Schönfeld, F. - Das christliche Kirchenjahr

Schönfeld, F. - Das christliche Kirchenjahr

Von vielen Seiten ist die Wahrnehmung gemacht worden, daß unserm Volke vielfach das Verständniß der Bedeutung der Feste und festlichen Zeiten der evangelischen Kirche, welche es im Laufe jedes Jahres erlebt und feiert, abgeht. Auch in einer größeren Lehrer-Conferenz kam diese Erscheinung zur Sprache. Hier wurde von mehreren Seiten der Wunsch nach einem Schriftchen ausgesprochen, welches über die Bedeutung der Feste der evangelischen Kirche und der damit verknüpften Volksgebräuche kurze Belehrung gäbe. Da entschloß sich Verfasser, das, was er über diesen Gegenstand bei besonderen Veranlassungen niedergeschrieben hatte, zu sammeln, zu vervollständigen und herauszugeben. So ist vorliegendes Büchlein entstanden. Möge es Eingang in recht vielen Schulen und Häusern finden und mit Gottes Hülfe sein Scherflein zur Belehrung über die Bedeutung der heiligen Feste und ihrer Feier beitragen.

Sommerfeld, im October 1866.

Der Verfasser.

Das christliche Kirchenjahr machen alle Sonn- und Festtage aus, welche in der christlichen Kirche im Laufe eines Jahres gefeiert werden. Es beginnt mit dem ersten Adventssonntage und endet mit dem Todtenfeste, welches immer am letzten Trinitatissonntage gefeiert wird.

Das christliche Kirchenjahr wird zunächst in zwei Hälften, die festliche und festlose Hälfte, eingeteilt. Die festliche Hälfte reicht vom ersten Adventssonntage bis zum Trinitatisfeste. In dieser Hälfte werden die drei großen christlichen Feste Weihnachten, Ostern und Pfingsten gefeiert. Die festlose Hälfte beginnt mit dem ersten Trinitatissonntage und endet mit dem Todtenfeste. In dieser Zeit wird kein christliches Hauptfest gefeiert. - Die festliche Hälfte zerfällt in drei Festkreise, deren jeder nach einem der drei großen christlichen Feste benannt wird, in den Weihnachts-, Oster- und Pfingstfestkreis. - Jeden Festkreis theilt man wieder in drei Theile: in das Hauptfest, welches in der Mitte liegt, in die Vorfeier, die dem Feste vorangeht, und in die Nachfeier, welche demselben folgt. Der Weihnachtsfestkreis beginnt mit dem ersten Adventssonntage und endet mit dem Beginn der Fastenzeit. Der Osterfestkreis fängt mit dem Beginn der Fastenzeit an und reicht bis zum vierzigsten Tage nach Ostern. Der Pfingstfestkreis beginnt mit dem Himmelfahrtsfeste und dauert bis zum Trinitatisfeste.

Anmerkung. Neben dem christlichen Kirchenjahre unterscheidet man noch: 1. Das bürgerliche Jahr. Das bürgerliche Jahr beginnt mit dem 1. Januar und endet mit dem 31. December. Es wird eingetheilt in zwölf Monate. 2. Das Naturjahr. Es beginnt mit dem Anfange des Frühlings und schließt mit Ablauf des Winters. Es zerfällt in vier Jahreszeiten: Frühling. Sommer, Herbst und Winter.

Feste oder Feiertage.

Die Festtage sind Tage der Freude in dem Herrn. Wir sollen uns zwar allewege in dem Herrn freuen, wie Paulus sagt, aber an den Festtagen wird diese Freude dadurch erhöht, daß sie eine gemeinsame Freude ist; denn die Sonn- und Feiertage werden in der ganzen Christenheit gleichzeitig gefeiert. Ferner sind die Feste Tage, die uns an eine bestimmte Offenbarung Gottes, geschehen zur Erlösung der Menschen, an eine Thatsache aus dem Leben Jesu Christi, erinnern. Das Osterfest z. B. erinnert uns an die Auferstehung des Herrn. Das Ereigniß, woran uns ein Fest erinnert, heißt der Festgegenstand, dieser ist in dem Festevangelium erzählt.

Feiertage sind auch Tage, die eine besondere Stimmung der Seele verlangen, eine Stimmung, die dem Feste angemessen ist, eine Feststimmung. Wenn wir die Feste mit der rechten Feststimmung feiern, so werden sie auch Tage des Segens für uns sein; wir werden im Glauben gestärkt und befestiget werden. Damit die Feste aber recht gefeiert werden können, müssen sie auch Ruhetage sein. Das Treiben der Geschäfte muß aufhören und überall muß Ruhe einkehren.

Der Sonntag ist der wöchentlich wiederkehrende Festtag der Kirche. Er wird deshalb auch das Wochenfest genannt und im Gegensatze hierzu alle anderen Feste, die nur jährlich einmal wiederkehren, Jahresfeste. Bis ins vierte Jahrhundert feierten die Christen neben dem Sonntage zugleich auch den jüdischen Sabbath, und zwar um die Eintracht mit ihren aus dem Judenthume hervorgegangenen Glaubensgenossen zu erhalten. Als aber in den Christenverfolgungen die Christen häufig mit den aufrührerischen Juden verwechselt, ja von den Juden selbst angefeindet wurden, verschwand die Feier des jüdischen Sabbathes ganz aus der christlichen Kirche.

Die Christen feiern den ersten Tag der Woche als heiligen Tag. weil an diesem Tage die Auferstehung ihres Herrn erfolgt ist. Ebenso knüpft sich an diesen Tag die Erinnerung an die Ausgießung des Heiligen Geistes über die Apostel und die dadurch geschehene Gründung der christlichen Kirche. Grund genug, warum die Christen den ersten Tag der Woche heiligen.

I. Die festliche Hälfte des Kirchenjahres.

Der Weihnachtsfestkreis.

Das Hauptfest dieses Festkreises ist das Weihnachtsfest. Die Vorfeier ist die Adventszeit. Die Nachfeier bildet das Fest der Beschneidung Jesu (Neujahrsfest) und das Epiphanienfest mit all den Sonntagen bis zum Beginn der Fastenzeit.

Die Adventszeit.

Advent heißt Ankunft (Zukunft) und ist damit gemeint die Ankunft unseres Herren Jesu Christi. Die Adventszeit umfaßt die letzten vier Wochen vor Weihnachten. Es giebt demnach vier Adventssonntage, den ersten, zweiten, dritten und vierten Adventssonntag. Der Gegenstand der Adventsfeier ist das Kommen Jesu Christi. Es ist ein dreifaches Kommen. Erstens: Das Kommen Jesu Christi ins Fleisch, da er als ein armes Menschenkind geboren wurde, zur Erlösung der sündigen Menschen. Zweitens: Das Kommen Jesu Christi in unser Herz. Es ist nicht genug, daß Christus auf die Erde gekommen ist, dadurch sind wir noch nicht erlöst, er muß auch in unser Herz kommen. Dies geschieht durch sein Wort und Sakrament. Dazu muß aber unser Herz durch Buße und Glauben recht bereitet sein. Drittens: Das Kommen Jesu Christi in der Herrlichkeit. Wenn der Herr Jesus kommen wird in seiner Herrlichkeit, dann wird er sein Reich vollenden, und wird alles ungöttliche und sündige Wesen aus demselben ausrotten. Für die Gerechten wird es ein Kommen zur Seligkeit sein, für die Gottlosen ein Kommen zum Gericht.

Die Adventsstimmung ist das Verlangen nach Christo. Dieses Verlangen spricht sich aus in den Adventsliedern und in dem Worte Hosianna, d. h.: Ach Herr hilf, ach Herr, laß wohl gelingen. Es ist dies das liturgische Wort für die Adventszeit.

Das Weihnachtsfest.

Der Gegenstand der Weihnachtsfeier ist die Geburt unsers Herren und Heilandes Jesu Christi, sein Kommen auf Erden zu unserer Erlösung. Die Geburt Jesu Christi besteht darin, daß er, der Gottessohn, der ewig bei dem Vater war, aus Erbarmen zu seiner göttlichen Natur die menschliche hinzunahm, um uns zu erlösen. Er wurde ein Mensch, schwach wie wir, allen Schmerzen und Leiben der Menschen unterworfen; aber er war ohne Sünde und hörte auch als Mensch nicht auf, wahrhaftiger Gott zu sein. Die Geschichte der Geburt Jesu Christi erzählt uns das Evangelium des ersten Weihnachtsfeiertages, Lucas 2, 1-14. Das Evangelium des zweiten Weihnachtsfeiertages, Lucas 2, 15 - 20, ist die Fortsetzung dieser Geschichte.

Das Weihnachtsfest ist ein Fest der Freude. Die Feststimmung der Kirche Christi findet Ausdruck in den Liedern, die sie an diesen Tagen singt, wie z. B. Gelobet seist du Jesus Christ u.s.w.. Lobt Gott ihr Christen u.s.w., Fröhlich soll mein Herze springen u.s.w.

Weihnacht heißt geweihte oder heilige Nacht; geheiligt durch die Geburt Jesu Christi, des Erhabensten unter allen Geborenen. Daß man das Fest selbst Nacht benannt hat, kommt daher, daß nach dem Berichte des Lucas Christus in der Nacht geboren wurde.

Das Weihnachtsfest fällt immer auf den 25. December; in die Zeit des Winters, wo die Tage am kürzesten und die Nächte am längsten sind, wo es scheint, als solle die Finsterniß ganz überhand nehmen und der Tag, das Licht, völlig aufhören. Die Sonne macht aber um diese Zeit gleichsam einen Stillstand auf ihrem Wege; das Licht siegt über die Finsterniß und die Tage werden länger. Bei den heidnischen Römern wurde nun um diese Zeit, am 25. December, das Fest der wiederkehrenden Sonne gefeiert. Vom 17. bis 23. December feierten sie das Fest der Saturnalien. Saturn, einer ihrer Götter, war vom Throne gestürzt worden und hatte die Herrschaft verloren. Mit seinem Sturze gingen die gewaltigsten Veränderungen in der Welt vor. Unter Saturn war das goldene Zeitalter gewesen, da hatte Glück, Freude, Friede und Liebe geherrscht; nach seinem Sturze waren aber Neid, Haß, Krieg, kurz alle Uebel und Verderben in die Welt gekommen. Die Heiden hegten nun die Hoffnung, daß einst das goldene Zeitalter wiederkehren würde. Zum Gedächtniß nun des verschwundenen goldenen Zeitalters und in der Hoffnung der Wiederkehr desselben, feierten sie das Fest der Saturnalien. Die Feier war eine ganz eigenthümliche. Die Nacht wurde durch viele Lichter erhellt; die Ungleichheit der Stände hörte auf; die Sclaven wurden von ihren Herrn bedient, auch theilte man sich Geschenke mit.

An diese beiden Feste, das Sonnenfest und das Fest der Saturnalien, knüpfte die christliche Kirche die Feier des heiligen Weihnachtsfestes an. Christus ist ja erschienen als das Licht der Welt, das alle Finsterniß vertreiben soll, und insofern hat das Weihnachtsfest mit dem Sonnenfeste Uebereinstimmendes. Christus ist aber auch gekommen, alles das wieder zu bringen, was durch den Abfall von Gott den Menschen verloren ging, die kindliche Gemeinschaft mit Gott; hierin liegt die Aehnlichkeit des Weihnachtsfestes mit dem Feste der Saturnalien.

Die Gebräuche, welche man am Saturnusfeste hatte, trug man auch auf das Weihnachtsfest über. - Am Saturnusfeste zündete man eine Menge Wachslichter an. Ebenso zündet man nun in den Kirchen in der sogenannten Christnacht Wachskerzen an, des geistigen Lichtes gedenkend, welches Jesus gebracht hat. Auch bei unserer Christbescherung darf der bunte Wachsstock nicht fehlen. - Am Saturnusfeste beschenkte man sich gegenseitig. Diese Sitte wurde auch von den Christen beibehalten. Eltern beschenken ihre Kinder, Freunde ihre Freunde, um dadurch auch auf äußerliche Weise die Freude zu erhöhen. So wird das Weihnachtsfest ein rechtes Freudenfest, weil auch schon die kleinen Kinder an der Freude dieses Festes Antheil nehmen. Besonderer Erwähnung verdient noch der Weihnachts- ober Christbaum.

Unter den drei hohen Festen der christlichen Kirche ist das Weihnachtsfest das jüngste. Erst im 4. Jahrhundert fing man an, es allgemein zu feiern. Die frühere Nichtfeier des Weihnachtsfestes ist daraus zu erklären, daß man nach damaliger christlicher Sitte lieber den Todestag, als den Geburtstag von merkwürdigen Personen auszeichnete, indem man den Tod als Anfang und Eingang zum wahren Leben betrachtete. - Früher feierte man das Weihnachtsfest nur einen Tag lang, später vier Tage hindurch, noch später drei und jetzt bekanntlich in den meisten Ländern nur zwei Tage.

Bemerkung. Der zweite Weihnachtstag wurde früher zugleich als Gedächtnißtag des Stephanus (Apostelgesch. 7) gefeiert und der folgende Tag dem Andenken des Evangelisten Johannes geweiht. Der nun folgende Tag (28. Dezbr.) wird in der römisch-katholischen Kirche zum Andenken der unschuldigen Kinder gefeiert, welche Herodes (Matth. 2, 16.) hat umbringen lassen.

Das Fest der Beschneidung Christi. (Neujahrsfest.)

Das Fest der Beschneidung Christi wird am 1. Januar, acht Tage nach seinem Geburtsfeste auf Grund von Lucas 2, 21 (Evangelium am Neujahrstage) beim Anfange des bürgerlichen Jahres gefeiert. Als Beschneidungs- und Namensfest Jesu tritt der 1. Januar, wenigstens in der evangelischen Kirche, mehr in den Hintergrund. Der religiöse Sinn ist fast durchgängig mehr auf den Jahreswechsel gerichtet. Die Christenheit bringt Gott Dank für die gnädige Führung im alten Jahre und bittet um seinen Segen, Beistand und Schutz auch im neuen Jahre.

Die heidnischen Römer feierten am 1. Januar ein dem Gotte der Zeit (Janus) geweihtes Fest. Die Feier dieses Festes wurde mit der wildesten Zügellosigkeit begangen. Schon der Abend und die Nacht vorher wurden durchwacht und unter Tanz, Spiel, Gesang, Scherz und Muthwillen aller Art verlebt. Hiervon stammt die wahrhaft heidnische Sitte vieler Christen, den Jahresschluß, oder Sylvesterabend, durch Tanz und allerlei weltliche Lustbarkeit zu feiern,

Sehr erfreulich ist es dagegen, daß man in manchen Gemeinden am Sylvestertage einen Abendgottesdienst eingerichtet hat. Wie hört man aber leider an manchen Orten, wenn man aus der Kirche tritt und die Töne der Betglocke kaum verklungen sind, die Töne der Musik, die zum Tanze und zur weltlichen Lust laden sollen.

Noch gedenken wir der unter uns allgemein üblichen Neujahrswünsche. Auch sie sind ursprünglich Nachahmung einer heidnischen Sitte der Römer, die sich einbildeten, die Götter erhörten am ersten Tage des Jahres die Gebete der Menschen eher, als an jedem andern. Bei den Christen sollten diese Wünsche nur aus inniger Liebe und lauterer Frömmigkeit kommen; sie werden aber in sehr vielen Fällen nur der Gewohnheit und Mode wegen ausgesprochen.

Das Epiphaniasfest.

Epiphania heißt Erscheinung. Unsere Kirche feiert das Fest zum Andenken an die Erscheinung der Weisen aus dem Morgenlande1). Es erinnert uns dies Fest zunächst daran, daß Jesus Christus als ein Heiland aller Welt, auch der Heiden erschienen ist. Das Festevangelium, Matth. 2, 1-12, erzählt uns, wie die Erstlinge aus den Heiden zum Herrn geführt wurde. - Wenn wir aber bedenken, daß auch unsere Väter Heiden gewesen sind, so müssen wir am Epiphanienfeste Gott hoch preisen, daß erwiesen schon frühe das Evangelium hat verkünden lassen und sie gebracht hat aus der Finsterniß zu seinem Licht. - Wir werden dann an diesem Feste auch der Männer gedenken, die unsern Vätern das Evangelium gebracht haben. Nicht durch die Apostel kam das Evangelium nach Deutschland; erst im siebenten und achten Jahrhundert brachten Missionare von den britischen Inseln dasselbe hierher. Winfried oder Bonifacius, ein Britte, zeichnete sich in seinem Eifer um Ausbreitung des Evangeliums vor allen andern aus und ist derselbe als der Begründer der deutschen Kirche anzusehen. Es gab zwar, als Bonifacius kam, in Deutschland schon viele, die dem christlichen Glauben zugethan waren; aber sie waren noch nicht zu Gemeinden verbunden, auch fehlten ihnen Lehrer und Leiter. Bonifacius sammelte nun die Gläubigen zu Gemeinden und gab ihnen Bischöfe und Lehrer. Er sorgte aber auch dafür, daß den Gemeinden in der Zukunft nicht Leiter und Lehrer mangelten. Er legte Klöster an, wo Lehrer der Kirche gebildet wurden.

Das Epiphanienfest fällt immer auf den 6. Januar. - Es heißt auch Groß-Neujahr. Diese Benennung hat es daher erhalten, weil die Christen gegen das bürgerliche Neujahr, wegen der damit verbundenen weltlichen Lustbarkeiten am Sylvesterabende, einen Abscheu und Widerwillen hatten. Sie wollten durch diese Bezeichnung den Gegensatz ausdrücken, als sei dieses Fest das wahre Neujahrsfest. - Auch Fest der heiligen drei Könige wird es genannt, weil man schon in früheren Zeiten annahm, die Weisen aus dem Morgenlande seien drei Könige gewesen, wiewohl die Bibel weder von ihrer Zahl, noch ihrer Königswürde etwas meldet.

In manchen Jahren giebt es auch noch einen Sonntag nach Weihnachten und ebenso einen Sonntag nach Neujahr. Ersterer ist in den Jahren, in welchen der erste Weihnachtsfeiertag nicht auf einen Sonnabend oder Sonntag trifft, letzterer in den Jahren, in welchen das Neujahrsfest nicht an einem Sonntag, Montag oder Dienstag gefeiert wird.

Die Zahl der Sonntage nach Epiphanias ist nicht alle Jahre gleich groß. Sie beläuft sich mindestens auf zwei, höchstens auf sechs; je nachdem Ostern früher oder später fallen.

An den letzten Epiphaniensonntag schließen sich noch die drei Sonntage vor den Fasten an. Es sind dies: 1) der Sonntag Septuagesimae, d. h. der 70. Tag (und zwar vor Ostern); 2) der Sonntag Sexagesimae, d. h. der 60. Tag; 3) der Sonntag Quinquagesimae, d. h. der 50. Tag, er wird auch Estomihi genannt, Freilich sind diese Bezeichnungen ungenau. - Zum Andenken des vierzigtägigen Fastens Jesu, sowie seiner Leiden überhaupt, setzte die Kirche ein Fasten (d. h. ein Enthalten von Fleischspeisen und weltlichen Vergnügen) an. Es dauerte vom Aschermittwoch bis zum Osterfest. Mit Abrechnung der vom Fastengebote ausgenommenen Sonntage sind dies 40 Tage. Der Sonntag nach dem Aschermittwoch wurde nun auch der 40. Tag vor Ostern (Quadragesimae) genannt, der vorhergehende der 50. (Quinquagesimae) und so zurück die andern beiden der 60. (Sexagesimae) und der 70. Tag (Septuagesimae) geheißen. Die Zählung ist freilich ungenau, aber gebräuchlich geworden.

Der Osterfestkreis.

Das Hauptfest dieses Festkreises ist das Osterfest. Die Vorfeier ist die Leidenszeit (Passionszeit), auch Fastenzeit genannt. Die Nachfeier bilden die 40 Tage von Ostern bis zum Himmelfahrtsfeste. Sie heißen die 40 Tage der Freude.

Die Leidenszeit.

Die Leidenszeit umfaßt die sechs Wochen vor dem Osterfeste und beginnt mit dem Aschermittwoch. In früherer Zeit streute man sich an diesem Tage Asche aufs Haupt, als Zeichen der Buße, daher der Name Aschermittwoch. Der Tag vor dem Aschermittwoch heißt Fastnacht. - Die fremden Namen für die sechs Fastensonntage sind von den Anfangsworten der lateinischen Gebete hergenommen, welche in der alten Kirche für diese Sonntage bestimmt waren. Sie hießen:

  1. Invocavit , d. h. Er hat gerufen, nach Ps. 91, 15. Er ruft rc.
  2. Reminiscere , d. i. Gedenke, nach Ps. 25, 6. Gedenke Herr rc.
  3. Oculi , h. i. Die Augen, nach Ps. 25, 15. Meine Augen rc.
  4. Lätare , d. h. Freue dich, nach Jesaias 66, 10. Freuet euch mit rc.
  5. Judica , d. h. Richte, nach Ps. 43, 1. Richte mich Gott, und führe rc.
  6. Palmarum , d. h. Sonntag der Palmen, nach Joh. 12, 13. Nahmen sie Palmenzweige rc.

Der wichtigste Theil der Passionszeit ist die letzte Woche derselben, die Charwoche, Klagewoche, nach einem altdeutschen Worte charen, d. i. klagen. Auch Marter- und Leidenswoche wird sie genannt, weil Christus darin gemartert wurde und gelitten hat. Weil sie in der Christenheit still begangen wird, heißt sie auch stille Woche. In dieser Woche ist der Charfreitag oder stille Freitag, der Kreuzigungstag des Herrn. Der Tag vor dem stillen Freitag heißt der grüne Donnerstag. An diesem Tage setzte der Herr Jesus das heilige Abendmahl ein.

Der Name „Leidenszeit“ bezeichnet den Gegenstand dieser festlichen Zeit. Der Gegenstand ist das Leiden und Sterben des Heilandes. Die heilige Passionsgeschichte, welche in dieser Zeit in den Kirchen vorgelesen wird und von jedem Christen auch Daheim soll gelesen und betrachtet werden, erzählt wie Jesus Christus gelitten hat für uns und wie er gestorben ist für unsere Sünde. Jes. 53, 4-7. Fürwahr er trug unsere Krankheit rc. Der andere Name „Fastenzeit“ bezeichnet die Art und Weise der Feier dieser Zeit. Er sagt, wie die Kirche diese Zeit gefeiert hat und noch gefeiert haben will. - Im Gesetz des alten Bundes war das Fasten für den großen Versöhnungstag geboten. (3. Mose 23. 27.) Der Charfreitag, überhaupt die ganze Passionszeit entspricht dem Versöhnungstage des alten Bundes, darum hat die Kirche für diese Zeit das Fasten angeordnet. Das Fasten ist ein Zeichen tiefster Trauer, großen Leidetragens und großen Schmerzes. Wir sollen leidtragen über unsere Sünden, die dem Heilande sein bitteres Leiden und Sterben bereitet haben; aber wir sollen auch Gott mit Reue und Leid unsere Sünden bekennen, uns selbst verleugnen, daß wir nicht mehr der Sünde dienen, sondern allein dem Herrn, der für uns gestorben ist. Die christliche Obrigkeit duldet deshalb in der Leidenszeit auch nicht Lustbarkeiten und sinnliche Vergnügungen, alles soll an die große That mahnen, an den Tod Jesu Christi für die Sünde der Welt. - Ein gesetzliches Fasten findet sich in der evangelischen Kirche nicht, wohl aber in der römischen und griechischen. Mit welcher Stimmung wir die heilige Fastenzeit begehen sollen ist ausgesprochen in den vielen herrlichen Passionsliedern und zusammengefaßt in dem liturgischen Worte: Kyrie Eleison, d. h. Erbarme dich unser.

Das Osterfest.

Der Festgegenstand des Osterfestes ist die siegreiche Auferstehung Jesu Christi von den Todten, womit er sein Erlösungswerk vollendete. Wir bekennen unsern Glauben daran in den Worten des zweiten Artikels: „Am dritten Tage wieder auferstanden von den Todten.“ Daß Jesus Christus von den Todten auferstanden ist und uns das ewige Leben erworben hat, das ist der Glaubensgrund der christlichen Kirche. (I. Corinther 15, 17-22.) Das Evangelium für den ersten Osterfeiertag (Marcus 16, 1-8) erzählt uns die Auferstehung Jesu Christi.

Das Osterfest ist das wichtigste Fest der christlichen Kirche. Schon daraus, daß wir unsern wöchentlichen Festtag, den Sonntag, feiern, weil Christus an diesem Tage auferstanden ist. läßt sich die Wichtigkeit erkennen, die man dem Auferstehungsfeste beilegt; aber auch daraus, daß es, besonders in der katholischen Kirche, mit großen Feierlichkeiten begangen wird. - Ostern ist aber auch das größte Freudenfest, das Siegesfest der Kirche. (I. Corinth. 15 55 -57.) Die Osterfreude spricht sich aus in den Osterliedern und in dem liturgischen Worte für Ostern: Hallelujah, d. h. Gelobt sei Gott!

Ueber den Ursprung des Namens „Ostern“ sind die Ansichten getheilt. Am richtigsten ist wohl die Ableitung von dem Namen einer Göttin der alten Deutschen, der „Ostera“. Es war dies die Göttin des hereinbrechenden Lichtes und des neu erwachenden Frühlings und dieser wurde um die Zeit der Frühlingsnachtgleiche ein großes Fest gefeiert. Nach Abschaffung dieses heidnischen Festes sollen die Christen die Benennung auf das in eben diese Zeit fallende Auferstehungsfest des Heilandes übertragen haben und so soll der Name „Ostern“ entstanden sein2).

Die Zeit der Feier des Osterfestes ist der Frühling. Diese Zeit ist vorzüglich geeignet zur Feier dieses Festes. Im Frühling kommt ein neues Leben in die ganze Schöpfung. Alles wird durch das Licht der Sonne erweckt und wird mit frischen Kräften ausgerüstet. Dieses neue Leben der ganzen Creatur erinnert uns daran, daß der Heiland durch seine Auferstehung der ganzen Welt Licht und Leben gebracht hat und versinnbildlicht uns zugleich, wie unser verweslicher Leib einst zum ewigen Leben erstehen soll. (l. Corinth, 15, 42-44.)

Das Osterfest fällt nicht, wie das Weihnachtsfest, auf einen bestimmten Datum. Wir feiern Ostern stets am ersten Sonntage nach dem ersten Vollmonde nach Tag- und Nachtgleiche im Frühlinge. So kommt es nun, daß das Osterfest auf verschiedene Tage fällt. Der früheste Termin ist der 29. März, der späteste der 25. April. Von dem Eintreffen des Osterfestes hängt nun auch das Eintreffen der Feste Himmelfahrt, Pfingsten und Trinitatis ab. Die Feste, so nicht auf einen bestimmten Datum fallen, heißen bewegliche Feste, die aber an einem bestimmten Tage im Jahre gefeiert werden, heißen unbewegliche Feste (Weihnacht).

Das Osterfest wird bei uns und in vielen andern Staaten zwei Tage lang gefeiert. In früheren Zeiten war diese Feier eine dreitägige und vor Ende des 11. Jahrhunderts sogar eine achttägige. So lange das Fest achttägig gefeiert wurde, ward nur der Vormittag jedes Tages kirchlich begangen, an den Nachmittagen verrichtete man seine gewöhnlichen Berufs-Arbeiten.

Noch seien einige Ostergebräuche erwähnt. Wohl in den meisten Gegenden werden am Osterfeste Ostereier gekocht und, mit allerhand Farben, wohl auch mit Reimen und Sinnbildern bemalt, wechselseitig als Geschenk ausgetheilt. Es dürfte sich diese Sitte wohl auch, wie so manche andere unserer Sitten, aus dem Heidenthum herschreiben. Die heidnischen Römer feierten um die Zeil, wo unser Osterfest einfällt, ihr Eierfest, zu Ehren ihrer Götter Castor und Pollux. An diesem Feste liefen sie in einem großen eirunden Kreise um die Wette nach Eiern. Diesen Gebrauch nahmen sie als Christen in etwas veränderter Form mit hinüber auf das Osterfest. Auch finden sich noch jetzt in manchen Gegenden am Osterfeste Eierspiele. (In der Lausitz das sogenannte „Waleien.“)

Nicht so allgemein wie das Eierschenken am Osterfeste ist die Sitte des Osterwasserholens. - Das Osterwasser wird am Ostermorgen früh vor Sonnenaufgang unter tiefem Schweigen aus einem nahen Flusse geschöpft und sorgsam aufbewahrt. Man sagt, dieses Wasser sei unverweslich und habe die Kraft, das Gesicht und den Körper überhaupt von Flecken und Runzeln zu befreien und denselben frisch zu erhalten.

Die vierzig Tage der Freude

Die Nachfeier des Osterfestes sind die vierzig Tage der Freude, Es sind die Tage vom Oster- bis zum Himmelfahrtsfeste. Sie erinnern uns daran, daß Jesus Christus, nachdem er von den Todten auferstanden war, mit seinen Jüngern verkehrte, ihnen erschien und mit ihnen redete. Dadurch wurde in den Jüngern eine große Freude lebendig. Sie freuten sich, daß der Heiland, den sie für todt gehalten hatten, wieder lebte. Auch für alle Christen sind es Tage der Freude. Sie freuen sich der steten Gegenwart ihres Heilandes und gedenken besonders des Wortes ihres Herrn: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.“ (Matth. 28, 20.)

Die Namen der Sonntage nach Ostern sind meistens aus den ersten Worten des altkirchlichen liturgischen Gebetes an jedem Sonntage genommen. Es war dies Gebet ein lateinisches und fing mit einem Bibelsprüche an. Der „erste“ Sonntag heißt: „Quasimodogeniti“; d. h. „Seid von Neuem geboren;“ nach I. Petri 2. 2, Seid begierig nach der vernünftigen läutern Milch, als die jetzt gebornen (neugebornen) Kindlein. - Der Sonntag heißt auch der weiße Sonntag, weil die am Ostersonnabend getauften Katechumenen bis zu diesem Sonntage in weißen Kleidern gingen, wo sie dann als selbstständige Glieder in die christliche Kirche aufgenommen wurden.

Der „zweite“ Sonntag heißt: „Misericordias Domini“; d. h. die Barmherzigkeit (Gnade) des Herrn; nach Ps. 89, 2. Ich will singen von der Gnade des Herrn ewiglich.

Der „dritte“ Sonntag ist: „Jubilate“ d. i. Jauchzet; nach Ps. 66, 1-3. Jauchzet Gott alle Lande u.s.w.

Der „vierte“ Sonntag heißt: „Cantate“ d. h. Singet; nach Ps. 98. 1. Singet dem Herrn ein neues Lied rc.

Der „fünfte“ Sonntag ist „Rogate“ d. h. Bittet; nach Joh. 16,25. Bittet, so werdet ihr nehmen.

Der „sechste“ Sonntag (fällt schon in den Pfingstfestkreis) heißt: „Exaudi“ d. i. Erhöre; nach Ps. 27, 7. Herr höre meine Stimme rc.

Der Buß- und Bettag.

Am Mittwoch in der Jubilatewoche feiern wir (in Preußen) den Buß- und Bettag. Der Tag fordert uns zur Buße auf. Die Buße ist das erste und notwendigste Stück zur Führung eines christlichen Lebens. Johannes der Täufer und auch Jesus Christus traten ja mit der Predigt auf: Thut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Zur Buße gehören drei Stücke: Die Erkenntniß der Sünde, die Reue über die Sünde und das Bekenntniß der Sünde. Zur Erkenntniß unserer Sünde gelangen wir durch das Gesetz, welches uns dieselbe vorhält. Wir müssen erkennen, fühlen und wissen, daß wir Gottes Zorn und Ungnade, Tod und ewige Verdammniß durch unsere Sünde verdient haben. Wer das erkannt hat, wird dann auch Betrübniß, Trauer und Reue über seine Sünde empfinden. Diese Reue muß aber auch die rechte sein, die göttliche Traurigkeit, welche die Seligkeit wirket, wie Paulus sagt. Wer seine Sünde also erkennt und bereut, der wird sie auch Gott bekennen und ihn von Herzensgrund um Vergebung derselben bitten.

Wenn wir uns so abgekehrt haben von der Sünde und uns hingewendet haben zu Gott, dann haben wir Buße gethan. Unter Buße ist also die Abkehr von der Sünde und die Hinkehr zu Gott zu verstehen (Bekehrung). Kommt nun zu der Buße der wahre lebendige Glaube, so folgt daraus ein heiliges, gottgefälliges Leben, Ist der Christ zu solchem gottgefälligen Leben in Buße und Glauben gekommen, so ist er wiedergeboren. Die Wiedergeburt ist die Summa alles christlichen Lebens, zu welcher jeder Christ kommen soll.

Die christliche Kirche hat schon von Alters her Bußtage gefeiert, wir finden sie aber auch schon im alten Bunde. Der große Versöhnungstag, der alljährlich im alten Bunde gefeiert wurde, war ein Bußtag. Auch bei außerordentlichen Veranlassungen feierte das Volk des alten Bundes Bußtage. Es ist die Rede von einem solchen Bußtage I. Sam. 7, welcher zu Mizpa gefeiert wurde. Die katholische Kirche feierte früher vier Bußzeiten im Jahre. In der evangelischen Kirche wurden früher drei Bußtage gefeiert. Unter Friedrich dem Großen ist in Preußen die Zahl der Bußtage auf einen herabgesetzt worden. In der alten Kirche waren die Bußtage zugleich Fasttage.

Der Bußtag unterscheidet sich von allen andern Festen der festlichen Hälfte des Kirchenjahres wesentlich. Alle anderen Feste erinnern uns an eine bestimmte göttliche Offenbarung, geschehen zu unserer Erlösung, sie lenken unsern Blick nach außen, z. B. das Weihnachtsfest auf die Geburt des Heilandes; am Bußtage aber sollen wir unsern Blick in unser Herz hinein richten. Wir sollen uns klar werden, ob wir zu den göttlichen Offenbarungen die rechte Stellung einnehmen und ob wir wirklich durch dieselben erlöset sind.

Auf den ersten Blick könnte es scheinen, als ob die Zeit zur Feier des Bußtages, welche in die vierzig Tage der Freude fällt, nicht ganz angemessen sei, da der Bußtag doch Trauer und Betrübniß über unsere Sünden in uns erwecken soll. Der Gegensatz aber, in welchem anscheinend der Bußtag zu diesen Tagen der Freude steht, mildert sich bedeutend, wenn wir bedenken, daß der Christ, wenn er Traurigkeit über seine Sünde fühlt, zugleich Wohlgefallen und Freude an Gott haben kann und haben soll. Auch sind ja die rechte göttliche Traurigkeit und die rechte christliche Freude nicht so gar verschieden.

Die Stimmung, welche das Herz eines Christen am Bußtage erfüllen soll, findet Ausdruck in den Bußliedern der Kirche. Wie: „Herr, ich habe mißgehandelt“ rc., .Aus tiefer Noth schrei ich zu dir„ rc., „Straf mich nicht in deinem Zorn“ rc.

Der Pfingstfestkreis.

Wie uns die beiden anderen Festkreise den Herrn in seinem Erdenleben zeigen, so stellt uns der Pfingstfestkreis den Heiland als den in den Himmel Erhobenen dar, wie er sitzet in seiner Herrlichkeit zur rechten Hand Gottes, wie er seine Verheißungen erfüllt und den Tröster, den heiligen Geist sendet, wie er seine Gemeinde, seinen Leib, als Haupt regiert.

Das Hauptfest dieses Festkreises ist das Pfingstfest. Die Vorfeier sind die zehn Tage vom Himmelfahrtsfeste bis zum Pfingstfeste, welche die Wartezeit heißen; auch kann man das Himmelfahrtsfest mit zu dieser Vorfeier rechnen, weil mit der Himmelfahrt Jesu Leben in der Herrlichkeit beginnt. Die Nachfeier bildet das Trinitatisfest, auch könnte man füglich die ganze Trinitatiszeit als Nachfeier des Pfingstfestes ansehen, doch ihrer Länge und Bedeutung wegen, hat man sie die festlose Hälfte des Kirchenjahres genannt.

Das Himmelfahrtsfest.

Der Festgegenstand des Himmelfahrtsfestes ist die Himmelfahrt unseres Herrn Jesu Christi, durch welche er zur himmlischen Herrlichkeit erhöht wurde. Unsern Glauben daran bekennen wir in den Worten des zweiten Artikels: „Aufgefahren gen Himmel, sitzet zur rechten Hand Gottes.“ - Die Himmelfahrt Jesu Christi giebt unserer Hoffnung die Gewißheit, daß auch wir einst in den Himmel kommen werden, wohin der Heiland vorangegangen ist, uns die Stätte zu bereiten (Joh. 14, 2). Diese Hoffnung ist in dem Liede: „Auf Christi Himmelfahrt allein u.s.w.“ in folgenden Worten ausgesprochen: „Denn, weil das Haupt im Himmel ist, wird seine Glieder Jesus Christ zur rechten Zeit nachholen.“

Im Festevangelium (Marc. 16, 14-20) ist erzählt, wie der Herr seinen Jüngern den Auftrag giebt zu predigen und zu taufen (Marc. 16, 15 u. 16). Die Himmelfahrt des Herrn ist nur mit den Worten erwähnt: „Und der Herr, nachdem er mit ihnen geredet hatte, ward er aufgehoben gen Himmel und sitzet zur rechten Hand Gottes“ (Marc. 16, 19). Die Festepistel (Apostelgesch. 1, 1-11) erzählt die Geschichte der Himmelfahrt des Herrn umständlicher.

Das Himmelfahrtsfest wird am vierzigsten Tage nach Ostern gefeiert, das ist am Donnerstag nach dem Sonntage „Rogate“ Der vierzigste Tag nach Ostern ist deshalb gewählt worden, weil Lucas (Apostelg. 1,3) berichtet: Der Herr ließ sich sehen unter seinen Jüngern vierzig Tage lang.

Erst seit Ende des vierten Jahrhunderts wird das Himmelfahrtsfest besonders gefeiert. Früher vereinigte sich seine Feier mit der der fünfzig Tage zwischen Ostern und Pfingsten, welche allesammt Festtage waren.

Die Stimmung, in welcher ein Christenherz sich am Himmelfahrtsfeste befindet, hat Ausdruck gefunden in den schönen Himmelfahrtsliedern der Kirche: „Ach wundergroßer Siegesheld“ rc., „Auf Christi Himmelfahrt allein“ rc. und in andern schönen Liedern.

Die Wartezeit.

Die zehn Tage vom Himmelfahrts- bis zum Pfingstfeste heißen die Wartezeit. Sie werden deshalb so genannt, weil die Jünger in dieser Zeit auf den heiligen Geist warteten. Christus befahl ihnen kurz vor seiner Himmelfahrt, daß sie nicht von Jerusalem wichen, sondern warteten auf die Verheißung des Vaters (Apostelgesch. 1, 4). Auch für die Kirche sind diese Tage eine Wartezeit auf den heiligen Geist. Der Herr will ja auch heut noch denen seinen heiligen Geist senden, die ihn darum bitten. - In ihrer Bedeutung ist die Wartezeit mit der Adventszeit zu vergleichen. Die Adventszeit ist eine Wartezeit auf den Heiland, an dessen Geburt, geschehen zur Erlösung der Menschen, uns das Weihnachtsfest erinnert. Die zehn Tage vor Pfingsten sind eine Wartezeit auf den heiligen Geist, welchen der Heiland zur Heiligung in unsere Herzen senden will. In die Wartezeit fällt der sechste Sonntag nach Ostern, Exaudi. In dem Evangelium dieses Sonntages redet der Heiland von dem Tröster, dem Geist der Wahrheit, welcher vom Vater ausgehet, den er den Seinen senden will.

Das Pfingstfest.

Der Gegenstand der Pfingstfestfeier ist die Ausgießung des Heiligen Geistes über die Apostel. Während sonst das Festevangelium das Ereigniß erzählt, welches den Festgegenstand bildet, ist hier, abweichend von der Regel, dasselbe in der Festepistel enthalten (Apostelgesch. 2, 1-13). Im Evangelium redet der Heiland von dem Tröster, dem heiligen Geist, in welchem er wiederkommen wird zu den Seinen. Das Evangelium ist aus den letzten Reden des Herrn vor seinem Leiden entnommen. - Die Ausgießung des Heiligen Geistes geschah unter hörbaren und sichtbaren Zeichen (Brausen vom Himmel, Feuerzungen). Durch die Wirkung und in der Kraft des Heiligen Geistes fingen die Jünger an zu predigen mit andern Zungen (d. h. in fremden Sprachen), nachdem ihnen der Geist gab auszusprechen. Sie redeten von den großen Thaten Gottes, vollbracht durch Jesum Christum zur Erlösung der Welt, Besonders verherrlicht Petrus in seiner Rede diese Thaten seines Herrn. Zuerst weist er die zusammengeströmte Menge auf eine Weissagung des Propheten Joel hin und redet dann weiter, wie Christus gelitten hat, wie er gestorben, auferstanden und erhöhet ist und nun seinen heiligen Geist gesendet hat. In Folge dieser Rede des Petrus ließen sich bei 2000 Seelen taufen und so wurde die erste christliche Gemeinde, die christliche Kirche gegründet. Obgleich es schon früher Bekenner des Herrn gab, so gab es doch noch keine christliche Gemeinde, diese mußte erst aus dem Judenthume sichtbar heraustreten und dies geschah am Tage der Ausgießung des Heiligen Geistes. So erinnert uns das Pfingstfest neben der Ausgießung des Heiligen Geistes auch noch an die Gründung der christlichen Kirche. - Die Christenheit bekennt ihren Glauben an den heiligen Geist und die christliche Kirche in den Worten des dritten Artikels: „Ich glaube an den heiligen Geist, eine heilige, christliche Kirche.“ - Die Feststimmung, welche das Herz eines wahren Christen am Pfingstfeste erfüllt, hat in den schönen Pfingstliedern der Kirche Ausdruck gefunden. Solche sind: „O heil'ger Geist, kehr' bei uns ein“ rc., „Nun bitten wir den heiligen Geist“ rc., „Komm' heil'ger Geist, Herre Gott!“ rc. u. a.

Der Name Pfingsten kommt von dem griechischen Worte Pentekoste her. Dieses Wort heißt soviel als fünfzig. Das Fest erhielt diesen Namen, weil es den fünfzigsten Tag nach Ostern fällt. Schon die Juden feierten ein Pfingstfest. Das jüdische Pfingstfest erinnerte an die Gesetzgebung auf Sinai und war zugleich ein Erntefest, an welchem man dem Herrn als Dank die Erstlingsgarben darbrachte. An einem jüdischen Pfingstfeste geschah die Ausgießung des Heiligen Geistes (Apostelgesch. 2, 1). Daß dieselbe an einem Hauptfeste der Juden stattfand, war von besonderer Wichtigkeit. Zu den Hauptfesten kamen die damals schon in aller Herrn Länder zerstreuten Juden nach Jerusalem, und so kam es. daß Bewohner vieler Länder Zeugen des Pfingstwunders waren, wie wir dies Apostelgesch. 2, 9-11 lesen. Deshalb ist auch wohl anzunehmen, daß die Kunde dieses Wunders bald eine weite Verbreitung fand.

Die erste Feier des christlichen Pfingstfestes ging wahrscheinlich von den Judenchristen aus und ist jedenfalls der Ursprung derselben aus dem jüdischen Pfingstfeste abzuleiten. Ob dieselbe von eben so hohem Alter ist, wie die des Osterfestes, welche schon zur Zeit der Apostel stattgefunden haben soll, ist nicht erwiesen. Sichere Spuren von einer allgemeineren Feier des christlichen Pfingstfestes finden sich erst zu Ende des vierten Jahrhunderts. Anfänglich feierten die Christen das Fest nur einen Tag, wie die Juden ihr Pfingstfest; aber später dehnte sich die Feier bis auf sieben Tage aus, bis sie im Jahre 1094 auf drei Tage beschränkt wurde. (Zugleich mit der des Osterfestes) In diesem Jahrhundert ist nun in mehreren protestantischen Ländern noch ein Tag hinweggethan worden, und so ist die Feier jetzt eine zweitägige.

Gebräuche. Schon von frühester Zeit her haben sich an die Feier der Feste äußerliche Gebräuche und sinnliche Lustbarkeiten geknüpft, welche letztere leider oft den Menschen den Segen der Festfeier zu rauben geeignet sind. Zu diesen alten Pfingstgebräuchen sind namentlich die Pfingstmaien und das Pfingstschießen zu zählen.

Die Pfingstmaien. Schon in frühester Zeit war es allgemein christliche Sitte. Wohnhäuser und Fenster am Pfingstfeste mit Blumen und grünen Zweigen, besonders von weißen Birken (Maien), zu schmücken. Späterhin, als man im Besitze von Gotteshäusern war, fand diese Sitte auch auf die Kirchen Anwendung, wozu nicht unwahrscheinlich die Worte Psalm 118, 27: „Schmückt das Fest mit Maien“ Veranlassung gegeben haben mögen. Zu Ende des eilften Jahrhunderts war es schon ganz allgemein Sitte, die Kirche am Pfingstfeste mit grünen Zweigen zu zieren und ging dieser Brauch auch theilweise auf die protestantische Kirche über. - Sieht man auf den Ursprung des Gebrauchs der Maien, so ist derselbe unstreitig aus dem Juden- und Heidenthume abzuleiten. Bei den Juden war es ganz allgemein üblich, an ihrem Pfingstfeste Tempel und Schulen von innen und außen, selbst die Straßen und Häuser ihres Wohnortes mit grünen Zweigen und duftenden Blumen zu schmücken. Die Heiden aber feierten um die Zeit unseres Pfingstfestes das Fest ihrer Göttin „Maja“, von welcher der Maimonat und die Weißbirke (Maie) ihren Namen erhalten haben. Dieser Göttin zu Ehren wurden Spiele und Tänze unter grünen Bäumen veranstaltet, die Wohnungen aber wurden mit grünem Laubwerke geziert. Mit der Zeit haben sich nun diese ursprünglich jüdischen und heidnischen Festgebräuche auf das christliche Pfingstfest übertragen.

Das Pfingstschießen, welches in der Pfingstwoche oder bald nachher an vielen Orten stattfindet, ist ebenfalls ein ursprünglich heidnisches Vergnügen. Ursprünglich war es ein Vogelschießen, welches es jetzt noch in manchen Orten ist. Als öffentliches Volksvergnügen wurde es zuerst im Jahre 1286 vom Herzoge Bogislav zu Schweidnitz angeordnet. Mit der Zeit ist es an vielen Orten Deutschlands Sitte geworden und haben sich nach und nach die noch jetzt bestehenden Schützengesellschaften gebildet. Vor der Erfindung des Feuergewehres schoß man mit der Armbrust; nachdem aber das Feuergewehr in Gebrauch kam, wurde aus dem Vogelschießen allmählich ein Scheibenschießen. - Die Heiden veranstalteten an dem schon erwähnten Majafeste Stechkampfspiele; da nun das Vogelschießen sowohl, als auch das Scheibenschießen, als Kampfspiele zu betrachten sind, so läßt sich wohl mit voller Gewißheit annehmen, daß dieselben an die Stelle der heidnischen Stechkampfspiele getreten sind.

Das Trinitatisfest.

Das Trinitatisfest fällt acht Tage nach Pfingsten. Es ist das Fest der heiligen Dreieinigkeit. Der Name Trinitatis kommt her von dem lateinischen Worte Trinitas, d. h. Dreieinigkeit. Das Trinitatisfest hat nicht, wie die andern Feste eine bestimmte Thatsache der göttlichen Offenbarung zur Grundlage, sondern es erinnert an die Vollendung der Offenbarungen Gottes, welche zur Erlösung der Welt geschehen sind. Gott hat sich zuerst offenbaret als Gott der Vater, der ewig von sich selbst das Leben hat, der dem Sohne gegeben hat, zu haben das Leben in ihm selber und der alle Dinge geschaffen hat (Epheser 1, 3; I. Corinth. 8, 6). Das Werk Gottes des Vaters wird Schöpfung genannt. Die Kirche bekennt ihren Glauben an dieses Werk des Vaters im ersten Artikel des christlichen Glaubens. - Gott hat sich aber auch offenbaret als Gott der Sohn, der von Ewigkeit her bei dem Vater war, gleicher Gott von Macht und Ehren, der aber auf die Erde gekommen ist, um uns verlorne und verdammte Menschen mit seinem heiligen theuren Blute und mit seinem unschuldigen Leiden und Sterben von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels zu erlösen. Das Werk des Sohnes heißt Erlösung. Ihren Glauben daran bekennt die Kirche im zweiten Artikel. - Gott hat sich zuletzt ferner offenbaret als Gott der Heilige Geist. Der Heilige Geist ist Gott, der in uns wohnet, waltet und wirket, und uns, die wir nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesum Christum glauben oder zu ihm kommen können, berufet, sammelt, erleuchtet und bei Jesu Christo erhält im rechten einigen Glauben. Von dem Werke des Heiligen Geistes, der Heiligung, handelt der dritte Artikel des christlichen Glaubens. Mit der Ausgießung des Heiligen Geistes haben die persönlichen Offenbarungen Gottes aufgehört; denn damit hatte Alles, was Gott zur Erlösung der Menschen beschlossen. seinen Abschluß gefunden. Jetzt offenbaret sich Gott nur noch durch sein Regiment der ganzen Welt, in der Führung des Einzelnen sowohl als auch in der Leitung ganzer Völker.

Das Trinitatisfest ist eins von den jüngsten Festen der Kirche; denn es wird erst seit dem vierzehnten Jahrhundert gefeiert. Die alte Kirche feierte acht Tage nach Pfingsten das Fest der Heiligen. In der griechischen Kirche ist dies noch heut der Fall, die römische Kirche aber hat ihr Fest der Heiligen auf den 1. November verlegt und feiert am Sonntage nach Pfingsten, wie die evangelische Kirche, das Trinitatisfest. Die griechische Kirche kennt das Trinitatisfest nicht, während die evangelische Kirche kein Fest der Heiligen feiert. Die Perikopen des Trinitatisfestes sind ursprünglich für das Fest der Heiligen bestimmt, für welches sich dieselben auch mehr eignen, als für das Trinitatisfest; denn weder das Evangelium noch die Epistel handelt von der Dreieinigkeit. Im Evangelium (Joh. 3, 1-15) ist die Rede von der Wiedergeburt; die Epistel aber (Rom. 11, 33-36) handelt von der Weisheit Gottes bei Regierung der Menschen.

Die Feier des Trinitatisfestes ist gewissermaßen eine Zusammenfassung der Feier der drei Hauptfeste; deshalb hat man auch dem Feste seine Stellung im Kirchenjahre nach den drei Hauptfesten gegeben.

II. Die festlose Hälfte des Kirchenjahres.

Die festlose Hälfte umfaßt die Zeit vom Trinitatisfeste bis zum letzten Trinitatissonntage, an welchem das Todtenfest gefeiert wird. Man hat diese Zeit die festlose genannt, weil in derselben keines der christlichen Hauptfeste gefeiert wird, sondern nur einige sogenannte kleine Feste. - In der festlichen Hälfte des Kirchenjahres feiern wir alle unsere Hauptfeste, in der festlosen aber keines derselben. Schon daraus läßt sich schließen, daß jede Hälfte eine besondere Bedeutung hat. Die festliche Hälfte führt uns die Offenbarungen Gottes, durch Jesum Christum geschehen, von Anfang bis zu Ende vor. Das ganze Leben des Heilandes, erzählt in den Sonn- und Festtags-Evangelien, geht von seiner Geburt bis zu seinem letzten Werke als Erlöser, welches die Sendung des Heiligen Geistes ist, in der festlichen Hälfte an unserer Seele vorüber. Der Gegenstand der festlichen Hälfte des Kirchenjahres ist das Leben unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi. - Die festlose Hälfte des Kirchenjahres erinnert uns daran, was durch Christi Lehre, Leben und Wirken entstanden ist. Das ist das Reich Jesu Christi, die christliche Kirche. Die Perikopen dieser Zeit beziehen sich daher auch auf die Gründung, die Entwickelung und die Vollendung der Kirche Christi. Auf die Gründung des Reiches Christi hat schon die Epistel für den ersten Pfingstfeiertag Bezug. Sie erzählt die Gründung der Kirche als sichtbares Reich Jesu Christi auf Erden. Aber auch in jedem einzelnen Menschen muß das Reich Gottes gegründet werden, das geschieht dadurch, daß der Heilige Geist ein neues Leben in uns wirkt und schafft. Die Notwendigkeit dieser Erneuerung durch den Geist Gottes (Wiedergeburt) zeigt das Evangelium für das Trinitatisfest. Ferner führen uns die Perikopen die Entwickelung des Reiches Gottes vor. Das Reich Gottes entwickelt sich unter stetem Kampf mit dem Bösen. In diesem Kampfe nur kann es innerlich stark und nach außen verbreitet werden. Die Perikopen zeigen uns die Bedingungen, unter welchen wir rechte Glieder der Kirche und wackere Kämpfer in dem Streite werden können, der der Kirche verordnet ist. Endlich beziehen sich die Perikopen aber auch auf die Vollendung des Reiches Gottes (besonders die der letzten Trinitatissonntage), welche dann stattfinden wird, wenn Jesus Christus zum Weltgerichte kommt. Dann wird aus der streitenden Kirche hienieden eine ewig triumphierende Kirche im Himmel werden.

Alle Sonntage in der festlosen Zeit des Kirchenjahres heißen Sonntage nach Trinitatis. Die Zahl dieser Sonntage ist in verschiedenen Jahren verschieben; sie beläuft sich nie über 27 und ist nie geringer als 23. Fallen Ostern zeitig, so haben wir mehr Trinitatissonntage als wenn Ostern später gefeiert werden.

Die kleinen Feste, welche in der festlosen Hälfte des Kirchenjahre- noch allgemein gefeiert werden, sind das Reformationsfest, das Erntedankfest und das Todtenfest. Außer diesen Festen werden in manchen Gegenden noch die Marientage (deren zwei in die festliche Hälfte des Kirchenjahres fallen), das Johannisfest und das Michaelisfest gefeiert.

Das Reformationsfest.

Reformation bedeutet Kirchenverbesserung, oder: Wiederherstellung der verdorbenen Kirche in ihrer ursprünglichen Reinheit. Die Kirche unsers Herrn Jesu Christi, welche im Anfange so schön geblüht und Früchte für Zeit und Ewigkeit getragen hatte, war im Laufe der Zeiten durch der Menschen Schuld entstellt und verdorben worden. Alles Verderben bestand hauptsächlich darin, daß die heilige, von Gott eingegebene Schrift nicht mehr als alleinige Quelle der Heilslehre betrachtet wurde und die sündigen Menschen nicht allein in dem Glauben an den gekreuzigten Heiland ihre Gerechtigkeit suchten. Auch auf Menschenwort, das durch die Ueberlieferung (Tradition) auf die späteren Geschlechter gekommen war, gründete man die Lehren der Kirche, und die Christenheit suchte sich die Gerechtigkeit durch eigene gute Werke zu verdienen. Die Kirche lehrte: Der Mensch muß durch seine guten Werke seine Sünden tilgen und sich den Himmel verdienen. Für besonders verdienstlich galt es, wenn man für Geld von den Priestern Messe lesen ließ oder päpstlichen Ablaß kaufte. Die Sendlinge des Papstes gingen in alle Welt aus und verkauften Ablaßbriefe, die von allen, auch den greulichsten Sünden lossprachen. Dazu kam noch, daß die, so Vorbilder der Heerde sein sollten, der Papst und die Geistlichen, in der Regel den schlechtesten Wandel führten und so dem Volke ein böses Beispiel gaben. Trat hin und wieder ein von Gott erleuchteter Mann gegen das allgemeine Verderben auf, so wurde er von der übermächtigen Geistlichkeit vertilgt. So starb Johann Huß, Lehrer der Theologie (Gottesgelahrtheit) an der Universität zu Prag im Jahre 1415 zu Costnitz den Feuertod. Zu dieser Strafe hatte ihn die Kirchenversammlung zu Costnitz verurtheilt, und doch hatte er weiter nichts gethan, als in seinen Lehren das Verderben der Kirche aufgedeckt und auf dessen Abstellung gedrungen. Aber der Herr erweckte sich immer wieder neue Zeugen der Wahrheit. Um das Jahr 1517 ließ der Papst wiederum von Neuem Ablaßbriefe in der ganzen Christenheit verkaufen. Ein Mönch Namens Johann Tetzel durchzog Sachsen, um auch daselbst Ablaßbriefe abzusetzen und kam auch in die Nähe Wittenbergs, wo Dr. Martin Luther Lehrer an der Universität war Luther konnte diesen scheußlichen Handel nicht länger mit ansehen und schlug am 31. Oktober 1517 95 Thesen (Sätze) gegen den Ablaß an die Schloßkirche zu Wittenberg an und forderte Jedermann auf, entweder schriftlich oder mündlich seine Einwendungen gegen diese Sätze vorzubringen. Diese That Luthers bezeichnet eigentlich den Anfang der Reformation. Durch Luther und andere treue Knechte Gottes, die Luther beistanden, ist es mit Gottes Gnade dahin gekommen, daß aus der verderbten Kirche unsere theure evangelische Kirche, freilich unter vielen Kämpfen, hervorging. Zum Andenken an das Werk der Reformation feiern wir das Reformationsfest am 31. October, dem Tage, an welchem Luther durch das Anschlagen seiner Sätze dieses Werk begann. An diesem Feste danken wir Gott, für die Wiederherstellung der reinen evangelischen Lehre, wie sie in der heiligen Schrift enthalten ist. In vielen Gemeinden hat man jetzt das Reformationsfest auf den Sonntag nach dem 31. October verlegt.

Das Erntedankfest.

Das Erntedankfest wird an einem Sonntage nach beendeter Ernte gefeiert. In den meisten Gemeinden begeht man es am Sonntage nach Michaeli, doch in manchen wird es auch auf einen andern Sonntag gelegt.

Das Erntedankfest ist ein Tag des Dankes und der Freude. Wir danken Gott an diesem Tage für die Gaben, die wir durch die Ernte aus seiner milden Vaterhand empfangen haben und freuen uns seiner großen Güte. Wenn der Christ sich der Güte seines Gottes auch alle Tage freuet, so geschieht dies doch vornehmlich am Erntedankfeste. Aber nicht blos Freude soll das Erntedankfest in uns wecken, sondern auch Betrübniß über unsere Sünde und Unwürdigkeit, da wir doch die Gaben, mit denen uns Gott gesegnet hat, nicht verdienet haben. Wir müssen bekennen, daß wir Alles aus lauter väterlicher Güte, ohne all unser Verdienst und Würdigkeit empfangen haben. - Lieder, welche der Feststimmung am Erntedankfeste Ausdruck geben und an diesem Feste vielfach gesungen werden, sind: „Nun danket alle Gott“ rc., „Ich singe dir mit Herz und Mund“ rc.

Das Todtenfest.

Das Todtenfest wird am letzten Trinitatissonntage gefeiert und bildet so eigentlich den Schluß des Kirchenjahres. Schon durch diese seine Stellung im Kirchenjahre weiset es auf seine Bedeutung hin. Die Kirche gedenkt am Todtenfeste an das Ziel des Kampfes und an ihre Vollendung auf Erden. Zunächst erinnert das Todtenfest freilich auch an alle Die, so im Laufe des Jahres zur ewigen Ruhe eingingen, und ein Jeder gedenkt der Verstorbenen von den Seinen; aber es weiset auch Jeden auf sein eigenes Ende hin. Es ist ein Fest des tiefsten Ernstes und der Trauer, das uns mächtig mahnt, unser Herz zu bestellen und uns zum Sterben zu bereiten. Aber das Todtenfest ist wiederum auch ein Fest der Freude. Mit Freude müssen wir erfüllet werden, wenn wir gedenken der Herrlichkeit, die Gott bereitet hat Denen, die im Herrn entschlafen sind. Aber auch für die ganze christliche Kirche ist es ein Fest der Freude. Mit Freuden denkt sie an das Ende des Kampfes und Streites, den sie auf dieser Erde zu führen hat und hoffet freudig der Herrlichkeit, die Gott nach ihrer siegreichen Vollendung geben wird. Durch diese Hoffnung wird sie von Neuem gestärkt muthig zu kämpfen und auszuharren bis ans Ende, wo die streitende Kirche eine triumphierende Kirche werden wird. - Als Evangelium am Todtenfeste ist die Auferweckung des Lazarus (Ev. Joh. 11.) bestimmt, doch häufig nimmt man auch das Evangelium des Trinitatissonntages, auf den das Todtenfest fällt. Als Epistel nimmt man auch wohl die Sterbeepistel (1. Thessal. 4. 13-18). Lieder, die am Todtenfeste sehr oft gesungen werden, sind: „Alle Menschen müssen sterben“ rc. - „Wenn mein Stündlein vorhanden ist“ rc. - „Wachet auf. ruft uns die Stimme“, rc. - „Es ist gewißlich an der Zeit“ rc. - Auch an die Worte des zweiten Artikels: „Von dannen er kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Todten,“ erinnert uns das Todtenfest. - Das Todtenfest ist von Friedrich Wilhelm III. angeordnet und wird erst seit 1817 gefeiert. -

Die Marientage

Die Marientage sind dem Andenken der Maria, der Mutter des Heilandes geweiht. Während man in den ersten vier Jahrhunderten von einem Mariendienste noch nichts wußte, fing man im folgenden Jahrhundert an, die Maria als heilige Mutter Gottes zu verehren. Sowohl in der römischen als auch in der griechischen Kirche wurde der Mariendienst in jedem Jahrhunderte ein ausgedehnterer und es mehrten sich die Marienfeste mit der Zeit. Nur die Feste der Reinigung, der Verkündigung und der Heimsuchung der Maria wurden von den Reformatoren beibehalten, weil sich für dieselben immer noch ein biblischer Grund nachweisen läßt. Die protestantische Kirche hat überhaupt immer als Grundsatz festgehalten, daß die Marientage nicht Feste zur Verehrung der Maria, sondern zur Verherrlichung der Ehre des dreieinigen Gottes sind. Die oben erwähnten drei Marienfeste werden von der evangelischen Kirche nicht allgemein begangen, sondern nur von einzelnen Gemeinden, und vornehmlich in der Niederlausitz und im Königreich Sachsen, als sogenannte halbe Feiertage gehalten.

  1. Das Fest der Verkündigung Maria. Die biblische Grundlage für dieses Fest finden wir Lucas 1, 26-38, welcher Schriftabschnitt als Evangelium desselben gewählt ist. Er erzählt uns von dem Besuche des Engels Gabriel bei der Maria, wo er ihr verkündete, daß sie die Mutter des Heilandes werden sollte. - Man hat dies Fest auf den 25. März gelegt, so fällt es neun Monate vor dem Geburtsfeste des Herrn. Fällt der 25. März aber in die Charwoche, so verlegt die evangelische Kirche dies Fest zurück auf den Palmsonntag.
  2. Mariä Heimsuchung wird wegen der evangelischen Geschichte, Lucas 1, 39-56, gefeiert. Dieser Schriftabschnitt erzählt uns von dem Besuche der Maria bei ihrer Freundin Elisabeth und enthält zugleich den herrlichen Lobgesang der Maria. Maria war das Herz so voll von dem, was ihr der Engel gesagt hatte, deshalb mußte sie hingehen und es ausschütten vor ihrer Freundin Elisabeth, auf die sie ja der Engel selbst hingewiesen hatte. Die Freude ist groß, als sich die beiden Frauen sehen. Elisabeth preiset die Maria selig um ihres Glaubens willen und Marias Herzen entquillt der schon erwähnte Lobgesang (Lucas 1, 46-55). Erst im 14. Jahrhundert ward dieses Fest gestiftet; es fällt auf den 2. Juli.
  3. Maria Reinigung. (Darstellung Jesu.) Nach dem alttestamentlichen Gesetze mußte eine Mutter, die ein Knäblein geboren hatte, sieben Tage bis zur Beschneidung und dann noch dreiunddreißig Tage daheim bleiben (3. Mos. 12, 2-4). In dieser Zeit durfte sie nichts Heiliges anrühren und auch nicht ins Heiligthum kommen, weil sie für unrein galt. Nach Ablauf dieser vierzig Tage mußte sie in den Tempel gehen und zu ihrer Reinigung ein Brandopfer und ein Sündopfer darbringen, die für Aermere in einem Paar Turteltauben oder zwei jungen Tauben bestanden, welche Opfer Maria auch brachte. - Der erstgeborne Sohn mußte dem Herrn dargestellt und entweder zu seinem Dienste geheiliget (weil der Herr die Erstgeburt der Kinder Israel in Egypten verschonet halte), oder von den Leviten, die der Herr als Diener am Heiligthum für die Erstgeburt angenommen hatte, gelöst werden. - Die Reinigung der Maria und die Darstellung des Herrn Jesu, woran uns das in Rede stehende Fest erinnert, erzählt uns das Evangelium für diesen Tag (Lucas 2, 22-32). Weil die Darstellung des Herrn etwa sechs Wochen nach Weihnachten geschähe, hat man das Fest auch so lange nach dem Weihnachtsfeste, auf den 2. Februar, festgesetzt. Es führt auch den Namen „Lichtmeß“, weil an diesem Tage in der römisch-katholischen Kirche während der Messe die Wachskerzen und Lichte, so das Jahr über in der Kirche gebraucht werden, durch Besprengung mit Weihwasser geweiht werden.
Das Johannisfest.

Das Fest ist das Geburtsfest Johannes des Täufers. Man hat es auf den 24. Juni festgesetzt. Weil nach Lucas I, 36 Johannes sechs Monate früher geboren wurde als Jesus, feiert man auch das Geburtsfest des Johannes sechs Monate früher, als das Geburtsfest des Herrn Jesu, das Weihnachtsfest. - Schon im fünften Jahrhundert wurde das Johannisfest gefeiert und von der alten Kirche als ein hohes Fest begangen. Die evangelische Kirche feiert es nicht allgemein. In den Gemeinden, wo es noch gefeiert wird, gilt es meist als halber Festtag, an welchem Vormittag Gottesdienst gehalten wird, während am Nachmittage Jedermann seiner Arbeit und seinem Geschäfte nachgeht.

So wie an die meisten andern Feste knüpfen sich auch an das Johannisfest alte Volksgebräuche. Es sei nur das Johannisfeuer erwähnt. In manchen Gegenden zündet man am Johannistage oder wohl auch schon Tags zuvor auf hohen Bergen Feuer an, die unter Jubel umtanzt werden. - Schon tausend Jahre vor Christi Geburt wurden an diesem Tage der Sonne zu Ehren von den Heiden Feuer angezündet, weil die Sonnenwende da fällt. Die Christen gaben diesen Feuern eine christliche Bedeutung und nannten sie Johannisfeuer. Sie sollen an den Herrn Jesus, das Licht der Welt und an seinen Vorläufer, den Johannes, erinnern. Auch denkt man wohl dabei an Johannis 5, 35. Er (Johannes) um ein brennend und scheinend Licht.

Das Michaelisfest.

Das Michaelisfest wurde schon im fünften Jahrhundert gefeiert und seine Feier im neunten auf den 29. September festgesetzt. Es wird von der evangelischen Kirche nicht allgemein, sondern nur in manchen Gegenden als halber Feiertag begangen. Das Fest heißt auch das Engelsfest und erinnert uns an die Gemeinschaft der Engel mit den Menschen, des unsichtbaren Gottesreiches mit dem sichtbaren. Da nach christlicher Anschauung die Engel oder Schutzgeister, besonders der Kinder (Matth. 18, 10), angesehen werden, so hat man das Fest auch wohl Kinderfest genannt. Festzuhalten ist aber, daß die evangelische Kirche das Fest nicht zur Verehrung der Engel begeht, sondern zur Verehrung Gottes, als Schöpfer auch höherer Wesen, als wir Menschen es sind. - Die Epistel des Michaelistages (Offenb. Joh. 12, 7 - 12) redet vom Kampfe des Engels Michael mit dem Drachen (Teufel), in welchem Kampfe der Drache überwunden wurde. Im Evangelium (Matth. 18, 1-11) redet der Herr Jesus vom Kindersinne, der die Seinen zieren soll und warnt vor Aergerniß und Verachtung der Kleinen.

1)
Die morgenländische Kirche feiert es als Tauffest Christi und meint, es heißt Erscheinungsfest, weil bei der Taufe Jesu die Dreieinigkeit erschienen sei. (Jesus, Stimme vom Himmel, h. Geist).
2)
Man hat den Namen auch ableiten wollen von dem latein. ostia oder hostia d, h. Opfer, insofern Christus für unsere Sünde geopfert ist; oder auch von ostium, die Thür, weil Ostern sonst den Eingang des Kirchenjahres bildete. Andere wollen auch die Ableitung von dem altdeutschen Worte „Ursten“ (Urständ), d. h. Auferstehung, für die richtige gehalten haben.
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