserm inwendigen Menschen erfahren. Wie Christus für unsere Sünden gestorben, so sollen wir mit ihm, durch den Glauben an die Erlösung durch ihn, aller Sünde und Unheiligkeit absterben, wie er auferstanden und in verklärtem Leibe umhergewandelt, so sollen wir zu einem neuen Leben auferstehen und verklärt in Liebe und Hoffnung hienieden wallen, um einst - und das ist unsere ganze Seligkeit - um einst auch in verklärten Leibern im heiligen, ewigen Gottesreiche zu leben.

Unser Herr Christus - und wir nennen ihn Herr, weil wir ihm wirklich angehören müssen, um seiner reichen, ewigen Gnadenfülle theilhaftig zu werden - unser Herr Christus ist zweierlei für uns arme, von Gott losgerissene Menschen, er ist erstens: ein lebendiges Bild dessen, was wir werden sollen und können, d. h. daß wir reine, heilige, in Gott ruhende und lebende Wesen werden müssen, gerade so wie er es war. Aber zweitens finden wir in Christo auch die Mittel, die einzigen Mittel, wie wir es werden können; denn durch seinen Tod wird die Sünde in uns getilgt, und durch seinen Geist empfangen wir neues Leben. Auf seinen Tod müssen wir also getauft sein, daß heißt, unsere Sünden müssen uns vergeben und von uns genommen werden, und wie er müssen wir, durch die Kraft seines Geistes, zu einem neuen Leben auferstehen, wollen wir uns, wie er zu Gott ähnlichen Wesen verklären. Dies ist aber Alles in unsern Textesworten ausgesprochen, wir wollen sie also, mit der Hülfe Gottes und vor seinem heiligen Angesichte in dieser Stunde der Andacht betrachten. Zu diesem Ende werden wir sprechen:

  1. Von der Nothwendigkeit, auf den Tod Christi getauft zu werden; und .
  1. Von der Möglichkeit zu einem neuen Leben aufzuerstehen.

Es sind das, lieben Brüder, für uns alle höchst wichtige Dinge, bittet darum den Herrn um seinen guten Geist, damit die Betrachtungen dieser Stunde nicht auf der Oberfläche eures Geistes bleiben, sondern in eure Herzen dringen, und so zu einem Elemente neuen Lebens sich in euch gestalten. Möge der Herr uns Allen jetzt diese Gnade verleihen - und das Amen, das wir aussprechen, zu einem wirklichen: So sei es, in uns machen! Amen.

I.

Paulus beginnt in unserem Texte mit folgenden Worten: „Wisset ihr nicht, daß Alle, die wir auf Jesum Christ getauft sind, die sind auf seinen Tod getauft? So sind wir mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod.“ - Die Taufe, das eine der zwei vom Herrn selbst eingesetzten Sakramente unserer christlichen Kirche ist in ihrer wahren, geistigen Bedeutung die Weihe zum Eintritt in die Gemeinschaft der Heiligen. Wie das Wasser die Unreinigkeit des Leibes hinwegnimmt, so nimmt die Geistestaufe, der Tod Jesu Christi nämlich, wenn wir ihn gläubig erfassen, die Unreinigkeit des Geistes hinweg. Das ist die tröstliche Lehre des Evangeliums; in wenigen Worten nur ist sie ausgesprochen, aber ein jeder von uns kann ihre lebendige Wirkung an sich erfahren, und muß sie an sich selbst erfahren, will er sich mit seinem himmlischen Vater auf die Ewigkeit verbinden. Ihr alle, gel. Br., ohne Ausnahme, laßt eure Kinder taufen: - thut ihr es nun, weil es einmal so unter euch gebräuchlich ist, und ihr eine angenommene Gewohnheit verletzen würdet, wenn ihr es nicht thätet, oder thut ihr es, weil ihr innig überzeugt seid, daß euren Kindern dadurch ein reicher Segen zu Theil wird? Das letztere, nicht wahr, ist der Fall; denn eine gute Gewohnheit muß ja irgend eine Bedeutung haben, wenn sie nicht zu einem bloßen Schatten herabsinken soll.

Auf den Namen des Vaters, des Sohnes, des heil. Geistes taufen wir die Kinder - auf den Namen des Vaters, weil ja von ihm dem allmächtigen und allliebenden Gotte, alle gute, alle vollkommene Gabe zu uns herabkommt; weil er unser Aller gütiger Schöpfer, Erhalter und Regierer ist, und es uns an nichts fehlen läßt, was zu unserem wahren Glücke dienet, wenn wir ihn nur mit demüthigem Sinne und kindlichem Vertrauen darum bitten. Aber warum werden wir auch auf den Namen Jesu Christi getauft? warum tragen wir seinen Namen, und sind glücklich diesen Namen tragen zu dürfen? warum sollen wir unser Leben, unser Heil, unsern Frieden und unsere Seligkeit auch auf ihn gründen? warum werden wir besonders, wie Paulus sagt, auf seinen Tod getauft? - So fragen viele, weil sie meinen, es sei genug, an den Vater zu glauben, dem Vater zu dienen und ihn zu verehren. Doch das Wort Gottes sagt es uns ausdrücklich, daß es nicht genug sei an den Vater zu glauben, sondern auch an Christum, seinen eingeborenen Sohn, müssen wir glauben. Christus, nicht lange bevor er die Erde verließ, um in seine Herrlichkeit zurückzukehren, sprach zu seinen Jüngern: Glaubet ihr an Gott, so glaubet ihr auch an mich, und zu Philippus, der wollte, daß er ihm den Vater zeige, sagte er, so lange bin ich bei euch, und du kennest mich nicht? Philippe, wer mich stehet, der siebet den Vater. Wie sprichst du denn: zeige mir den Vater? Glaubst du nicht, daß ich im Vater, und der Vater in mir ist? Die Worte, die ich zu euch rede, die rede ich nicht von mir selbst. Der Vater aber, der in mir wohnt, derselbige thut die Werke. Und in seinem hohenpriesterlichen Gebete, wo er die Weihe über sich und seinen Versöhnungstod herabflehte, wo er sich für die arme sündige Menschheit heiligte, rief er aus: Vater die Stunde ist gekommen, daß du deinen Sohn verklärest, auf daß dich dein Sohn auch verkläre; wie du ihm Macht gegeben hast über alles Fleisch, auf daß er das ewige Leben gebe Allen, die du ihm gegeben hast. Das ist aber das ewige Leben, daß sie dich, daß du allein der wahre Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen. Kann man deutlicher sprechen, als hier der Herr spricht? seine Worte, zeigen sie uns nicht deutlich, daß wir an ihn, wie an den Vater glauben müssen, wenn wir zum ewigen Leben gelangen wollen? Wie der Vater Schöpfer und Erhalter ist, so ist der Sohn Erlöser und Heiland; wie wir im Vater Dasein und Gedeihen haben, so haben wir im Sohne Vergebung, Heil, Frieden und ewiges Leben, wie wir ohne den Vater nicht sein können, so können wir auch nicht ohne den Sohn sein, der unsere Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung ist. Darum, o ihr erkennet es wohl, und freut euch dessen, darum werden wir auch auf den Namen des Sohnes getauft.

Und zwar auf seinen Tod werden wir getauft. Was will das heißen? Christus wird nach Golgatha geführt; das Kreuz wird erhöhet und er, der Heilige und Gerechte daran geschlagen. Unaussprechlich sind seine Schmerzen und nachdem er lange geduldet, nachdem er ausgerufen: es ist vollbracht, gibt er seinen Geist auf. Es stirbt Christus. Er stirbt und ist es nun aus mit ihm? ist er über die Erde dahin gegangen, wie jeder andere Mensch? hat man wenige Tage von ihm gesprochen, um in Zukunft nicht mehr an ihn zu denken? ist er wie die irdische Sonne, die aufgeht am. Morgen, und am Abend sich wieder hinter den Bergen verbirgt? Es ist vollbracht, so rief Christus am Kreuze aus. - Was war denn vollbracht? seine Leiden und Schmerzen? Oder sein Leben, seine irdische Wallfahrt? Hat er uns nur eine reine Lehre gebracht? wollte er uns nur unterrichten und belehren über dasjenige, was wir zu thun hatten? O, da hätte er nicht am Kreuze zu sterben gebraucht! da wäre es nicht nöthig gewesen, daß die Propheten seine Leiden und seinen Tod zum Voraus verkündigten, daß Christus selbst zu seinen Jüngern sagte: Sehet, wir gehen hinauf gen Jerusalem, und es wird Alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von des Menschen Sohn. Fühlt ihr es nicht, liebe Freunde! fühlt ihr es nicht im verborgensten Grunde eures Herzens, daß die Leiden und der Tod Jesu eine viel tiefere Bedeutung hat, empfindet ihr es nicht, oder habt ihr es nie empfunden, daß für uns alle, die wir an den Erlöser glauben, und uns dieses Glaubens getrösten, eine reiche Gnaden- und Segensfülle an den Tod Jesu geknüpft ist? erkennet ihr es nicht, daß wir alle, einer wie der andere, vom größten bis zum kleinsten, vom höchsten bis zum geringsten, arme elende Sünder sind, die hundertfach, und tausendfach die Verdammniß verdienen wegen unserer unzählbaren Uebertretungen? und freut ihr euch nicht, daß Gott sich der unglücklichen Menschheit erbarmet, und seinen Sohn dahingegeben für ihre Ungerechtigkeit, damit sie durch seinen Tod gerecht und heilig werde? jauchzet, frohlocket ihr nicht, und eure Danklieder strömen sie nicht hinauf zum Himmel, danket ihr Gott nicht, daß er seinen eigenen Sohn zu einem Gnadenstuhl dargestellt durch den Glauben in seinem Blute, damit er die Gerechtigkeit, die vor ihm, gilt, darbiete, indem er die Sünden vergibt, welche bis dahin begangen worden unter göttlicher Geduld? O wir strecken unsere Hände aus, wir erheben unsere Herzen zu dem liebreichen Mittler, in dem Gott war, und versöhnete die Welt mit sich selber; wir suchen das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt, den rechten Hohenpriester, der wie Paulus sagt, sich selbst ohne allen Tadel durch den heil. Geist Gott geopfert hat. - Auf den gemarterten und verhöhnten Jesum legen wir unsere Krankheit und Missethat, und aus seinem Liebesmunde vernehmen wir die süßen Worte: Mein Sohn, deine Sünden sind dir alle vergeben.

Auf den Tod Christi getauft werden, heißt am Tode Christi, an den, aus demselben fließenden Wohlthaten und Segnungen Gottes wirklichen Antheil haben. Von Ewigkeit her war es im göttlichen Rathschlusse ausgemacht, ward durch die Patriarchen und Propheten angekündigt, war es die Hoffnung und Sehnsucht aller Völker, denn bei allen Völkern finden wir Anklänge von der Erscheinung des Messias, daß Gottes Sohn für die Sünden der Menschen sterben werde. Und die Zeit war gekommen, und Christus hatte vollendet, und in ihm sind der Sünde, der Verdammniß und dem geistlichen Tode abgestorben Alle diejenigen, die ihn gläubig umfassen und noch umfassen werden. Diese Wahrheit war für unsern Paulus eine ausgemachte, eine unumstößliche, die keines weitern Beweises bedurfte, denn seine Erneuerung war für ihn der größte Beweis. O könnten doch nur alle Menschen so recht freudig an dieser beseligenden Wahrheit Theil nehmen, wie ganz anders würde es dann auf Erden sein! wie würde das Reich der Sünde immer mehr zusammensinken, und das Reich des Herrn, das Himmelreich sich ausbreiten und befestigen! Die Zeit wird kommen, und ist vielleicht nicht mehr fern, wo die Sünde wird von der Erde verschwinden, und dem Herrn wird allein gedient werden, von denen allen, die seinen Namen tragen. Das ist unsre Hoffnung, auf diese herrliche Zeit blicken wir hin, wie auf das Ziel, das wir erreichen sollen. Und wir, nicht wahr, lieben Brüder, wir haben es empfunden, und empfinden es alle Tage lebendiger und tiefer und inniger, daß unser alter Mensch mit Christo gekreuziget ist, auf daß der sündliche Leib aufhöre, und wir hinfort der Sünde nicht mehr dienen; denn wer gestorben ist, der ist gerechtfertigt von der Sünde. Und es ist ja nicht schwer, das zu glauben, es schenkt ja Gott diesen Glauben allen, die ihn darum bitten, es ist das eine Gnade, deren alle theilhaftig werden können. Wir fühlen es so klar, so deutlich, daß es mit uns nicht so ist, wie es sein sollte; wir empfinden in uns einen schrecklichen Zwiespalt, der uns zu keiner Ruhe, zu keinem Frieden kommen läßt; zerrissen, zermartert sind wir in uns - es treibt uns nach oben; es ruft und lockt uns das Gute, das Himmlische, und wir möchten seiner freundlichen Stimme gehorchen, und uns aus dem Uebel emporarbeiten, und wir kämpfen und ringen und mühen uns ab, und es will uns doch nicht gelingen; die Sünde hält uns fest, und wir können uns mit eigener Kraft von ihr nicht losmachen. Der Sünde müssen wir absterben, wollen wir ein neues heiliges Leben in uns hervorrufen. Der Sünde absterben- o, manche von uns haben lange Zeit darnach gestrebt, und es hat nicht gehen wollen. Lange Tage haben wir darüber nachgedacht, was wir doch thun könnten, ohne ein sicheres untrügliches Mittel zu finden; lange Nächte haben wir durchweint, haben unser Lager mit heißen Thränen benetzt, und es flossen unsre Thränen und kein Ausweg zeigte sich. In wem das Gefühl der Sündhaftigkeit einmal so recht lebendig ist, o, der findet keine Ruhe mehr, er sieht ein, daß er grenzenlos elend ist und daß er in seinem Elende keine wahrhaft freudige Stunde mehr finden wird; er erkennt es deutlich, daß er selbst nichts thun kann, um die Banden der Sünde zu brechen und zu einem neuen Leben aufzuerstehen. - Und wenn dann Christus bei einem so bußfertigen Herzen anklopft; wenn es für einen so reumüthigen Sünder heißt: es kann dir geholfen, deine Uebertretungen sollen dir vergeben werden, du kannst dich wieder reinigen und heiligen - o, dann ist es ihm gerade wie den Hirten um Bethlehem, da spricht auch zu ihm der Engel des Herrn: Fürchte dich nicht! siehe ich verkündige dir große Freude, die allem Volke widerfahren. Denn dir, o freue dich doch, denn dir ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr; nicht äußerlich ist er dir geboren, sondern innerlich, in deinem Herzen. Ja, Christus ist ein Erlöser, in dessen Tode wir finden Vergebung der Sünden, Erlösung aus den Banden des Uebels; ja er ist ein Heiland, der alle Wunden, alle Gebrechen, alle Mängel heilet; ein Seligmacher, der da Ruhe und Seligkeit und ewiges Leben anbietet Allen Denen, die an ihn glauben.

Wer will verdammen? so fragen wir darum mit Paulus, wer will verdammen? Christus ist hier, der gestorben ist; ja noch vielmehr, der auch auferstanden ist, welcher ist zur rechten Gottes, der vertritt uns. Auf ihn dürfen wir uns verlassen, er ist unser liebreicher Fürsprecher; der sich der Seinigen gnädig annimmt, und nicht will, daß Eine von den Seele verloren gehe, die der Vater ihm gegeben hat. Und wenn unsre Sünde gleich blutroth ist, soll sie doch schneeweiß werden, und wenn sie gleich ist, wie Rosinfarbe soll sie doch wie Wolle werden. O es ist das ein wahres Evangelium, eine wahre frohe Botschaft, die den armen Menschen mit Gott und sich selbst versöhnt. Auf der andern Seite ist sie aber ein Wort des Todes für diejenigen, die nicht glauben, und sich auf ihre eigene Gerechtigkeit verlassen, den n ohne Christus gibt es auch keine Erlösung vom Uebel. Ihn hat der Vater zu einem Gnadenstuhle gemacht, nur ihn. - Wer diese Gnade nicht erkennet, und sie kalt von sich stößt, und selbst an der Vergebung seiner Sünden arbeiten will - o, für den gibt es Heil, aber sein Heil ist wie der Nebel, der über einer Wüste liegt und sie so verbirgt; wenn aber am jüngsten Tage, oder nur in der Todesstunde für ihn die Sonne der Wahrheit aufgeht, so wird der Nebel weichen, und wie Rauch und Wind die Wüste seines Herzen sehen und wird erzittern vor seinen Gebrechen - und wird ausrufen: O Gott, sei mir Sünder gnädig! Möge es dann für ihn nur nicht zu spät sein! Nein, so lange es Tag ist, so lange wir noch können, wollen wir uns an Christum wenden, und um Glauben an den Erlöser bitten, so lange es Tag ist, ehe die Nacht kommt, da Niemand mehr das Heil empfangen kann. Möge der Herr uns Allen das verleihen!

II.

Ja, unsere Sünden und Uebertretungen sind mit Christo begraben, durch die Taufe in den Tod, wie Paulus sagt, auf daß, gleich wie Christus ist auferwecket von den Todten, durch die Herrlichkeit des Vaters, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln. Was wir an Christus äußerlich sehen, das soll innerlich in unsern Herzen, in unserem Geiste vorgehen. Christus starb und wurde begraben. Sein menschlicher Leib wurde in das kühle, stille Felsengrab gelegt - aber kaum war am dritten Tage die Sonne über die Erde aufgegangen, kaum waren die Schatten gewichen, so stieg der Herr siegreich aus dem Grabe hervor, nicht in seinem der Verwesung unterworfenen Leibe, sondern in verklärter, unsterblicher, geistiger Gestalt, um in Ewigkeit über die Seinen zu regieren. So wird unsere sündliche Natur mit Christo begraben; aber nicht im Grabe sollen wir bleiben, nicht müßig, unthätig, uns in beständiger Reue und Buße abhärmend sollen wir bleiben, wir sollen auferstehen zu einem neuen Leben, zu einem reinen, heiligen, verklärten Wesen. Nicht nur, um uns von der Sünde und dem. Uebel zu befreien, kam Christus auf Erden, sondern auch um uns Macht zu geben, Kinder Gottes zu werden, um uns, sind wir einmal in seinem Blute wiedergeboren, seinen heiligen Geist zu verleihen, damit wir mit ihm tüchtig werden zu thun, was vor Gott recht und angenehm ist. Was hülfe alle Vergebung der Sünde, wozu diente die Erlösung, wenn es uns nicht auch verliehen wäre, uns zu heiligen und die Gebote Gottes gewissen, haft zu üben. Darum fragt Paulus die Römer im Anfange des Capitels, aus dem unsere Textesworte genommen sind: Solleu wir denn in der Sünde beharren, auf daß die Gnade Gottes desto mächtiger werde? und antwortet selbst auf diese Frage, indem er schreibt: das sei ferne! Wie sollten wir in der Sünde wollen leben, der wir abgestorben sind? -

O, lieben Brüder, das bedenke ein Jeder von uns recht, und befrage sich vor Gott, wozu ihm die Sünde vergeben und er erlöset werde? Und wahrlich, der Herr wird ihn erkennen lassen, daß es nur darum geschieht, damit der Mensch, der früher, wenn auch nicht alle, doch viele Gebote Gottes gering achtete und kein Bedenken trug, sie auf die gewissenloseste Art zu übertreten, sie zu Herzen nähme und treu und aufrichtig übe. Auf den Tod Christi sind wir gepflanzt, damit wir ihm auch in der Auferstehung gleich werden, und dafür halten daß wir der Sünde gestorben sind und leben Gott in Christo Jesu, unserm Herrn. Das, und nur das ist ja das wahre Leben, daß wir in allen Dingen, sie mögen auch noch so unbedeutend sein, Gott vor Augen haben und nur Gott leben. Und das sich immer, das sich alle Tage, alle Stunden, jeden Augenblick zu wiederholen, ist gewiß nicht überflüssig: denn leider, meint man oft, wenn man Gott lebe, so verliere man Etwas dabei, da es doch das Gegentheil ist, und man durch ein so reines Leben Alles, Alles gewinnt. In einem Herzen, daß vor allen andern Dingen Gott sucht und Gott liebt, in einem Herzen das seinem Heilande treu ergeben ist, und beständig um den guten Geist der Wahrheit und des Trostes flehet - in einem solchen und nur in einem so erneuerten und neubelebten Herzen wohnet Ruhe und Friede, nur da ist Vertrauen und lebendige Hoffnung zu finden, Hoffnung, die nie zu Schanden wird; nur da ist Muth und Ausdauer im Unglücke, nur da Kraft und Beharrlichkeit in der Ausübung der göttlichen Gebote. Sehet die Rebe, die auf unfruchtbarem Boden sich nur verdorrend hinwindet und keinen Stamm findet, an dem sie in die warme Luft hinaufranken mag! Sie trägt keine Frucht, nicht saftig und kühlend und wohlschmeckend glühet unter grünem Laube der vollen Traube Pracht - aber in fruchtbarem Boden, aber am festen Stamme locket sie uns herzu und labet und erfrischet uns. Ist der Mensch nicht auch so? - Wenn er Gott und seinen Heiland nicht sucht, so windet er sich auch an der niedrigen Erde hin und verdorret und bringet keine Frucht, während derjenige, der mit Christo zu einem neuen Leben auferstehet, ein Paulus oder ein Johannes wird, ein Licht für alle, die ihn kennen, ein Bürger des Gottesreiches, dessen Name mit goldenen Buchstaben in der Ewigkeit angeschrieben ist.

Und nicht vergebens heißt es, durch die Herrlichkeit des Vaters würden wir aus dem Tode auferwecket und wandelten in einem neuen Leben. - Diese Worte schlagen siegreich allen Stolz des Menschen zu Boden, und zeigen ihm klar und deutlich, daß er in sich selbst nichts hat, was ihn tüchtig machen könnte zu einem Leben, wie es Gott angenehm und wohlgefällig ist. Wer nur in seinem eigenen Herzen lieset, und nur auf das leere Gerede höret, mit dem die Welt angefüllt ist, der kann leicht auf den Gedanken kommen, als ob er selbst Kraft hätte, vor Gott zu wandeln und seine Gebote zu halten. - Aber wie kaltes Wasser fällt das Evangelium auf unsern glühenden Muth zum Guten, wenn wir diesen Muth uns selbst zuschreiben, und in unserm armen Ich die Kraftfülle der Gerechtigkeit suchen. - Die Herrlichkeit Gottes und nur diese Herrlichkeit ist e, die in uns neues Leben wirket. - Was Gott in uns wirket, das ist recht, alles andere ist Sünde, denn es sagt das Wort des Herrn: was nicht aus dem Glauben geht, das ist Sünde, und was ist Glauben in seiner tiefsten Bedeutung anders, als ein lebendiges Ergreifen der göttlichen Gnaden- und Segensfülle. Was waren die Zeugen des Herrn ohne den heiligen Geist? Was sind alle Menschen ohne diesen Geist, der sie Wahrheit lehrt, sie tröstet und sie von aller Angst und Furcht befreit? Sie meinen erreicht zu haben das Ziel, während sie in dichter Finsterniß umherirren. - O, Gott sei gelobet, der Herr sei gepriesen in Ewigkeit, der uns nicht Waisen läßt, sondern über uns ausgießet seinen Geist! Der gibt uns Macht, Gottes Kinder zu werden, mit dem sagen wir, lieber himmlischer Vater, mit dem wissen wir es und Zweifeln nie, daß wir leben werden, ob wir gleich stürben! Durch Nichts laßt uns in diesem Glauben irre machen! Wie der Odem der Gottheit durch die weiten Himmelsräume gehet und über die Felder und Berge der Erde dahinziehet, und überall Leben und Gedeihen verbreitet, und überall Wonne und Freude ausgießet und alles trägt und erhält, so geht auch der Geist des Herrn durch den Geist des Menschen und erfüllt ihn mit göttlicher Kraft und Ausdauer, mit Trost und Ruhe, mit Frieden und Hoffnung. Mögen Andere sich empören bei der Wahrheit, daß der Mensch nichts durch sich selbst ist, für uns ist das ein Pfeiler, an dem wir uns halten, den wir umklammern, in den wir hineinwachsen, denn wer nichts in sich selbst ist, wer laut bekennt, Nichts durch sich selbst zu vermögen, der schreibt Gott alle Ehre und allen Ruhm zu, und hat den Urquell des Lebens gefunden. Etwas ohne Gott sein wollen: als ob wir nicht Alles von Gott hätten, nicht von ihm empfangen hätten, Herz und Gemüth, und Seele und Geist? Was Paulus spricht: ich vermag Alles durch den, der mächtig in mir ist, durch Jesum Christum - das sei unser Licht, unsere Kraft und Hoffnung! damit auch wir in allen Tagen auskommen - damit gehen wir sicher durch das irdische Dasein, und werden einst so angethan, so bekleidet vor den Vater treten. Aus Adam stammt der natürliche, fleischliche Mensch, aus Christo, und nur aus Christo der Erneuerte, Wiedergeborne, reine und sich heiligende. Mag alles zu Grunde gehen, mögen sie zusammenstürzen die irdischen Dinge alle, möge es Nacht um uns werden, wir stehen fest, denn wir stehen in Gott! mag die Sünde uns tausendfach umgarnen, mag der Böse sich mit feindseliger Macht auf uns zuwälzen, wir fürchten Nichts, denn der Geist Gottes liegt wie ein Panzer, wie ein undurchdringlicher Schild um uns.

O, Herr Christus, unser Erbarmer und Heiland, wie, wie können wir dir genug danken für den Segen, den du auf Erden gebracht, für die Gnade, mit der du uns alle Tage von Neuem erfüllst! Du bist unser Licht und Leben, unsre Kraft und Hoffnung, - und zwar bekennen wir es hier vor deiner Allgegenwart, daß wir nichts ohne dich vermögen. O, sich uns alle gnädig an, und leuchte in unsern Geist und belebe unser Herz - laß uns an dir halten, fest an dir, halten, damit wir einst, wie du, glorreicher Mittler, in die Herrlichkeit bei deinem Vater eingehen. Amen.

Quelle: Fliedner, Theodor - Ein Herr, ein Glaube

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