Simons, Menno - Der rechte Christenglaube

Simons, Menno - Der rechte Christenglaube

Man wird sich vergebens seines Glaubens rühmen, wenn nicht die gottseligen, neuen Früchte aus dem Glauben hervorgehen. Darum ermahne ich alle gottesfürchtigen Leser in dem Herrn, es in das Innerste ihrer Seele und ihres Herzens einschreiben und eindrücken zu wollen, daß unser allerheiligster, christlicher Glaube keine todte Meinung und Buchstabe ist, sondern eine dem Herzen innerlich mitgetheilte Gabe und Kraft Gottes. Ein empfängliches, geöffnetes Herz fühlt sich lebendig berufen, alle Worte Gottes sicher und fest zu glauben, zu erfassen und zu bekennen, sowohl das drohende Gesetz, als das tröstende Evangelium, und indem es das thut, wird dasselbe durch die lebendig machende Kraft des h. Geistes erneuert, bewegt und durchdrungen. Und zwar wird in demselben zum Ersten die Furcht Gottes geboren, indem man erkennt, daß alle Uebertretung des Wortes Gottes dem Richterstuhl Gottes anheimfällt, man erschrickt und fürchtet sich vor seinem Gott, und man darf darum nichts rathen, sagen oder thun, wovon man in seinem Innern bekennen muß, daß es gegen den h. Willen, das Wort und Gebot Gottes verstößt, und welches deshalb Gott, der gerechte Richter, haßt.

Darnach wird in dem Herzen geboren die Liebe zu Gott, denn man erkennt in dem Zeugniß der h. Schrift, wenn man es recht im Geiste auffaßt, den unergründlich großen Reichthum der Gnade, womit uns der barmherzige Vater durch Christum beschenkt hat. Durch die wirkende Kraft dieser Liebe, welche aus einer solchen Erkenntniß und solchem Glauben hervorgegangen ist, wird man freiwillig zum Gehorsam gegen alle Gebote Gottes angetrieben, wie Christus sagt: Wer mich lieb hat, der hält meine Gebote. (Joh. 14, 15.)

O Jeder, der Gottes große Sorge und Bemühung um uns, (ich rede hier nach menschlicher Weise) seine über alle Maaßen große, durch Christum so väterlich erwiesene Liebe, Gnade und Barmherzigkeit mit einem festen gläubigen Herzen recht ergreifen und erfassen kann, der wird gewiß weder durch Engel, noch Teufel, weder durch Leben, noch Tod sich abhalten lassen, diesen barmherzigen Vater aus dem Innersten seiner Seele zu lieben, er wird sich vielmehr getrieben fühlen, denselben zu preisen und zu ehren, Ihm zu danken, zu dienen und gehorsam zu sein Leben lang. Denn das ist der Gläubigen höchste Lust und Freude, daß sie in ihrer Schwachheit gemäß des Herrn Wort und Willen leben und wandeln mögen. Darum kann es auch nimmermehr fehlen, wo die unverfälschte reine Liebe Gottes in einem Herzen wohnet, da wird auch der ungezwungene willige Dienst dieser Liebe, nämlich die Befolgung Seiner Gebote sich finden. In Christo Jesu, sagt Paulus (Gal. 5, 6), gilt weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe thätig ist.

Daß nun die Liebe eine solche wirkende Kraft habe, kann man sehr deutlich an der natürlichen Liebe merken. Denn redliche Eltern darf man nicht erst ermahnen, daß sie ihre Kinder mit Essen und Trinken, mit Kleidern und Schuhen versorgen müssen; die natürliche Liebe wird sie schon dazu antreiben. Ingleichen, Mann und Weib, die sich einander mit ehelicher Liebe von Herzen lieben, lassen es sich nicht verdrießen, einander willig zu dienen und gemeinsam ihre Obliegenheiten über sich zu nehmen, wie es ihnen auch billig ist, denn sie sind ein Fleisch. Von solcher Art und Natur ist auch die heilige göttliche Liebe. Denn alle Diejenigen, die in Folge einer wahren Erkenntniß der von Gott empfangenen Wohlthaten durch den Glauben mit dem Vater und seinem Sohne, Jesu Christo, in der Liebe und im Geiste eins sind, dürfen nicht erst ermahnt werden, daß sie dem Herrn dienen, nach Seinem Reiche trachten, Taufe und Abendmahl nach der Schrift recht gebrauchen, Herz und Zunge zähmen, über des Herrn Gesetz und Willen mit ganzem Ernst nachdenken, Christo gehorchen und folgen, auch Gold und Silber, Geld und Gut, Frau und Kind nicht höher als Christum und Sein Wort schätzen sollen u. dergl. Denn die wirkende Art der feurigen Liebe Gottes, welche aus einem reinen Herzen und ungeheuchelten Glauben hervorkommt, dringet, treibet und schaffet also in ihrem Herzen, daß sie mit Leib und Seele, Gut und Blut bereit stehen, zu erfüllen, was Christus befohlen, und zu unterlassen, was er verboten hat. - Wer lieb hat, sagt die Schrift, ist aus Gott geboren und kennet Gott, denn Gott ist die Liebe, und mit einem solchen Menschen geht es in allen Dingen auf dem graden Wege vorwärts, in dem Sinne des Herrn und nach Seinem Wort, denn die Liebe ist die Erfüllung des Gesetzes, der Gehorsam gegen Seine Gebote, das Band der Vollkommenheit und des Friedens. Die Liebe, sagt Salomo, ist stark wie der Tod und Eifer ist fest wie die Hölle, ihre Glut ist feurig und eine Flamme des Herrn, daß auch viele Wasser nicht mögen die Liebe auslöschen. (Hohel. 8, 6.) Ja, so fest ist die Liebe, daß sie Alles übertrifft, überwindet und verzehrt, was sich zum Widerstand gegen Christum und Sein Wort zu erheben unterfängt, es sei Welt oder Fleisch, Tyrann oder Teufel, Sünde oder Tod, oder was man sonst erdenken oder nennen mag, und zwar durch die Kraft desjenigen, aus welchem sie geboren wird, Jesus Christus!

So muß denn also Moses mit der Furcht vorangehen, darnach folgt Christus mit der Liebe. Zuerst das drohende Gesetz, darnach das tröstende Evangelium; zuerst das Gefühl des Zorns im Gewissen, darnach die Gnade; zuerst Unfriede, darnach Friede; zuerst Betrübniß, darnach Freude, kurz, zuerst der tödtende Buchstabe, darnach der lebendig machende Geist.

Sehet, meine lieben Leser, ein solcher Glaube, wie wir ihn hier beschrieben haben, ist der rechte Christenglaube, welcher Gott, den Vater, in Seinem Sohne Christo Jesu durch eine liebende Furcht und eine fürchtende Liebe preiset, ehret und verherrlichet. Alle diejenigen aber, die sich vor dem drohenden, bestrafenden und tödtenden Gesetz verschließen und Gott nicht fürchten, das gnadenvolle Evangelium von Christo von sich stoßen und Ihn nicht lieben, welche ihre Augen vor dem Lichte der Gerechtigkeit zuthun und den richtigen Weg weder sehen, noch wandeln wollen, also ihre Herzen verstocken, die sind Ungläubige, eben weil sie Christum verwerfen und im Stolz ihrer Herzen auf den Pfad des Verderbens wandeln. Sie machen sich selbst ihre eigene Gerechtigkeit und wählen sich ein Mittel der Gnade gegen Gottes Wort. - Und ob sie sich gleich mit dem Munde Gottes rühmen, Seinen Namen mit den Lippen preisen, ihre Knie äußerlich vor Ihm beugen und sagen, sie seien mit Christi Blut und Tod erlöst, so ist dies doch Alles lauter Heuchelei, denn es geschieht bloß äußerlich, aus Gewohnheit und zum Schein, nicht aber Inwendig durch den Glauben in der Kraft und Wahrheit. Sie sind diejenigen, von denen geschrieben steht: Sie sagen, sie erkennen Gott, aber mit ihren Werken verleugnen sie Ihn und sind abscheuliche und widerspenstige Leute, zu allem guten Werk untüchtig. (Titus 1, 16). So ist es bei ihnen, weil sie Christum in Seinen Worten nicht glauben,, daher auch ihr Ende der Tod sein wird, wie der Herr spricht, Marc. 16, 16: Wer nicht glaubet, wird verdammet werden.

Hieraus wird sich zur Genüge erkennen lassen, welches der rechte christliche Glaube ist, der vor Gott gilt, eine Gabe Gottes ist und aus dem Gehorsam gegen sein heiliges Wort hervorgeht durch Christum. Dieser Glaube ist erfüllt mit allerlei köstlichen Früchten der Gerechtigkeit, als da sind: die Furcht und Liebe Gottes, Barmherzigkeit, Freundlichkeit, Keuschheit, Lauterkeit, Demuth, Freimüthigkeit, Wahrheit, Friede und Freude im heil. Geist. Denn wo ein rechter evangelischer, frommer Glaube ist, da finden sich auch die rechten evangelischen Früchte und zwar nach dem Sinn des Evangeliums. Der rechte evangelische Glaube achtet allein auf Christi Gebot, Verbot und unsträfliches Vorbild und richtet sich darnach mit allen seinen Kräften. Denn gleich wie das Feuer in seiner ihm angeschaffenen Eigenheit nichts hervorbringen kann als Brand und Flammen, die Sonne nichts als Klarheit und Wärme, das Wasser Feuchtigkeit, und ein guter Baum gute Früchte, so erzeugt auch der rechte evangelische Glaube (ich sage es nochmals) seine rechten evangelischen Früchte. Ja, wie eine ehrbare tugendhafte Braut, durch die Kraft der natürlichen Liebe, allezeit bereit ist, ihres Bräutigams Stimme zu hören und ihr zu gehorsamen, so verhält es sich auch mit einer aufrichtigen, gläubigen, wiedergeborenen Seele, die Jesus Christus sich durch den Glauben zu einer Braut angetrauet hat. Dieselbe ist Ihm durch die brennend feurige Liebe also einverleibt und zu eigen geworden, daß sie Seinen Willen und Wohlgefallen, es schmecke nun sauer oder süß, von ganzem Herzen bereitwillig sich unterwirft und um Seines h. Namens willen freudig Alles duldet, was ihr in der Zeit begegnen mag, es sei Freude oder Leid, Sättigung oder Hunger, Labung oder Durst, Ehre oder Unehre, gute oder böse Gerüchte, Gefängniß oder Freiheit, ein Wohnen in oder außerhalb Landes, Bequemlichkeit oder Ungemach, Leben oder Tod. Alle ihre Pfade sind Gerechtigkeit, Gottseligkeit, Schlangenklugheit, Taubeneinfalt, ein unverfälschtes frommes Gemüth, Treue, Ernst, Friede, feuriges Gebet, ein unsträflicher Wandel, eine aufrichtige, reine, brüderliche Liebe und ein freiwilliger Gehorsam gegen Christus und sein h. Wort. Denn der Gerechte lebt aus seinem Glauben..

Quelle: Mannhardt, J. - Stimmen aus der Reformationszeit.

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