Siebel, Jakob Gustav - Von der Bruderschaft

Siebel, Jakob Gustav - Von der Bruderschaft

Matth.23,8 „Ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen, denn Einer ist euer Meister, Christus, ihr aber seid untereinander Brüder.“

Der gefährlichste Feind der Gemeinschaft ist das offene oder heimliche Eindringen von hierarchischen Gelüsten. Zwar soll jeder bereit sein, zu dienen, und wenn es auch nur weniges ist, was geboten werden kann, es darf sich niemand in falscher Demut zu Untätigkeit verurteilen, zumal diese am meisten die scharfen Kritiker erzeugt. Aber es ist strenge darüber zu wachen, daß nicht von irgendeiner Seite eine Beherrschung der Versammlung stattfindet. Zeigen sich Ansätze dazu, sondern muß frühzeitig in schonender Weise eine Änderung in der Leitung vorgenommen werden. Dieses geschieht am besten durch Abwechselung, wobei jeder erfährt, daß es auf seine Person nicht ankommt. Hat ein Bruder eine hervorragende Befähigung zur Leitung, sei es durch seine Bildung oder durch natürliche Anlagen oder reifes Erfahrungsleben, so soll er sich freiwillig je und dann zurückhalten, ohne aber die Gemeinschaft zu Schaden kommen zu lassen.

Die in der Reformation wieder an's Licht gekommene Wahrheit, daß die gläubige Gemeinde der Körper, die wahre Kirche ist, muß in der engern Gemeinschaft der Gläubigen immer fest im Auge behalten werden. Wenn Paulus wiederholt schreibt, daß er ein Diener der Gemeine am Evangelium sei (Kol.1,25), nicht Herr des Glaubens, sondern Gehilfe der Freude, ja, wenn sogar das Haupt der Gemeine sagt, Er sei gekommen zu dienen (Matth. 20, 28), so wird es unter uns in der Gemeinschaft nie aus dem Auge zu verlieren sein, daß alles Arbeiten im Reiche Gottes nur ein Dienen am Leibe Christi, in der Gemeine ist. Dieses Dienen ist ein Arbeiten in Vereinen, in der Erbauung der Versammlung, im Lehren, Ermahnen, Trösten, Strafen usw., sei es, daß die Gemeinschaft nur aus wenigen, oder aus vielen Mitgliedern bestehe. Bei dem klaren Bewußt-sein dieser dienenden Stellung wird man dann auch geschickt sein, sich auch gelegentlich beiseite gestellt zu sehen, wenn man nämlich unsern Dienst nicht will oder glaubt, desselben entraten zu können.

Gebt gute Nahrung

In einer Landgemeinde standen zwei entschieden gläubige Pfarrer, die in herzlicher Gemeinschaft mit ihren Gläubigen verkehrten. Sie wurden von einem alten Christen, einem Vater in Christo, zuweilen besucht, der auch in der Gemeinde wohl bekannt war. Als derselbe wieder einmal hinkommt, klagen ihm die Pfarrer mit Betrübnis, daß in der Gemeinde Trägheit und Schläfrigkeit eingerissen sei, die Bibelstunden würden schlecht besucht usw. Nun sagte der Alte, der ihr volles Vertrauen besaß:

„Wißt ihr nicht, woran das liegt, so will ich es euch sagen! Ihr seid immer mit dem Stecken des Treibers hinter den Leuten her, und da werden sie müde; gebt ihnen einmal rechte Speise, dient ihnen mit dem vollen Evangelium, so werden sie schon wieder munter werden.” Der Rat wurde befolgt, und die wohltätigen Folgen blieben nicht aus, das Leben wurde wieder frisch und fruchtbar. - Ein Pfarrer schrieb an einen christlichen Freund: „Es hilft nichts daß man einen lasttragenden Esel nur mit Knüppelsuppe traktiert, dadurch wird er nicht gekräftigt, man gebe ihm gute Nahrung, und er wird seine Last gerne tragen.”

Lasst Geister reifen

Es geht manchem Gemeinschaftsleiter wie einer Gluckhenne, welche Enteneier ausgebrütet hat. Wenn die Tierchen ans Wasser kommen, so laufen sie gleich hinein und schwimmen nach Herzenslust in ihrem Element, und die Henne jammert und wehklagt am Ufer über die Lebensgefahr ihrer jungen Brut. - Geradeso schwimmen die neu Begnadigten auf dem Meer der Gnade, und der junge Most schäumt zueilen gewaltig, als wolle er alle Schläuche zerreißen. - Wenn da nun gleich alles in ein ruhiges, gemessenes Wesen gebracht werden soll, dann gibt es leicht Verstimmung, und der Feind gewinnt Raum. Hier ist es wichtig, daß die Leitung sich in nüchternen Bahnen hält und nicht in Beherrschung und ungebührliche Einschränkung ausartet.

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